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Wittgenstein und der Wiener Kreis – Denkstil und Denkkollektiv

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Der Wiener Kreis

Part of the book series: Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis ((WIENER KREIS,volume 20))

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Zusammenfassung

Was das Verhältnis zwischen Wittgenstein und dem Wiener Kreis angeht, vermittelt die gängige Historiographie das Bild einer fast einseitigen Rezeption, einer direkten Beeinflussung des Wiener Kreises durch den frühen Wittgenstein. In der Tat scheinen derartige stereotype Erklärungsmuster von den Selbstdarstellungen einiger Mitglieder des Wiener Kreises bestätigt zu werden. Und in der Programmschrift Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis (1929) wird die Einstellung des Zirkels um Moritz Schlick mit Wittgensteins Diktum illustriert: „Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen.“ Mit diesem Zitat sollte die antimetaphysische Haltung als gemeinsames Ziel unterstrichen werden. Die daran anschließende Behauptung, die wissenschaftliche Weltauffassung kenne „keine unlösbaren Rätsel“, lenkte die Wittgenstein-Rezeption des Wiener Kreises – zumindest seines „linken Flügels“ um Hans Hahn, Rudolf Carnap und Otto Neurath – freilich in eine Richtung, die den Ambitionen Wittgensteins diametral zuwiderlaufen musste. Denn nicht die Mobilisierung eines philosophischen Kollektivs als „antimetaphysischer Stoßtrupp“ war dessen Intention, sondern – wie wir inzwischen hinlänglich wissen – Sprachkritik und klärende Gedankenarbeit als moralisches und therapeutisches Anliegen im Sinne von Karl Kraus, Adolf Loos und Arnold Schönberg: ein philosophisches Gegengewicht zum manierierten Feuilleton und zum metaphysischen Leerlauf der Sprache.

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Notes

  1. 1.

    Einen Überblick zur Wittgenstein-Rezeption im allgemeinen und im besonderen hinsichtlich des Wiener Kreises bieten: Frongia und McGuinness 1990; Drudis-Baldrich 1992 und Baker 2003.

  2. 2.

    Frongia und McGuinness 1990, S. 17–26.

  3. 3.

    Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis 1929, S. 15; Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung (1922), 4.116. Im folgenden abgekürzt als Tractatus.

  4. 4.

    Zum Wittgenstein-Bild im soziokulturellen Kontext: Janik und Toulmin 1973 (deutsch: 1984). Als neueste intellektuelle Biographien: McGuinness 1988; Monk 1992. Zum Topos der analytischen Philosophie im Rahmen österreichischer Geistesgeschichte vgl. auch K. R. Fischer 1991.

  5. 5.

    Wittgenstein an Ludwig von Ficker (Oktober/November 1919), in: Wittgenstein 1969, S. 35: „Ich wollte nämlich schreiben, mein Werk bestehe aus zwei Teilen: aus dem, der hier vorliegt, und aus alledem, was ich nicht geschrieben habe. Und gerade dieser zweite Teil ist der Wichtige. Es wird nämlich das Ethische durch mein Buch gleichsam von Innen her begrenzt …“.

  6. 6.

    Mulder 1968, S. 389 ff.

  7. 7.

    Frank 1949a, S. 1–52. Dazu: Haller 1986.

  8. 8.

    Menger 1979 und 1980, S. IX–XVIII. Die Erinnerungen: Menger 1994.

  9. 9.

    McGuinness, Ludwig Wittgenstein und der Wiener Kreis, 1967, Vorwort von McGuinness, S. 11–32; Nedo und Ranchetti 1983.

  10. 10.

    Zum Thema Wittgenstein und Architektur vgl. zum Beispiel: Haus Wittgenstein 1984.

  11. 11.

    Stadler 1982c; Engelmann 1967; Wijdeveld 1994 und 2007; Leitner 2000.

  12. 12.

    Ludwig Wittgenstein und der Wiener Kreis, a. a. O., Vorwort des Herausgebers.

  13. 13.

    Leitner 2000, S. 147.

  14. 14.

    Leitner 2000, S. 117 f.

  15. 15.

    Schlick 1930, S. 4–11.

  16. 16.

    Zu Schlick und dem Wiener Kreis: McGuinness 1985, siehe dazu auch die Schlick-Studien.

  17. 17.

    Vgl. Kap. 7.

  18. 18.

    Neurath 1933a, S. 29.

  19. 19.

    Neuere Arbeiten zu Neurath in diesem Zusammenhang: Müller 1991; Uebel 2007.

  20. 20.

    Vgl. Kap. 4.2.

  21. 21.

    „Thesen von Friedrich Waismann (um 1930)“, in: Wittgenstein und der Wiener Kreis, a. a. O., S. 232–261.

  22. 22.

    Zum Verhältnis zwischen Wittgenstein und Waismann: Baker 1979. 2003; Haller 1988.

  23. 23.

    Zum Übergang vom Logischen Aufbau zur Logischen Syntax: Sauer 1989.

  24. 24.

    Vgl. die im Vergleich zu Wittgenstein weniger beachteten Schriften Friedrich Waismanns: Reitzig 1973; Waismann 1976, 1977.

  25. 25.

    Waismann 1936.

  26. 26.

    Vgl. dazu Janik und Toulmin 1973, S. 257.

  27. 27.

    Carnap Collection RC 102-78-07, University of Pittsburgh Libraries, Special Collections Department (RCC). Ich danke den Archives of Scientific Philosophy, Curator W. Gerald Heverly , für die Genehmigung zum Abdruck von Passagen aus Carnaps Tagebuch sowie aus der Korrespondenz von Wittgenstein und Schlick. Mein Dank gilt auch der/dem Vienna Circle Foundation/Wiener Kreis Archiv (WKA) in Amsterdam/Haarlem, Chair Henk L. Mulder, für die Erlaubnis zur Benutzung und die Genehmigung zum Abdruck aus dem Nachlaß Schlick.

  28. 28.

    Wittgenstein 1978, S. 103.

  29. 29.

    Neurath 1945/1946, zitiert nach: Neurath 1981, S. 1004.

  30. 30.

    Carnap 1963, S. 25 ff.

  31. 31.

    Carnap 1963, S. 28.

  32. 32.

    Feigl 1969, S. 638 f.

  33. 33.

    Vgl. die Beiträge von Brian McGuinnes, Eckehart Köhler, Thomas E. Uebel , Heiner Rutte und Dirk Koppelberg in: Kruntorad 1991. Dazu auch die entsprechenden Beiträge in: Dahms 1985; Koppelberg 1987. Auch Stern 2007 und Hintikka 1993.

  34. 34.

    Zur neueren Debatte über den Physikalismus und die Protokollsätze: Hofmann-Grüneberg 1988; Uebel 2007.

  35. 35.

    Carnap 1932.

  36. 36.

    Neurath et al. 1970/1971.

  37. 37.

    Die folgenden Zitate und Paraphrasierungen aus der erwähnten Korrespondenz von Carnap und Schlick bzw. Wittgenstein (WKA Haarlem, a. a. O.).

  38. 38.

    Carnap 1932, S. 452.

  39. 39.

    Carnap 1934; 2. Auflage 1968, S. 248 f.

  40. 40.

    Neider 1977, S. 29.

  41. 41.

    McGuinness 1984, S. 99–101, 159–162, 209–212.

  42. 42.

    Nach McGuinness 1984, S. 211.

  43. 43.

    Carnap 1963.

  44. 44.

    Carnap an Schlick, 12. 9. 1932.

  45. 45.

    Fleck 1980, 1983; Kuhn 1978a (2. Auflage in deutscher Übersetzung) und 1978b.

  46. 46.

    Vgl. Haller 1986.

  47. 47.

    Vgl. zur Diskussion dieser Kontroverse, auf die in diesem Rahmen nur kursorisch verwiesen werden kann: Hintikka 1989; Hintikka und Hintikka 1990 (speziell Kap. 6.–8); dazu Haller 1990; McGuinness 1991. Die These von Hintikka und Hintikka (1990, S. 184) lautet, „daß der entscheidende Wendepunkt in Wittgensteins philosophischer Entwicklung im Jahre 1929 darin besteht, daß eine physikalistische Umgangssprache anstelle dieser phänomenologischen Sprache zur maßgeblichen, ja tragfähigen Basissprache der Philosophie erklärt wird“ und „daß dieser Wandel die einzige klare Anfangsveränderung in Wittgensteins Ansichten ist …“ Mit dem Postulat zweier Sprachen und zweier Wittgenstein-Perioden (Phänomenalismus und Physikalismus) wäre der Hintergrund der philosophischen Auseinandersetzung Wittgensteins mit Carnap erhellt, wobei allerdings Wittgensteins eigene Hinweise auf den Tractatus hinsichtlich eines dort enthaltenen Physikalismus (der dort auch von McGuinness geortet wird) und der (Un-)Ausdrückbarkeit der Semantik erklärungswürdig bleiben. Als Ergebnis seiner begrifflich differenzierenden Untersuchung des Übergangs vom Phänomenalismus zum Physikalismus bei Wittgenstein, Carnap, Neurath und im Wiener Kreis bezweifelt Haller zu Recht, daß Wittgenstein ein Physikalist im Sinne Neuraths und Carnaps gewesen sei, auch wenn die Bevorzugung einer öffentlichen bzw. intersubjektiven gegenüber einer privaten bzw. subjektiven Sprache einen gemeinsamen Motivationshintergrund bildete.

  48. 48.

    Vgl. Kap. 4.1.1.5.

  49. 49.

    Wittgenstein 1978, S. 43 f.

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Stadler, F. (2015). Wittgenstein und der Wiener Kreis – Denkstil und Denkkollektiv. In: Der Wiener Kreis. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis, vol 20. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-16048-1_6

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