Zusammenfassung
Die Mehrheit des Publikums gehört zu den Nachrichtengewalt-Intensivnutzern, die katastrophensensitiv auf Erdbeben, Flugzeugabstürze und das Flüchtlingselend in Kriegsgebieten reagieren, indes politische Meldungen im herkömmlichen Sinn mit geringerem Interesse quittieren. Mehr als die Hälfte der 54% katastrophensensitiven Zuschauer — insgesamt 34% — werden sinnlich stark durch Gewaltnachrichten beansprucht, ohne diese abzulehnen. Eine Gruppe von 20% zeigt sich gespalten, da sie sich trotz oder wegen ihrer Katastrophensensitivität mehr positive Nachrichten wünscht. Aus diesen Nutzungsfakten lassen sich keine einfachen Faustregeln in bezug auf eine zuschauergerechte Nachrichtengestaltung deduzieren, wohl aber die Erkenntnis, daß im Publikum verschiedene, auch widersprüchliche Formen des Umgangs mit der Fernsehgewalt nebeneinander existieren. Eindimensionale Programmstrategien, Katastrophen- und Gewaltberichte ob der Einschaltquote zu vermehren, werden den heterogenen Bedingungen der Rezipienten ebenso wenig gerecht wie moralisch motivierte Appelle zu einer pauschalen „Abrüstung“ der Bildschirme. Der Zwang zur Differenzierung von Zuschauersegmenten nach Nutzungsarten betrifft nicht nur einzelne Randgruppen, sondern das Gros des Publikums. So sind neben Katastrophen-sensitiven auch Horrorfilm- und Actionfilm-Vielseher kein Minderheitenphänomen. Fernsehzuschauer, die zumindest eines der beiden Spielfilmgewaltgenres intensiv nutzen, stellen einen Anteil von 53%. 15% gehören zur Gruppe der Spielfilmgewalt-Vermeider, die auf Horror- und Actionfilme gut verzichten können. Das Dilemma besteht darin, daß Gewaltdarstellungen in Spielfilmen und Nachrichtensendungen vielen Zuschauern als essentieller Teil ihrer Welt- und Fernseherfahrung gelten, wohingegen sie andere als „Streß“ erleben, der sie zu kategorischer Ablehnung oder zu ambivalenten Anworten zwischen Bejahen und Verneinen provoziert.
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© 1999 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden
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Grimm, J. (1999). ‘Inhaltsleeres’ Arousal? Resümee der Nutzungsmotiv-Analyse. In: Fernsehgewalt. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83252-8_10
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-83252-8_10
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-12668-5
Online ISBN: 978-3-322-83252-8
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