Lange, wenig unterbrochene Sitzzeiten, auch am Arbeitsplatz, können das Risiko für verschiedene Erkrankungen, u. a. Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, erhöhen. Für die Praxis der betrieblichen Gesundheitsförderung ist es deswegen sinnvoll, Interventionsansätze, die zur Reduktion von Sitzzeiten oder zu Sitzunterbrechungen am Arbeitsplatz anregen, in Bezug auf ihre Wirksamkeit einschätzen zu können.

Der Schwerpunkt der bewegungsbezogenen Gesundheitsforschung bezog sich lange auf die Betrachtung der Wirkung körperlicher (sportlicher) Aktivität bzw. fehlender körperlicher Aktivität auf die Gesundheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dementsprechend die Empfehlung formuliert, sich mindestens 150 min (min)/Woche mit moderater Intensität zu bewegen (WHO). Auf der Basis neuer Erkenntnisse [3] rückt die Untersuchung möglicher gesundheitlicher Effekte von langen und wenig unterbrochenen Sitzzeiten bzw. sedentärem Verhalten als eigenständigem Risikofaktor neben fehlender Bewegung in den Vordergrund. Sedentäres Verhalten definiert sich durch eine sitzende oder zurückgelehnte Position und einen geringen Energieverbrauch (weniger als 1,5 metabolische Äquivalente (MET)/Stunde [h]; [31]). Zahlreiche Studien belegen Zusammenhänge zwischen langen Sitzzeiten und gesundheitlichen Veränderungen [2, 3, 7, 8], die gesundheitlichen Effekte sind kaum bzw. nur durch ein hohes Maß an körperlicher Aktivität [13], das über die WHO-Empfehlung hinausgeht, auszugleichen. Lange Sitzzeiten am Arbeitsplatz tragen wesentlich zu den Sitzzeiten im Tagesverlauf bei. Im Durchschnitt sitzen die Deutschen 7,5 h, Schreibtischarbeiter bis zu 11 h am Tag [37]. Nach Angaben der Gesundheitsstudie „Beweg dich Deutschland“ der Techniker-Krankenkasse (TK; [28]) arbeiten 40 % der deutschen Bevölkerung fast nur im Sitzen, davon wünscht sich etwa die Hälfte mehr Bewegung während der Arbeitszeit; etwa 40 % davon geben an, dass ihre Arbeit keine Bewegungspausen zulässt. Ein systematischer Review [33] weist auf Assoziationen von langen Sitzzeiten am Arbeitsplatz mit Übergewicht und kardiometabolischen Erkrankungen hin. Bisher vorliegende experimentelle Studien legen günstige physiologische Veränderungen durch häufigere Sitzunterbrechungen und kürzere Sitzzeiten nahe [12, 17].

Zur Frage, mit welchen Strategien lange Sitzzeiten am Arbeitsplatz reduziert oder häufiger unterbrochen werden können, wurden in den letzten Jahren unterschiedliche Interventionsansätze im Rahmen von Primärstudien überprüft. Die vorliegenden Erkenntnisse, was eine Intervention erfolgreich macht, wurden in zahlreichen, z. T. überlappenden systematischen Reviews zusammengefasst und Forschungslücken identifiziert. Eine Übersicht und Einschätzung der teilweise diskrepanten Ergebnisse aus diesen Reviews fehlt jedoch bislang. Dies ist jedoch notwendig, um Entscheidungshilfen für die praktische Einführung von Interventionen am Arbeitsplatz geben zu können.

Ziel dieser Zusammenstellung ist es deshalb, eine Übersicht über die vorliegenden aktuellen systematischen Reviews zur Wirksamkeit von Interventionen, die zu Sitzunterbrechung und Veränderung des Sitzverhaltens am Arbeitsplatz anregen, zu geben. Ein weiteres Ziel ist die Bewertung der Ergebnisse und des dort aufgeführten Forschungsbedarfs sowie das Benennen der weiterhin offenen Forschungsfragen.

Methodik

Aufgrund der hohen Anzahl vorliegender Interventionsstudien, die Interventionen mit dem Ziel, Sitzverhalten am Arbeitsplatz zu verändern, betrachten, wurden systematische Reviews und Metaanalysen zum Thema gesucht, ausgewählt (Abb. 1) und zusammengefasst. Die systematische Literatursuche erfolgte in den Datenbanken PubMed, SportDiscus und PsycInfo. Hierfür wurde ein für Studien in der Arbeitswelt empfohlener Suchstring [23] mit häufig genannten Suchbegriffen des Themas Sitzen kombiniert (Infobox 1). Kriterien für die Auswahl der Reviews werden in Tab. 1 beschrieben.

Abb. 1
figure 1

Flowchart zur Auswahl der Reviews

Tab. 1 Auswahlkriterien für die Übersicht über die systematischen Reviews (SR)

Infobox 1 Literatursuche: Kombinierte Suchstrings

Occupational diseases [MH] OR occupational exposure [MH] OR

occupational exposure* [TW] OR „occupational health“ OR

„occupational medicine“ OR work-related OR working environment

[TW] OR at work [TW] OR work environment [TW] OR occupations

[MH] OR work [MH] OR workplace* [TW] OR workload OR

occupation* OR worke* OR work place* [TW] OR work site* [TW]

OR job* [TW] OR occupational groups [MH] OR employment OR

worksite* OR industry

Sedentar*[TW] OR sitting [TW] OR „office work“ [TW] OR „physical inactivity“ [TW]

Die Abstracts und Volltexte wurden von zwei Reviewern (LK, EB) ausgewählt. Bei unterschiedlicher Meinung wurde mit Unterstützung einer dritten Person (UL) entschieden.

Ergebnisse

Auswahl der Reviews

Es wurden 16 Reviews zum Thema gesichtet (Abb. 1). Entsprechend der Einschlusskriterien wurden für diese Übersicht 10 systematische Reviews, davon ein Cochrane-Review und ein Review mit metaanalytischer Auswertung ausgewählt. Basis der 10 Reviews sind mehr als 100 Primärstudien, die je nach konkreter Fragestellung der Reviews mehrfach in den 10 Reviews aufgeführt sind.

Charakterisierung der systematischen Reviews

Die Primärstudien wurden durch eine systematische Literatursuche in unterschiedlichen Literaturdatenbanken identifiziert (PubMed, PsycInfo, Google Scholar, SportDiscus, Scopus, Web of Science, Cinahl, Central, Embase, ProQuest, ScienceDirect, Cochrane Register). Die aktuellsten Reviews betrachten Primärstudien, die bis Dezember 2015 erschienen waren. Entsprechend der konkreten Fragestellung der einzelnen Reviews und der verschiedenartigen Einschlusskriterien wurden unterschiedliche Primärstudien mit unterschiedlichen Studiendesigns und unterschiedlichen Zielgrößen eingeschlossen. Sieben der 10 ausgewählten Reviews (Shrestha et al. [26], Chu et al. [9], Commissaris et al. [10], Neuhaus et al. [24], Karol et al. [19], Torbeyns et al. [30], Chau et al. [7]) machen Aussagen zu Sitzzeiten bzw. dem Sitzverhalten, 5 Reviews zum Energieumsatz oder zu Schrittzahlen (Shrestha et al., Cao et al. [6], Karol et al., Torbeyns et al., Chau et al.). Fünf Reviews (Commissaris et al., MacEwen et al. [22], Torbeyns et al., Neuhaus et al., Karol et al.) beschreiben u. a. die Wirkung der Interventionen auf gesundheitliche Parameter (z. B. Gewicht, Body-Mass-Index [BMI], Blutdruck, Beschwerden des Muskel-Skelett-Systems), 6 Reviews (Commissaris et al., Cao et al., Mac Ewen et al., Torbeyns et al., Karol et al., Tudor-Locke et al. [32]) machen Aussagen zu möglichen Einschränkungen oder auch Steigerungen der Arbeitsleistung (Tab. 2 und 4).

Tab. 2 Interventionen am Arbeitsplatz, mit dem Ziel Sitzdauer zu reduzieren und Sitzverhalten zu verändern: ausgewählte Charakteristika der eingeschlossenen Primärstudien in den systematischen Reviews

In den systematischen Reviews beschriebene Interventionsstrategien

Die in den Reviews beschriebenen Interventionen sind vielfältig, können aber den folgenden 3 bzw. 4 wesentlichen Interventionsstrategien zugeordnet werden (Abb. 2):

  1. 1.

    Veränderung der Arbeitsumgebung, wie der höhenverstellbare Schreibtisch, dynamische Arbeitsplätze und eine Gebäudegestaltung, die zu Bewegung einlädt („active design building“).

  2. 2.

    An das Individuum gerichtete Interventionen, d. h. verschiedene Formen der Information und Beratung (Vorträge/Hinweisschilder/Informationen per E‑Mail, Computerprompts, die zur Bewegung auffordern). Ziel dieser Interventionen ist es, die Bedeutung der Wirkung von Sitzpausen und Bewegung auf die Gesundheit deutlich zu machen, Aufmerksamkeit für das Thema zu erzeugen und Möglichkeiten für Bewegungspausen bzw. Bewegung in Sitzpausen zu benennen. Diese Information kann eher allgemein über gesundheitliche Folgen des langen Sitzens informieren oder sehr individuell auf die Person zugeschnitten sein (z. B. verbunden mit einer individuellen Zielsetzung [Coaching] für das Sitzverhalten). Die Information und Beratung kann entweder persönlich (face-to-face) mitgeteilt oder über verschiedene Medien weitergegeben werden. Manche Interventionen nutzen Rückmeldesysteme, z. B. ein Monitoring in Form von Schrittzählern, um einen Erfolg der Interventionen schnell sichtbar zu machen.

  3. 3.

    Maßnahmen, die auf eine Veränderung der Arbeitsorganisation gerichtet sind, wie z. B. das Bereitstellen von personellen Ressourcen und die Gestaltung einer bewegungsfreundlichen Arbeitskultur (z. B. Einführung von Arbeitsbesprechungen im Stehen). Interventionen nutzen in der Regel nicht nur eine Strategie, so sind organisationale Veränderungen meist Grundlage und Vorrausetzung (z. B. Managementsupport) für die Veränderung der Arbeitsumgebung bzw. die Individuum-zentrierten Interventionen. In den meisten Interventionen steht jedoch eine Strategie im Vordergrund.

  4. 4.

    Weiterhin gibt es sog. Multikomponenten-Interventionen, die die 3 genannten Strategien (Fokus auf Arbeitsumgebung, Individuum und Arbeitsorganisation) beinhalten.

Abb. 2
figure 2

Klassifikation der Interventionsstrategien mit dem Fokus, Sitzverhalten am Arbeitsplatz zu verändern

Die meisten Informationen stehen über die Wirkung des höhenverstellbaren Schreibtischs bzw. weiterer sog. dynamischer Arbeitsplätze (z. B. Laufbandschreibtische) zur Verfügung; sie werden in 6 Reviews zusammengefasst [6, 19, 22, 24, 30, 32]. Chau et al. [7] betrachten auf das Individuum bezogene Interventionen. Drei aktuelle Reviews [9, 10, 26] beschreiben die Wirkung unterschiedlicher Interventionsstrategien.

Qualität der Primärstudien

Insgesamt wurde die Qualität der Primärstudien bzw. die Evidenz für die berichteten Zusammenhänge von den Autoren der Reviews als eher als moderat, in manchen Reviews auch niedrig bewertet. Dabei erfolgte die Einschätzung der Qualität mit unterschiedlichen Instrumenten (Tab. 3).

Tab. 3 Qualitätsbewertung der Primärstudien in den Reviews

Wirkung der Interventionen

Veränderung der Arbeitsumgebung

Sitz-Steh-Arbeitsplatz.

Viele, jedoch nicht alle Primärstudien zu höhenverstellbaren Schreibtischen beobachten eine Reduktion von Sitzzeiten in einer Größenordnung zwischen 30 min und 2 h/8 h Arbeitstag; nicht alle Ergebnisse sind signifikant. Einzelne Primärstudien berichten über positive Veränderungen kardiometabolischer Parameter, diese Ergebnisse sind jedoch nicht konsistent. Veränderungen der kardiorespiratorischen Fitness konnten nicht gezeigt werden. Ein negativer Einfluss auf die Arbeitsleistung bzw. das Arbeitsengagement wird nicht beschrieben.

Laufbandschreibtisch, Fahrrad/Ergometer am Schreibtisch, Pedaltrainer.

Zur Wirkung der dynamischen Arbeitsplätze gibt es bisher weniger Daten aus Interventionsstudien als zur Wirkung von Sitz-Steh-Arbeitsplätzen. In Bezug auf eine Veränderung des Sitzverhaltens bzw. eine Steigerung der körperlichen Aktivität (d. h. der Zeit, in der diese dynamischen Arbeitsplätze als Bewegungsmöglichkeit am Schreibtisch genutzt werden) werden auch hier günstige Veränderungen beschrieben, die Ergebnisse sind jedoch nicht konsistent [26]. Mac Ewen et al. [22] fokussieren in ihrem Review die Wirkung auf gesundheitliche Parameter und zeigen eine gegenüber dem Sitz-Steh-Arbeitsplatz stärker ausgeprägte Wirkung auf kardiometabolische Parameter (erhöhter Energieumsatz, Senkung der postprandialen Glukose, Veränderung von Körpergewicht und Körperumfang). Reviews, die auch Ergebnisse aus Laborstudien einbeziehen, bestätigen den gegenüber Sitz-Steh-Arbeitsplätzen erhöhten Energieverbrauch bei Nutzung dynamischer Arbeitsplätze [6, 32]. Verschiedene Primärstudien beschreiben jedoch Einschränkungen in Bezug auf die Arbeitsleistung, vor allem in Bezug auf Tätigkeiten am Computer [22, 30]. Einzelne Primärstudien untersuchen auch mögliche negative Wirkungen der Interventionen, einige Studienteilnehmer berichten über Schmerzen und Unbequemlichkeiten [22, 30].

Individuum (Information und Beratung, edukative Maßnahmen)

An das Individuum gerichtete Interventionen sind seltener untersucht und sehr unterschiedlich gestaltet und zeigen dementsprechend insgesamt noch weniger eindeutige Ergebnisse im Vergleich zu den beschriebenen Veränderungen der Sitzzeit nach Einführung eines höhenverstellbaren Schreibtischs. Reduktionen der Sitzzeit zwischen 2 min und 1 h/8 h Tag werden beschrieben. Auch das Bewegungsverhalten in der Freizeit kann sich positiv verändern. Face-to-face-Interventionen sind nicht notwendigerweise erfolgreicher als eine Informationsübermittlung über Medien. Eine positive Wirkung von Aufforderungen über den Bildschirm (sog. „prompts“) auf das Sitzverhalten wird widersprüchlich diskutiert. Auch die wenig untersuchten kardiometabolischen Veränderungen als Folge der Interventionen zeigen widersprüchliche Ergebnisse. Konsistent ist das Fehlen negativer Wirkungen auf die Arbeitsleistung.

Multikomponenten-Interventionen

Ergebnisse von 3 Primärstudien, die Multikomponenten-Interventionen untersuchen, werden von Chu et al. [9] in einer Metaanalyse mit Ergebnissen aus Interventionsstudien, die die Arbeitsumgebung oder das Individuum adressieren, verglichen. Es zeigt sich, dass in Bezug auf die Reduktion der Sitzzeit Multikomponenten-Interventionen den nur auf die Arbeitsumgebung bezogenen Interventionen und den edukativen Maßnahmen überlegen sind.

Einen Überblick über die Aussagen der Interventionsstudien, die in den Reviews zusammengefasst wurden, gibt Tab. 4 wieder.

Tab. 4 Interventionen am Arbeitsplatz mit dem Ziel, Sitzdauer zu reduzieren und Sitzverhalten zu verändern: Ergebnisse der systematischen Reviews

Diskussion und Schlussfolgerungen

Ziel der hier zusammengefassten Erkenntnisse war es, basierend auf den vorliegenden systematischen Reviews einen Überblick zur Wirksamkeit der Interventionen, die zur Veränderung des Sitzverhaltens anregen wollen, zu geben. Die Abgrenzung der Interventionen, die eine Reduktion des Sitzens anstreben, von Interventionen, die am Arbeitsplatz zu mehr Bewegung anregen wollen und damit indirekt auch Sitzzeiten verändern, ist schwierig und möglicherweise nicht ganz trennscharf. Einige der vorliegenden Reviews schließen auch Primärstudien mit ein, die das Bewegungsverhalten betrachten. Mit der Entscheidung, in diesem Review der Reviews vorrangig Interventionen, die das Sitzverhalten adressieren, zu betrachten wurde jedoch dem Punkt Rechnung getragen, dass fehlende Bewegung und langes Sitzen zwei voneinander unabhängige Faktoren sind und daher auch unterschiedliche Interventionsstrategien erfordern.

Nach aktueller Studienlage können viele unterschiedliche Strategien genutzt werden, um am Arbeitsplatz zu Sitzveränderungen bzw. -unterbrechungen, d. h. zu einer Veränderung des Sitzverhaltens anzuregen. Verbunden mit Veränderungen des Sitzverhaltens können Veränderungen gesundheitlicher Parameter gezeigt werden.

Sitz-Steh-Arbeitsplätze (höhenverstellbare Schreibtische) sind grundsätzlich sinnvoll, da sie zur Reduktion von Sitzzeiten beitragen können. Die Bereitstellung eines höhenverstellbaren Schreibtischs bedeutet jedoch nicht notwendigerweise, dass dieser auch tatsächlich genutzt wird [35]. Der Einfluss ihres Nutzens in Bezug auf die Energiebilanz ist gering [5, 32]. Ein Ersatz von Sitzzeiten durch Stehzeiten sollte nicht das primäre Interventionsziel sein, da auch Stehen, je nach Dauer gesundheitliche Auswirkungen haben kann [27, 30]. Dynamische Arbeitsplätze können zwar deutlich physiologische Parameter verbessern, sind jedoch in Bezug auf die Qualität der Arbeitsergebnisse und in Bezug auf Sicherheitsfragen und ihren Nutzen bei unterschiedlichem Trainingsniveau der Anwender noch unzureichend untersucht.

Beratungsangebote, die neben der Information über gesundheitliche Auswirkungen konkrete Vorschläge zur Veränderung des Sitz- und Bewegungsverhaltens machen, sind unterstützt durch organisationale Maßnahmen auch wirkungsvoll. Diese Interventionen können neben der Anschaffung eines höhenverstellbaren Schreibtischs eine weniger kostenintensive Möglichkeit der Intervention sein.

Qualitative Studien geben Aufschluss über personenbezogene und auch arbeitsbezogene Barrieren, die eine Umsetzung bzw. den Erfolg der Interventionen beeinflussen können [14]. Personenbezogene Faktoren sind u. a. das Wissen über die gesundheitliche Wirkung langen Sitzens und die persönliche Motivation bzw. Bereitschaft zu einer Veränderung von (Sitz‑)Gewohnheiten [36]. Arbeitsbezogene Faktoren sind zum einen die Arbeit an sich, z. B. Computertätigkeit, und die Arbeitsmenge bzw. der Zeitdruck, der nur eingeschränkt (Bewegungs‑)Pausen erlaubt. Weiterhin spielen Normen und Werte, die auch bisher nicht übliches Verhalten am Arbeitsplatz, wie z. B. ein Arbeitstreffen im Stehen, akzeptieren und die prinzipielle Bereitschaft des Managements, Bewegungspausen in den Arbeitsalltag zu integrieren, eine Rolle [4, 16].

Es ist deswegen sinnvoll, am konkreten Arbeitsplatz Informationen, sowohl in Bezug auf persönliche als auch arbeitsbezogene Ursachen, zu sammeln, aufgrund derer Beschäftigte in langen Sitzphasen ohne Unterbrechungen arbeiten, um geeignete Ansatzpunkte für Interventionen zu finden.

Forschungsbedarf

Trotz der zahlreichen Primärstudien bleiben viele Fragen offen. Forschungsbedarf besteht bzgl. Interventionsstudien mit hoher Qualität (d. h. randomisierten kontrollierten Studien) mit Beobachtungszeiten über mehrere Monate und mehreren Messzeitpunkten zur Überprüfung der Nachhaltigkeit. Nicht immer wird Sitzverhalten objektiv gemessen. (z. B. mit der Accelerometrie). Die Primärstudien/systematischen Reviews geben zurzeit noch unzureichend Aufschluss darüber, inwieweit eine durch die Intervention erreichte Veränderung des Sitz- und Bewegungsverhaltens auch mit der Veränderung physiologischer Parameter, z. B. dem BMI oder dem Blutdruck oder auch Konzentrations- und Arbeitsfähigkeit, verbunden ist. Erst dann können Aussagen getroffen werden, welche Maßnahmen in Bezug auf den gesundheitlichen Benefit am aussichtsreichsten sind. Dazu gehört auch, mehr Wissen in Bezug auf die den Interventionen zugrunde liegende theoretischen Modelle und die daraus resultierenden Wirkmechanismen zu generieren. Die meisten Interventionen beziehen sich auf den Büroarbeitsplatz; andere Berufsgruppen mit sitzender Tätigkeit werden selten betrachtet.

Multikomponenten-Interventionen werden in der Regel mit einer Kontrollgruppe ohne Intervention verglichen, und so bleibt unklar, welche Elemente der Intervention (z. B. höhenverstellbarer Schreibtisch vs. Edukation, Bedeutung von Feedback) am wirkungsvollsten sind. Weiterhin fehlen noch Informationen zur Wirkung der Interventionen in unterschiedlichen Altersgruppen bzw. bei Personen mit chronischen Erkrankungen.

Ausblick auf Erkenntnisse aus aktuellen Studien

Nach Publikation des letzten systematischen Reviews im Dezember 2016 [9] wurden weitere Primärstudien veröffentlicht, die unterschiedlich gestaltete Interventionen beschreiben und ihre Wirksamkeit, z. T. auch mit längerem Follow-up betrachten. Sie werden in einem systematischen Review zusammengefasst (Kreis et al., eingereicht; [21]). Bezüglich einer (mit objektiven Methoden erhobenen) Reduktion von Sitzzeiten liefern diese Studien weitere moderate Evidenz für die Wirksamkeit von individuumsbezogenen Interventionen, Multikomponenten-Interventionen und höhenverstellbaren Schreibtischen.

Fazit für die Praxis

  • Es können unterschiedliche Strategien genutzt werden, um am Arbeitsplatz zu einer Veränderung des Sitzverhaltens anzuregen:

    • Sitz-Steh-Arbeitsplätze sind grundsätzlich sinnvoll, da sie zur Reduktion von Sitzzeiten beitragen können. Ihr Nutzen in Bezug auf die Energiebilanz ist gering. Ein Ersatz von Sitzzeiten durch Stehzeiten sollte nicht das primäre Interventionsziel sein, da auch Stehen, je nach Dauer, gesundheitliche Auswirkungen haben kann.

    • Dynamische Arbeitsplätze können physiologische Parameter verbessern, sind jedoch in Bezug auf die Qualität der Arbeitsergebnisse und Sicherheitsfragen sowie ihren Nutzen bei unterschiedlichem Trainingsniveau der Anwender noch unzureichend untersucht.

    • Auch Beratungsangebote, die neben der Information über gesundheitliche Auswirkungen konkrete Vorschläge zur Veränderung des Sitz- und Bewegungsverhaltens machen, sind unterstützt durch organisationale Maßnahmen wirkungsvoll.

  • Es ist sinnvoll, am konkreten Arbeitsplatz Informationen zu persönlichen und arbeitsbezogenen Gründen für lange ununterbrochene Sitzzeiten zu erfragen, um geeignete Ansatzpunkte für Interventionen zu finden.