Rund 80 % der an einer rheumatoiden Arthritis (RA) leidenden Patienten weisen nach den jährlichen Auswertungen der Kerndokumentation des Deutschen Rheumaforschungszentrums (DRFZ) eine oder mehrere Komorbiditäten auf [1]. Bei den anderen in der Kerndokumentation verfolgten Erkrankungen (axiale Spondyloarthritis, Psoriasisarthritis, systemischer Lupus erythematodes [SLE] und Polymyalgia rheumatica) liegt diese Häufigkeit übrigens in einem ganz ähnlichen Bereich. Diese Komorbiditäten sollten allein schon deshalb erfasst werden, weil sie in den allermeisten Fällen ihrerseits behandlungsbedürftig sind. Sie haben aber auch einen direkten Bezug zur rheumatischen Grunderkrankung und beeinflussen deren Aktivität und das Ansprechen auf die medikamentöse Therapie. So nimmt die Wahrscheinlichkeit für das Erreichen einer Remission bei RA-Patienten nach Adjustierung für andere einflussnehmende Faktoren pro zusätzlicher Komorbidität um 28 % ab [2]. In einer soeben erschienenen Untersuchung des PROCLAIR-Netzwerkes mit Auswertung von deutschen Krankenkassendaten und Patientenfragebogen zeigt sich ein direkter Einfluss der Anzahl der Komorbiditäten auf Patient-Reported-Outcome-Parameter wie Anzahl geschwollener und schmerzhafter Gelenke, Funktionsfragebogen Hannover und WHO-5-Fragebogen [3]. Unglücklicherweise sind multimorbide Patienten sehr häufig von randomisiert-kontrollierten Studien ausgeschlossen. Möglicherweise ist das einer der Gründe dafür, dass hochwirksame RA-Therapien wie Biologika bei diesen Patienten eher zögerlich Verwendung finden: In einer Untersuchung aus dem internationalen COMORA(Comorbidities in Rheumatoid Arthritis)-Projekt wurde gefunden, dass mit jeder zusätzlichen Komorbidität die Odds-Ratio für den Einsatz von Biologika um 11 % abnimmt [4].

Komorbiditäten beeinflussen die Aktivität der RA und das Ansprechen auf die medikamentöse Therapie

In der vorliegenden Ausgabe mit dem Schwerpunkt Komorbiditäten bei RA haben wir aus einer Vielzahl relevanter Begleiterkrankungen 5 ausgewählt, denen aus verschiedenen Gründen besondere Bedeutung zukommt. Kardiovaskuläre Komorbiditäten, auf die Krüger und Nüßlein in ihrem Beitrag eingehen, betreffen nach den Auswertungen der Kerndokumentation (mit der Hypertonie als häufigster Manifestation) mehr als die Hälfte der RA-Patienten [1]. Vor allem aber stellen sie heute für RA-Patienten die häufigste Todesursache dar [5]. Unter den pulmonalen Komorbiditäten, über die Krause und Rubbert-Roth berichten, ist insbesondere die interstitielle Lungenerkrankung von großer Bedeutung, weil sie häufig bereits früh im Krankheitsverlauf nachzuweisen ist und nach wie vor eine sehr ungünstige Prognose aufweist, wenngleich sich erste Hinweise auf eine verbesserte Behandelbarkeit zeigen.

Auf die gesteigerte Bedeutung von Infektionen im Zeitalter intensiver immunsuppressiver Therapie verweisen in ihrem Beitrag Lorenz und Kneitz. Sie stellen aber auch klar, dass für RA-Patienten andere Faktoren wie unkontrollierte Krankheitsaktivität und Begleiterkrankungen in gleichem Maße risikosteigernd wirken, und machen die große Bedeutung von prophylaktischen Maßnahmen wie insbesondere Impfungen klar. Die Depression ist unter den Komorbiditäten eine Art Stiefkind, weil sie oft vom Patienten nicht berichtet und in der rheumatologischen Praxis nicht gezielt gesucht wird. Baerwald, Manger und Hueber stellen u. a. dar, dass Depressionen beim Rheumatiker keinesfalls seltene Begleiterkrankungen sind und sich nachhaltig auf die rheumatische Grunderkrankung auswirken können. Die häufigste Einzelkomorbidität bei RA ist die Osteoporose, hierfür sind v. a. krankheitsimmanente Mechanismen und medikamentöse Effekte und auch der bei Rheumapatienten häufige Vitamin-D-Mangel verantwortlich, wie Gaubitz in seiner Übersicht ausführt. Er gibt auch leitliniengestützte Tipps für Screening und Management dieser Komorbidität.

Während alle Rheumatologen die Osteoporose und das erhöhte Infektionsrisiko „auf dem Schirm“ haben dürften, gibt es bei der Erfassung des kardiovaskulären Risikos, des pulmonalen Status und der Identifikation depressiver RA-Patienten große Defizite, was einmal mit dem Zeitmangel des Rheumatologen, zum anderen aber auch mit der ungeklärten Frage der Zuständigkeit zu tun haben dürfte. Eines der Ziele in diesem Schwerpunktheft ist es deshalb auch, einfache, wenig zeitintensive Screeningmethoden und Maßnahmen aufzuzeigen, die – ggf. mit Unterstützung durch die rheumatologische Fachassistenz – in der Rheumapraxis durchgeführt werden können. Auch wenn die Honorierung dieser zusätzlichen Aufgaben (noch) nicht zufriedenstellt – wer sonst als der internistische Rheumatologe hat die Fachkompetenz, die Erkennung der Komorbidität mit den speziellen Risiken des Rheumapatienten zu verknüpfen?

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Prof. Dr. Klaus Krüger

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Prof. Dr. Andreas Krause