1 Einleitung

Insbesondere in Gebirgsräumen stellt Schnee eine wichtige Komponente des hydrologischen Kreislaufs dar. Das saisonal im Schnee gespeicherte Wasser trägt während der Schmelze im Frühling und Frühsommer beträchtlich zum Abflussgeschehen bei (Verbunt et al. 2003; Viviroli et al. 2007). Für ein effizientes Management der Wasserressourcen in Gebirgsregionen ist daher eine möglichst präzise Bestimmung des Wasseräquivalents der Schneedecke (SWE) notwendig. Hierzu kann grundsätzlich auf (i) in-situ Beobachtungen, (ii) Fernerkundungsdaten und (iii) schneehydrologische Simulationen zurückgegriffen werden (Sturm 2015).

Schneehöhe (SH) und SWE sind jedoch kleinräumig sehr heterogen verteilt (Winstral and Marks 2014; Grünewald and Lehning 2015). Traditionelle in-situ Messungen wie Schneeschächte (Goodison et al. 1987; Proksch et al. 2016) stören die Schneeschichtung, sind arbeits- und zeitintensiv und bilden dennoch nur einen kleinen Teil der Schneedecke ab. Entsprechend müssen in der Regel Abstriche bei der räumlichen und der zeitlichen Auflösung der Messungen gemacht werden. Konventionelle automatische Messsysteme wie Schneehöhensensoren, Schneekissen oder SnowPackAnalyser (SPA) (Stähli et al. 2004) erfassen die Eigenschaften der Schneedecke kontinuierlich und zeitlich hochaufgelöst, bleiben räumlich allerdings weiterhin auf einen kleinen Messbereich beschränkt (siehe beispielhaft in Abb. 3b). Größere räumliche Einheiten (Einzugsgebiete, Teilflächen von Modellen) können mit solchen punktuellen Messungen daher nur unter hohem Aufwand (große Anzahl an Einzelmessungen) abgebildet werden.

Laserscan basierte Aufnahmen (Deems et al. 2013) und Drohnen gestützte Photogrammetrie (Adams et al. 2017; Bühler et al. 2017) sind grundsätzlich dazu geeignet repräsentative Aufnahmen der Schneehöhenverteilung zu erstellen. Die Anwendbarkeit ist in der Praxis jedoch aus logistischen und finanziellen Gründen auf einzelne Kampagnen beschränkt. Zudem ist zur Bestimmung des hydrologisch relevanteren SWE eine Annahme über die Schneedichte notwendig.

Satelliten gestützte Fernerkundungsdaten könnten diese Lücke prinzipiell schließen. Sie werden in regelmäßigen Zeitabständen aufgenommen und sind in der Regel für ein gesamtes Einzugsgebiet verfügbar. Ein grundsätzlicher Nachteil aller auf optischen Satellitendaten gestützten Produkte stellen jedoch Datenlücken bei Bewölkung dar (Dozier 1989; Hall et al. 2002; Nolin 2010; Dietz et al. 2012). Wolkenunabhängig sind lediglich auf Synthetic Aperture Radar (SAR) basierende Nassschneeflächenprodukte (Nagler and Rott, 2000; Pettinato et al. 2013; Nagler et al. 2016; Rondeau-Genesse et al. 2016). Diese können wiederum nicht zwischen trockenem Schnee und schneefreiem Untergrund unterscheiden. Über das Vorhandensein von Schnee hinausgehende Informationen, beispielsweise über das SWE, können aktuell nur mit passiven Mikrowellensensoren mit einer räumlichen Auflösung von mehr als zwanzig Kilometern gewonnen werden (Rott et al. 2004; Liang et al. 2008; Clifford 2010; Nolin 2010; Dietz et al. 2012). Gebirgsräume sind deshalb bei diesen Produkten aufgrund der kleinräumigen Topographie ausgeklammert.

Zur Simulation von schneehydrologischen Prozessen stehen Modelle sehr unterschiedlicher Komplexitätsgrade zur Verfügung (Essery et al. 2013; Avanzi et al. 2016). Die Spanne reicht hierbei von physikalisch basierten bis hin zu konzeptionellen Modellen, wobei die Übergänge fließend sind. Typischerweise sind innerhalb eines Modells sowohl für verschiedene Prozessgruppen, als auch innerhalb dieser, (Sub)module mit unterschiedlich vollständigen physikalischen Prozessbeschreibungen implementiert. Häufig haben daher selbst gemeinhin als physikalisch basiert bezeichnete Modelle sogenannte „versteckte Parametrisierungen“ (Kirnbauer et al. 1994). In diesem Sinne enthalten hydrologische Modelle stets freie Parameter, die für das jeweilige Einzugsgebiet kalibriert werden müssen. Prinzipiell können physikalisch basierte Modelle angesichts sich verändernder Umweltbedingungen robuster sein als konzeptionelle Modelle, wobei zugleich die Anzahl freier Parameter in der Regel größer ist. Ein größerer Parameterraum erhöht grundsätzlich die Anzahl sich gegenseitig ausgleichender Parameterwerte (Equifinalität) (Beven 2012; Efstratiadis & Koutsoyiannis 2010).

Eine Kombination von schneehydrologischen Modellen mit in-situ Messungen und Fernerkundungsdaten sollte dazu führen, dass sich die jeweils immanenten Nachteile gegenseitig aufheben und somit zu den besten Resultaten führen (Sturm 2015). Kombinierte Ansätze wurden beispielsweise in Bezug auf Datenassimilation (Slater and Clark 2006; Thirel et al. 2013; Magnusson et al. 2014), inverse Modellierung des Niederschlags (Shrestha et al. 2014; Rittger et al. 2016) und multi-kriterielle Modellkalibrierung (Kirnbauer et al. 1994; Schöber et al. 2010, 2014; Finger et al. 2011, 2015; Berezowski et al. 2015; Revuelto et al. 2016) genutzt.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Verwendung von in-situ Daten ist dabei die räumliche Repräsentativität der Messung für die entsprechende Simulationseinheit. Neue automatische in-situ Messmethoden mit einem größeren Messbereich von mehreren Hektar wie beispielsweise Gammaspektroskopie (Choquette et al. 2013; Smith et al. 2017) oder die Messung bodennaher kosmogener Neutronen (cosmic ray neutron sensing, CRNS; Desilets et al. 2010) sind daher sehr vielversprechend.

CRNS wurde zunächst zur kontinuierlichen Bestimmung der Bodenfeuchte vorgeschlagen (Zreda et al. 2008) und ist inzwischen auf mehreren Kontinenten im operationellen Einsatz. CRNS wurde auch erfolgreich zur Bestimmung von Bodenparametern genutzt (Rivera Villarreyes et al. 2014; Baatz et al. 2017). Weiters hat sich eine sehr gute Eignung zur Bestimmung des SWE herausgestellt. Erste Studien beschränkten sich dabei auf Regionen mit gering mächtigen Schneedecken in Nordamerika (Desilets et al. 2010; Rasmussen et al. 2012; Sigouin und Si 2016). Aus diesem Grund wurden im Rahmen einer Feldkampagne von März 2014 bis Juni 2016 und einem anschließenden multi-kriteriellen Kalibrierexperiment folgende Forschungsfragen adressiert:

  1. 1.

    Ist CRNS für die Messung von SWE in einer hochalpinen Umgebung geeignet?

  2. 2.

    Bietet CRNS im Vergleich zu einer konventionellen SWE-Messung einen Mehrwert für die multi-kriterielle Kalibrierung eines schneehydrologischen Modells?

2 Untersuchungsgebiet

In dieser Arbeit wird das Kopfeinzugsgebiet der Fagge, einem der Hauptzubringer zum Tiroler Inn in den österreichischen Alpen untersucht. Am Pegel Gepatschalm entwässert die Fagge ein Einzugsgebiet von 51,85 km2. Bei einer mittleren Höhe von 1833 m. ü. A. erstreckt sich dieses von 1915 am Gebietsauslass bis 3509 m. ü. A. am Alpenhauptkamm. Der Vergletscherungsgrad ist mit 39 % (Stand 2006) sehr hoch (Abb. 1). Lichter Baumbestand ist in der am tiefsten gelegen Region in der Nähe des Gebietsauslasses anzutreffen. Darüber hinaus weist das Einzugsgebiet keinen geschlossenen Baumbestand auf. Zudem stellt die Fagge den größten natürlichen Zufluss zum Speicher Gepatsch dar. Dieser wird als Jahresspeicher mit einer installierten Leistung von 325–392 MW betrieben. Das Wissen um den Speicherzustand der Schneedecke ist daher auch aus wasserwirtschaftlicher Sicht sehr wertvoll.

Abb. 1
figure 1

Einzugsgebiet der Fagge bis zum Pegel Gepatschalm mit der automatischen Wetterstation (AWS) Weißsee (Der Bereich, der zu 50 %, 63 % und 86 % zum CRNS Signal beiträgt, ist in Blautönen hinterlegt)

Aus diesem Grund wird in der Nähe des Weißsees, im zentralen Bereich des Einzugsgebiets auf 2470 m. ü. A. gelegen, eine automatische Wetterstation (AWS) betrieben. Im Zeitraum von März 2014 bis Juni 2016 wurde der Zustand der Schneedecke in der Umgebung der AWS im Rahmen von kontinuierlichen Messungen und Feldkampagnen erfasst (siehe Abschn. 3.1). Der Fokus dieser Untersuchungen lag auf einem Bereich von etwa 270 m Radius um die Station, aus dem 86 % des Signals des an der Station installierten CRNS stammt (Abb. 1, siehe auch Abschn. 3.1). Dieses Gebiet weist nur spärlichen Bewuchs auf und ist mit einer mittleren Neigung von 14,5° vergleichsweise flach. Während der Schneebedeckungsgrad im Hochwinter bei nahezu 100 % liegt, bilden sich im Frühsommer Ausaperungsmuster aus, die auf eine hohe Variabilität der Schneeakkumulation hindeuten (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Das im Detail untersuchte Gebiet um die automatische Wetterstation (AWS) Weißsee: a Blick von der Station Richtung Südwesten im Hochwinter, b AWS während der höchsten Schneeakkumulation im April 2015. Die beiden Schneehöhensensoren sind mit (1) für den Schneehöhensensor SPA und (2) für den Schneehöhensensor Ost markiert, der Cosmic-Ray Neutron Sensor mit (3), cd typische Ausaperungsmuster während der Schneeschmelze. (Schattan et al. 2017a)

3 Daten und Methoden

3.1 Erhebung von Messdaten im Untersuchungsgebiet Weißsee

An der AWS Weißsee werden, neben der Erfassung der üblichen meteorologischen Parameter, auch kontinuierlich schneehydrologisch relevante Parameter wie Schneehöhe und Schneedichte gemessen (Abb. 3b). Für die Messung der Schneedichte steht ein SnowPackAnalyzer (Stähli et al. 2004) zur Verfügung. In Kombination mit zwei ultraschallbasierten Schneehöhensensoren kann das SWESPA [mm] anhand von Gl. 1 aus der Schneedichte ρSchnee [kg m−3] und der Schneehöhe SH [m] ermittelt werden:

$$\mathrm{SWE}=\rho _{\mathrm{Schnee}}\cdot SH$$
(1)
Abb. 3
figure 3

Messbereiche von (a) Cosmic Ray Neutron Sensing (CRNS) und (b) konventionellen Messinstrumenten an der Automatischen Wetterstation (AWS) Weißsee im Vergleich zur Modellauflösung von 50 × 50 m (Gitternetz)

Durch die Verwendung beider Schneehöhensensoren sollen systematische Abweichungen der SWE-Zeitreihe durch kleinräumige Schneeumlagerungen am Standort der AWS verringert werden. Der Messbereich, auf dem sich diese kontinuierliche Messreihe stützt, ist im Vergleich zur Auflösung des verwendeten hydrologischen Modells (50 × 50 m) dennoch klein. Eine Übertragbarkeit der Messwerte auf die Skala des hydrologischen Modells ist somit nicht unbedingt gegeben. Daher wurde zusätzlich ein CRNS installiert, dessen Messbereich wesentlich größer ist und einer Vielzahl an Modellteilflächen entspricht (Abb. 3a).

Der CRNS zählt kontinuierlich Neutronen des kosmogenen Hintergrundes im Wasserstoff sensitiven Energiebereich von etwa 0,1–106 eV (Desilets et al. 2010; Köhli et al. 2018). Während für (i) die Intensität der eingehenden Neutronen, (ii) den Luftdruck und (iii) die absolute Luftfeuchte Korrekturfunktionen angewendet werden, korreliert das verbleibende CRNS-Signal invers mit der in der Umgebung in Form von Bodenfeuchte und SWE gebundenen Menge an Wasserstoff (Zreda et al. 2012). Die Sensitivität nimmt dabei nicht-linear mit der Entfernung zum Sensor ab (Köhli et al. 2015; Abb. 3a). Weitere Faktoren, die den Footprint der Messung beeinflussen, sind der Luftdruck sowie die Gesamtmenge an Wasser in der Umgebung (Köhli et al. 2015).

Flankierend wurden insgesamt 17 Messkampagnen durchgeführt, während derer Messungen mit einem terrestrischen Laserscanner (TLS) und manuelle Schneedichtemessungen durchgeführt wurden. Aus diesen Daten werden multi-temporale SWE-Karten (SWETLS) mit einer Auflösung von 1 × 1 m prozessiert. Diese werden für den Vergleich mit den CRNS-Daten gewichtet gemittelt. In die Gewichtungsfunktion nach Köhli et al. (2015) geht der Abstand zur AWS, die aktuelle Luftfeuchte und die Feuchte der Oberfläche ein. Für schneebedeckte Flächen wurde 99 % Feuchte eingesetzt, für schneefreie Flächen 20 %. Für Zellen mit schmelzendem Schnee gilt eine Limitierung des SWE mit 200 mm, die für den zusätzlichen Effekt aperer Flächen während der Schneeschmelze empirisch korrigiert (Schattan et al. 2017a).

An diesen Daten wird die folgende Funktion zur Berechnung des CRNS basierten SWE (SWECRNS) aus der aktuellen Neutronenzählrate N [Neutronen pro Stunde] nach Desilets et al. (2010) mit den dimensionslosen Parametern a0, a1, a2 und der Neutronenzählrate bei trockenen Bedingungen N0 [Neutronen pro Stunde] gefittet:

$$\mathrm{SWE}_{\mathrm{CRNS}}\left(N\right)=\frac{a_{0}}{\left(\frac{N}{N_{0}}\right)-a_{1}}-a_{2}$$
(2)

Die empirisch ermittelte Parametrisierung von Gl. 2 wird im Anschluss zur Berechnung von SWECRNS [mm] verwendet. Bezüglich weitergehender Details zur Messkampagne und der Prozessierung der CRNS- und TLS-Daten wird auf Schattan et al. (2017a) verwiesen.

3.2 Kalibrierung eines Schneemodells unter Berücksichtigung unterschiedlicher Schneemessungen

Im Rahmen eines Kalibrierexperimentes wird im Anschluss der Mehrwert der SWECRNS-Zeitreihe untersucht. Darin wird die Schneedecke mit dem vollverteilten, Energiebilanz-basierten schneehydrologischen Modell SES (Asztalos 2004; Asztalos et al. 2007) simuliert. Dieses rechnet auf einem Raster mit einer Auflösung von 50 m × 50 m und ist mit dem halbverteilten hydrologischen Modell HQsim (Kleindienst 1996; Achleitner et al. 2012) gekoppelt, dessen Module zur Berechnung des Bodenwasserhaushalts und der Abflusskonzentration genutzt werden (Schattan et al. 2017b). Der Modellantrieb basiert auf den Analysedaten des flächigen INCA-Produktes der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Integrated Nowcasting through Comprehensive Analysis; Haiden et al. 2011). Die Interpolation dieser Daten auf die Modellauflösung sowie weitere Informationen zum Modellaufbau sind in Schattan et al. (2017b) beschrieben. Das Setup des Kalibrierexperiments besteht aus einer einjährigen Einschwingphase (Oktober 2012 bis September 2013), einem zweijährigen Kalibrierzeitraum (Oktober 2013 bis September 2015) und einem anschließenden einjährigen Validierungszeitraum (Oktober 2015 bis September 2016). Die Initialisierung der Modellspeicher zu Beginn der Einschwingphase erfolgt mit einem a priori parametrisierten Modelllauf (ohne Parametervariation) von Oktober 2003 bis September 2012.

Für die Kalibrierung und die Validierung des Modells stehen folgende Datensätze zur Verfügung:

  • Durchgehende Abflussmessung am Gebietsauslass in stündlicher Auflösung

  • SWESPA: Kontinuierliche SWE Messung im Zeitraum 10/2014–09/2016 (in stündliche Auflösung)

  • SWECRNS: Kontinuierliche SWE Messung im Zeitraum 03/2014–06/2014 und 10/2014–06/2016 (in 12 h Auflösung)

  • Multitemporale binäre, aus Landsat-8 und Sentinel-2A Szenen abgeleitete, Schneebedeckungskarten: 16 Karten im Kalibrierzeitraum und 5 Karten im Validierungszeitraum

  • Multitemporale SWE-Karten (SWETLS): 11 Zeitpunkte im Kalibrierzeitraum und 6 im Zeitpunkte Validierungszeitraum

Die multi-kriterielle Kalibrierung des Modells basiert konzeptionell auf der von Sturm (2015) skizzierten Kombination von schneehydrologischer Modellierung mit Fernerkundungsdaten und in-situ Beobachtungen. Als Fernerkundungsdaten werden die binären, auf die Modellauflösung aggregierten, Schneebedeckungskarten verwendet und mit einer kontinuierlichen in-situ SWE-Zeitreihe entweder basierend dem SnowPackAnalyzer (SWESPA) oder auf CRNS (SWECRNS) kombiniert. Zusätzlich wird noch die Abflussmessung am Gebietsauslass verwendet, da sie die Summe aller hydrologisch relevanter Systemzustandsänderungen abbildet.

Die Güte der Simulation bezüglich der einzelnen Aspekte wird jeweils mithilfe eines Gütemaßes bewertet. Die Abflusszeitreihen aus Messung und Simulation werden mit dem Kling-Gupta Efficency (KGE; Kling et al. 2012) bewertet (KGEQ). Dieses kombiniert das Bestimmtheitsmaß R2 mit dem Verhältnis der Variationskoeffizienten und einem Verhältnis der Volumenabweichung. Diese drei Teilaspekte werden zu einem Gesamtgütemaß kombiniert, das durch die schlechteste Teilbewertung dominiert wird. Um die Schneebedeckung zu bewerten wurde aus den Modellsimulationen eine binäre Schneebedeckungskarte ermittelt, wobei Gitterzellen mit weniger als 5 mm SWE als schneefrei gewertet wurden. Als Gütemaß dient die Gegenüberstellung der simulierten und gemessenen Schneebedeckung (Accuracy, ACC) nach Zappa et al. 2003. Für die Bewertung der simulierten Schneewasserwerte wird wiederum das Gütemaß KGE verwendet (KGESWE). Im Fall der konventionellen SWE-Messung (SWESPA) wird diese mit der Simulationszeitreihe der Gitterzelle, in der die AWS liegt, verglichen. Für den Vergleich von CRNS basiertem SWE werden die simulierten SWE Werte der Rasterpunkte analog zu den Laserscan basierten SWE-Karten gewichtet (vgl. Abschn. 3.1).

Die als Zielfunktion verwendete Gesamtmodelleffizienz E kombiniert die Güte der Abflussdaten, der Schneebedeckungsmuster und der in-situ SWE-Daten:

$$E_{i}=1-\sqrt{\left(1-\mathrm{KGE}_{Q}\right)^{2}+\left(1-\mathrm{ACC}\right)^{2}+\left(1-\mathrm{KGE}_{{\mathrm{SWE}}_{i}}\right)^{2}}$$
(3)

Der Index i weist dabei auf die verwendete in-situ SWE-Zeitreihe hin, wobei 1 für die konventionelle SWE-Messung und 2 für die CRNS basierte SWE-Messung steht. Die Zielfunktion orientiert sich dabei am KGE-Gütemaß (Kling et al. 2012; Gupta et al. 2009). Die kombinierte Bewertung ist in dieser Formulierung somit durch das schlechteste einzelne Gütemaß dominiert. Zur Bestimmung der Modellparameter wird ein globaler Optimierungsalgorithmus (Simulated Annealing; Kirkpatrick et al. 1983; Andrieu et al. 2003) genutzt. Hierfür werden zwei separate Optimierungen mit jeweils 2000 Einzelrealisierungen durchgeführt, wobei E1 bzw. E2 als Zielfunktion dient.

4 Ergebnisse und Diskussion

4.1 Ergebnisse der Messkampagne am Weißsee

Der gesamte Zeitraum der Messkampagne am Weißsee (März 2014 bis Juni 2016) deckt Teile der Wintersaison 2013/14 und die gesamten Wintersaisonen 2014/15 und 2015/16 ab. In diesem Zeitraum konnten teils wiederkehrende Muster der Schneebedeckung, teils aber auch große Unterschiede beobachtet werden. Abb. 4 zeigt exemplarisch die SWE-Verteilung während der Schmelzsaison im Winter 2014/15, aufgenommen am 05. Juni 2015, und im darauffolgenden Winter 2015/16, aufgenommen am 07. Juni 2016. Ein wiederkehrendes Muster ist beispielsweise, dass sich in einer Rinne westlich der AWS Weißsee, unabhängig von der vorherrschenden Windrichtung, mehr Schnee akkumuliert als in der Umgebung. Andere SWE-Muster treten dagegen nur in einem von beiden Jahren auf. So zählt die unmittelbare Umgebung der AWS im Jahr 2015 zu den Teilflächen mit den höchsten SWE-Werten, während sich die SWE-Werte im Jahr 2016 im Mittelfeld bewegen. Auch weißt die östliche Hälfte des Kartenausschnittes im Jahr 2015 insgesamt mehr SWE auf als die westliche. Im Jahr 2016 weist der südöstliche Bereich bereits sehr geringe Schneemengen auf, der äußerste östliche Rand des Ausschnitts ist sogar bereits aper. Dies kann mit durch jeweils unterschiedliche dominante Windrichtungen bedingten Schneeumverteilungsregimen erklärt werden.

Abb. 4
figure 4

SWE-Karten während der Schneeschmelze am 05. Juni 2015 und am 07. Juni 2016 im Vergleich zum Messbereich des Cosmic-Ray Neutron Sensors (CRNS) und im Vergleich zur Modellauflösung von 50 × 50 m

Insgesamt bewirken diese Unterschiede, dass es kein stabiles Verhältnis zwischen der konventionellen SWE-Messung am Standort der AWS (SWESPA) und der dazugehörigen Gridzelle gibt. Dies wird auch im Vergleich zwischen CRNS-Neutronenzählraten und SWE-Messungen deutlich. In Abb. 5 werden Parametrisierungen der nicht-linearen Gl. 4 zur Berechnung von SWECRNS aus der Neutronenzählrate dargestellt. Als Grundlage hierfür dienen (i) verschiedene Zeiträume der Wintersaison 2015/16 (nur Akkumulationsphase, nur Schmelzphase, gesamte Wintersaison) und (ii) verschiedene SWE-Datenquellen (SWESPA, gewichtetes SWETLS). Das Verhältnis zwischen CRNS-Neutronenzählraten und den konventionellen SWE-Messungen mittels SnowPackAnalyser ist zeitlich nicht stabil (Abb. 5a). Die Gleichungen für die gesamte Wintersaison 2014/15 unterscheiden sich deutlich von den Gleichungen für die Schneeakkumulations- und Schneeschmelzphase. Auch die Messungen in der darauffolgenden Saison 2015/16 weichen teils deutlich von den mit den Daten des Vorjahres ermittelten Gleichungen ab. Vergleicht man dagegen die Neutronenzählraten mit den gewichteten TLS Daten inklusive aller Korrekturen zeigt sich eine sehr gute zeitliche Übertragbarkeit (Abb. 5b). Sowohl einzelne Gleichungen für die Wintersaison 2014/15 als auch die Datenpunkte der Wintersaison 2015/16 liegen nahe beieinander.

Abb. 5
figure 5

Scatterplot der Neutronenzählraten zu (a) den konventionellen SWE-Messungen und (b) Laserscan basierten, gewichteten SWE-Werten inklusive aller Korrekturen. (Verändert nach Schattan et al. 2017a)

Die anhand der Laserscan basierten Daten der gesamten Wintersaison 2014/15 ermittelte Gl. 4 wird in der Folge für die Umrechnung von Neutronenzählraten in SWECRNS verwendet.

$$\mathrm{SWE}_{\mathrm{CRNS}}\left(N\right)=\frac{12.571}{\left(\frac{N}{5307.466}\right)-0,432}-16.194$$
(4)

4.2 Mehrwert des Cosmic Ray Neutron Sensors für die Modellkalibrierung

Um einen Unsicherheitsbereich in der Modellierung abzubilden werden aus den beiden in Abschn. 3.2 beschriebenen, nach E1 (SWESPA als in-situ Daten) bzw. E2 (SWECRNS als in-situ Daten) optimierten Varianten die jeweils 20 besten Simulationsläufe (gemäß Zielfunktion Ei in der Kalibrierperiode) ausgewertet. Beide Varianten zeigen in den 20 besten Läufen zufriedenstellende Bewertungen sowohl in der Abflussmodellierung als auch in der Schneebedeckung. Die Variante E2 (SWECRNS) weist dabei eine verbesserte Güte des simulierten Gebietsabflusses auf (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Gegenüberstellung der Gütemaße KGE und ACC der 20 besten Simulationsläufe bei Verwendung von (1) SWE Punktskale und (2) SWE basierend auf CRNS Messung in der Kalibrierung. (Verändert nach Schattan et al. 2017b)

Ob die verbesserte Kalibriergüte jedoch zufällig ist oder aus gutem physikalischem Grund besser ist, lässt sich durch die Analyse der Schneedeckenentwicklung feststellen. In Abb. 7 sind die zeitlichen Entwicklungen von gemessen SWE Werten aus TLS Messungen während der Messkampagnen sowie kontinuierliche SWE Messung aus CRNS Messung mit den gleichen Simulationsdaten gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass die Simulationen basierend auf SWE-CRNS Daten (Variante 2) einen engen Unsicherheitsbereich in der Kalibrierung haben. Die besten Modellläufe geben nicht nur Abfluss und Schneeausdehnung gut wieder, sondern bilden auch den zeitlichen Verlauf des Schneewasserwerts am Standort Weißsee gut ab. Dies gilt für die Kalibrier- und Validierperiode gleichermaßen. Im Unterschied dazu zeigt die Kalibrierung basierend auf Punktmesswerten des SWE (Variante 1) deutlich größere Unsicherheitsbandbreiten über den gesamten Zeitraum. Es kommt durchwegs zu einer Überschätzung bei der Simulation des SWE, speziell in der Saison 2014/15. Zur großen Überschätzung kommt, dass auch eine große Bandbreite gegeben ist. Insgesamt scheinen die auch hier gut simulierten Abflüsse nicht auf korrekt abgebildeten physikalischen Prozessen und Modellzuständen zu basieren. Es kommt modellintern zu einer Kompensation durch andere Parameter und Modellteile.

Abb. 7
figure 7

Gegenüberstellung der zeitlichen Entwicklung des Schneewasserwerts bei Verwendung von (1) SWE Punktskale und (2) SWE basierend auf CRNS Messung in der Kalibrierung. Die dunkelviolette Fläche stellt die Bandbreite der 20 besten Simulationsläufe dar. (Verändert nach Schattan et al. 2017b)

5 Zusammenfassung und Ausblick

Die Messkampagne am Weißsee zeigt, dass CRNS auch in hochalpinen Regionen eine robuste Methode zur Messung des SWE darstellt. Der Messbereich hat dabei einen Radius von etwa 230 bis 270 Metern (Schattan et al. 2017a). Dies erlaubt einen direkten Vergleich von in-situ SWE-Messungen und schneehydrologischen Simulationsergebnissen. Die Kombination von physikalisch basierten (Schnee-)modellen mit Fernerkundungsdaten und in-situ Messungen zeigt darüber hinaus großes Potential. Die Resultate zeigen, dass die Wahl der Messdaten auf deren Basis die Kalibrierung erfolgt, einen deutlichen Einfluss auf die Parametrisierung hat. Die Berücksichtigung der SWE-Messung mittels CRNS führt zu besseren Simulationsergebnissen durch eine physikalisch plausiblere Berücksichtigung der Teilprozesse. Durch den ausbleibenden Skalensprung zwischen in-situ Messung und Simulation wird die Unsicherheitsbandbreite der resultierenden Parametrisierungen geringer. Im Gegensatz dazu führt die Verwendung konventioneller SWE-Messmethoden mit kleinem Messbereich und ausgeprägtem Skalensprung zwar auch zu guten Abflusssimulationen, hat allerdings physikalisch unplausible interne Prozessabbildungen zur Folge.

Die vorgestellten Untersuchungen beschränken sich auf einen CRNS Standort. Die Übertragbarkeit der Parameter der Gl. 4 auf andere Standorte ist Gegenstand aktueller Forschung. Neben Neutronensimulationen wird daher aktuell der Standort Weißsee sowie zwei weitere Standorte (Leutasch und Götzens) mit weiteren CRNS ausgerüstet (siehe Abb. 8). Neben der Fortsetzung der bisherigen Zeitreihe am Weißsee kommen an allen drei Standorten CRNS mit einer höheren Sensitivität zum Einsatz. Zudem ist ergänzend der Einsatz eines auf Gammaspektroskopie basierenden SWE-Sensors geplant. Die drei Standorte, an denen der Zusammenhang zwischen CRNS-Messung und SWE im Fokus steht, unterscheiden sich hinsichtlich Höhenlage, Vegetationsbedeckung und kleinräumiger Topographie im Messbereich. Der Standort Leutasch ist für die Erfassung einer weitgehend homogenen Schneedecke im flachen Terrain vorgesehen. Trotzt der vergleichsweise tiefen Höhenlage sind im Gebiet Leutasch große Schneemengen möglich, wodurch eine große Bandbreite an möglichen SWE-Werten abgedeckt werden kann. Der Standort Götzens ist der am tiefsten gelegene Standort mit einem heterogenen Umfeld, flankiert von Schipiste und Waldflächen. Weiters steht eine Anlage zur Messung von Bodenfeuchte und Abflussbildung auf der Plotskala zur Verfügung.

Abb. 8
figure 8

Übersicht über die geplanten Messstellen Leutasch, Götzens und Weißsee