Hintergrund: Die Screeningkoloskopie und die konsequente Adenomabtragung mit konsekutiver -nachsorge hat zu einer Reduktion des kolorektalen Karzinoms (CRC) und der Sterblichkeit des CRC geführt. Die verschiedenen nationalen Leitlinien schreiben unterschiedliche Nachsorgeintervalle vor. Viele Kollegen weichen aber gerade bei kleinen oder weniger als zwei Adenomen von diesen Leitlinien ab und untersuchen früher nach.

Patienten und Methoden: Dieser „Nachsorge-Problematik“ wurde in der hier vorgestellten Studie nachgegangen. Joseph C. Anderson und Kollegen haben die Häufigkeit und die Ergebnisse einer früheren koloskopischen Nachsorge kleiner Low-Risk-Polypen im Zusammenhang mit einer großen Chemopräventionsstudie mit einer Gesamtzahl von 1.560 Patienten überprüft.

Ergebnisse: 38 % der in der Studie untersuchten Patienten mit einem Low-Risk-Adenom wurden schon nach drei Jahren nachkontrolliert, anstatt nach den vorgesehenen fünf Jahren. In dieser früh untersuchten Gruppe fand sich kein statistisch signifikanter Unterschied, was die Häufigkeit von fortgeschrittenen Adenomen (38 vs. 41 %) betrifft, obwohl in der Kurzintervallgruppe statistisch signifikant mehr Menschen mit familiärem Risiko für ein CRC gefunden wurden (▸Abb. 1).

1
figure 1

Risiken für Adenome gemäß Nachkontrolle nach drei und fünf Jahren.

© modifiziert nach Anderson JC et al. Gastroenterology. 2017;152(8):1933–43.

Schlussfolgerungen der Autoren: Die Forscher spekulieren auf Basis der Daten über Gründe, eine frühere Koloskopie durchzuführen: Patienten mit einer familiären Belastung, mit mehr als einem Adenom, und solche, deren Adenome < 5 mm waren, wurden ebenso früher untersucht wie Afroamerikaner oder Personen asiatischer Ethnie. Prozedurenabhängige Faktoren, die eine frühere Untersuchung triggerten, waren vor allem die unzureichende Darmvorbereitung, wobei die Zahl schlecht vorbereiteter Patienten aufgrund des Studienprotokolls sehr niedrig war. Nichtgastroenterologen haben auch häufiger früher untersucht als Gastroenterologen.

Kommentar von Dieter Schilling, Mannheim

„Frühere Untersuchung bringt bei Low-Risk keinen Vorteil“

Die Kernbotschaft lautet: eine frühere Untersuchung in einer Low-Risk-Gruppe bringt keinen Vorteil für den Patienten. Somit sensibilisiert die Studie für die Überkontrolle von Menschen, die kein hohes Risiko haben. Die Vorsorgekoloskopie darf nicht überstrapaziert werden und letztlich durch mögliche Komplikationen in Misskredit geraten. Jeffrey K. Lee und David Lieberman bringen es im Editorial zu dieser Arbeit mit der Headline „low risk is really low risk“ auf den Punkt [1]. In den USA kennt man Zahlen, dass der „overuse“ der Kontrollkoloskopie um 25 % an allen Koloskopien ausmacht. Dies ist neben der unnötigen Belastung der Patienten (Probanden?) auch ein erheblicher finanzieller Aufwand, den in Deutschland die Solidargemeinschaft tragen muss.

Die Daten sind sehr vollständig, da die Nachkontrollen in der Chemopräventionsstudie stringent kontrolliert werden. Die Intervallvorgabe geschah vor der Inklusion in die Studie und spiegelt somit „real life“ wider. Fazit: Niedrigrisiko ist Niedrigrisiko. Wir müssen lernen, die richtigen Menschen zu spiegeln, also eine risikoadaptierte Vorsorge zu betreiben, die den Namen verdient. Die Stiftung Lebensblicke hat sich mit diesem Thema ebenfalls schon in einem interdisziplinären Workshop auseinandergesetzt: Vor dem Hintergrund, dass die moderne Technologie immer mehr kleine Polypen entdeckt, wurde vorgeschlagen, für Low-Risk-Adenome bei fehlenden Risikofaktoren sogar ein Intervall von bis zu zehn Jahren zuzulassen.

figure 2

Prof. Dr. Dieter Schilling