Zusammenfassung
Bildungstheorie und empirische Bildungsforschung sind in der Erziehungswissenschaft lange Zeit getrennte Wege gegangen. In einem Aufsatz über den „Wandel der Bildungssemantik“bringt v. Prondczynsky diese Trennung auf eine griffige Formel, indem er die Tradition des Bildungsdenkens von Humboldt bis Adorno als „Bildungstheorie ohne Bildungsforschung“bezeichnet und der empirisch-sozialwissenschaftlichen Ausrichtung einer „Bildungsforschung ohne Bildungstheorie“gegenüberstellt (v. Prondczynsky im Ersch.; vgl. auch Wigger 2004). Demgegenüber sind in den letzten Jahren verschiedene Versuche unternommen worden, die Trennung zwischen Bildungstheorie und Bildungsforschung zu überwinden und bildungstheoretische Reflexionen mit der empirischen Erforschung von Bildungsprozessen zu verbinden. Zu diesen Versuchen gehören u.a. die auf Herwig Blankertz und den nordrhein-westfälischen Kollegschulversuch zurückgehende Bildungsgangforschung (vgl. Meyer 2004 und Trautmann 2004a) sowie die im Zuge der Entwicklung und Etablierung qualitativer Methoden entstandene bildungstheoretisch fundierte Biographieforschung (vgl. Marotzki 1990, 1995; Koller 1999). Beide Konzeptionen sind weitgehend unabhängig voneinander entstanden und nehmen bislang kaum aufeinander Bezug. Vor diesem Hintergrund soll im folgenden Beitrag die These vertreten werden, dass beide Ansätze wechselseitig voneinander profitieren könnten.
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Koller, HC. (2005). Bildung und Biographie. Zur Bedeutung der bildungstheoretisch fundierten Biographieforschung für die Bildungsgangforschung. In: Schenk, B. (eds) Bausteine einer Bildungsgangtheorie. Studien zur Bildungsgangforschung, vol 6. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80754-0_3
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