Zusammenfassung
Im vorliegenden Beitrag wird in Essayform die These vertreten, dass die seit Jahren angestrebte Kommerzialisierung von Communities daran scheitert, dass Online-Gemeinschaften permanent zwischen der „Logik der Gabe“ und der „Logik des Tausches“ hin und her pendeln. Wer folglich eine Ökonomisierung von Communities anstrebt, muss die „Logik der Gabe“ unterdrücken, bzw. diese wenigstens zu verschleiern versuchen. Wie das gelingen kann, verdeutlicht ein Blick auf Massenmärkte: Hier ist die Gaben- und Geschenksdimension, die jedem Tauschakt innewohnt, de facto unsichtbar. Zu verdanken ist das dem „Vergesellschaftungsprozess“, den die meisten Unternehmen durchlaufen: Dadurch, dass sie in öffentlichen Besitz übergehen und etwa in Form von Gesellschaftsverträgen kleine „Verfassungen“ erhalten, werden sie abstrahiert und unpersönlicher; unpersönliche Geschäftsbeziehungen bestimmen in der Folge den Alltag. Funktionieren kann diese „Konstitutionalisierung“ allerdings nur, wenn gleichzeitig in einer Gesellschaft öffentliche Institutionen existieren, in denen die verdrängte Gaben- und Geschenksdimension wieder in Erscheinung treten kann. Eine Unterdrückung der „Logik der Gabe“ in Communities könnte folglich durch eine Transformation derselben in „Constitutionalized Communities“ gelingen. Was zugleich jedoch Institutionalisierungsprozesse nötig machen würde.
Allerdings bleibt fraglich, ob eine solche Ökonomisierung überhaupt anzustreben ist. Längst bilden die Communities im Internet ein eigenes Netzwerk, das den Charakter einer riesigen Lern-Maschine hat: LesenSchreibenLesenSchreibenLesen… ist die Grundbewegung dieser Maschine, in die sich jeder, der diese Maschine nutzt, einschreiben muss und sie so umgekehrt erst wieder mithervorbringt. LesenSchreibenLesenSchreibenLesen … ist aber auch stets ein Modus des „Sozialen Lernens“, bedeutet es doch das kritische Diskutieren von Ideen in einer breiten Öffentlichkeit. Unternehmen, die diese Lern-Maschine für sich nutzen wollen, stehen nun allerdings nicht vor der Aufgabe, ihre eigene Community zu bauen, sondern haben vor allem die Aufgabe, strukturell-organisatorische Anschlussmöglichkeiten für diese neue Kultur des „Social Learnings“ zu schaffen. Wie das passieren könnte, wird abschließend durch die Präsentation des sogenannten „BusinessLab“-Konzepts gezeigt; das heißt durch Darstellung einer Entwicklungs- und Innovationsumgebung für Unternehmen, deren Grundpraxis „Soziales Lernen“ ist.
Oder: Woran die Kommerzialisierung von Online-Gemeinschaften scheitert, wie man sie doch erreichen könnte und warum es bei Communities letztlich um etwas ganz anderes geht — nämlich um die Nutzung der größten Lern-Maschine der Welt.
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