Zusammenfassung
Es gibt mehrere Aspekte, die — bei einer Analyse organisatorischer Lernprozesse — im Rahmen einer Betrachtung des Verhaltens berücksichtigt werden müssen. Erstens ist zu begründen, weshalb das Verhalten eigentlich eine Rolle spielt, wo es hier doch um Lernprozesse geht. Zweitens: nicht jedes Verhalten ist gleichermaßen wichtig im Zusammenhang mit OL. Deswegen müssen die OL-relevanten Verhaltensarten identifiziert werden.463 Drittens muß berücksichtigt werden, daß es möglich ist, daß der Lernprozeß eines bestimmten Organisationsmitglieds durch das Verhalten eines anderen Organisationsmitglieds umgesetzt wird.464 Letzteres wollen wir auch zuletzt behandeln, da es direkt überleitet zu der Problematik der Beeinflussung eines Verhaltensträgers durch einen Lernprozeßträger.465
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Literatur
Siehe Abschnitt 6.2.2.1.
Siehe Abschnitt 6.1.3.
Vgl. Abschnitt 4.6.
Zur verhaltensbeeinflussenden Wirkung organisatorischer Instrumente vgl. u.a. Kieser/Kubiceck 1983, S. 23ff.
Vgl. hierzu auch die AusführunGen in Abschnitt 3.2.1.
Vgl. z.B. De Geus 1988, S. 70, March 1981, S. 563, 1991, S. 71, March/ Sproull/Tamuz 1991, S. 1, Daft/Huber 1987, S. 1; ähnlich u.a. Hedberg 1981, S. 3.
Wir vertreten die Auffassung des methodologischen Individualismus, d.h. wir argumentieren, daß jedes Verhalten einer “Gruppe” von Menschen letztlich auf das Verhalten der einzelnen Individuen zurückgeführt werden kann. Dieser Gedanke ist natürlich auch auf den Begriff des Marktes an-wendbar. Der Begriff “Markt” bezeichnet letztlich die Gesamtheit aller Marktteilnehmer. Jeder einzelne Marktteilnehmer für sich ist allerdings ein Individuum. Deswegen kann auch das Verhalten “des Marktes” letztlich auf das Verhalten jedes einzelnen Individuums zurückgeführt werden, das an diesem Markt beteiligt ist. Dies ist sogar noch deutlicher der Fall als bei Organisationen, und zwar dadurch, daß der Einfluß, der zwischen den Marktteilnehmern besteht, in aller Regel wesentlich geringer ist als derjenige zwischen den einzelnen Mitgliedern einer Organisation. Trotz dieser Feststellung wollen wir nicht näher darauf eingehen und “den Markt” weiterhin als eine Gesamtheit begreifen, da er für unsere Betrachtungen lediglich als solcher interessant ist. Nur vereinzelt werden wir darauf zu sprechen kommen, daß der Markt letztlich aus vielen einzelnen Individuen besteht. Dies z.B. dort, wo wir aufzeigen, daß das Verhalten eines Organisationsmitglieds die Kaufentscheidung eines Marktteilnehmers beeinflussen kann und damit einen Teil zu Erfolg oder Mißerfolg der Unternehmung beiträgt.
Vgl. hierzu z.B. die evolutionstheoretischen Ansätze von Hannan/Freeman 1977, 1984 und McKelvey/Aldrich 1983, aber auch diejenigen betriebswirtschaftlichen Ansätze, die der Unternehmung neben Zielen (die in der Regel durch die Eigentümer formuliert werden) auch Zwecke zuschreiben, die der Unternehmung durch die Gesellschaft bzw. den Markt zugemessen werden und deren Erfüllung den Bestand der Unternehmung sichert.
Daraus folgt nicht, daß sämtliche Marktteilnehmer rational entscheiden. Wenn wir hier von einem “Empfang von Informationen” sprechen, dann meinen wir damit die Gesamtheit sämtlicher Signale, die der Marktteilnehmer empfängt und sie der Organisation zuordnet. Dies können im Extremfall durchaus auch “vollkommen irrationale” Informationen sein, die vielleicht überhaupt nicht mit dem realen Verhalten der Organisation übereinstimmen — so lange der Marktteilnehmer sie der Organisation (subjektiv) zuordnet, werden (auch) diese Informationen sein Kaufverhalten gegenüber dieser Organisation (vielleicht sogar entscheidend) beeinflussen.
Dies gilt zumindest für die Fälle, in denen der Marktteilnehmer ausschließlich diejenigen Information aufnimmt, die auch tatsächlich von der Organisation ausgestrahlt werden. In Fällen, in denen er seine Information aus anderen und vor allem unfundierten Quellen bekommt, wird das organisationseigene Verhalten natürlich nur wenig Einfluß besitzen. Von Letzterem wollen wir aus Vereinfachungsgründen jedoch abstrahieren; dies erscheint uns zulässig, da das Verhalten, das eine Organisation gegenüber dem Markt zeigt, in den meisten Fällen die weitaus größere Rolle spielen dürfte.
Dazu zählen wir Bewegungen aller Art, aber auch die Sprache.
Selbstverständlich können geistige bzw. kognitive Vorgänge zu Verhalten führen. Solange dies aber noch nicht geschehen ist, solange sie also — wie mancher Naturwissenschaftler es vielleicht formulieren würde — noch in rein biochemischen Abläufen innerhalb des Gehirns, der Nerven etc. bestehen, sind sie äußerlich nicht wahrnehmbar.
Natürlich geht ein Unternehmen nicht bereits dann zugrunde, wenn sich ein einziger Marktteilnehmer dafür entscheidet, nicht mehr dort zu kaufen. Das “Verhalten” eines Marktes insgesamt ergibt sich jedoch aus der Summe der individuellen Kaufentscheidungen aller Marktteilnehmer.
Mit kommunikationstheoretischen Worten: der Empfang einer Information setzt voraus, daß eine solche gesendet wurde.
Diese Argumentation setzt natürlich voraus, daß die Wissensveränderung zu einem Wissensbestand geführt hat, der den Anforderungen des Marktes entspricht.
Die Bedeutung dieser Umsetzung von (neuem) Wissen in Verhalten wird auch in der Literatur erwähnt, wobei dann vor allem die Rede ist von “Transfer” u.ä. (Vgl. z.B. Bronner/Schröder 1983, S. 247ff.).
Vgl. Abschnitt 6.1.2.
Der Begriff des Verhaltens ist hier wiederum sehr umfassend gemeint. Er schließt ein jedes Handeln mit ein, geht aber auch noch darüber hinaus. Handeln wird z.B. von Luhmann “als ursächliches Bewirken einer Wirkung” (Luhmann 1968, S. 19) definiert. Wir sehen den Sachverhalt des Verhaltens nicht erst dann erfüllt, wenn eine Wirkung erzielt ist, sondern bereits dann, wenn der Verhaltende durch sein Tun von einer anderen Person wahrgenommen werden konnte. ((Sehr) streng genommen könnte jedoch sogar diese Wahrnehmung als “Wirkung” gesehen werden, denn Wahrnehmung ist ein Vorgang im Gehirn des Wahrnehmenden (vgl. Kahle 1995, S. 5ff.)). Diese Begriffsbestimmung deckt sich weitgehend mit derjenigen von Habermas (1984, S. 274), der eine Reihe von Beispielen aufzählt (so etwa “... jagen, fischen, ..., Auto fahren, Waren verkaufen, ...”) und sie zusammenfaßt mit der Bemerkung: “Handlungen greifen in die Welt ein.” (Hervorhebungen im Original). Obwohl er den Begriff der “Handlung” verwendet, deckt sich sein Inhalt doch mit unserem Begriff des Verhaltens. Einer weitergehenden Differenzierung zwischen den Begriffen Verhalten und Handeln, die etwa das Verhalten als lediglich passive Reaktion ansieht und nur dem Handeln eine intentionale Ursache zuschreibt, (vgl. Habermas 1967, S. 58ff.) wollen wir hier nicht folgen. Als Verhalten wollen wir letzlich jede körperliche Veränderung ansehen, die von einem Außenstehenden wahrgenommen werden kann und die prinzipiell dazu geeignet ist, bei diesem eine Wirkung hervorzurufen.
Obwohl wir die Unterscheidung dieser beiden Verhaltensarten für sehr wichtig halten, wird sie in der Literatur unseres Wissens nicht explizit behandelt. Der Unterschied wird in der Literatur aber insofern zumindest implizit bejaht, in dem Beiträge für Verhaltensarten existieren. Das nichtkaufentscheidungsrelevante Verhalten wird dabei z.B. in Beiträgen zum Führungskräftetraining (siehe z.B. Berthold/Gebert/Rehmann/Rosenstiel 1980, Dreyer 1980) behandelt.
Vgl. Dierkes/Raske 1994, S. 9. Luhmann nennt solche Stellen “Grenzstellen” (1964, S. 220ff.). Der Begriff “Kontakt” ist dabei äußerst weit zu verstehen. Er bezieht sich zunächst natürlich auf z.B. Außendienstmitarbeiter bzw. Kundenbetreuer, also an Organisationsmitglieder, die offensichtlich mit der Umwelt in Berührung stehen. Er bezieht sich aber auch auf jeden anderen Mitarbeiter der Organisation, dessen Verhalten in einer beliebigen Art und Weise von Marktteilnehmern wahrgenommen werden kann. Dazu zählen wir z.B. auch Mitabeiter aus dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, aber, darüber hinaus, auch z.B. Mitarbeiter aus dem Bereich der Leistungserstellung (z.B. in der Produktion ). Denn das Verhalten der Mitarbeiter aus diesem Bereich ist für die Marktteilnehmer in aller Regel alsQualität der Leistung wahrnehmbar.
Vgl. zum folgenden Phasenschema etwa Bea/Dichtl/Schweizer 1983, S. 106 sowie Kahle 1994, S. 2.
Siehe Backhaus et al. 1979, S. 37ff.
Dies ist vor allem in der Investitionsgüterindustrie der Fall sowie in sämtlichen Zulieferbranchen der Konsumgüterindustrie.
Vgl. Miller 1988.
Zu der Frage, inwieweit der idealisierte Planungsprozeß der betrieblichen Realität entspricht, vgl. etwa die empirischen Studien von Witte et al. 1988.
Grober Überblick nach Raffée 1974b, Sp. 1026
In Anlehnung an die Konkretisierung der Systematik von Raffte (s. Spalte 2a) durch Backhaus et al. 1979, S. 42f.
Vgl. insbesondere hierzu auch die ausführlichen Darstellungen zum Informationsverhalten von Konsumenten bei Raffée/Silberer 1981.
Hier dürfte es sich um einen Grenzfall handel: Parkplätze oder ein Geldautomat können für viele Käufe von entscheidender Bedeutung sein. Doch infrastrukturelle Einrichtungen dieser Art werden in aller Regel von externen Firmen angelegt, also von Nicht-Organisationsmitgliedern. Sie werden zwar geplant und initiiert durch Organisationsmitglieder, doch das eigentliche Vehalten, das der potentielle Käufer wahrnimmt und das damit geeignet ist, dessen Kaufentscheidung zu beeinflussen, wird in diesen Fällen von Nicht-Organisationsmitgliedern getragen (das Aufstellen des Geldautomaten). Die Planung und Initiierung ihrerseits sind nicht-kaufentscheidungsrelevante Verhalten — denn sie werden von den Marktteilnehmern nicht wahrgenommen.
Siehe Tabelle 6–1. Die Ausführungen gelten analog für Mehrpersonenkaufentscheidungen, insbesondere auch für Unternehmen (in ihrer Rolle als Marktteilnehmer).
Siehe Backhaus et al. 1979, S. 40 sowie 42f.
Vgl. Büschken 1994.
Vgl. Dahlhoff 1980 sowie Hubel 1986.
Zu den Merkmalen multipersonellen Entscheidungsverhaltens siehe z.B. Kahle/Jansen/Wilms 1993. Abweichend von den dortigen Darstellungen zählen wir im folgenden drei Eigenschaften auf, die uns — aus der Sicht der Organisation als “Beobachter” des (multipersonellen) Kaufentscheidungprozesses — besonders wichtig erscheinen.
Zum Begriff der kollektiven Kaufentscheidung vgl. Hubel 1986, S. 42ff. Bei Hubel gerät die Behandlung kollektiver Kaufentscheidungsprozesse zwar zu einer Behandlung allgemeiner kollektiver Entscheidungprozesse, die neben Kaufentscheidungen auch auf alle anderen Entscheidungsprozesse anwendbar sind. Trotzdem erscheint uns seine Systematisierungsarbeit sehr hilfreich, da sie eben auch auf die Kaufentscheidung zutrifft. Eine weitere treffende Charakterisierung solcher Kaufentscheidungsprozesse findet sich als “Garbage Can Model” auch bei March 1988, S. 294ff. Dieses Modell bezieht sich zwar auf Entscheidungsprozesse in Organisationen. Wir halten es jedoch in gewissen Grenzen auch auf die Situation der familiären Kaufentscheidung übertragbar, da die Merkmale der Entscheidungssituation, wie sie von March genannt werden, doch auch hier vielfach anzutreffen sind: “problematic preferences, unclear technology, and fluid participation” (S. 294). Im Endeffekt bringt dieses Modell zum Ausdruck, daß Entscheidungsprozesse, die durch diese Merkmale gekennzeichnet sind, in den wenigsten Fällen zu einem rationalen, tatsächlich problemlösenden Ausgang finden. Vielmehr finden — unabhängig voneinander — “Ströme” von Wahlmöglichkeiten, Problemen und Lösungen Eingang in den Entscheidungsprozeß, (S. 298) , die dann durch verschiedene (oft irrationale) “Entscheidungsmechanismen” wie Flucht und “Übersehen” von Lösungsmöglichkeiten zu Ergebnissen führen, die in der Regel wenig problemadäquat sind.
Informationskanäle von der Organisation zum Individuum.
Siehe oben.
Beispiel: Der Kauf von Kinderschokolade in einem Supermarkt kann als familiäre Kaufentscheidung betrachtet werden. U.a. von der Aufmachung und Positionierung der Schokolade hängt es ab, in welchem Maße die Aufmerksamkeit des Kindes erregt wird. Die Mutter-Kind-Beziehung hat entscheidenden Einfluß darauf, inwieweit die Mutter gewillt ist (oder sich gedrängt sieht), den Kauf zu realisieren.Vom Einfluß des Vaters hängt es schließlich ab, inwieweit finanzielle Ressourcen zur Realisierung bereitgestellt werden.Will der Hersteller also erfolgreich Schokolade verkaufen, so muß er grundsätzlich alle drei Familienmitglieder erreichen (bzw. je nach Ausprägung der angesprochenen Beziehungen nur eine Teilmenge davon). Eine Veränderung der Bedürfnisse dieser Familie (im Sinne eines dynamischen Marktes, wie er im OL eine Rolle spielt), bedarf nun seitens des Hersteller weit komplexere Veränderungsprozesse, als wenn auf der Kundenseite z.B. eine alleinstehende und selbstverdienende Frau stehen würde, die selbst Schokoladenliebhaber ist und die sämtliche Entscheidungen alleine trifft.
Vgl. Kahle 1994, S. 1 ff.
Zur Veränderung individueller Präferenzen durch den Einfluß anderer Gruppenmitglieder, die andere Präferenzen haben. vgl. z.B. Peltzer/Schuler 1976. insbes. S. 109–116.
Siehe die bisherigen Ausführungen des Abschnitts 6.2.
Vgl. zu diesem Gedanken Abschnitt 6.3.1 und Kapitel 7.
Vgl. auch hierzu die nähreren Ausführungen in Kapitel 7. Dort werden auch Beispiele referiert, die diesen Gedanken verdeutlichen sollen.
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Stotz, M. (1999). Das zweite Element des Systems OL: das Verhalten und seine Veränderung. In: Organisationale Lernprozesse. Entscheidungs- und Organisationstheorie. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99356-4_6
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