Die rheumatologische Ausbildung an den Universitäten muss zumindest 2 Ziele parallel verfolgen. Einerseits muss ein profundes rheumatologisches Basiswissen an möglichst alle der aktuell mehr als 96.000 Studierenden der Humanmedizin in Deutschland vermittelt werden. Andererseits bietet die universitäre Rheumatologie meist auch die erste Chance, Rheumatologie als Fach überhaupt kennenzulernen. Trotz des erheblichen Einsatzes in den letzten Jahren, der Verbesserungen in einigen Standorten erreicht hat, sind die deutschen medizinischen Fakultäten sehr unterschiedlich gut aufgestellt, um zumindest der ersten Aufgabe einigermaßen nachzukommen.

Basisausbildung zu rheumatischen Erkrankungen

Wer kein Muster für ein Krankheitsbild gelernt hat, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht rechtzeitig erkennen. Dass genau dieses zu späte Erkennen Patientinnen und Patienten unnötig lange leiden lässt und in vielen Fällen auch zu einem schwerer beherrschbaren Krankheitsbild und irreversiblen Schäden führt, haben die letzten 2 Jahrzehnte sehr deutlich gemacht [2, 4, 8]. Das Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zur Versorgungsqualität in der Rheumatologie – Update 2016 weist daher klar auf die Notwendigkeit eines rheumatologischen Basiswissens der Hausärzte hin [9]. Da muskuloskeletale und entzündliche Symptome und hier auch die rheumatischen Erkrankungen eine relevante Prävalenz haben und wichtige Risikofaktoren für eine vorzeitige Erwerbsunfähigkeit darstellen (Tab. 1), ist es auch aus sozialmedizinischen Gesichtspunkten unbedingt erforderlich, alle Studierenden der Humanmedizin in Deutschland ausreichend auszubilden.

Tab. 1 Relevanz am Beispiel einiger entzündlich rheumatischer Erkrankungsgruppen

Relevanz von deutschlandweiten Prüfungsinhalten

Auch wenn das für Lehrende ein wenig desillusionierend sein kann, zeigen Studien, dass Prüfungen den Lernerfolg deutlich stärker beeinflussen als ihr Einsatz in der Lehre [3, 5, 6]. Das wurde beim EKG(Elektrokardiogramm)-Lernen gezeigt, dürfte sich aber in anderen Gebieten nicht anders darstellen. Das angelsächsische „assessment drives learning“ ist daher eine wesentliche Einsicht. Wenn Wissen um rheumatische Erkrankungen wichtig ist, muss es entsprechend abgeprüft werden – und zwar so, dass alle Medizinstudierenden in Deutschland in relevanten Prüfungen mit diesen Fragen konfrontiert werden.

Die vom Medizinischen Fakultätentag (MFT) und der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) gemeinsam betriebene Entwicklung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) beinhaltet daher Risiken wie Chancen. Deutschlandweit verbindliche Lernziele können dazu beitragen, das Wissen um rheumatische Erkrankungen und damit die Versorgung der Menschen zu verbessern, die unter ihnen leiden. Obwohl die überwiegende Zahl der Beteiligten an diesem Prozess mit viel Einsatz an einer insgesamt deutlich verbesserten medizinischen Ausbildung arbeiten, birgt die Wahrnehmung von Partikularinteressen durch diverse Interessengruppen aber gleichzeitig das Risiko kontraproduktiver Entscheidungen. Vor beiden Hintergrundaspekten haben sich Vertreter der DGRh (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie), insbesondere aus der DGRh-Kommission Studentische Ausbildung, daher in der NKLM-Entwicklung aktiv eingebracht. Auch wenn die Konkurrenz der verschiedenen Fächer zu durchaus diskutierbaren Zuordnungen geführt hat, sind die wesentlichen rheumatologischen Lerninhalte im 2015 publizierten Lernzielkatalog [1] abbildbar (Tab. 2).

Tab. 2 Abbildung wichtiger rheumatologischer Lerninhalte im Kapitel 21 des NKLM (Nationaler Kompetenz-basierter Lernzielkatalog Medizin) (www.nklm.de)

Deutschlandweit verbindliche Lernziele können dazu beitragen, die Versorgung zu verbessern

Der NKLM wird derzeit weiterentwickelt. Dabei wird den Lernzielen eine Prüfungsrelevanz zugeordnet. Der fertige NKLM soll nach Beschluss der Kultusministerkonferenz voraussichtlich ab 2026 die Prüfungsinhalte im Medizinstudium für ganz Deutschland definieren. Der Weiterentwicklungsprozess und Abstimmungsprozess erfolgen nun mit dem für die Staatsprüfungen entscheidenden Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) und dem Learning Opportunities, Objectives and Outcomes Platform(LOOOP)-Projekt der Charité (kurze Begriffserläuterungen in Tab. 3) und befinden sich mittlerweile in der entscheidenden Schlussphase.

Tab. 3 Ein kurzes Glossar zu den Abkürzungen

Wenn die wesentlichen Lernziele zu rheumatischen Erkrankungen dort als prüfungsrelevant eingestuft werden, werden in Zukunft auch (fast) alle Absolventinnen und Absolventen der Humanmedizin diese Lernziele erreichen. Gelänge die Abbildung der rheumatischen Erkrankungen nicht, wären Patientinnen und Patienten mit rheumatischen Erkrankungen hingegen massiv gefährdet. Mehrere rheumatologische Universitätslehrer haben sich aktiv am Prozess beteiligt, der nun wahrscheinlich um den Jahreswechsel erfolgreich abgeschlossen sein wird. Dieser Einsatz sollte zu einer adäquaten Abbildung rheumatischer Erkrankungen führen.

Rheumatologische Lehre

Das Festschreiben rheumatischer Erkrankungen als zu überprüfende Lernziele wird hoffentlich auch die Ausbreitung einer engagierten rheumatologischen Ausbildung aller Studierenden über die ganze Bundesrepublik fördern. Gerade in Bezug auf die rheumatologische Pflichtlehre hat die 2016 publizierte „Rheumatologie – Integration in die studentische Ausbildung (RISA) III“-Studie ganz erhebliche Unterschiede – und regionale Lücken – aufgezeigt [7]. Seither wurden eine weitere W3-Professur in Bochum und eine W2-Professur in Hamburg geschaffen. Von einer flächendeckenden rheumatologischen Repräsentation an deutschen medizinischen Fakultäten sind wir aber immer noch ein gutes Stück entfernt (Tab. 4). Lokal ist die rheumatologische Ausbildung der Studierenden ganz entscheidend vom Engagement der einzelnen Lehrenden abhängig. Strukturelle Schwächen können aber in der Regel nur mit einem überproportionalen Aufwand aufgewogen werden. Wenn die rheumatologischen Kernthemen gar nicht oder nicht von Rheumatologen vermittelt werden oder wenn nicht alle Studierenden diese Themen in Vorlesungen und/oder Kleigruppenunterricht vermittelt bekommen, kann die Ausbildung jedenfalls nicht als ausreichend gesehen werden.

Tab. 4 Rheumatologie an deutschen Universitäten. (Mod./aktualisiert nach RISA [Rheumatologie – Integration in die studentische Ausbildung] III)

Generell ergänzen sich an den Universitäten Pflichtlehrveranstaltungen und fakultative Angebote wie Wahlfächer. Letztere haben wie die Promotionsarbeiten Einfluss auf die Rekrutierung von angehenden Rheumatologinnen und Rheumatologen. Die breite rheumatologische Basisausbildung ist aber von den Pflichtlehrveranstaltungen abhängig, die zudem das erste rheumatologische Einfallstor darstellen. Und hier zeigte RISA III eine gewaltige Streuung zwischen 0 und 40 h Vorlesung. Eine Maximalvariante ist vermutlich gar nicht erforderlich. In Dresden haben die Studierenden insgesamt 7 Einheiten zu 90 min (2 akademischen Stunden), von denen eine Doppelstunde dem Abschluss einer besonderen Vorlesung gewidmet ist. Mit 6 Doppelstunden lässt sich in der Dresdner Erfahrung die internistische Rheumatologie ausreichend systematisch darstellen (Tab. 5). Wichtig ist uns dabei, am Beginn jeder der 6 Vorlesungen eine Patientin oder einen Patienten im Hörsaal vorzustellen.

Tab. 5 Die wichtigsten Vorlesungsthemen in der aktuellen Dresdner Variante

Wesentliche Ergänzung sind in Dresden 2 in problemorientierten Lerngruppen (POL) bearbeitete Fälle (rheumatoide Arthritis und Riesenzellarteriitis mit Erblindung) und Rheumatologieeinheiten im Rahmen des Praktikums Innere Medizin. Dazu kommt ein interdisziplinär mit Orthopäden und Unfallchirurgen durchgeführtes Modul zur Untersuchung des muskuloskeletalen Systems. Im Sinne von „assessment drives learning“ ist aber auch die Innere-Medizin-Prüfung entscheidend, bei der die rheumatologischen Multiple-Choice-Fragen eine relevante Rolle spielen.

Rheumatologische Lehre unter COVID-19-Bedingungen

Die SARS-CoV-2-Epidemie hat auch den rheumatologischen Lehrbetrieb vor zusätzliche Herausforderungen gestellt. Obwohl das naturgemäß Nachteile hat, weil die direkte Interaktion beeinträchtigt wird, können Vorlesungen auch im virtuellen Rahmen stattfinden. Gerade im Frühjahr 2020 war aber sogar der Unterricht am Krankenbett in der Regel nicht möglich und musste durch zumindest teilweise virtuelle Formate ergänzt und zum Teil ersetzt werden. Dabei hat sich herausgestellt, dass gerade Patientenfälle mit breit verfügbaren Mitteln wie Tablets durchaus praxisnah aufbereitet werden können. Den direkten Kontakt mit Patienten können sie naturgemäß nicht ersetzen. Mittelfristig werden die Erfahrungen aber zu einer Bereicherung unserer Repertoires führen. In Ergänzung zu den zum Teil sehr rasch erarbeiteten neuen Medien war und ist es zudem über die DGRh möglich, auf die seit Jahren bestehenden, durch Herrn PD Martin Feuchtenberger gepflegte didaktische interaktive Fallsammlung der Uniklinik Würzburg zurückzugreifen (https://dgrh.de/Start/Aus-,-Fort----Weiterbildung/Ausbildung/E-Learning.html). Die durch COVID-19 veränderten Lehrbedingungen sollten auch als Chance verstanden werde, neue Lehrmedien zu erproben. So etabliert die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Virtual Reality (VR) und 3‑D-Modelle, um den Studenten die Rheumatologie auf neue didaktische Art nahezubringen.

Skriptum Rheumatologie

Eine Herausforderung der letzten Jahre stellte die zum Teil suboptimale Darstellung der Rheumatologie in internistischen Standardlehrbüchern und Fragensammlungen dar. Zum Teil ist diese der raschen Weiterentwicklung der Rheumatologie geschuldet. Eine kontinuierliche und lückenlose Anpassung der Inhalte ist daher naturgemäß arbeitsaufwendig. Um hier für eine deutschlandweit zugängliche Lernunterlage auf aktuellem Stand zu sorgen, hat sich die DGRh-Kommission Studentische Ausbildung in diesem Jahr dazu entschlossen, ein Skriptum zu erstellen, das dann jährlich überarbeitet werden soll. Das Skriptum ist mittlerweile über die DGRh-Internetseite verfügbar (https://dgrh.de/Start/Aus-,-Fort----Weiterbildung/Ausbildung/Rheumatologie-f%C3%BCr-Medizin-Studierende.html). Es ist bewusst prägnant und stichwortartig gestaltet und hat jetzt 34 klinische Kapitel und 9 Kapitel zu Medikamentengruppen.

Studierende für die Rheumatologie begeistern

Die Übermittlung der Inhalte ist unsere Hauptaufgabe als rheumatologische Universitätslehrer. Gleichzeitig ist der Kontakt im Studium aber die beste Gelegenheit, Studierende für die Rheumatologie zu begeistern. Auch wenn die Immunologie in ihrer Faszination ein Weg zur Rheumatologie sein kann, beruht Begeisterung meist nicht primär auf Lerninhalten, sondern auf dem Kontakt mit Patienten und dem persönlichen Kennenlernen von Rheumatologinnen und Rheumatologen. Da helfen Patientenunterricht und Vorlesungen, insbesondere wenn dabei Patienten vorgestellt werden oder die Patienten selbst als (geschulte) Lehrer auftreten wie im Patient-Partner-Programm. Während für die basale Ausbildung ein Erreichen aller Studierenden entscheidend ist, sind für die weitere Motivation fokussierte Angebote wie Wahlfächer und Promotionsarbeiten von höherer Relevanz.

Einen ganz entscheidenden Beitrag leisten aber klinische Praktika, Famulaturen und das PJ (Praktisches Jahr) – und das nicht nur in Unikliniken und Krankenhäusern, sondern auch in den Praxen. In diesem Zusammenhang hat der Berufsverband Deutscher Rheumatologen (BDRh) ein Famulaturprogramm für Praxen und Ambulanzen ins Leben gerufen. Praxen, die sich bereit erklären, sollen sowohl finanziell als auch klinisch unterstützt werden. Das Ziel ist, mehr Famulanten für eine Famulatur in der Rheumatologie zu gewinnen.

Neben der Lehre an den Universitäten und Lehrkrankenhäusern bietet die DGRh seit einigen Jahren ein speziell auf studentische Belange abgestimmtes Programm auf dem jährlich stattfindenden deutschen Rheumatologenkongress an. Hier können interessierte Studierende als Gäste der DGRh sowohl am allgemeinen wissenschaftlichen Programm als auch an für sie speziell organisierten Modulen teilnehmen. Während des Kongresses findet zudem eine Betreuung im 1:3-Verhältnis durch erfahrene Rheumatologen statt.

Fazit für die Praxis

  • Die rheumatologische Ausbildung von Studierenden an den medizinischen Fakultäten in Deutschland ist sowohl für die Basisversorgung der Patientinnen und Patienten mit rheumatischen Erkrankungen als auch für die Gewinnung von Nachwuchsrheumatologinnen und -rheumatologen essenziell.

  • Die mit dem NKLM (Nationaler Kompetenz-basierter Lernzielkatalog Medizin) bevorstehende deutschlandweite Definition verbindlicher Lernziele ist in dieser Richtung eine Chance, wenn die wesentlichen rheumatologischen Lerninhalte Berücksichtigung finden.

  • Bei aller Komplexität des Prozesses und gewissen „Kinderkrankheiten“ entwickelt sich der NKLM auch unter aktiver rheumatologischer Beteiligung in die richtige Richtung.

  • Für eine glaubwürdige Umsetzung wird ein Teil der deutschen medizinischen Fakultäten aber noch strukturelle Verbesserungen erreichen müssen.

  • Neben der Mitarbeit an den bundesweiten Abstimmungsaktivitäten versuchen die Mitglieder der DGRh-Kommission Studentische Ausbildung, hochqualitative Materialien zur Verfügung zu stellen. E‑Learning-Fälle existieren seit Jahren. Neu erschienen ist das DGRh-Rheumatologieskriptum.