Zusammenfassung
Als ich mit achtzehn zum ersten Mal in Berlin war, sagte mir ein Mädchen: „Aus dem Saarland kommst du? Ach, dafür sprichst du aber gut deutsch.“ Meine leicht trotzige Reaktion damals: „Natürlich sind wir auch Deutsche!“ Dennoch schien das, was zuvor unbefragt als selbstverständlich galt, der Begründung zu bedürfen oder zumindest Nachdenken zu erfordern. Der Bewohner eines Grenzlandes mit permeablen Grenzen, das in seiner wechselvollen Geschichte häufig Streitobjekt zwischen Deutschen und Franzosen war und einmal auch mit begrenzter Autonomie europäisiert werden sollte, das allein im 20. Jahrhundert zweimal unabhängig von Deutschland, beim ersten Mal dem Völkerbund, beim zweiten Mal einem französischen Hohen Kommissar unterstellt war, wobei die Separation von Deutschland und die Anbindung an Frankreich gar in der Präambel seiner Verfassung festgeschrieben wurde, und zweimal doch wieder ins Deutsche Reich bzw. in die Bundesrepublik eingegliedert wurde, fühlt sich „im Reich“ — wie man noch heute im Saarland die Gebiete jenseits der Grenze zu Rheinland-Pfalz nur halb ironisch nennt — wohl auch leicht zu nationalen Bekenntnissen und Selbstverortungen genötigt, wenn Zweifel an seiner nationalen Zugehörigkeit oder Loyalität aufkommen. Identität ist Einschluss.
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© 2005 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Bergem, W. (2005). Vorwort. In: Identitätsformationen in Deutschland. Forschung Politik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80749-6_1
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