Isoflavone gehören chemisch zur Gruppe der Phytoöstrogene, die Polyphenole sind und Lignane und Coumestane beinhalten. Alle drei Strukturklassen weisen eine gewisse Ähnlichkeit mit 17β-Östradiol auf. Isoflavone sind im engeren Sinne allerdings keine „pflanzlichen Östrogene“, da sie selektiv fast ausschließlich am zellschützenden ER-β binden, der Begriff „Phyto-SERM“ ist also treffender. Isoflavone kommen in verschiedenen Pflanzen wie Soja, der Traubensilberkerze, diversen Kleearten oder auch Hopfen vor. Sojabohnen enthalten beispielsweise 12 verschiedene Isoflavone, wobei Genistein, Daidzein und Glycitein im Verhältnis von etwa 10:8:1 die wesentlichsten darstellen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Strukturformeln der wichtigsten Isoflavone

Die Sojabohne ist ein nahrhaftes Lebensmittel und zeichnet sich durch einen hohen Protein- und Nährstoffgehalt sowie alle essenziellen Aminosäuren und viele einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren aus. Die traditionellen Sojazubereitungen in China und Japan wie Shoyu (Sojasauce) oder Miso gibt es seit vielen Jahrhunderten; sie führen allerdings zu einem mehr als 70%igen Verlust der in Sojabohnen enthaltenen Isoflavone. Weiter besteht durch das individuell sehr unterschiedliche Darmmikrobiom eine hohe Schwankung der individuellen Metabolisierung. Grundsätzlich gelangen Isoflavone und ihre Metaboliten über die Pfortader zur Leber und werden dort in Phase-II-Reaktionen überwiegend mit Glukuronsäure konjugiert. Diese Konjugate werden im Blut transportiert und zum überwiegenden Teil über die Niere, zu einem kleineren Teil über die Gallenblase ausgeschieden. Analog zu den Steroidhormonen unterliegen die biliär ausgeschiedenen Isoflavone einem enterohepatischen Kreislauf. Im Dickdarm können nicht resorbierte Isoflavone durch die Darmflora metabolisiert werden. Dabei entsteht aus Daidzein O‑Demethylangolensin oder das Isoflavon Equol, dessen Bildung in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Darmflora starken interindividuellen Schwankungen unterliegt. So ist etwa ein Drittel der Erwachsenen nicht zur Equolbildung befähigt. Aus Genistein entsteht der Metabolit 6’-Hydroxy-O-Demethyl-angolensin, der weiter zu p-Ethylphenol abgebaut werden kann. Darüber hinaus werden Isoflavone auch von Cytochrom-P450-abhängigen Monooxygenasen metabolisiert, sodass unterschiedliche hydroxylierte Derivate entstehen, die z. T. im Harn nachweisbar sind [1]. In-vivo-Untersuchungen zur Bioverfügbarkeit von Daidzein und Genistein aus gebackenem Sojabohnenpulver ergaben für Daidzein und seine Metaboliten O‑Demethylangolensin und Equol (Summe von Urin- und Fäzeswerten) eine Wiederfindung von etwa 55 %, für Genistein von etwa 20 % [2].

Isoflavone zeigen Affinität zu ER-β

Isoflavone reagieren als Phytoöstrogene fast ausschließlich über den Östrogenrezeptor β. So liegt die Bindungsaffinität von Genistein im Vergleich zu Östradiol zu ER-α nur bei 4 %, die zu ER-β dagegen bei 87 %. Isoflavone können sowohl östrogene als auch antiöstrogene Wirkungen entfalten und werden damit zu den sog. SERM (selektive Östrogenrezeptormodulatoren) gezählt. Sie beeinflussen über den Östrogenrezeptor die Transkription und die Zellproliferation, modulieren Enzymaktivitäten sowie die Signalübertragung und besitzen auch antioxidative sowie antithyreoidale Eigenschaften [3]. Welche Rolle sie an anderen Steroidrezeptoren wie Androgen‑, Progesteron‑, Glukokortikoid- oder Mineralokortikoidrezeptoren spielen, ist derzeit noch nicht klar.

Zur Bestimmung der direkten Interaktion mit dem ER wurde die relative Bindungsaffinität (RBA) von Isoflavonen und einigen Metaboliten ermittelt, wobei die Wirkung von Östradiol als 100 % angesetzt wird [4]. Eine RBA von >1 % wurde nur für Genistein und Equol gemessen, für alle anderen Isoflavone lagen die Werte zwischen <0,01 und 0,5 % und zwar sowohl für ER-α als auch für ER-β. Die Ergebnisse aus unterschiedlichen Testsystemen zeigen dabei eine hohe Variabilität. In der Regel wird eine stärkere Affinität zu ER-β als zu ER-α gemessen; so weist Genistein als wirkstärkstes Isoflavon eine 18- bis 31-fach höhere Präferenz für ER-β auf [5].

Neben dem Östrogenrezeptor reagieren Phytoöstrogene als nichtsteroidale Substanzen vermutlich aber auch mit dem Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptor (PPAR; [6]). Damit sind sie hypothetisch in eine Reihe von Effekten involviert, die bezüglich des „metabolischen Syndroms“ relevant sind (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Molekulare Mechanismen von Phytoöstrogenen beim „metabolischen Syndrom“. COX-2 Cyclooxygenase 2, iNOS induzierte Stickstoffmonoxid-Synthase, GLUT-4 Glukosetransporter Typ 4, Nrf-Keap nukleärer Erythroid-related Faktor 2 Kelch ECH assoziiertes Protein (Regulator der Zytoprotektion). (Aus Jungbauer und Medjakovic [6], mit freundl. Genehmigung von Elsevier)

Phytoöstrogene sind über die Aktivierung von PPAR in die Herunterregulierung von proinflammatorischen Zytokinen über COX-2 und iNOS involviert. Weiter verstärken sie über die PPAR-Aktivierung den reversen Cholesterintransport und erhöhen auch den Energieverbrauch durch eine Beeinflussung des AMP-aktivierten Kinasesignalkaskadewegs, der für die Inhibierung der Adipogenese wesentlich ist. Phytoöstrogene erhöhen aber auch die Insulinsensitivität, was offenbar ebenfalls über die Aktivierung von PPAR funktioniert. Schließlich können wahrscheinlich auch antioxidative Effekte durch eine Aktivierung von antioxidativen Genen über den KEAP-Metabolismus zu einer Verbesserung des „metabolischen Syndroms“ beitragen. Allerdings wurden bezüglich all dieser Effekte noch keine eingehenden klinischen Studien durchgeführt, da diese insgesamt aufgrund der genannten vielfältigen Einflussmöglichkeiten schwierig erscheinen.

Klimakterische Beschwerden

In Teilen Asiens, in denen relativ viel Soja in der Nahrung verwendet wird, leiden Frauen traditionell weniger unter Hitzewallungen und anderen klimakterischen Beschwerden. Es wird vermutet, dass sie durch die sojareiche Ernährung mehr Isoflavone aufnehmen, die durch die Ähnlichkeit zum Hormon Östrogen den Hormonabfall in der Menopause ausgleichen. Frühere epidemiologische Untersuchungen haben ergeben, dass Frauen mit einer hohen Isoflavonzufuhr, z. B. Japanerinnen, seltener unter klimakterischen Beschwerden wie Hitzewallungen leiden, während diese in westlichen Industrienationen sehr verbreitet sind. Die mittlere Isoflavonplasmakonzentration (gemessen als Gesamtsumme aus Daidzein, Genistein und Equol) bei Asiaten mit traditioneller Ernährung liegt bei etwa 870 nM, bei Europäerinnen hingegen beträgt sie nur ca. 50 nM [3]. Epidemiologische Untersuchungen untermauern die Vermutung, dass die geringere Häufigkeit menopausaler Beschwerden bei Japanerinnen auf die schwach östrogene Wirkung einer phytoöstrogenreichen Kost zurückzuführen sein könnte [7]. So zeigte sich bei japanischen Frauen nach der Korrektur von Störvariablen, dass die Aufnahme von Sojaprodukten oder Isoflavonen negativ mit dem Auftreten von Hitzewallungen korreliert [8]. Eine Reihe von weiteren Studien deutet darauf hin, dass Soja tatsächlich einige der Vorteile der Hormonersatztherapie mit Östrogenen bieten könnte, jedoch ohne deren unerwünschte Begleiteffekte aufzuweisen [9].

Eine der jüngsten Metaanalysen [10] aus 2015 von qualitativ hochwertigen Studien belegt eine signifikante Wirkung der Isoflavone jedenfalls auf Hitzewallungen. 15 randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Studien mit einer Dauer zwischen 3 und 12 Monaten wurden in die Auswertung einbezogen. Die typischen Dosierungen der Präparate reichten von 45 bis 90 mg Isoflavonen täglich. Die Autoren fanden eine Reduktion der Hitzewallungen ohne gravierende unerwünschte Wirkungen. In den 7 Studien, die Daten des umfangreicheren Kupperman-Index (11 menopausale Symptome wie Hitzewallungen, Schlaflosigkeit, Muskel- und Gelenkbeschwerden, Kopfschmerzen, Palpitationen, Parästhesien, Kribbeln, Nervosität, Melancholie, Schwindel) erhoben, konnte allerdings nur ein Trend, aber keine statistisch signifikanten Effekte der Phytoöstrogene festgestellt werden.

Isoflavone sind Mittel der ersten Wahl

Sehr viele Studien befassten sich in der Vergangenheit mit der Erforschung der biochemischen Aspekte sowie der Sicherheit von Isoflavonen aus Soja und Rotklee. Speziell in den letzten Jahren ist die – bei allen Schwierigkeiten in der Evaluierung – tendenziell positive Evidenz rasant angewachsen und deshalb empfiehlt auch die Österreichische Menopausegesellschaft, bei klimakterischen Beschwerden durchaus Isoflavone einzusetzen, bevor eventuell eine Hormonersatztherapie in Betracht gezogen wird [11].

Isoflavone und Atherosklerose

Durch die Cholesterinfreiheit und den hohen Gehalt an ein- und mehrfach ungesättigten Fettsäuren zeichnen sich Isoflavone auch als „herzfreundlich“ aus. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann möglicherweise durch den Konsum von Soja herabgesetzt werden, da sowohl der Glukose- als auch der Lipidstoffwechsel günstig beeinflusst wird.

Eine unlängst durchgeführte Metaanalyse von 8 randomisierten, kontrollierten Studien mit insgesamt 476 Patientinnen zeigte neben der signifikanten Reduzierung der Homocysteinplasmaspiegel eine Erhöhung der HDL-Cholesterin-Spiegel durch Genistein und in Subgruppenanalysen auch eine signifikante Senkung der LDL-Cholesterin- und der Gesamtcholesterinkonzentrationen sowie der Triglyzeride bei Frauen mit metabolischem Syndrom [12]. Dies stimmt mit den Ergebnissen von weiteren Metaanalysen überein, die fanden, dass Sojanahrungsmittel als Zusatz zu einer Diät eine der wenigen Möglichkeiten darstellen, die LDL-Cholesterin-Konzentrationen zwischen 7,9 und 10,3 % zu reduzieren [13].

Nachdem ursprünglich auch randomisierte Studien kein eindeutiges Ergebnis bezüglich Glukosespiegel und Insulinsensitivität ergaben, konnten ganz rezente Metaanalysen hier ebenfalls eine signifikante Verbesserung dieser Parameter bei postmenopausalen Frauen durch Genistein demonstrieren [14].

Klinische Studien mit Surrogatparametern wie der sonographisch ermittelten Dicke der Gefäßwand der A. carotis (CIMT; [15]) weisen ähnlich wie bei einer Hormontherapie darauf hin, dass Isoflavone – allerdings frühzeitig, also relativ zeitnah nach Eintreten der Menopause eingenommen – zu einer potenziellen Reduktion einer subklinischen Atherosklerose führen könnten, da die CIMT-Progressionsrate im Vergleich zur Placebogruppe mit 2‑mal 25 mg Sojaprotein um bis zu 68 % reduziert wird.

Osteoporose

Bezüglich Surrogatparametern der Osteoporose ergaben viele Studien eine Zunahme bzw. geringere Abnahme der Knochendichte (BMD) und die Beeinflussung von biochemischen Knochenumbaumarkern [16, 17]. Auch Metaanalysen scheinen einen positiven Einfluss von Sojaprotein bzw. Isoflavonen speziell in Dosierungen >75 mg täglich auf die Osteoporose nachzuweisen [18]. Viele Studien zeigten darüber hinaus, dass weniger Osteoporosefälle bei Menschen aus Ländern mit gewöhnlich hohem Sojakonsum auftreten [19]. Regelmäßiger Verzehr von (teilweise allerdings mit Kalzium angereicherter) Sojamilch kann bei Frauen nach der Menopause präventive Effekte bezüglich Osteoporose haben und den Knochenabbau verhindern. Die urinären Knochenresorptionsmarker werden ebenfalls durch Isoflavone substanziell reduziert [18]. Studien mit harten Endpunkten wie Frakturraten sind allerdings noch ausständig.

Sicherheit von Isoflavonen ist belegt

Die Sicherheit wurde nach einer umfassenden Risikobewertung auch von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigt [20]. Selbst bei einer Anwendungsdauer von bis zu drei Jahren traten in den Interventionsstudien keine klinisch relevanten Veränderungen von Brust, Endometrium und Schilddrüse auf.

Das Risiko für Schilddrüsenkrebs ist sogar bei Personen, die Tofu verzehren, um bis zu 55 % herabgesetzt. Zwar warnen einige Webseiten und Forscher davor, dass das Risiko für Brustkrebs bei Sojakonsum erhöht sei – dagegen sprechen jedoch die niedrigen Brustkrebsraten in Ost- und Südostasien, wo traditionell viel Soja verzehrt wird. Manche Studien [21] fanden heraus, dass sogar eine inverse Korrelation zwischen einer täglichen Isoflavonaufnahme von 30–70 mg und Karzinomrezidiven bzw. Mortalität besteht. Allerdings gibt es meines Erachtens noch zu wenige wissenschaftliche Untersuchungen bezüglich der potenziellen Wechselwirkung mit einer gleichzeitig durchgeführten Antihormontherapie bzw. Therapie mit Aromatasehemmern. Interessant ist trotzdem, dass beispielsweise auch die Inzidenz von Prostatakrebs in asiatischen Ländern geringer zu sein scheint; es wurden bei asiatischen Männern höhere Konzentrationen von möglicherweise protektiv wirkenden Isoflavonen in der Prostata gefunden als bei westlichen Studienteilnehmern. Auch wenn neben dem Sojaverzehr zusätzliche (regionale) Ernährungs‑, Gesundheits- und Umweltfaktoren bei der Entstehung und Prävention von Krankheiten eine Rolle spielen, können solche Befunde als wichtige erste Hinweise zu den Auswirkungen unterschiedlicher Essgewohnheiten gelesen werden.