Zusammenfassung
Die Hanse agiert einige Jahrhunderte lang als kollektiver Akteur, wobei sie die Interessen einer schwankenden Zahl von Mitgliedern verfolgt und vertritt. Ich spreche hier und im Folgenden von der Hanse als Akteur, ohne mich zu sehr um die epistemologische Alternative zwischen methodologischem Holismus und Individualismus zu kümmern. Ich nehme einfach einen Standpunkt ein, nach dem „diejenigen Individuen oder Gruppen als Organisationsakteure oder tout court als Akteure bezeichnet werden, die sich — in Bezug auf das analysierte Problem — durch homogene Wahrnehmungen und Präferenzen charakterisieren lassen“1.
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Literatur
Anna Grandori, L’organizzazione delie attività economiche, Bologna, II Mulino, 1995 S. 75. Etwas anders und anspruchsvoller ist die Definition, die Boudon in seiner Präsentation der Aktionstheorie gibt: kollektiver Akteur ist derjenige, der über ein kollektives Entscheidungssystem verfügt (Raymond Boudon, Azione in: R. Boudon (Hrsg.), Trattato di sociología, Bologna, II Mulino, 1996).
Hanseatisches Urkundenbuch, op. cit., Bd. II, Nr. 358, S. 150.
Friedland, Die Hanse, op. cit., Kap. II.
Rörig, Die Entstehung der Hanse, op. cit., S. 586.
Walther Stein, Zur Entstehung und Bedeutung der Deutschen Hanse, in: „Hansische Geschichtsblätter“ XVII, 1911 SS. 333ff.
Anas ver von Brandt (in Zusammenarbeit mit Udo Arnold), Die Hanse, in: Theodor Schieder (Hrsg.) Handbuch der europäischen Geschichte, Bd. II (Hrsg. Ferdinand Seibt) Europa im Hoch- und Spätmittelalter, Stuttgart, Klett-Kotta, S. 491)
Rörig, Aussenpolitische und innenpolitische Wandlungen, op. cit., S. 149.
Johannes Schildhauer, Die Hanse. Geschichte und Kultur Frankfurt am Main, Bücherglide, Gutenberg, 1988, S. 65ff., 175ff.
Ebd., S. 180.
Friedland, Die Hanse, op. cit., S. 90–91.
Schildhauer, Die Hanse, op. cit., S. 217–19.
Op. cit., bei Friedland, Die Hanse , op. cit., S. 74–75.
Ich benutze den Begriff Kontor und folge damit einem ungenauen Sprachgebrauch: der Begriff geht tatsächlich erst verhältnismäßig spät in die hanseatische Terminologie ein; über lange Zeit hin wurde stattdessem vom „Kaufmann zu London, zu Brügge usw. “ gesprochen, womit immer der „gemeine Kaufmann“, der „assoziierte Kaufmann“ bezeichnet wurde. Vgl. ebd S. 148.
Ebd., S. 149
Die Vitte in Schonen hat, anders als das Kontor, saisonalen Charakter. Vgl. hierzu das Dokument, mit dem König Erich von Dänemark den Bewohnern der Stadt Greifswald „in terra Schanie in Valsterbode quendam campum Vitta noncupatum“ (eine Vitte genannte Siedlung in Falsterbo, im Land Schonen), mit dem Recht, „tempore piscacionis“ (für die Saison des Fischfangs) einen Vertreter („advocatum“) mit dem Recht der höheren und niederen Rechtsprechung zu benennen (Hansisches Ur-kundenbuch, op. cit., Bd. Nr. 856, S. 293–94). Analoge Konzessionen werden zu verschiedenen Zeiten auch an andere Städte vergeben; im Unterschied zum Kontor ist die Vitte normalerweise die Niederlassung von Kaufleuten aus einer Stadt. Auch die Niederlassungen auf den Shetland werden während der Fischereisaison aufgesucht und sind nach Städten aufgeteilt.
Max Weber, Wirtschaftsgeschichte. Abriss einer Universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, München-Leipzig, Duncker & Humblot, 1923, S. 184: „Das Geschäft vollzog sich in der Weise, dass dem reisenden socius Geld oder in Geld abgeschätzte Ware mitgegeben wurde, diese Einlage bildete das Handelskapital und führte den technischen Namen Commenda Die Ware wurde über See verkauft, für den Erlös aber andere eingetauscht und nach der Rückkehr im Heimathafen abgeschätzt und verkauft“.
Ebd., S. 185.
Man vergleiche das Reglement über die Benutzung der gemeinschaftlichen Räume der Deutschen Brücke, wiedergegeben in: Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos, op. cit. Bd. II, S. 165–66.
Johannes Schildhauer, Konrad Fritze, Walter Stark, Die Hanse, Berlin, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1981, S. 44ff.
Stuart Jenks, Leben im Stalhof, in: Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos, 1981, Bd. I, S. 157–59.
Carsten Müller-Boysen, Das Bergener Kontor und die hansischen Niederlassungen in Tönsberg und Oslo, 1981, S. 167.
„... die ghemenen coplude vorseghet sind ghedelet in der deel; dat es to verstane: de van Lubecke ende de Wendeschen stede ende die Sassen ende dat dar to behort in en derdendeel; ende die van Westfalen ende de van Prucen ende dat daer toe behort int ander; ende de van Gotlande ende van Lyflande ende von Sveden ende dat dar to behort int derde“ ...(Hanserecesse, op. cit., Bd. I, S. 75) Die ghemenen coplude (die „gemeinen“, d.h. zusammengeschlossenen Kaufleute) sind also ghedelet in der deel („geteilt in drei Teile“), Diese Unterteilung in „Drittel“ reflektiert den Einfluss der Städte auf das Kontor, aber es ist nicht deutlich, ob und ab wann von den selben „Dritteln“ als regionale Unterteilungen der Hanse gesprochen werden kann; in dieser Hinsicht scheint vielmehr sogar deutlich, dass das preußisch-westfälische Drittel (eende di van Westfalen ende de van Prucen) niemals als solches vereint war. (vgl. Gustav Luntowski, Dortmund, Köln und die Frage der Vorortschaft in der Hanse, in: Hansische Geschichtsblätter, C, 1982, S. 57).
„soweit es die Wirtschaftspolitik betrifft, kann man sagen, dass die Hanse nur im Ausland Realität war“ Dollinger, La Hanse, op. cit., S. 238.
„..es seit Menschengedenken in Deutschland eine gewisse Gesellschaft gibt, ein einziges Kollegium oder eine Körperschaft, die in der Umgangssprache als Deutsche Hanse bezeichnet wird. “ Hansisches Urkundenbuch, op. cit., Bd. IX, Nr. 570, S. 453.
Ebd., Bd. IX, Nr. 584, S. 462ff.
„diese Konföderation von Städten wurde also nicht in der Umgangssprache als Hanse bezeichnet, wie das königliche Dokument behauptet, sondern trägt vollkommen korrekt den lateinischen Begriff. “
Gerard Hoekveld, Regional Identity as the Product of Regional Integration, in: Elke Dirven, Joost Groenewegen, Sjaf van Hoof (Hrsg.) Stuck in the Region? Changing Scales for Regional Identities, Utrecht, Nederlandse Geographische Studies 155, 1993. Ich habe das Konzept der wirtschaftlichen regionalen Identität benutzt in: Pichierri, Stato e identità economiche regionali, op. cit., und in: L’identità economica regionale, in: Torino Design. Dall’automobile al cucchiaio, Torino, Allemandi & C., Torino, 1995; zur Idee der auf dem Produkt gegründeten wirtschaftlichen Identität siehe Robert Salais und Michael Storper, Les mondes de production, Enquêtes sur l’identité économique de la France, Paris, Éditions de l’École des Hautes Études en Sciences Sociales, 1993.
Benedict Anderson, Imagined Communities, Reflections on the Origins and Spread of Nationalism, London, Verso, 1983, S. 15: die Nation ist eine „imaginäre Gemeinschaft“ denn „auch das Mitglied des kleinsten aller Staaten wird jemals den größten Teil der anderen Mitglieder kennen lernen, noch wird er von ihnen hören,: dennoch lebt in der Vorstellung eines jeden von uns das Bild ihrer Gemeinschaft“.
In dem von Salais in der „Ökonomie der Konventionen“ bezeichneten Sinn.
Man vergleiche die in Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos, op. cit., Bd. II S. 3233ff. dargestellten und kommentierten Bilder.
Jörgen Bracker, Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos, in: Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos, op. cit., Bd. I, S. 9.
Hanserecesse, op. cit., Bd. II, S. 198 und Nr. 188, S. 205–206 , die Stellung Bremens in der Rangfolge sollte sich später noch weiter verschlechtern.
Herbert Schwarzwälder, Geschichte der freien Hansestadt Bremen, Bd. I, Hamburg, Hans Christians Verlag, 1985, S. 90.
Pagel, Die Hanse, op. cit., S. 70.
Klaus Friedland, Hansische Handelspolitik und hansisches Wirtschaftssystem im 14. und 15. Jahrhundert, in: Ders. (Hrsg.) Frühformen Englisch-Deutscher Handelspartnerschaft, Köln-Wien, Böhlau, 1976, S.88.
Fritze und Krause, Seekriege der Hanse, op. cit., S. 30–31.
Der ähnlichste Fall ist wohl der der Botschafter Venedigs, die ihre Berichte an den Senat regelmäßig mit einer diskreten Andeutung auf die Mühen und Ausgaben abschlossen, die sie auf sich genommen hatten und für die im Übrigen keine Entschädigung vorgesehen war. Zum Beispiel: „Was meine Person angeht, wollte ich sagen, dass mein Bedauern darüber, nicht mehr getan haben zu können, aufgehoben wird durch den Trost, all das getan zu haben, was in meinen Kräften stand, um Euerer Durchlaucht in dieser Botschaft gut zu dienen. Um mich jederzeit für die Pflichten meines Auftrags gerüstet zu halten, habe ich meine privaten Interessen hinter die öffentlichen zurückgestellt und leidend zugesehen, wie mein Vermögen in der langen Zeit von fünf Jahren in seinem Wachstum gebremst war, während auf der anderen Seite die nicht geringen Kosten wuchsen“. (Relazioni degli ambasciatori veneti al Senato, Herausgegeben von A. Segarizzi, Bd. I, Bari, Laterza, 1968, S. 194).
Vgl. Inventare hansischer Archive, Bd. III, Danziger Inventare 1531–1591, Hrsg. von P. Simson, Nr. 33, 1913, übersetzt in Dollinger, Die Hanse, op. cit., S. 504–505.
Schildhauer, Die Hanse, op. cit., S. 214.
Klaus Spading, Niederländer an der Greifswalder Universität. Ein Beitrag zur Geschichte der geistig-kulturellen Beziehungen in der Zeit der Hanse, in: Fritze, Mül-ler-Mertens, Stark (Hrsg.) Autonomie, Wirtschaft und Kultur der Hansestädte, op. cit.
Klaus Wriedt, Das gelehrte Personal in der Verwaltung und Diplomatie der Hansestädte, in „Hansische Geschichtsblätter“, XCVI, 1978, S. Mit
„Latet uns dagen, — lautet ein häufig zitierter Ausruf des Lübecker Bürgermeisters Hinrich Castorp — wente dat vänlein is licht an de stange gebunden, aver it kostet vei, it mit ehren wedder af to nehmen“. Zur Verhandlungsstrategie der Hanse gehörte ein umsichtiger und unvoreingenommener Gebrauch von Geld, das häufig für „Geschenke“ an Ratsherren und Politiker gebraucht wurde, die „überzeugt“ werden sollten.
Albert O. Hirschman Lealtà, defezione e protesta, Milano, Bompiani, 1982. Wir erinnern daran, dass im Schema Hirschmanns exit die übliche wirtschaftliche Antwort auf den Niedergang der Organisationen ist.
Konrad Fritze, Am Wendepunkt der Hanse. Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte wendischer Hansestädte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Berlin VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1967, S. 72–73.
Hoffmann, Konflikte und Ausgleich, op. cit., S. 61.
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Pichierri, A. (2000). Kollektive Identität. In: Die Hanse — Staat der Städte. Stadt, Raum und Gesellschaft, vol 10. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93223-5_5
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