Fragestellung: Kann durch die Gabe eines nicht steroidalen Antirheumatikums (NSAR) wie zum Beispiel Naproxen der Übergang von einer präsymptomatischen Form der Alzheimer-Demenz in das Vollbild der Krankheit verhindert werden?

Hintergrund: NSAR zählen zu den möglichen präventiven Maßnahmen bei einer präsymptomatischen Alzheimer-Erkrankung. Eine Reihe von epidemiologischen Studien wies auf eine geringere Inzidenz der Alzheimer-Erkrankung bei Menschen hin, die aus anderen Gründen NSAR eingenommen hatten [1]. Später durchgeführte Studien mit NSAR und Coxiben konnten diesen Effekt nicht belegen [2]. Daher stellte sich die Frage, ob NSAR bei Personen wirksam sind, die ein hohes familiäres Risiko haben, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken.

Patienten und Methodik: In die placebokontrollierte, auf zwei Jahre angelegte INTREPAD-Studie (Investigation of Naproxen Treatment Effects in Pre-symptomatic Alzheimer’s Disease) wurden Personen ohne kognitive Einschränkungen im Alter über 55 Jahren aufgenommen, bei denen bei einem Familienmitglied (Eltern oder Geschwister) eine Alzheimer-Erkrankung aufgetreten war. Die Studienteilnehmer erhielten entweder zweimal täglich 220 mg Naproxen oder Placebo.

Bei Studieneinschluss wurden eine multimodale zerebrale Bildgebung und kognitive Tests durchgeführt sowie Biomarker im Liquor untersucht. Entsprechende Kontrolluntersuchungen erfolgten nach drei, zwölf und 24 Monaten. Der primäre Endpunkt der Studie war die Änderung im APS (multimodal composite presymtomatic Alzheimer Progression Score).

Ergebnisse: Insgesamt wurden 462 Personen gescreent und davon 195 in die Studie eingeschlossen. In die Gruppe, die Naproxen erhielt, wurden 102 Studienteilnehmer randomisiert, und in die Placebogruppe 93. Die Personen waren im Mittel 63 Jahre alt und 26 % waren Männer. Die Studienteilnehmer hatten im Mittel eine 15-jährige Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen.

Über die Beobachtungszeit von zwei Jahren zeigte sich ein Anstieg des APS-Werts in beiden Behandlungsgruppen (0,102 Punkte/Jahr, Standardabweichung [SD] 0,014). Zwischen den beiden Behandlungsgruppen ergaben sich weder Unterschiede in der APS-Skala, noch im Hinblick auf das Auftreten oder eine Verschlechterung kognitiver Funktionen. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich für die Biomarker im Liquor, die neuropsychologischen Untersuchungen und die multimodale zerebrale Bildgebung.

In der Gruppe der Patienten, die Naproxen erhielten, wurden signifikant mehr unerwünschte Arzneimittelwirkungen berichtet. Dabei fanden sich signifikante Unterschiede für das Auftreten von Obstipation, Dyspnoe, Sodbrennen, arterieller Hypertonie und petechiale Hautblutungen.

Schlussfolgerungen: Bei Personen, die keine kognitiven Einschränkungen aufweisen, und eine positive Familienanamnese für eine Alzheimer-Erkrankung haben, ist eine zweijährige Behandlung mit Naproxen nicht in der Lage, den Beginn kognitiver Störungen zu verhindern.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Interessante Idee, aber gescheitert am Studiendesign

Die vorliegende Studie ist ein gutes Beispiel für eine interessante Forschungsidee, die aber durch das Studiendesign gescheitert ist. Prinzipiell ist es richtig, Therapieansätze bei Risikopersonen für eine Alzheimer-Erkrankung zu untersuchen, bei denen die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist. Die Ergebnisse aller bisher vorliegenden Therapiestudien legen nahe, dass eine Therapie, die erst beginnt, wenn die Patienten symptomatisch sind, wahrscheinlich zu spät kommt. Die Untersucher haben mit dem Alzheimer Progression Score (APS) ein valides Instrument für ihre Studie benutzt. Der APS umfasst kognitive Funktionen, Ergebnisse der zerebralen Bildgebung, Blutflussmessungen und Biomarker im Liquor. Die hier vorliegende Studie ist allerdings viel zu klein, um die wissenschaftlich wichtige Fragestellung zu untersuchen. Für aussagekräftige Ergebnisse wäre es notwendig gewesen, mehrere 1.000 Personen in die Studie einzuschließen und diese dann über mindestens fünf bis zehn Jahre nachzuverfolgen.

Die Tatsache, dass in der vorliegenden Studie Naproxen nicht wirksam war, macht es zwar unwahrscheinlich, dass mit einer größeren Population ein Behandlungseffekt entdeckt werden könnte, schließt allerdings auch einen positiven Therapieeffekt nicht aus. Das wesentliche Hindernis für eine weitere Studie ist allerdings das Nebenwirkungsprofil von Naproxen.