Zusammenfassung
Die teils euphorischen Zukunftsvisionen von 1989/90 sind in kurzer Zeit von Krisenprognosen abgelöst worden, die vielfach reformerische Eingriffe als unzulänglich oder illusionär einstufen. So wird etwa die Annahme, den „alten“ ( und mehr noch den „neuen“) Demokratien stünden magere Jahre, eine Phase sozialer Spannungen und politischer Instabilität bevor, als „reichlich optimistisch“ verworfen. Was auf uns zukomme, sei nicht Instabilität, sondern ein „Zerfall der politischen Systeme“, das „Ende der Demokratie.“1 Von Kulturkriegen ist die Rede, von neuen Feinden („Khomein-tern“, statt „Komintern“), die die westliche Welt als eine „Internationale ungläubiger Konsumenten“ (E. Gellner) wahrnehmen, die entschlossen zu bekämpfen ist.2
Democracy ceases being associated with a „principle of hope“. It no longer bears the utopia of a final phase of History...this disappearance...can be observed in our everyday life. By recognizing this, we can avoid seeing the current crisis of old models of democratic thought and action as catastrophic.
A. Touraine
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Literatur
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Vgl. H. Mandt, Die offene Gesellschaft und die Wurzeln des zeitgenössischen Fundamentalismus. In: Staatswissenschaften und Staatspraxis. H. 2/1993 (4. Jhg.), S. 175–196. — D. Senghaas, Die fixe Idee vom Kampf der Kulturen. In: Bl. f. dt. u. intern. Politik, H. 2/1997, S. 215–221
K. v. Beyme, Ansätze zur Reform des politischen Systems — Die Institutionen auf dem Prüfstand. In: W. Weidenfeld (Hrsg.), Demokratie am Wendepunkt. Die demokratische Frage als Projekt des 21. Jahrhunderts. Berlin 1996, S. 159; 161
K. Jaspers, Wohin treibt die Bundesrepublik? München 1966. — J. Habermas, Thesen gegen die Koalition der Mutlosen mit den Machthabern. In: Diskus, 16. Jhgg., H. 8/1966 (These II, 1. Abs.) — C. Offe, Spätkapitalismus. Versuch einer Begriffsbestimmung. In: Ders., Strukturprobleme des kapitalistischen Staates. Frankfurt/M. 1972, S. 10. — W. Hennis, Vom gewaltenteilenden Rechtsstaat zum teleokratischen Programmstaat — Zur „lebenden“ Verfassung der Bundesrepublik. In: P. Haungs (Hrsg.), Res Publica. Studien zum Verfassungswesen. Festschrift D. Sternberger. München 1977
Woodall, P., The hitchhiker’s guide to cybemomics. In: The Economist, Sept. 28th 1996 (Survey: The World Economy), S. 1; 7. — America’s Angry Voters. In: The Economist, November 2nd, S. 23f — Britain-Feeling insecure. In: The Economist, Nov. 16th 1996, S. 49f
Vgl. das Oktogon. (Außenpolitische Rahmenbedingungen; Verfassungsordnung; Parteien, Parlamentarismus; Militär, Bürokratie, Justiz; Gesellschaft, Wirtschaft; Politisches Denken; Institutionalisierte Kultur), das keine Rangfolge, sondern ein „magisches Vieleck“ darstellt. In: K.D. Erdmann/H. Schulze (Hrsg.), Weimar. Selbstpreisgabe einer Demokratie. Düsseldorf 1984, S. 41.
J. Burckhardt, Die geschichtlichen Krisen. In: Weltgeschichtliche Betrachtungen. Mit einer Einleitung und textkritischem Anhang von R. Stadelmann. Pfullingen, o.J. (1949), T. IV, S. 233f: „Zum Lobe der Krisen läßt sich nun vor allem sagen…(sie) räumen auf: zunächst mit einer Menge von Lebensformen, aus welchen das Leben längst entwichen war, und welche sonst mit ihrem historischen Recht nicht aus der Welt wären zu bringen gewesen… Die Krisen beseitigen auch die ganz unverhältnismäßig angewachsene Scheu vor, Störung`…“. — Vgl. auch E. Forndran, Demokratie in der Krise? In: Gegenwartskunde 4/1993, S. 495f
R. Dahrendorf, Die Chancen der Krise. Stuttgart 1983. — Insbesondere für den deutschen Sprachraum scheint das zu gelten, was James A. Robinson 1968 im 1. Satz seines Artikels „Crisis“ notierte: „Crisis is a lay term in search of a scholary meaning.” In: LESS, Bd. 3/4, New York, S. 510. — Vgl. R. Koselleck, Einige Fragen an die Begriffsgeschichte von „Krise“ und K. Borchardt, Wandlungen im Denken über wirtschaftliche Krisen. Beide in: K. Michalski (Hrsg.), Über die Krise. Stuttgart 1986, S. 64–77 und S. 127–153. Borchardt unterscheidet in Anknüpfung an Marx’ Unterscheidung zwischen Klassen an sich und Klassen für sich „Krise an sich” von „Krise für sich“ unter Verweis auf die Seltenheit des Krisenbegriffes im anglo-amerikanischen sozialwissenschaftlichen Bereich. Am 12.1.1937 veröffentlichte J.M. Keynes in der Londoner Times einen Leitartikel „How to Avoid a Slump.” a.a.O., Anm. 18, S. 152
J. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. 7. erw. Aufl., Tübingen und Basel 1993, S. 136
J. Bryce, Moderne Demokratien. München 1923, Bd. I, S. 2f. besonders in den Vereinigten Staaten, Kanada und Australien (haben) darüber hinaus (die Worte,Demokratie und,demokratisch`) assoziativ einen sozialen und tatsächlich fast ethischen Charakter angenommen.“ ibid., S. 23. Vier Ursachen werden als für den Fortschritt zu demokratischer Regierung ausschlaggebend angeführt: „1. de(r) Einfluß der religiösen Ideen, 2. die Unzufriedenheit mit der königlichen oder oligarchischen Mißregierung und die daraus erfolgenden Reformversuche, 3. die für die Gleichheit günstigen sozialen und politischen Bedingungen, 4. die Theorie,” ibid., S. 28
Th. Assheuer, R. Reifenrath, A. Vornbäumen, Interview mit R. Dahrendorf. In: Frankfurter Rundschau, 1.4. 1996, S. 7
A. Touraine, Democracy versus History. Institut für Höhere Studien (IHS) Wien, Reihe Politikwissenschaft No. 34, Mai 1996, S. 12f. (Hervorhebungen von mir.) Das diesem Beitrag vorangestellte Motto ibid., S. 11 — Vgl. auch vom selben Verf.: Democracy. In: Thesis Eleven, No. 38, 1994, S. 1–15
A. Heller, On Formal Democracy. In: J. Keane (ed.), Civil Society and the State. New European Perspectives. London, New York 1988, S. 129–145 — F. Fehér, Redemptive and Democratic Paradigms in Radical Politics. In: F. Fehér and Agnes Heller, Eastern Left, Western Left. Cambridge 1987, S. 59–76 — Vgl. Martin Jay, Frauen in finsteren Zeiten: Agnes Heller und Hannah Arendt. In: Leviathan, H.2/1994, S. 179–194
H. Milting, „Vernunftrepublikanismus“ und „Vertrauensdiktatur”. Friedrich Meinecke in der Weimarer Republik. In: HZ 242 (1986), S. 69ff
Ein entscheidender Schritt zur Radikalisierung seines politischen Denkens, der in der Theoriegeschichte zahlreiche Entsprechungen in unterschiedlichen politischen Lagern hatte und hat. Eine Fallstudie zur Deradikalisierung politischen Denkens durch Abkehr von dieser Denkungsart hat J.F. Muller vorgelegt: The Other God that Failed. Hans Freyer and the Deradicalization of German Conservatism. Princeton, N.J. 1987 — Zum Radikalismus von de Maistre vgl. I. Berlin, Joseph de Maistre und die Ursprünge des Faschismus. In: Das krumme Holz der Humanität. Kapitel zur Ideengeschichte. Frankfurt/M. 1990, S. 176 — Zur Denkungsart eines politisch Radikalen vgl. auch E. Cioran, Über das reaktionäre Denken. Zu Joseph de Maistre. Frankfurt/M., 2. A., 1990: ein Intellektueller, „dessen Gaben sich erst entfalten, wenn er gegen die Moderne schäumt oder den gesunden Menschenverstand beleidigt.“ S. 75
Vgl. A. Heller, Citizen Ethics and Civic Virtues. In: A Heller and F. Fehér, The Postmodern Political Condition. Cambridge 1988, S. 87
Vgl. Allensbacher Jahrbuch für Demoskopie 1984–1992. Frankfurt/M. 1993, S. 557. — Gegen den „Kurzschluß“, der „Gleichsetzung von Parteien-, Politik-und Demokratieverdrossenheit” vgl. P. Lösche, ZParl, 1995, S. 150ff
Vgl. den veränderten Stellenwert, der zwischen Mai 1992 und September 1996 dem JobProblem zugemessen wird: 40% der Befragten US-Bürger sahen es 1992 als ein Hauptproblem des Landes an; 1996 waren es nurmehr unter 9%. Einer OECD-Länder-Studie von 1996 zufolge ist die Mehrheit der neuen Arbeitsplätze „,in den höher bezahlten Lohnkategorien geschaffen worden“`. Im,Gegensatz zu populären Falsch-Annahmen` hat das,schnellste Beschäftigungswachstum in den Sparten stattgefunden, die überdurchschnittlich hohe Löhne zahlen’. Das in Deutschland verbreitete Bild des amerikanischen Job-Wunders als,McJob-Gesellschaft` ist ein Mythos, der den Tatsachen nicht entspricht.” Vgl. J. Joffe, Amerika, du hast es (doch) besser. In: SZ 14./15. Dezember 1996, S. 4; diesem Artikel sind auch die Angaben der OECD-Studie entnommen. — Zu den angeführten Meinungsumfragen vgl. The Economist, Nov. 2nd 1996, S. 24
U. Beck, Unser Schicksal ist die Nötigung, das Politische neu zu erfinden. In: Das Parlament, Nr. 30/31, 19./26. Juli 1996, S. 12, Sp. 6: „das entstandene Legitimation-und Machtvakuum des politischen Systems… (hat) in manchem durchaus Parallelen zu dem…, was in der DDR geschah.“
Vgl. A.O. Hirschman, Abwanderung und Widerspruch. Tübingen 1974; Ders., Abwanderung, Widerspruch und das Schicksal der Deutschen Demokratischen Republik. In: Selbstbefragung und Erkenntnis. München 1996, S. 19–56
Vgl. zu Neuseeland „Experiment Neuseeland“. In: DER SPIEGEL. 36/1996, S. 112–122. — Zu Australien: G. Stewart, Die Asiaten sind schuld. In: SZ, 18.1. 1997, S. B. — C. Legge-wie, America first. Frankfurt/M. 1997
K.O. Hondrich, Die Mär vom Ende der Arbeit. In: DIE ZEIT, 8.10.1996, S. 3. — Feeling insecure. In: The Economist, Nov. 16th 1996, S. 49ff. — U. Dolata, Das Phantom der Globalisierung. In: Bl. f. dt. u. intern. Politik. H. 1/1997, S. 100–104
Vgl. B. de Jouvenel, Der Mythos der Lösung. In: Ders., Reine Theorie der Politik. Neuwied und Berlin, 1967, S. 242ff
Vgl. H.A. Winkler, Postnationale Demokratie? Vom Selbstverständnis der Deutschen. In: MERKUR, H.2/1997, S. 174 („mentale,Lega West“`).
A. Vollmer, Der Ernst kehrt in die Politik zurück. In: FAZ, 10. Oktober 1992 ( Beilage )
So J. Vorfelder in einer öffentlichen Diskussion in der Evangelischen Akademie in Tutzing im Mai 1996. Vgl. W. Köster, Umwelt, Verbände, Management. In: liberal, H. 8/1995, S. 40–47. — C. Fetscher, Der Mythos Greenpeace und das Lob der privaten Helfer. In: Kommune, H. 6 /1996, S. 37–45
Vgl. S. Huntington, The Third Wave: Democratization in the late twentieth century, 1993
Vgl. A. Hirschman (Anm. 20 ), S. 49
A. Hirschman, Engagement und Enttäuschung. Über das Schwanken der Bürger zwischen Privatwohl und Gemeinwohl. Frankfurt/M. 1984
E. Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien. In: Ders., Deutschland und die westlichen Demokratien. Erw. Ausg., Frankfurt/M. 1991, S. 50f
Vgl. The Economist, Jan. 4th 1997, S. 77f (Germany, Gimme a job). — Dem Vorstandsvorsitzenden F. Piech wird der Satz zugeschrieben: „Es geht nichts daran vorbei, daß wir aus Osteuropa deutsche Qualität zu koreanischen Preisen bekommen“.
Vgl. Economist, March 14th, 1994; Bagehot: Electoral Reform. S. 44
Vgl. B. Vogel/D. Nohlen/R.-O. Schultze, Wahlen in Deutschland. Theorie — Geschichte — Dokumente 1848–1970. Berlin, New York 1971, S. 187ff — Chr. Starck, Das Wahlrecht braucht Beständigkeit. In: FAZ, 13.2. 1997, S. 11
Manfred G. Schmidt, Die politische Produktivität liberaler Demokratien. In diesem Band, S. 241–266
R. Köcher, Unbehagen über die Reformdebatte. Nach wochenlanger Kontroverse ist die Bevölkerung ratlos und desorientiert. In: FAZ, 12. März 1997, S. 5
Vgl. W.-D. Narr, Begriffslose Politik und politikarme Begriffe. Zusätzliche Notizen zu Becks „Erfindung des Politischen“. In: LEVIATHAN, 1995, S. 437–444. — J. Ross, Staatsfeindschaft. Anmerkungen zum neuen Vulgärliberalismus. In: MERKUR, H. 211997, S. 102
Vgl. H. Mandt, Bürgernähe und Transparenz im politischen System der Europäischen Union. In: ZfP, 44. Jg. 1997, S. 1–20
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Mandt, H. (1998). Demokratiefähigkeit — Gegenwartsprobleme westlicher politischer Systeme. In: Saage, R., Berg, G. (eds) Zwischen Triumph und Krise. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97375-7_20
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