Zusammenfassung
Kierkegaard ist ein Autor, der in der pädagogischen Reflexion bis heute keine Rolle gespielt hat. Bis auf die im Rahmen der Existenzphilosophie-Rezeption durch Bollnow (1959) bei diesem angefertigte Dissertation von H. Schaal (1958) gibt es keine ernstzunehmende pädagogische Veröffentlichung zu Kierkegaard. Und Schaal kommt zu dem Schluss ,dass es sich bei Erziehung‘ für Kierkegaard um ein Geschehen handele, „das sich jeder menschlichen Verfügbarkeit entzieht“ (ebenda S. 16). „Niemals vermag die Pädagogik einem anderen Menschen auch nur das Geringste solcher Anstrengung (der existenziell bedeutsamen Übernahme des eigenen Lebens — A.S.) zu erleichtern oder gar abzunehmen. In der Ebene des Existierens ist sie immer schon gescheitert“ (ebenda S. 110). Eine solche Einschätzung trifft den Kern des modernen pädagogischen Selbstverständnisses. Dieses geht — so unterschiedlich die Ansätze auch sein mögen — davon aus, dass nicht die bloße Vermittlung von Wissen ausreichend ist, sondern dass es darauf ankommt, beim Adressaten pädagogischer Maßnahmen einen Sinn für die Bedeutung dieses Wissens im Hinblick auf das eigene Selbst- und Weltverständnis zu bewirken. Moderne pädagogische Perspektiven zielen auf den Charakter, auf ,psychische Dispositionen‘, auf Identität, auf ,Persönlichkeit‘, auf den,Täter hinter dem Tun‘1. Das von Schaal konstatierte Scheitern genau dieses Anspruchs aus der Perspektive Kierkegaards muss dessen Theorie als Generalangriff auf die neuzeitliche Pädagogik erscheinen lassen.
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© 2004 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Schäfer, A. (2004). Einleitung: Warum Kierkegaard?. In: Kierkegaard. Schriftenreihe der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie der DGfE. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80599-7_1
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-14315-6
Online ISBN: 978-3-322-80599-7
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