Berufsbedingte Meniskusschäden wurden als sog. Bergmann-Meniskus 1952 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen. Seit 1988 wurde die Berufskrankheit auf alle Berufe erweitert. Bei konstant 1000 bis 1200 Verdachtsanzeigen pro Jahr werden etwa ein Fünftel der Fälle anerkannt. Die Besonderheiten der individuellen Kausalitätsprüfung bei berufsbedingten Meniskusschäden werden dargestellt.

Entstehungsgeschichte

Meniskusschäden wurden erstmals mit der 5. Verordnung über die Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 26.07.1952 als Berufskrankheit anerkannt. Es wurden 5 neue Krankheiten in die Berufskrankheitenliste aufgenommen, nachdem bereits in der 2. Verordnung vom 11.02.1929 Erkrankungen durch Arbeiten mit Pressluftwerkzeugen und am 29.01.1943 Erkrankungen durch Arbeiten in Druckluft aufgenommen worden waren (Tab. 1).

Tab. 1 Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten vom 26.07.1952

Die Erweiterung der Berufskrankheitenliste vom 26.07.1952 um die genannten 5 weiteren Berufskrankheiten folgte der Ausweitung des Berufskrankheiten-Rechts der DDR vom 27.04.1950 (Tab. 2).

Tab. 2 Verordnung zur Änderung der Durchführungsverordnung zu den Vorschriften über Berufskrankheiten vom 27.04.1950 (Gesetzbl. der DDR, Nr. 50: 389)

Bei der Erweiterung des Berufskrankheiten-Rechts in der ehemaligen DDR handelte es sich um eine politische Entscheidung. Einerseits sollte die Überlegenheit des Sozialismus demonstriert werden, andererseits wurden gleichzeitig die Arbeitsnormen zur Produktionssteigerung erhöht. Die Erweiterung der Berufskrankheitenliste in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1952 muss vor dem Hintergrund des Wettstreits der Systeme gesehen werden. Während die politischen Grundsatzentscheidungen der DDR zentral-dirigistisch erfolgten, wurde der Gesetzgebungsprozess in der Bundesrepublik von einem intensiven Diskussionsprozess begleitet [12].

Dank der umfangreichen Dokumentation der nicht nur intensiv, sondern zum Teil auch kontrovers geführten Diskussionen, die der Verordnung von 1952 vorausgingen, ist hinreichend belegt, dass die Aufnahme neuer Berufskrankheiten in die Berufskrankheitenliste von Orthopäden und Chirurgen kritisch begleitet wurde [17].

Die Erweiterung der Berufskrankheitenverordnung und die mechanischen Berufskrankheiten in den 1950er-Jahren spiegeln indirekt den Ost-West-Konflikt wider. Sie war das Ergebnis politischer Vorgaben, dass der arbeitende Mensch in dem jeweiligen System besser vor gesundheitlichen Gefahren geschützt wird.

Die 6. Verordnung zur Ausdehnung der Unfallversicherung der Berufskrankheiten vom 28.04.1961 brachte eine neue Systematik in die Liste der Berufskrankheiten. Die Meniskusschäden wurden der Gruppe der „durch nicht einheitliche Einwirkung verursachten Krankheiten“ zugeordnet, und zwar unter der Nr. 42 und erhielten die Definition „Meniskusschäden nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit unter Tage“. Die Begrenzung auf Unternehmen des Bergbaus entfiel. Die Erfahrungen hatten gezeigt, dass der Begriff „Bergleute“ zu eng gefasst war und auch bei anderen Personen im Bereich des Berg- oder Tunnelbaus ähnliche Arbeitsbedingungen vorlagen [3].

Mit der Änderungsverordnung vom 08.12.1976 änderte sich am Verordnungstext nichts, die Meniskuserkrankung wurde der Gruppe „durch physikalische Einwirkung verursachte Krankheiten“ mit der Nr. 2102 zugeordnet. Mit der Änderungsverordnung zur 7. Berufskrankheiten-Verordnung wurde am 22.03.1988 die BK 2102 auf alle Berufe erweitert.

Epidemiologie

Bei der Aufnahme der BK Nr. 26 im Jahr 1952 wurde, entsprechend der seit 1913 geänderten Rechtslage, nicht maßgeblich auf epidemiologische Erkenntnisse abgestellt. Maßgeblich für die Kodifizierung waren ärztliche Erfahrungen, die insbesondere aus den berufsgenossenschaftlichen Krankenanstalten (Bergmannsheil, Bochum) beigetragen wurden, sowie pathophysiologische Überlegungen zur Mechanik der Kniegelenke. In den frühen Arbeiten spielten epidemiologische Fragestellungen keine Rolle, es wurden nur pathophysiologische Mechanismen der kniebelastenden Tätigkeiten z. B.im Bergbau diskutiert [1, 2, 8].

Die Öffnung der Berufskrankheit Nr. 2102 auf alle Berufskrankheiten geht maßgeblich auf Pressel zurück [14]. Pressel konnte allerdings keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Exposition und Meniskusschaden nachweisen, was er als unbefriedigende Situation zur Kenntnis nahm. Pressel stellte fest: „Nach der empirisch-kasuistischen Methode ist in Einzelfällen die Entstehung eines Meniskusschadens durch berufliche Belastungsfaktoren anhand theoretischer Modellvorstellungen erklärbar. Eine Bestätigung für diesen angenommenen Kausalzusammenhang ließ sich jedoch für statistisch-epidemiologische Untersuchungen bisher nicht erbringen. Dies entspricht der häufig vertretenen Ansicht, dass bei der Entstehung eines Meniskusschadens die Veranlagung eine wesentliche Ursache darstellt.“

Er begründete die Forderung nach Anerkennung der Meniskopathie als offene Berufskrankheit wie folgt: „Ein Meniskusschaden wird dadurch zum sozialen und versicherungsmedizinischen Problem, dass eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke Konsequenzen nach sich zieht (Arbeitsunfähigkeit, Operation, evtl. Aufgabe der bisherigen Tätigkeit), die bei fehlender Belastung nicht erforderlich wären oder sich zumindest noch einige Zeit hinausschieben ließen.“

Dies besagt jedoch nichts anderes, dass die Rechtfertigung der BK 2102 nicht in ihrer belastungsindizierten Verursachung, sondern in ihren belastungsbedingten Auswirkungen gesehen wurde.

Mit dieser Sicht der Dinge stimmen neuere Untersuchungen überein. Herrmann et al. [4] konnten bei einer Magnetresonanztomographie (MRT)-Studie bei 420 Siemens-Arbeitern, die keinen kniebelastenden Tätigkeiten ausgesetzt waren und auch in der Anamnese keinen kniegelenkbelastenden Freizeitsport betrieben und keine Unfälle im Bereich der Kniegelenke erlitten hatten, nur in 4 Fällen keine Meniskusveränderungen nachweisen. In 52 % der Fälle fanden sich Grad-III-Meniskopathien, d. h. Rissbildungen.

Jerosch et al. [7] publizierten vergleichbare Zahlen. Sie untersuchten die Korrelation von Meniskusveränderungen und Lebensalter und diagnostizierten bei über 50-Jährigen in 40,7 % der Fälle Grad-III- und Grad-IV-Schäden an den Menisken. Erwähnenswert ist, dass es sich um asymptomatische Probanden handelte.

Verordnungstext

Die Legaldefinition zur BK 2102 lautet: „Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten“.

Es gibt keinen Unterlassungszwang, eine als Berufskrankheit anerkannte Meniskuserkrankung hindert den Versicherten nicht, weiter meniskusbelastend tätig zu sein.

Mehrjährig

Weder der Verordnungstext noch das amtliche Merkblatt definieren den Begriff „mehrjährig“. Es werden keine Untergrenzen oder Obergrenzen aufgezeigt. Während im Merkblattentwurf von 1988 noch erläutert wurde, dass das mittlere Berufsalter beim ersten Auftreten der Meniskuserkrankung mehr als 10 Jahre betrage, wurden im Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (Bek. des BMA vom 11.10.1989) keinerlei Zeitangaben mehr gemacht. Es heißt lediglich: „Die berufsbedingte chronische Meniskopathie tritt früher auf, als in der beruflich nicht belasteten Bevölkerung.“

Die zeitliche Mindestanforderung an die versicherte Tätigkeit mit einer 3‑jährigen Untertagetätigkeit war bereits 1952 umstritten. Andreesen [1] war 1961 der Auffassung, man wisse nicht, wie viele Jahre kniende Tätigkeit nötig seien, um einen Meniskusschaden zu verursachen.

Pressel [14] machte geltend, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein geringerer Zeitraum ausreichen könnte. Die Dreijahresfrist wurde vor 1988 auch mehrfach durch die Rechtsprechung aufgebrochen [3].

Mehrjährig bedeutet demnach, mindestens 2 Jahre, liegt keine 2‑jährige Kniegelenkbelastung vor, erübrigt sich die weitere Bearbeitung.

Andauernd oder häufig wiederkehrend

Dieses Tatbestandsmerkmal des Verordnungstextes schließt auch anteilige oder unterbrochene Tätigkeitszeiten ein, die dann entsprechend zu summieren sind.

Seit Beginn der BK 2102 hat man über die notwendige Dauer der Exposition diskutiert. Die Problematik ist, dass es keine Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen Belastung und Schadensbild gibt. Eine gelegentliche Belastung genügt sicherlich nicht. Die früher vorgetragene Ansicht, dass bei einer zeitlichen Belastung von weniger als ein Drittel der Arbeitsschicht die Menisken ausreichend Zeit hätten, sich zu erholen, ist nach Auffassung des Sächsischen Landessozialgerichtes (LSG) nicht begründet [10]. Das LSG wies darauf hin, dass ein allgemeiner Erfahrungssatz, eine mindestens 30 %ige tägliche Belastung sei erforderlich, nicht existiere.

Eine Erholung der Menisken bei Unterlassung der Tätigkeiten ist angesichts der Tatsache, dass es sich beim Meniskus – wie bei der Bandscheibe – um ein bradytrophes Gewebe handelt, also Gewebe, das nur dürftig ernährt wird, schlecht vorstellbar. Laut Laarmann [8] gehört das Meniskusgewebe zu der Gruppe von Geweben, die nicht in der Lage sind, zunehmende Beanspruchungen mit einer das Gewebe stärkenden Reaktion zu beantworten. Während Muskeln, Sehnen, Knochen sich durch Mehrarbeit kräftigen, kommt es bei bradytrophem Gewebe, insbesondere beim Meniskus, zu einer rückschrittlichen Entwicklung des Gewebeaufbaus und zu einer Minderung der Gewebefunktion, die nicht mehr rückgängig zu machen ist.

Wenn die Gewebezerstörung des Meniskus einmal in Gang gesetzt ist, schreitet sie fort. Sie kann lange Zeit klinisch stumm bleiben, eine „Erholung“ bzw. eine Wiederherstellung des Gewebes ist jedoch ausgeschlossen.

Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, die bisher ein Drittel der Arbeitsschicht als erforderliche Exposition gefordert hatte, hat die Exposition mittlerweile auf 20 %, also auf etwa 1,5 h tägliche Belastung reduziert.

Die Verwaltungsberufsgenossenschaft ist einen anderen Weg gegangen. Sie fordert 3200 h meniskusbelastende Tätigkeit. Sie leitet dies daraus ab, dass eine 2 Jahre andauernde vollschichtige Belastung, also 200 Schichten à 8 h meniskusbelastende Tätigkeit, eine Mindestexposition darstellen würde, was zu einer „Dosis“ von 3200 h führe.

Da es keine Dosis-Wirkung-Beziehung bei der BK 2102 gibt und ausschließlich der Verordnungsgeber befugt ist, eine Dosis in den Verordnungstext aufzunehmen (s. BK 2112), dürfte dieses Vorgehen der Verwaltungsberufsgenossenschaft nicht weiterführend sein. Die Praxis der Verwaltungsberufsgenossenschaft wurde bisher von einem Urteil des Sozialgerichtes Würzburg vom 02.01.2017 bestätigt und durch ein Urteil des Sozialgerichtes Dresden am 10.02.2017 nicht bestätigt. Beide Fälle sind in der Berufung.

Beim ärztlichen Sachverständigenbeirat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) soll demnächst eine Expertengruppe eine Empfehlung zur notwendigen Dauer der Exposition erarbeiten.

Laut Kommentar [11] ist eine überdurchschnittliche Kniebelastung dann gegeben, wenn hierdurch das Erscheinungsbild des Berufes und/oder des jeweiligen Arbeitsplatzes geprägt wird.

Überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten

Als Ursache für die Entstehung eines Meniskusschadens kommen infrage:

  • belastete Dauerzwangshaltung (schwere körperliche Arbeiten in Zwangshaltung der Kniegelenke),

  • harte Bewegungsbeanspruchung bei ungünstiger Gelenkstellung,

  • pathologische Gelenkmechanik bei unkoordinierter Fehlbewegung.

Zwei Tätigkeitsgruppen mit Meniskusbelastung werden herausgestellt, einmal die belastete Dauerzwangshaltung wie beim Bergmann oder bei Tätigkeiten unter beengten Raumverhältnissen und die erhebliche Bewegungsbeanspruchung, wie z. B. beim Rangierer oder beim Sportler (Abb. 1 und 2).

Abb. 1
figure 1

„Hauer vor Ort“. (© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek)

Abb. 2
figure 2

Raue Bewegungsbeanspruchung beim Fußballer. (© szirtesi/Shotshop.com)

Die extreme Beugestellung der Kniegelenke, verbunden mit einer Dauerzwangshaltung, insbesondere unter beengten Raumverhältnissen, bei gleichzeitiger Kraftaufwendung und Verdrehung führt zu einem übermäßigen Druck und einer übermäßigen Zugspannung in der Knorrenzange. Es ist biomechanisch nachvollziehbar, dass hierdurch Ernährungsstörungen der Menisken entstehen. Da der Meniskus infolge festerer Fixierung an der Gelenkkapsel weniger Ausweichmöglichkeiten als der Außenmeniskus hat, ist er bevorzugt betroffen.

Auch zu Zeiten, als ausschließlich der Untertagearbeiter versichert war, wurden raue Bewegungsbeanspruchungen, also brüske Bewegungen mit häufigen Knick‑, Dreh- oder Scherbelastungen, Stauchungen mit Achsenstress, insbesondere auf grob unebener Unterlage, als ursächlich für Mikrotraumatisierungen und Schädigungen der Menisken angesehen.

Derartige Belastungsprofile lassen sich auch auf Kontaktsportarten, insbesondere das Fußballspielen, übertragen. Auch der Fußballer ist rauen Bewegungsbeanspruchungen durch ständiges Springen und Abbremsen, rasche Körperdrehungen im Schwung, Ball stoppen und abschießen, alles in Verbindung mit harter Kampfberührung der Gegner beim Spielen und Training ausgesetzt.

Rein kniende Tätigkeit, z. B. in 90° Beugestellung, also nicht im Fersenhocksitz, nicht in extremer Beugestellung der Kniegelenke, stellt keine Gefährdung der Menisken dar. Gekniet wird auf der Vorderseite des Schienbeinkopfes und der Kniescheibe, beansprucht werden die Schleimbeutel, jedoch nicht die Menisken. Diese sind bei rechtwinkliger Beugung des Kniegelenks weder stark verschoben, noch stark verformt, noch erheblich druckbelastet. Kniende Tätigkeit ist damit nicht gleichbedeutend mit meniskusbelastender Tätigkeit (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Knien ohne Meniskusbelastung. (Mit freundl. Genehmigung des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Aus [6])

Zuständig für die Sicherung der beruflichen Belastung sind die Präventionsdienste der Berufsgenossenschaften.

Praktisches Vorgehen

Die arbeitstechnischen Voraussetzungen müssen im Vollbeweis gesichert sein. Der versicherte Gesundheitsschaden, wie er im Verordnungstext steht, nämlich der Meniskusschaden, muss ebenfalls vollbeweislich gesichert sein.

Der Vollbeweis setzt in aller Regel den positiven klinischen, makroskopischen und mikroskopischen Befund voraus.

Ein chronischer Meniskusschaden kann lange Zeit unbemerkt verlaufen. Laut Merkblatt deutet ein plötzlich auftretender scharfer Schmerz, nicht selten kombiniert mit Gelenksperre, auf eine Einklemmung eines losgelösten Teils des Meniskus hin.

Meniskusschäden werden häufig als Zufallsbefund magnetresonanztomographisch aufgedeckt [4, 7]. Bildgebende Verfahren, insbesondere die Magnetresonanztomographie, können die Strukturen zwar aussagekräftig zur Darstellung bringen, die Diskrepanz zwischen bildtechnisch zur Darstellung kommenden Veränderungen und ihrer klinischen Relevanz ist jedoch sehr groß. Die klinische Untersuchung, die sog. Meniskuszeichen, ist zu unspezifisch, um die meniskusbedingte Genese von Beschwerden oder Funktionseinbußen zu sichern. So können Knorpelschäden gleichartige Beschwerden auslösen.

Gefordert wird der feingewebliche Untersuchungsbefund, da dieser z. B. eine Aussage darüber erlaubt, ob die Veränderungen verschleißbedingt oder stoffwechselbedingt entstanden sind.

Zusammenhangsbegutachtung

Wenn die Exposition und der Meniskusschaden vollbeweislich gesichert sind, beginnt die individuelle Kausalitätsprüfung. Diese beinhaltet zunächst eine lückenlose Anamnese, neben der beruflichen Tätigkeit das Hinterfragen sportlicher Belastungen, früherer Unfälle etc. Das Leistungsverzeichnis der Krankenkasse muss vorliegen. Es muss ein aussagekräftiger klinischer Befund im Seitenvergleich erhoben werden inklusive eines Röntgenbefundes. Nach konkurrierenden Ursachen muss gefahndet werden.

Haftungsbegründung

Zunächst stellt sich die Frage, ob ein primärer oder sekundärer Meniskusschaden vorliegt. Der Kodifizierung des Meniskusschadens als Berufskrankheit lag die Vorstellung zugrunde, dass bei kniebelastender Tätigkeit die Menisken übermäßig, die anderen Strukturen des Kniegelenks jedoch physiologisch beansprucht werden. Es bestand die Vorstellung, dass der vorzeitige Verschleiß zunächst im Bereich des Meniskusgewebes einsetzt. Die Menisken verlieren zunächst ihre Elastizität. Die Rissfestigkeit lässt nach, es kommt zu Zusammenhangstrennungen des Gewebes, dadurch geht die Schutzfunktion der Menisken zunehmend verloren. Sekundär können dann Knorpelschäden auftreten.

Ist die Meniskusschädigung die mittelbare Folge einer anderen Erkrankung, dann handelt es sich um eine sog. sekundäre Meniskopathie.

Die Frage, ob es sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit um eine primäre oder sekundäre Meniskopathie handelt, muss entsprechend den vorliegenden Befunden sorgfältig abgewogen werden. Tritt der Meniskusschaden im Rahmen einer fortschreitenden Verschleißerkrankung des Knorpels auf, muss geprüft werden, ob der Meniskus durch die mechanische Einwirkung des abgelösten Knorpels mittelbar Schaden genommen hat. Liegt z. B. eine generalisierte Chondromalazie 3. bis 4. Grades vor mit entsprechenden losgelösten Knorpelteilen im Bereich der den Menisken naheliegenden Gelenkflächen, ist der Meniskusschaden eine mittelbare Folge des Knorpelschadens. Findet sich z. B. eine retropatellare Chondromalazie 1. bis 2. Grades, d. h. eine Knorpelerweichung ohne gröberen Knorpelaufbruch, kann man eine mechanisch bedingte Zerstörung des Meniskus durch losgelöste Knorpelteile nicht unterstellen. So heißt es in der aktuellen Ausgabe des Kommentars (XII/16) dann auch: „Gehen jedoch Knorpelveränderungen mit der Folge arthrotischer Umformungen der dann sekundären Meniskopathie voraus, ist ein solches Krankheitsbild nicht unter BK Nr. 2102 zu subsumieren.“ [11]

Ein sekundärer Meniskusschaden kann auch angenommen werden bei langjähriger Instabilität, z. B. als Folge eines Kreuzbandverlustes. Wenn das vordere Kreuzband fehlt, ist die Kinematik des Kniegelenks beeinträchtigt. Normalerweise rollt und gleitet die Oberschenkelrolle gleichzeitig auf dem Schienbeinkopf. Bei Verlust des vorderen Kreuzbandes rollt die Oberschenkelrolle zuerst nach hinten, um dann sekundär zurückzugleiten, was zu einer Zerrüttung der Menisken führt [13].

Meniskusschäden nach erworbener (nicht angeborener) Achsfehlstellung, nach Unfällen mit Zerstörung der Gelenkflächen, stellen in der Regel mittelbare Folgen dieser Erkrankungen dar. Auch Systemerkrankungen wie die Chondrokalzinose, rheumatische Erkrankungen, Gichterkrankungen können über chronische Reizzustände zu mittelbaren Meniskus- und Knorpelschäden führen.

Belastungskonformes Schadensbild

Insbesondere bei Dauerzwangshaltungen in extremer Beugestellung sind die Meniskushinterhörner belastet. Ein Schadensbild unter Ausschluss der Hinterhörner gilt als nicht belastungskonform. Ein kleiner randständiger Einriss ist ebenfalls nicht belastungskonform.

Nach Laarmann [8] ist die Meniskopathie eine Systemerkrankung. In der Regel werden die Menisken in beiden Kniegelenken belastet, sie erkranken auch entsprechend. Die akute behandlungsbedürftige Meniskuserkrankung manifestiert sich jedoch in aller Regel in einem Knie. Die Forderung, dass beide Kniegelenke betroffen sein müssten, lässt sich damit, anders bei der BK 2112, nicht aufrechterhalten.

Grundsätzlich gilt, dass der Innenmeniskus eher gefährdet ist als der Außenmeniskus, ein isolierter Außenmeniskusschaden bei intaktem Innenmeniskus gilt nicht als belastungskonform [9]. Die Häufigkeit des Innenmeniskusschadens steigt mit der Höhe der Belastung. Während bei Frauen das Verhältnis von Innenmeniskusschäden zu Außenmeniskusschäden 3:1 beträgt, bei Männern im nicht belasteten Kollektiv 5:1, betrug es bei Untertagearbeitern in den 1950er-Jahren etwa 10:1 [5], in den 1930er-Jahren bis 36:1 [16]. Je stärker die Kniebelastung ist, umso mehr ist der Innenmeniskus gefährdet. Wenn beide Menisken verändert sind, kann der akute Schaden sich entweder zuerst innen oder außen manifestieren. Liegt ein ausschließliches Schadensbild außenseitig bei völlig unauffälligem Innenmeniskus vor, kann der Zusammenhang mit einer gefährdenden Exposition nicht wahrscheinlich gemacht werden.

Belastungskonformer Verlauf

Das Krankheitsbild manifestiert sich im meniskusbelastend arbeitenden Kollektiv und im nicht meniskusbelastend arbeitenden Kollektiv ohne signifikante Unterschiede. Fraglich belastungskonform ist die Manifestation des Meniskusschadens im jungen Erwachsenenalter nach kurzer Exposition, die Manifestation nach einem belastungsfreien Intervall von mehr als 5 Jahren und die Manifestation in hohem Lebensalter [11]. Da eine Meniskuserkrankung lange Zeit klinisch stumm bleiben kann, ist ein Manifestwerden der Erkrankung auch nach Beenden der Exposition möglich. Je ausgeprägter die Belastung ist, umso früher wird nach Beenden der Exposition mit dem Auftreten der Erkrankung gerechnet. Tritt das Schadensbild mehr als 5 Jahre nach Beenden der Exposition zutage, ist der Zusammenhang sehr kritisch zu prüfen, tritt die Erkrankung mehr als 15 Jahre nach Beenden der Exposition auf, ist der Zusammenhang eher unwahrscheinlich.

Folgeschäden

Der nicht behandelte Meniskusschaden führt relativ rasch zu sekundären Knorpelschäden im jeweiligen Meniskuslager. Diese Knorpelschäden sind dann mittelbare Folge der BK 2102. Nach vollständiger Entfernung eines Meniskus oder nach größeren Teilresektionen wird das Arthroserisiko signifikant gefördert [15]. So wird nach Meniskusresektionen innerhalb von 10 Jahren in bis zu 64 % mit einer Verschleißumformung gerechnet.

Das Krankheitsbild Gonarthrose muss vollbeweislich gesichert sein, der Zusammenhang zwischen der Verschleißerkrankung und der Meniskuserkrankung muss wahrscheinlich sein. Besonders schwierig wird die Zusammenhangsprüfung, wenn sowohl Expositionen im Sinne der BK 2102 als auch im Sinne der BK 2112 vorgelegen haben.

Haftungsausfüllende Kausalität

Wenn der Zusammenhang der belastenden Tätigkeit mit der Meniskuserkrankung wahrscheinlich ist, können berufshelferische Maßnahmen infrage kommen. In der Regel können meniskusbelastende Tätigkeiten nicht weiter verrichtet werden. Knieschoner etc. schützen die Menisken nicht vor weiterer Schädigung.

Die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) orientiert sich an der Funktionsstörung. Die Erfahrungswerte aus der Unfallbegutachtung sind maßgeblich. Eine „Meniskus-MdE“ gibt es nicht.

Ein Meniskusteilverlust ohne weitere funktionelle Beeinträchtigung führt zu einer MdE von unter 10 %. Der vollständige Meniskusverlust führt in der Regel zu einer MdE von 10 %. Bei Knorpelschäden oder rezidivierenden Reizerscheinungen kann die MdE höher ausfallen. Wenn beide Knie betroffen sind, begründet das stärker betroffene Knie die Höhe der MdE. Eine MdE-Erhöhung durch das weniger stark betroffene Kniegelenk ist nicht zu begründen, da das verschlossene Arbeitsmarktsegment unverändert bleibt.

Fazit für die Praxis

  • Exposition und Meniskusschaden müssen vollbeweislich gesichert sein.

  • Im Rahmen der Zusammenhangsbegutachtung muss zunächst geprüft werden, ob der Meniskusschaden zuerst oder als mittelbare Folge einer anderen Erkrankung aufgetreten ist (primärer oder sekundärer Meniskusschaden).

  • Es muss ein belastungskonformes Schadensbild vorliegen mit Beteiligung der Meniskushinterhörner, mit Beteiligung des Innenmeniskus. Randständige kleine Einrisse stellen keine belastungsbedingte Meniskopathie dar.

  • Der Verlauf muss belastungskonform sein. Meniskusschäden bei jungen Erwachsenen und nach geringer zeitlicher Exposition sind ebenso kritisch zu hinterfragen wie Meniskusschäden nach jahrzehntelanger Belastung bei älteren Individuen.

  • Meniskusschäden, die 5 Jahre nach Aufgabe der Tätigkeit auftreten, sind kritisch zu prüfen.

  • Die Höhe der MdE richtet sich nach den Erfahrungswerten im Schrifttum, bei beidseitigem Befall begründet das stärker betroffene Knie die Höhe der MdE.