Zusammenfassung
Hier sollen zentrale Themen des nicht-sprachlichen Denkens erörtert werden: Die Vorstellung meiner selbst, soziale Situationen, Interaktionen, Kausalität und Moral. Für die Darstellung meiner selbst im szenisch-phantasmatischen System gibt es Alternativen: Ich erscheine mir meistens im subjektiven Blick von innen, im Blick der Anderen oder in sozialen Gefühlen sowie gelegentlich wie von Außen gesehen. Das volle szenisch-phantasmatische System ist ein gutes Medium, um komplexe soziale Themen zu bedenken. Fragt man, wie Menschen komplexe Kooperationen vorstellen und vollbringen, dann betrachtet man oft voreilig die kommunikative Verabredung als Bedingung. Es gibt jedoch geistige Werkzeuge, mit denen Menschen (und Tiere) komplexe Handlungen auch ohne den Gebrauch der Sprache vorstellen und einüben können: bildhafte Vorstellungen und Tradition. Hierzu gehe ich auf die szenisch-phantasmatische Darstellung komplexer Kooperationen beim Menschen und Primaten ein (Angriff, Verteidigung, Jagd, Spiele). Ähnliche Fragestellungen richten sich auf die moralanalogen Regeln bei Primaten sowie auf ihre Fähigkeit, kausale Schlüsse zu ziehen.
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Notes
- 1.
Hierbei sind aber weitere Faktoren zu beachten. So könnte die gegenwärtige Umgestaltung der medialen Situation zu einer viel besseren Bekanntheit meiner Außenansicht führen, z. B. dadurch, dass heute viele Fotos und Videoaufnahmen mit dem Handy zum alltäglichen Umgang mit diesem Medium gehören. Auch wären Unterschiede in der Bekanntheit meiner Außenansicht in Abhängigkeit vom Geschlecht denkbar.
- 2.
Vgl. hier Abschn. 4.2.1. über Blick-Kommunikation.
- 3.
Vgl. hierzu Lohmar 2014.
- 4.
- 5.
Diese gestimmte Gegebenheit gilt auch in dem Fall des Sich-von-außen-Sehens, in der Abstufung der Bekanntheit vertraut–unvertraut erfasse ich, dass ich es bin, den ich da sehe.
- 6.
Es gibt aber auch ein spezifisches Sich-selbst-Hören, das in dem Klang der „inneren Stimme“ liegt, die mit meiner Sprachfärbung spricht (d. h. so wie ich sie höre, wenn ich spreche). Diese innere Stimme verlautbart beim Menschen oft das innerliche Denken, das daher unmittelbar als mein Denken erfasst wird, da es meine Stimme hat. Schon die sinnliche Qualität sagt mir, dass es meine Vorstellungen sind, die ich da höre oder denkend innerlich ausspreche (vgl. dazu Lohmar 2008a, Abschn. 3.2).
- 7.
Vgl. Kant 1781, § 16, S. 108.
- 8.
Vgl. über soziale Gefühle hier Abschn. 5.2.
- 9.
Vgl. Hume 1973.
- 10.
Dies ist ein Beispiel Kants, vgl. Kant 1798, S. 179.
- 11.
Vgl. hierzu Rinofner-Kreidl 2012a.
- 12.
Vgl. hierzu Husserl, Logische Untersuchungen, Hua XIX/1, S. 418.
- 13.
Die Mittel der Darstellung sind Verdichtung und Zeitraffung. Hiervon geben viele überzeugende Schilderungen Zeugnis, die von Personen berichtet werden, die sich für einen kurzen Zeitraum im Gefühl des kurz bevorstehenden Todes wähnten: Das ganze Leben kann in Sekunden vor dem geistigen Auge in Szenen „vorbeiziehen“, von heftigen Gefühlen begleitet.
- 14.
Vgl. Scheler 1954.
- 15.
Ich beziehe mich bei meiner Darstellung auf die ausgezeichneten Analysen von Sonja Rinofner-Kreidl in dem Vortrag „Neid und Ressentiment, eine phänomenologische Analyse“ gehalten auf den Husserl-Arbeitstagen 2012 in Löwen (Rinofner-Kreidl 2012b).
- 16.
Der Neid hat auch eine Äußerung in charakteristischen mimischen Ausdrücken, auch die Körperhaltung gehört hierzu. Vgl. hierzu Rinofner-Kreidl 2012b.
- 17.
Vgl. Boesch und Boesch 1989; Boesch 1994b (sowie die dort diskutierte Literatur); Boesch 2005 und Boesch und Boesch-Achermann 2000. Aufschlussreich ist auch der Verteilungsschlüssel bei erfolgreicher Jagd, dazu vgl. Boesch 1994a.
Zu den Einzelheiten der eindrucksvollen Jagd, die zum Teil mit Infrarotkameras gefilmt wurde, ist aufschlussreich: Chimpanzees team up to attack a monkey in the wild – aus einer Dokumentation des BBC wildlife: http://youtu.be/A1WBs74W4ik. Vgl. weiterhin Watts und Mitani 2002.
- 18.
Vgl. Tomasello 2009, S. 186–199.
- 19.
Vgl. Boesch und Boesch 1989.
- 20.
- 21.
Vgl. Milinski et al. 1990.
- 22.
Die Anführungszeichen bei ‚gesehen‘ sollen andeuten, dass es sich hier nicht nur um Wahrnehmung handelt, sondern bereits um nicht-sprachliches Denken in analogischen Repräsentationsformen.
- 23.
Woher wissen wir um das Bestehen der Verwandtschaft? Da wir alle keine Genetiker sind, muss die Quelle dieser Verbundenheit eine lange gemeinsame Geschichte sein.
- 24.
Vgl. hierzu etwa Hume 1984.
- 25.
Vgl. auch hier Abschn. 6.2.
- 26.
- 27.
- 28.
Vgl. de Waal 1997, S. 48 ff.
- 29.
Vgl. de Waal 1997, S. 114 ff.
- 30.
Vgl. de Waal 1997, S. 43 ff., 116–124.
- 31.
Vgl. de Waal 1997, S. 56–81, 102 ff.
- 32.
- 33.
Vgl. de Waal und Brosnan 2003.
- 34.
Vgl. Hauser 1992.
- 35.
Vgl. de Waal 1997, S. 15–18.
- 36.
- 37.
Vgl. für das Folgende Goodall 1989.
- 38.
Morin et al. 1994.
- 39.
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Lohmar, D. (2016). Weitere zentrale Themen des nicht-sprachlichen Denkens. In: Denken ohne Sprache. Phaenomenologica, vol 219. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-25757-0_5
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