Einführung

Zu den neurodegenerativen Erkrankungen des Kindesalters, die vor allem das zentrale Nervensystem (ZNS) betreffen, gehören vorwiegend die neuronalen Ceroid-Lipofuszinosen (NCL), einige Formen der Mukopolysaccharidosen (MPS) sowie der Leukodystrophien (Tab. 1).

Tab. 1 Korrelation von Genotyp und Phänotyp in NCL

Hierbei handelt es sich bei den NCL-Krankheiten als Gruppe um die am häufigsten auftretenden Formen. Außerdem gibt es weitere Stoffwechselkrankheiten aus der Gruppe der Eisenspeichererkrankungen, der Aminoazidopathien, der Organoazidopathien und der Harnstoffsynthesestörungen, die ebenfalls zu Neurodegeneration bei Kindern führen [1].

Alle diese Stoffwechselkrankheiten haben gemeinsam, dass die Betroffenen initial vollkommen gesund erscheinen – mit Ausnahme der kongenitalen CLN10-Form. Jedoch kommt es dann im Kindes – oder Jugendalter zu einem unaufhaltsam fortschreitenden Verlust bereits erlernter kognitiver Fähigkeiten, weshalb diese Krankheiten auch oft unter dem Begriff „Kinderdemenz“ zusammengefasst werden. Die Mehrzahl dieser Krankheiten gilt als progredient und unheilbar und führt zu einem frühzeitigen Tod des Kindes, zum Teil innerhalb weniger Jahre nach dem Auftreten erster Symptome. Sie sind alle genetisch bedingt mit in der Mehrzahl autosomal-rezessiver Vererbung.

Ursächlich bei all diesen Krankheiten sind genetische Defekte, die durch Speicherung von nicht abbaubaren Substraten zu einem Absterben von Nervenzellen und damit irreversiblen Hirnschäden führen.

Die Folge ist ein progredienter Verlust psychomotorischer Fähigkeiten, in einigen Fällen aber auch des Sehvermögens (hier sind insbesondere die NCL-Krankheiten zu nennen) und selten auch des Hörvermögens (einige Formen der MPS und Leukodystrophien).

Aufgrund abweichender genetischer Ursachen gibt es auch innerhalb der Krankheitsgruppen viele Unterschiede hinsichtlich Krankheitsbeginn und -verlauf – beispielsweise bezüglich Ausprägung und Reihenfolge der Symptome [2,3,4].

Auch wenn die überwiegende Mehrzahl der neurodegenerativen Erkrankungen im Kindesalter monogenen Ursprungs ist, gibt es multifaktorielle und erworbene Krankheiten: Zu den seltenen multifaktoriellen neurodegenerativen Erkrankungen im Kindesalter zählen unter anderem eine früh beginnende multiple Sklerose oder eine amyotrophe Lateralsklerose. Des Weiteren gibt es seltene erworbene Formen wie z. B. eine subakute sklerosierende Panenzephalitis, HIV oder ein nutritiver Vitamin B12-Mangel.

Im Folgenden soll eine Übersicht über die häufigsten monogenen neurodegenerativen Erkrankungen des ZNS im Kindesalter gegeben werden, in der Übersicht in Abb. 1 dargestellt. Besonderer Fokus wird hier auf die häufigste Gruppe, die NCL, gelegt.

Abb. 1
figure 1

Übersicht über Krankheitsgruppen, die Degeneration des zentralen Nervensystems im Kindesalter verursachen

Neuronale Ceroid-Lipofuszinosen (NCL)

Bei den NCL handelt es sich um lysosomale Speicherkrankheiten und die häufigste Ursache für Kinderdemenz [1]. Betroffen sind dabei vorwiegend die graue Substanz des cerebralen Cortex (Abb. 2) und die Retina (Abb. 3; [4]).

Abb. 2
figure 2

Cerebrale Magnetresonanz-Tomographie (T2-Wichtung) bei einer Patientin mit spätinfantiler CLN2-Krankheit. a Alter 3,5 J. b Alter 5 J. Eine progrediente Atrophie der cerebralen und cerebellären grauen Substanz ist sichtbar

Abb. 3
figure 3

Retinale Funduskopie eines 9‑jährigen juvenilen CLN3-Patienten: Irreguläre Pigmentablagerungen und verdünnte Gefäße als klassische Hinweise für die Retinopathie

Bei den NCL wird lysosomales Speichermaterial – sogenanntes Ceroid-Lipofuszin – nicht mehr abgebaut. Die Speicherung solcher Substanzen führt in Nervenzellen des Gehirns zu deren Absterben.

Neue Nomenklatur von NCL-Erkrankungen

Traditionell wurden die NCL-Krankheiten nach dem Erkrankungsalter in angeborene, infantile, spätinfantile, juvenile und adulte Formen eingeteilt. In jüngerer Zeit wurde deutlich, dass die NCL-Krankheiten jedoch deutlich heterogener sind als bisher angenommen und zudem Mutationen im selben Gen zu sehr unterschiedlichen Phänotypen und klinischen Verläufen führen können. Aus diesem Grund wurde die bisherige Nomenklatur durch eine international entwickelte kombinierte genetische und klinische Klassifikation der NCL-Krankheiten ersetzt (Tab. 1). Diese Nomenklatur klassifiziert sowohl das defekte Gen als auch das Alter bei Krankheitsbeginn (kongenital, infantil, spätinfantil, juvenil oder adult) [5].

Das genetische Spektrum der NCL-Krankheiten

Die NCL-Krankheiten sind monogene Krankheiten, sodass jede Form tatsächlich eine separate Krankheitsentität darstellt. Eine wachsende Anzahl von Genen wird als Ursache identifiziert. Alle kindlichen Formen sind autosomal-rezessiv vererbt mit Ausnahme einer extrem seltenen Art von adulter NCL. Bis heute wurden 14 verschiedene NCL-Formen beschrieben (Tab. 1; [6,7,8,9,10,11]). Es müssen jedoch noch mehr NCL-Gene existieren, da bei einigen Patienten Mutationen in keinem der bekannten NCL-Gene nachgewiesen werden können, obwohl sie typische NCL-Symptome und charakteristisches lysosomales Speichermaterial in ihren Zellen aufweisen. Viele der Gene kodieren für scheinbar in ihrer Funktion vollkommen unterschiedliche Proteine wie lysosomale Enzyme (z. B. CLN1, CLN2, CLN5, CLN10 und CLN13) und Membranproteine, die in verschiedenen Organellen lokalisiert sind, einschließlich dem Lysosom (z. B. CLN3, CLN6, CLN7 und CLN8). Auch Mutationen einer APTase (CLN12) [10] oder eines Kaliumkanals (CLN14) [12] scheinen eine NCL-Erkrankung zu verursachen. Das CLN4-Gen (auch DNAJC5 genannt) kodiert für ein Protein mit mutmaßlicher Funktion in Synapsen [11]. Für keines der bekannten NCL-Proteine konnte bisher die genaue Fehlfunktion aufgeklärt werden, die zur Neurodegeneration führt.

Die klinischen Phänotypen der NCL-Krankheiten

Trotz ihrer genetischen Heterogenität haben die NCL-Erkrankungen klinisch in den meisten Fällen eine Kombination aus psychomotorischem Abbau, Epilepsie und Visusverlust gemeinsam.

Den meisten NCL-Genen wird ein klar erkennbarer „klassischer“ Krankheitsphänotyp zugeordnet, der mit einem vollständigen Funktionsverlust des mutierten Proteins vereinbar ist, am ehesten verursacht durch intrazelluläre Fehllokalisation oder frühzeitigen Abbau. Jedoch werden vermehrt Patienten mit „atypischen“ Phänotypen identifiziert, verursacht durch sogenannte „milde“ Mutationen, die nicht zu einem vollständigen Funktionsverlust des zugehörigen Proteins führen (Tab. 1).

Die zunehmende Implementierung von „Next Generation Sequencing Panels“ und Exom-Sequenzierung als essenzielle diagnostische Werkzeuge zur Beurteilung seltener Erkrankungen führt zu mehr Diagnosen von NCL-Patienten einschließlich jener, die von den klassisch anerkannten Phänotypen abweichen. Diese Patienten hätten zuvor möglicherweise niemals eine genetische NCL-Diagnose erhalten. Dennoch haben alle Formen gemeinsam, mit Ausnahme einer seltenen angeborenen Form, dass vor Beginn der ersten Symptome eine normale psychomotorische Entwicklung vorliegt. Die Hauptalarmsymptome sind die Kombination von mindestens zwei Symptomen wie Demenz, Epilepsie, motorische Verschlechterung und Sehverlust. Das Alter bei Krankheitsbeginn kann von der Geburt bis zum Erwachsenenalter reichen. Die Reihenfolge, in der Symptome auftreten, ist variabel und hängt von der Kombination der zugrunde liegenden Mutationen ab, die das Alter beim Ausbruch und den Krankheitsphänotyp beeinflussen. Erste Symptome bei einem infantilen Phänotyp (Erkrankungsalter 6–24 Monate) und auch einem spätinfantilen Phänotyp (Erkrankungsalter 2–5 Jahre) verlangsamen die psychomotorische Entwicklung. Dem folgt rasch ein Entwicklungsstillstand, dann später Verlust der psychomotorischen Fähigkeiten und Beginn der Epilepsie. Diese Regression der psychomotorischen Fähigkeiten wird oft als eine Nebenwirkung von Antiepileptika falsch interpretiert, was die Diagnose dieser sich schnell verschlechternden NCLs verzögert. Sehverlust tritt erst in den späten Stadien dieser Krankheiten auf. Im Gegensatz dazu sind die ersten Symptome im jugendlichen Phänotyp (Erkrankungsalter 5–7 Jahre) meist Sehverlust, gefolgt von Demenz und Verhaltensänderungen, dann Verlust der motorischen Fähigkeiten und Epilepsie in den frühen Teenagerjahren. In adulten Phänotypen fehlt der Sehverlust gewöhnlich. Patienten mit progressiver Myoklonus-Epilepsie (Typ A) oder Demenz mit motorischem Verfall (Typ B) zeigen typischerweise einen Erkrankungsbeginn um das Alter von 30 Jahren, aber dies kann vom Teenager bis zu den Fünfzigern reichen.

Auch wenn die verschiedenen NCL-Phänotypen ähnliche klinische Merkmale aufweisen, unterscheidet sich ihr klinischer Schweregrad und Phänotyp sogar für den gleichen genetischen Typ. Eine Verzögerung der expressiven Sprachentwicklung hat sich bei 83 % der CLN2-Patienten als Vorläufer der Regression der psychomotorischen Funktion erwiesen und kann zur Verbesserung der Frühdiagnose verwendet werden: Kinder mit einer Kombination aus verzögerter Sprachentwicklung und neu auftretenden epileptischen Anfällen, für die es keine klare Ursache gibt, sollten auf CLN2 getestet werden [13]. Epilepsie ist bei fast allen NCL-Patienten therapieresistent, mit besonders hoher Anfallshäufigkeit und -schweregrad bei jungen, spätinfantilen CLN2-Patienten bis in die späten Krankheitsstadien. Bei jungen CLN1-Patienten neigt die Anfallshäufigkeit jedoch in den späteren Krankheitsstadien dazu abzunehmen, und bei jugendlichen CLN3-Patienten sind Anfälle selten, wobei sich mit dem Alter nur eine leichte Verschlechterung zeigt [4]. Die motorischen Symptome umfassen Ataxie (einschließlich Dysmetrie, Dysarthrie), Dysphagie, Myoklonus, Chorea, Tremor und Dystonie, besonders bei infantilen und spätinfantilen Patienten. Andere umfassen Parkinsonismus, insbesondere bei juveniler CLN3-Erkrankung, und einige stereotype Bewegungen, die bei verschiedenen Arten von NCL mit spätinfantilem und juvenilem Erkrankungsalter beobachtet wurden. Die Behandlung der Bewegungsstörungen ist eine große Herausforderung und erfordert sowohl Medikamente als auch ein multidisziplinäres Team aus Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Ärzten. Der Visusverlust, verursacht durch eine Retinopathie, wird bei infantilen und spätinfantilen Patienten meist erst in späten Krankheitsstadien evident, während er bei juvenilen Patienten in der Regel das Erstsymptom bei sonst vollkommen gesund erscheinendem Patienten darstellt [4].

Das klinische Spektrum der NCL-Krankheiten hat sich neben den „klassischen“ oben beschriebenen Phänotypen auch um „atypische“ Phänotypen erweitert: Bei manchen Patienten kann eines der NCL-Hauptsymptome vorherrschend sein, während andere fehlen: Zum Beispiel gibt es bei der CLN2-Erkrankung den SCAR7-spinozerebellären Ataxie-Phänotyp, bei dem Patienten hauptsächlich an Ataxie leiden und keine Epilepsie oder Sehverlust aufweisen sowie einen Erkrankungsbeginn im Jugendalter mit Überleben bis in die vierte Dekade zeigen [14]. Außerdem verursachen bestimmte Mutationen im CLN3-Gen einen milderen Phänotyp einschließlich isolierter, nicht syndromaler Retinadegeneration [15]. Einige dieser Patienten mit CLN3-Mutationen leiden unter Visusmangel, Krampfanfällen, starker Beteiligung des Herzens, zeigen aber auch nach Jahrzehnten keine motorische Verschlechterung.

Zusammenfassend wächst das Spektrum verschiedener Phänotypen für NCL-Erkrankungen (Tab. 1). Bei NCLs, die durch lysosomale Enzymdefekte wie CLN1, CLN2 und CLN10 verursacht werden, reicht das Spektrum vom infantilen bis zum adulten Phänotyp. Zunehmendes Wissen über den natürlichen Krankheitsverlauf der verschiedenen NCL-Formen (z. B. durch Sammeln solcher Daten in internationaler Kooperation [7]) hat gezeigt, dass für einige NCLs, wie die spätinfantile CLN2-Erkrankung, eine hohe Korrelation zwischen spezifischer Genmutation und klinischem Phänotyp besteht, für andere der Phänotyp-Schweregrad auch bei Patienten mit identischem Mutationshintergrund, wie bei der juvenilen CLN3-Erkrankung, signifikant variieren kann. Darüber hinaus können die Auswirkungen dieser Erkrankungen über das zentrale Nervensystem und die Retina hinausgehen. Eine kardiale Beteiligung bei adoleszenten und erwachsenen Patienten mit CLN3-Erkrankung [16] deutet darauf hin, dass es klinische Manifestationen außerhalb des ZNS gibt und dass andere Organsysteme ebenfalls betroffen sein könnten, was eventuell erst bei erfolgreicher Therapie der ZNS-Beteiligung und damit Verlängerung der Lebensdauer klinisch evident wird.

Diagnose der NCL-Krankheiten

Die Änderung diagnostischer Ansätze unter Verwendung von NGS-Panels, die entworfen wurden, um alle bekannten NCL-Gene unter einer viel größeren Gruppe von Störungen abzufragen (z. B. ein „Epilepsie“-Panel, „Retinopathie“-Panel), und auch unter Durchführung von Exom-Sequenzierungen stellt nun eine umfassende Testung in einem einzigen Schritt sicher. Dies ist besonders nützlich für die genetische Diagnose atypischer Erkrankungen in einzelnen Familien.

Neben der genetischen Diagnostik stellt die Enzymtestung bei Verdacht auf CLN1- oder CLN2-Krankheit eine schnelle und kostengünstige Alternative dar und sollte daher bei allen Kindern mit frühkindlichem Erkrankungsbeginn zunächst erwogen werden. Die Enzymaktivitätsmessung ist in einer Trockenblutprobe möglich [17]. Fehlende Aktivität des Enzyms PPT1 bestätigt die Diagnose CLN1-Krankheit, fehlende Aktivität von TPP1 diejenige einer CLN2-Krankheit. Eine entsprechende Mutationsanalyse des jeweiligen Gens sollte angeschlossen werden.

Die elektronenmikroskopische ultrastrukturelle Untersuchung auf lysosomales Speichermaterial ist weiterhin nützlich für die Bestätigung der NCL-Erkrankung, insbesondere für atypische Formen, die keine genetische Diagnose erhalten haben (Tab. 1). In der Regel wird dies mit einer Hautbiopsie oder Blutprobe durchgeführt.

Die Identifizierung von vakuolisierten Lymphozyten, ein Merkmal der CLN3-Erkrankung und einiger anderer lysosomaler Störungen, kann durch einen Blutausstrich bestätigt werden (Abb. 4). Während das Speichermaterial extrazerebral bei kindlichen Formen der NCLs leicht nachzuweisen ist, ist dies nicht unbedingt der Fall, wenn NCL im Erwachsenenalter auftritt.

Abb. 4
figure 4

Blutausstrich eines 9‑jährigen juvenilen CLN3-Patienten: Nachweis charakteristischer Speichervakuolen in Lymphozyten

Therapie der NCL-Krankheiten

Bis vor Kurzem galten alle NCL-Krankheiten als unheilbar und lediglich palliative Therapien standen zur Verfügung. Die erste intracerebroventrikuläre Enzymersatztherapie (ICV-ERT) für CLN2 ist daher ein wichtiger Fortschritt und stellt die erste zugelassene Behandlung für eine der NCL-Formen dar [18]. Bei dieser Form der Enzymersatztherapie werden in zweiwöchentlichen Abständen 300 mg des rekombinanten Enzyms Tripeptidylpeptidase 1 (TPP1) über eine Rickham- oder Ommaya-Kapsel in die Seitenventrikel des Gehirns appliziert.

Um die therapeutische Wirksamkeit zu testen, wurden Daten zum natürlichen Krankheitsverlauf, die im Rahmen eines FP7-finanzierten europäischen Forschungskonsortiums DEM-CHILD gesammelt wurden, als Vergleichsdaten verwendet [13]. Sicherheit und Wirksamkeit wurden in einer offenen Dosis-Eskalationsstudie an 24 Patienten mit CLN2-Krankheit im Alter zwischen 3 und 8 Jahren sowie einer Open-Label-Verlängerungsstudie getestet. Die primären Ziele waren die Bewertung der Sicherheit und Verträglichkeit der Therapie sowie die Evaluation der Wirksamkeit anhand einer CLN2-krankheitsspezifischen Ratingskala. In der Studie kam es bei 80 % aller behandelten Patienten zu einer signifikanten Verzögerung des Fortschreitens oder Stabilisierung der Krankheit, gemessen anhand der Bewertung der motorischen und sprachlichen Funktion nach 96 Behandlungswochen.

Weitere, sich in Entwicklung und teilweise bereits in klinischen Studien befindliche Therapieoptionen für weitere Formen der NCL-Krankheiten sind Ansätze wie Gentherapie, Immunmodulation und Stammzelltherapie. Tab. 2 gibt eine aktuelle Übersicht aller abgeschlossenen und noch laufenden klinischen Therapiestudien bei NCL.

Tab. 2 Zusammenfassung abgeschlossener und laufender klinischer Therapiestudien bei NCL

Mukopolysachaccharidosen (MPS)

Wie die NCL gehören die MPS zu den lysosomalen Speicherkrankheiten. Durch den Defekt verschiedener lysosomaler Enzyme kommt es zur Ablagerung von Glykosaminoglykanen (GAGs; früher Mukopolysaccharide genannt) in verschiedenen Geweben, wovon bei manchen MPS-Formen auch die Nervenzellen des Gehirns betroffen sind. Darüber hinaus sind weitere wichtige Organfunktionen eingeschränkt (u. a. Herz, Lunge, Skelettsystem, Sinnesorgane).

Auch die MPS sind eine heterogene Krankheitsgruppe, bei der die klinische Ausprägung selbst innerhalb der einzelnen MPS-Subtypen variieren kann. Auch sie werden in der Mehrzahl autosomal-rezessiv vererbt. Ausnahme bildet die MPS II (Morbus Hunter), die einer X‑chromosomal-rezessiven Vererbung unterliegt. In der Regel äußern sich die MPS in Form von vergröberten Gesichtszügen, fortschreitenden Skelettdeformitäten, Gelenkkontrakturen, Beteiligung von Herz und Lunge, Vergrößerung von Leber und Milz sowie fortschreitender psychomotorischer Retardierung. Zu neurodegenerativen Symptomen kommt es vornehmlich bei den Formen MPS III und MPS VII sowie den schweren Formen der MPS I und MPS II [2].

Die MPS III wird in die vier Subtypen A–D unterteilt: Bei allen besteht ein Mangel an einem der vier verschiedenen Enzyme aus dem Abbauweg des Heparan-Sulfats: Heparan-Sulfamidase bei MPS IIIA, Alpha-N-Acetylglucosaminidase bei MPS IIIB, Alpha-Glucosaminid:N-Acetyltransferase bei MPS IIIC und N‑Acetylglucosamin-6-sulfat-Sulfatase bei MPS IIID. Alle vier Formen werden autosomal-rezessiv vererbt.

Die ebenfalls autosomal-rezessiv vererbte MPS VII wird durch einen Mangel des lysosomalen Enzyms Beta-D-Glukuronidase verursacht.

Die MPS I hat drei Varianten, die sich im Schweregrad unterscheiden: Die schwerste Form ist das Hurler-Syndrom, die leichteste das Scheie-Syndrom. Einen intermediären Phänotyp hat das Hurler-Scheie-Syndrom. Die Vererbung ist autosomal-rezessiv und Ursache der unterschiedlichen Phänotypen sind allelische Mutationen im IDUA-Gen, das für die Alpha-Iduronidase kodiert. Die Mutationen können je nach Schweregrad einen vollständigen (Hurler-Syndrom) oder partiellen Enzymdefekt (Scheie-Syndrom) verursachen.

Die MPSII (Mangel der Iduronat-2-Sulfatase) wird als einzige MPS X-chromosomal-rezessiv vererbt. Es erkranken aber nicht nur die hemizygoten Jungen, auch wenige betroffene Mädchen mit einer „skewed“ X‑Inaktivierung und präferentieller Expression des mutierten Allels wurden beschrieben.

Leukodystrophien

Leukodystrophien sind Krankheiten, bei denen die Myelinentwicklung im zentralen Nervensystem aufgrund eines genetischen Defektes gestört ist. Im Zuge dessen kommt es zur Degeneration weißer Gehirnsubstanz. Die genetischen Ursachen können vielfältig sein; bislang wurden etwa 137 Gene identifiziert, welche bei Mutationen zu Leukodystrophien führen können. Dennoch ist immer noch eine signifikante Anzahl an Patienten mit der Diagnose einer „unklaren Leukodystrophie“ versehen, die jedoch mithilfe der Next Generation Sequenzierung sich stetig reduziert. Parallel besteht eine zunehmende Steigerung des Wissens über viele neue Proteine der „weißen Substanz“, welche wiederum ein verbessertes Verständnis der Physiologie und Pathophysiologie dieser Krankheiten bewirkt. Vererbt werden die Leukodystrophien überwiegend autosomal-rezessiv, eine Ausnahme ist jedoch beispielsweise die Adrenoleukodystrophie mit X‑chromosomal-rezessivem Erbgang.

Die einzelnen Leukodystrophien sind zwar sehr selten, kommen in der Summe jedoch durchaus häufig vor: nach aktueller Berechnung bei 1:7663 Geburten. Genaue Aussagen sind allerdings schwierig, weil die richtige Diagnose nicht immer gestellt wird.

Während Organe außerhalb des Nervensystems meist nicht betroffen sind, führen Leukodystrophien häufig zu fortschreitender Spastik sowie progressivem Abbau der kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten. Die Lebenserwartung – besonders bei Kindern – ist meist sehr begrenzt [3].