Zusammenfassung
Kaum hat der Kapitalismus seine vermeintliche Alternative, den Staatssozialismus, überwunden, will er selber von Alternativen nichts mehr wissen. Unter seiner Alleinherrschaft verwandelt sich Geschichte in Natur zurück. Die Flexibilität, die er fordert, ist nurmehr die der anderen, der abhängig Beschäftigten, nicht mehr die des Systems. Das zieht seine Kreise wie Planeten ihre Bahn. „Der Standortwettbewerb“, schreibt Herbert Giersch, vormals Präsident des Kieler Weltwirtschaftsinstituts, „ist unaufhaltsam. Widerstand gegen machtvolle Marktvorgänge zahlt sich nicht aus. Was man nicht verhindern kann, muß man hinnehmen, am besten als Basis für Vorstöße in die Zukunft nutzen.”1 Daß politische Eingriffe in dieses übermächtige Geschehen zwecklos sind, reine Donquichotterie, ist das neue Credo unserer Eliten. „Ich warne vor dem Wunschbild einer allumfassenden weltumspannenden Koordination und Abstimmung. Das geht — zum Glück — an der Realität der Menschen und der internationalen Staatengemeinschaft vorbei.“ So sieht es Günter Rexrodt, der amtierende Bundesminister für Wirtschaft.2 Eberhard von Kuenheim, Vorsitzender des Aufsichtsrats der BMW AG bringt das neoliberale Selbstverständnis auf den Punkt. „Die wirklichen Eliten haben keine Ideologien, sondern Realitätssinn.“3 Da hätten wir es also, das irdische Jenseits von Ideolgie und Utopie, das Karl Mannheim voller Beklommenheit voraussah. „Für die Zukunft ergibt sich“, schrieb er im Jahre 1929, „daß eine absolute Ideologie- und Utopiefreiheit prinzipiell zwar möglich ist in einer Welt, die gleichsam mit sich fertig geworden ist und sich stets nur reproduziert, daß aber die völlige Destruktion der Seinstranszendenz in unserer Welt zu einer Sachlichkeit führt, an der der menschliche Wille zugrunde geht.“4
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Literatur
Vgl. derselbe, Wandel durch Handel, in: Wirtschaftswoche Nr. 30/1996, S. 23
Die Globalisierung ist Chance, nicht Gefahr, in: Süddeutsche Zeitung vom 2. September 1996
Zitiert nach: Forum. Vortragsreihe des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln, Jg. 46, Nr. 35, S. 4
Ideologie und Utopie, Frankfurt am Main 1985’, S. 224f.
So Karl-Otto Hondrich, Wieviel Gutes hat die Krise und wieviel Krise ist gut?, in: Krise der Arbeitsgesellschaft? Verhandlungen des 21. Deutschen Soziologentages, Frankfurt am Main 1982, S. 289. Vgl. als Standardtexte der damaligen Debatte noch einmal: Andrè Gorz, Les chemins du paradis, Paris 1983 sowie Thomas Schmied (Hg.): Befreiung von falscher Arbeit, Berlin 1984
Hier zitiert nach: Artikel aus Diderots Enzyklopädie, Leipzig 1972, S. 357f.
Die Welt vom 3. Juli 1996
Handelsblatt vom 7. August 1996
Zu diesem Ergebnis kommt die vieldiskutierte Expertise des Münchener Ifo-Instituts über die internationale Konkurrenzfähigkeit des „Wirtschaftsstandorts Deutschlands“, abgedruckt in der Frankfurter Rundschau vom 31. Juli 1996; siehe hierzu auch die Vergleichsdaten in der Stuttgarter Zeitung vom 23. August 1996
Vgl. zu dieser sozialen Selbstunterminierung: The Downsizing of America. The New York Times Report, New York 1996; Donald L. Barlett, James B. Steele, America: Who Stole the Dream, Kansas City 1996
Zitiert nach: The Downsizing of America, a.a.O., S. 246f.
Zur aktuellen Diskussion über die Krise des Fordismus sowie zu weiterführender Literatur siehe das Heft 6/1996 der Zeitschrift Initial. Berliner Debatte
In den U.S.A. ist der Niedergang ziviler Gemeinschaften bereits mit Händen zu greifen. Vgl. Robert D. Putnam, Bowling Alone: America’s Declining Social Capital, in: Journal of Democracy, 1/1996; ders., Tuning In, Tuning Out: The Strange Disappearance of Social Capital in America, in: Political Science and Politics, 1/1996
Ein zwar spekulatives, nichtsdestoweniger aber anregendes Szenarium entwirft Rainer Land in: Initial, Berliner Debatte Heft 6/1996
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© 1998 Leske + Budrich, Opladen
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Engler, W. (1998). Menschenwürde oder Standortlogik? Die liberale Demokratie am Scheideweg. In: Saage, R., Berg, G. (eds) Zwischen Triumph und Krise. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97375-7_5
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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