Zusammenfassung
Die Husserl-Forschung hat Husserls Verhältnis zum Neukantianismus hauptsächlich aufgrund seiner Auseinandersetzung mit Paul Natorp thematisiert. Obwohl dieser hoch erhellenden philosophischen Kontroverse zweifellos eine zentrale Rolle zukommt, ist doch auch darauf zu bestehen, dass Husserls Gespräch mit Kant und der kantischen Tradition nicht nur in Bezug auf seinen Streit mit dem Marburger Neukantianismus rekonstruiert werden darf. Wie schon Iso Kern in seinem grundlegenden Buch vom 1964 gezeigt hat, war Husserl auch mit anderen Autoren des deutschen Neukantianismus vertraut und insbesondere hatte er in der frühen Phase seiner gedanklichen Entwicklung zwar Natorp und Cohen, zugleich aber auch Alois Riehl, August Stadler, Friedrich Albert Lange und Hermann von Helmholtz rezipiert.1 Es wäre offensichtlich eine lohnende Aufgabe, auf diese Lektüre näher einzugehen und sie im Rahmen der jeweiligen begrifflichen Konstellationen einzuordnen, die Husserls philosophischen Gang in der Zeit zwischen der Habilitation bei Carl Stumpf in Halle und der Publikation der Logischen Untersuchungen kennzeichnen.
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Notes
- 1.
Vgl. Kern, 1964, bes. S. 1–50. Siehe außerdem Gehlhaar, 1991. Interessante Ansätze bietet auch Sommer, 1985.
- 2.
Zu Husserls früher Zeit in Halle vgl. Gerlach, 1994. Interessante Dokumente auch in: Gerlach/Sepp, 1994, S. 163–189. Eine ausgezeichnete Darstellung des Husserl’schen philosophischen Werdeganges bis 1901 findet sich bei Peucker, 2002.
- 3.
Ich erlaube mir in diesem Zusammenhang auf Ferrari, 2011, zu verweisen. Eine gute Sammlung Husserl’scher Texte zu Kant und der transzendentalen Philosophie in italienischer Übersetzung bietet der Band: Husserl, 1990.
- 4.
Siehe dazu Pulkkinen, 2005, S. 81–114. Zur Logikauffassung in der deutschen Philosophie des 19. Jahrhunderts vgl. Vilkko, 2002.
- 5.
Vgl. Riehl, 1877. Riehl verfasste auch eine ausführliche, zum Teil aber kritische Besprechung von Langes Logischen Studien: vgl. Riehl, 1878. Die Frage, ob Husserl mit diesen Beiträgen Riehls vertraut war, muss hier übergangen werden.
- 6.
Vgl. Lange, 1887, S. 1 und Anm. 1, wo Lange auf Trendelenburg und Ueberweg verweist, welche die „Erkenntnistheorie“ „im Sinne einer Lehre von der menschlichen Erkenntnis“ gedeutet haben, „welche sich auf Logik, Metaphysik und Psychologie stützt“.
- 7.
Vgl. Lange, 1974. Die erste Auflage der Geschichte des Materialismus erschien 1866, die zweite, verbesserte und vermehrte Auflage 1873–1875.
- 8.
Vgl. Lange, 1974, Bd. 2, S. 453–511 und S. 561–579 für die aufschlussreichen Anmerkungen zum Text. Über Langes Werk und Wirkung siehe Köhnke, 1986, S. 233–257 und Ferrari, 1997, S. 22–28.
- 9.
Vgl. Lange, 1877, S. 139. Siehe auch Lange, 1877, S. 149, wo Lange betont, dass „es ja ein reines, anschauungsloses Denken ohnehin nicht gibt und nicht geben kann“.
- 10.
Hua XVIII, S. 226. Dort bezieht sich Husserl auf Lange, 1877, S. 1.
- 11.
Hua XVIII, S. 226–227. Siehe auch Lange, 1877, S. 7 ff.
- 12.
Vgl. Hua Materialien III, S. 34.
- 13.
Vgl. dazu Bégout, 2000, S. 72–78.
- 14.
„Ich beschäftige mich gegenwärtig vorzugsweise – schrieb Husserl an Brentano am 29. Dezember 1886 – mit logischen Untersuchungen über die Begriffe und Principien der Arithmetik und höheren Analysis. Zu ihrer Erlustigung, sowie zur Charakteristik der zeitgenössischen Literatur über diese Gegenstände gebe ich hier ein Citat aus einem Werk des berühmten Neu-Kantianers Cohen in Marburg […]. Dies die ‚wissenschaftliche Philosophie‘ von 1883, welche in der Vierteljahrsschrift (1885) begeisterte Aufnahme findet!“ (Hua Briefwechsel I, S. 5).
- 15.
Vgl. Peucker, 2002, S. 4. Zur Erhellung dieser ‚Konstellation‘ gehört auch Centrone, 2010.
- 16.
Vgl. Hua XXVII, S. 3–63.
- 17.
Vgl. Hua XII, S. 340–373.
- 18.
Vgl. KrV, B 130 und Hua XII, S. 39.
- 19.
Vgl. Holenstein, 1972, S. 75. Holenstein macht auch darauf aufmerksam, dass Husserl seinem Exemplar der Philosophie der Arithmetik ein Blatt beigelegt hat, in dem er einige interessante Bemerkungen zur Passivität sowie zum Status der Relationen bei Kant und Hume schreibt, und zwar als Kommentar zur im Text enthaltenen Kritik gegenüber Lange und Kant (Holenstein, 1972, S. 193, Anm. 4).
- 20.
Vgl. dazu Bégout, 2000, S. 75–79.
- 21.
Vgl. dazu Besoli/Ferrari/Guidetti, 2002.
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Ferrari, M. (2014). Husserl und der frühe Neukantianismus. Die Auseinandersetzung mit Friedrich Albert Lange. In: Fabbianelli, F., Luft, S. (eds) Husserl und die klassische deutsche Philosophie. Phaenomenologica, vol 212. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-319-01710-5_21
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