Zusammenfassung
Indessen dürfen wir bei allem Nachdenken und Diskutieren [über das Regierungssystem Frankreichs nach dem Kriege] nicht vergessen, daß das Problem der französischen Verfassung, so wichtig es sein mag, doch zweitrangig ist. Die Philosophen sagen gern, die Institutionen eines Landes seien nicht Zweck, sondern Mittel. Denn die Aufgabe, die uns morgen erwartet, besteht nicht darin, eine neue Verfassung wiederherzustellen, sondern Frankreich wiederherzustellen. Ein ruiniertes Land in ein blühendes Land verwandeln; eine gespaltene Nation in eine geeinte Nation; einen Staat, dessen Licht verlöscht, in einen Staat, dessen Ausstrahlung die Welt erleuchtet — das ist das Werk, das die Franzosen erwartet. Nichts wäre verhängnisvoller für das Vaterland, als seine Energien von Anfang an in nutzlosen Streitigkeiten über die Form und die Eigenschaften des Regimes zu verzetteln. Jene Denker oder Juristen, deren Geist ehrgeizige Konstruktionen errichtet, müssen einsehen, wie bescheiden ihre Arbeit ist. Unser Verfassungsproblem ist einfach : es geht darum, auf der Grundlage der Gefühle und der politischen Erfahrung der Nation jene Institutionen vorzubereiten, die in einer Generation die Wiederaufrichtung Frankreichs erlauben werden ...
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Literatur
Dieser Artikel, der anonym in der unterirdischen Zeitschrift Cahiers politiques (April 1944) erschien, resümiert die verfassungspolitischen Ideen des Comité général d’Etudes, einer Widerstandsgruppe, die sich vornehmlich aus Juristen und anderen Intellektuellen zusammensetzte. Der Autor des Artikels war nach Nicholas Wahl (Rev. franç, de science pol., März 1959, S. 32, Anm. 6) Michel Debré. Text des Artikels auch in Henri Michel und Boris Mirkine-Guetzévitch: Les idées politiques et sociales de la Résistance, Documents clandestins 1940–1944, Paris 1954, S. 287–297 (Auszüge). Über das CGE vgl. René Hostache: Le Conseil national de la Résistance, Paris 1958, S. 221 ff.
Anm. d. Übers. : Gemeint ist vor allem Raymond Poincaré, Staatspräsident von 1913 bis 1920.
Aus Charles de Gaulle: Mémoires de Guerre, Bd. 1: L’appel, Paris 1954.
Wir stützen uns auf die ausgezeichnete Übersetzung von Hector G. Preconi und Otto F. Best: Der Ruf 1940–1942, S. Fischer Verlag, Berlin und Frankfurt am Main 1955, S. 7 f., 10, 74, 75.
Aus Charles de Gaulle: Le fil de ľépée, 2. Ausgabe, Paris 1944, S. 44–47 (1. Ausgabe: 1932).
Text in Année politique 1946, Paris 1947, S. 534–539; auch in Revue franç. de science politique, Bd. 9, März 1959, S. 188–192 (vollständiger Text).
Anm. d. Übers.: Am 20. Januar 1946. De Gaulle zog sich zurück, als er erkennen mußte, daß die Verfassung, die die Verfassunggebende Versammlung ausarbeitete, mit seinem eigenen Staats- und Verfassungsideal nicht übereinstimmte. Mit dieser Rede versuchte de Gaulle, nach der Ablehnung des ersten Verfassungsentwurfs die Arbeit der zweiten Verfassunggebenden Versammlung in seinem Sinne zu beeinflussen. Vgl. auch unten S. 143.
Aus La Françe sera la Françe. Ce que veut Charles de Gaulle. Hrsg. vom R.P.F., Paris 1950, S. 39–43.
M. Vendroux, Schwager de Gaulies, war unmittelbar vor dem Referendum als Abgeordneter des M.R.P. demissioniert und aus der Partei ausgetreten. Das M.R.P. galt damals als die Partei, der de Gaulle am nächsten stand. Text in Année politique 1946, Paris 1947, S. 251.
Aus La Françe sera la Françe: a.a.O., S. 49.
Aus: ebd., S. 57.
Aus der Rede de Gaulles in Straßburg am 7. April 1947, in Année politique 1947, Paris 1948, S. 323–326.
Genaue Zahlen in Quellenbuch (IV. Rep.), S. 19.
Aus der Rede de Gaulles in Saint-Etienne am 4. Januar 1948, in Année politique 1948, Paris 1949, S. 324£.
Anm. d. Übers. : Gemeint sind die Kommunisten.
Auszüge aus der wichtigen Erklärung de Gaulies vom 6. Mai 1953 über die Auflösung des R.P.F., vgl. Quellenbuch (IV. Rep.), S. 154.
Aus Artikel Blums im Populaire vom 20. September, 9. und 10. Oktober 1946; auch in Œuvre de Léon Blum, 1945–1947, Paris 1958, S. 305f., S. 315f., S. 317f.
Aus Michel Debré: La République et ses problèmes, Paris 1952, S. 13 f.
Aus Michel Dehre: Ces princes qui nous gouvernent, Tribune libre Nr. 7, Paris 1957, S. 34–36, S. 37 f., S. 43f., S. 46f., S. 47 f. Mit den „Fürsten, die uns regieren”, meinte Debré die politische Führungsschicht unter der IV. Republik, besonders die Parlamentarier und die Parteiführer.
Anm. d. Übers. : Unter der IV. Republik stand es den parlamentarischen Versammlungen zu, über die Gültigkeit einer Wahl, wenn sie angefochten wurde, zu befinden.
Aus dem Vorwort von René Capitant zu Léo Hamon: De Gaulle dans la République, Tribune libre Nr. 37, Paris 1958, S. III-VI.
Anm. d. Ubers. : Anspielung auf den Wahlsieg der Sozialisten und Radikal-Sozialisten, die 1924 das Cartel des Gauches gebildet hatten, aber nur bis 1926 die Mehrheit bildeten, um dann einer Rechtsmehrheit Platz zu machen.
Anm. d. Ubers.: Sofort nach dem Wahlerfolg der Republikanischen Front 1956 zerbrach sie an Gegensätzen zwischen den beiden Führern Guy Mollet und Mendès françe.
Aus Léon Noël: Notre dernière chance, Paris 1956, S. 183–187. Léon Noël, ehemaliger Botschafter, ist heute Präsident des Verfassungsrates.
Anm. d. Übers. : Diese Reform müßte dann, fährt Léon Noël in seinem Buch fort, durch andere Reformen ergänzt werden. Seine Vorschläge, z. T. stark vom englischen Vorbild beeinflußt, liegen in der allgemeinen Linie der verfassungspolitischen Ideen des Gaullismus, sind aber weniger klar und kohärent als diejenigen Michel Debrés und seiner Mitarbeiter.
Aus Maxime Blocq-Mascart: La prochaine République sera-t-elle républicaine? Vorwort von Michel Debré, Tribune libre Nr. 23, Paris (Mai) 1958, S. 41–43. Dieser Text wurde im Winter 1957/1958 geschrieben, als die Kampagne für die Rückkehr de Gaulles an die Macht in vollem Gang war. Der Autor, Mitglied des Staatsrats, ist bereits in der Résistance mit einem Verfassungsprojekt hervorgetreten, das ein präsidentielles Regierungssystem für Frankreich vorsah. Bei der Vorbereitung des 13. Mai 1958 spielte er eine wichtige Rolle.
In Monde nouveau, April 1957.
Aus Louis Vallon: Le dilemne français, Paris 1951, S. 170–176. Dieser Text ist abgefaßt nach einem von Michel Debré für das Comité d’études (des R. P. F.) unter Leitung von Gaston Palewski redigierten Verfassungsentwurfs.
Nationalversammlung; dritte Legislaturperiode, Dokument Nr. 1074. Auch in Revue du droit public et de la science politique en françe et à l’ Etranger September/Oktober 1958, Nr. 5, S. 918f ff., Anm. 2.
Nationalversammlung; dritte Legislaturperiode, Dokument Nr. 7188. Auch in Revue du droit public et de la science politique, ebd., S. 920 f., Anm. 3.
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Ziebura, G. (1960). Zum Ursprung der Verfassung. In: Die V. Republik. Die Wissenschaft von der Politik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96244-7_1
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