Nach Daten des Statistischen Bundesamtes waren 2010 41,4 % aller Deutschen (60,1 % der Männer und 42,9 % der Frauen) übergewichtig oder adipös. Im Jahr 2017 waren in Deutschland 43 % der Frauen übergewichtig und 14 % adipös (Abb. 1). Im Zeitraum 1985–2000 hat die Prävalenz der Adipositas (BMI [Body-Mass-Index] >30 mg/m2) um 13 % zugenommen. Der Anteil von Erwachsenen mit Adipositas permagna (BMI >40 kg/m2) hat sich in Deutschland zwischen 1999 und 2009 fast verdoppelt [35]. Besonders dramatisch ist dabei die Zunahme bei der jüngeren Bevölkerung. Das Risiko für späteres Übergewicht beginnt offensichtlich schon in der Schwangerschaft. So hat die Adipositas der Mutter einen unabhängigen Effekt auf eine spätere Adipositas des Kindes. Dies scheint durch „fetale Programmierung“ zustande zu kommen (s. unten). Der Einfluss dieser fetalen Programmierung ist dabei gleich groß einzuschätzen wie fettreiche Ernährung bei Jugendlichen.

Maternale Adipositas beeinflusst eine spätere Adipositas des Kindes

Abb. 1
figure 1

Anteil der Frauen mit Übergewicht und Adipositas in Deutschland in den Jahren 2005–2017

Die Einteilung der Adipositas erfolgt üblicherweise nach dem BMI. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Übergewicht als BMI >25 kg/m2 und Adipositas als BMI >30 kg/m2. Man unterscheidet Adipositas Grad I (BMI 30–35 kg/m2), Grad II (BMI 35–40 kg/m2) sowie Adipositas Grad III bzw. morbide Adipositas (BMI >40 kg/m2).

Zu den typischen Folgeerkrankungen der Adipositas gehören u. a. Typ-2-Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Steatosis hepatis sowie Gelenkerkrankungen. Darüber hinaus ist gesichert, dass es einen Zusammenhang zwischen Adipositas und der Entstehung maligner Erkrankungen gibt. Ob Adipositas auch ursächlich an der Entstehung bestimmter Demenzformen beteiligt ist, wird gegenwärtig kontrovers diskutiert.

Im Folgenden soll diskutiert werden, welchen Einfluss die Adipositas auf die Fortpflanzungsfunktion hat und wie eine Frau mit Kinderwunsch dementsprechend beraten werden sollte. Dazu ist ein Grundverständnis der pathophysiologischen Aspekte im Zusammenhang mit der Adipositas erforderlich.

Pathophysiologie

Adipositas ist eine multifaktorielle Erkrankung und resultiert grundsätzlich aus einem Ungleichgewicht von zu hoher Nahrungsaufnahme und zu geringem Energieverbrauch (positive kalorische Bilanz). Zur Fehlernährung tragen zahlreiche Faktoren bei, u. a. häufiges Snacking sowie ein hoher Konsum energiedichter Lebensmittel, wie Fast Food, zuckerhaltige Softdrinks und alkoholische Getränke. In Kombination mit einem Mangel an körperlicher Bewegung kommt es zu einem Circulus vitiosus, den es durch entsprechende Intervention zu durchbrechen gilt.

Das Fettgewebe ist der größte Energiespeicher des Körpers und spielt eine bedeutende Rolle bei der Regulation der Energiehomöostase. Die Größe des Fettgewebes wird determiniert durch die Größe und Anzahl enthaltener Fettzellen. Über Jahrzehnte hinweg galt als Dogma, dass die Anzahl der Fettzellen während der Entwicklung im Kindesalter weitgehend festgelegt wird und über die gesamte Lebensdauer konstant bleibt und dass Veränderungen der Fettgewebsgröße nur durch Modulation des Adipozytenvolumens erreicht werden können. Dieses Konzept hat heute keine Gültigkeit mehr, da gezeigt werden konnte, dass neben Volumenveränderungen der Adipozyten auch eine Zu- bzw. Abnahme der Adipozytenzahl möglich ist [45].

Genetik

Genetische Faktoren spielen für die Regulation des Körpergewichts eine wesentliche Rolle: Während der Evolution gab es lange Phasen mit limitiertem Nahrungsangebot; daher stellten Erbanlagen, die mit effizienter Nutzung der vorhandenen Nahrung einhergingen, einen Selektionsvorteil dar. Heute gibt es in den westlichen Ländern einen fast unlimitierten Zugang zu Nahrungsmitteln, sodass diese effiziente Nahrungsverwertung keinen Überlebensvorteil, sondern vielmehr ein Risiko zur Entwicklung der Adipositas darstellt.

Bis heute konnten weder das eine „Adipositas-Gen“ noch entsprechende Gen-Cluster gefunden werden, jedoch lassen die Ergebnisse aktueller Forschung den Zusammenhang zwischen genetischem Profil und Gewichtsregulation immer besser verstehen. So konnte gezeigt werden, dass adoptierte Menschen im Erwachsenenalter einen Gewichtsverlauf aufweisen, der sehr viel stärker dem ihrer leiblichen Eltern als dem der Adoptiveltern entspricht. Welche Bedeutung diese genetische Disposition hat und wie man diese Erkenntnis in der Behandlung der Adipositas sinnvoll nutzt, ist bislang unklar.

Bedeutung des Mikrobioms für die Adipositas

Als Darmmikrobiom wird die Gesamtheit der mikrobiellen Besiedlung des Gastrointestinaltrakts verstanden. Durch breite Anwendung des Next Generation Sequencing (NGS) wurde es technisch möglich, eine systematische Analyse des Mikrobioms vorzunehmen. Seitdem wird intensiv von zahlreichen Arbeitsgruppen daran gearbeitet, die Rolle des Mikrobioms für die Gesundheit und für bestimmte Erkrankungen zu erforschen. Das Darmmikrobiom unterscheidet sich von Mensch zu Mensch, ebenso gibt es signifikante geographische und ethnische Unterschiede in der Zusammensetzung. Darüber hinaus variiert das Mikrobiom, unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten entsprechend und auch unter dem Einfluss zahlreicher exogener Faktoren (Medikamente, Grunderkrankungen etc.).

Der Mensch wird nicht mit einem „fertigen Mikrobiom“ geboren, die Bakterienzahl im Darm des Neugeborenen steigt vielmehr erst während des Geburtsvorganges rapide an. Oral aufgenommene Bakterien beginnen initial mit der Vermehrung unter Nutzung biologischer Nischen. Bereits eine Woche nach der Geburt weist der Stuhl des Neugeborenen dieselbe Gesamtmenge an Bakterien auf wie der eines Erwachsenen. Es konnte gezeigt werden, dass der Geburtsweg (vaginal vs. Sectio) einen entscheidenden Einfluss auf die Zusammensetzung des Mikrobioms des Neugeborenen hat. Dieser initiale peripartale Einfluss auf das Mikrobiom wird auch als „bacterial imprinting“ bezeichnet. In einer aktuellen Studie haben kanadische Forscher untersucht, welchen Einfluss Übergewicht oder Adipositas der Mutter bzw. der Entbindungsmodus auf das Darmmikrobiom und auf die Gewichtsentwicklung der Kinder hatten. Es konnte nachgewiesen werden, dass Kinder von adipösen Müttern nach vaginaler Geburt im Alter von 3 Jahren 3‑mal häufiger übergewichtig waren als Kinder der Kontrollgruppe. Nach Sectio stieg das Risiko der Kinder adipöser Mütter sogar um das 5‑Fache an, im Kleinkindesalter eine Adipositas zu entwickeln. Wie genau sich der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Adipositas und dem nach vaginaler Geburt bzw. Sectio unterschiedlichem Darmmikrobiom der Kinder darstellt, ist Gegenstand weiterer Studien [42]. Jedoch schein klar zu sein, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und dem Risiko zur Entwicklung einer Adipositas gibt [42].

Adipositas und Fortpflanzung

Es wird diskutiert, ob die bei Adipositas erhöhte Leptinsekretion durch Einfluss auf den hypothalamischen Pulsgenerator zur Störung der menstruellen Rhythmik beiträgt. Dies würde auch den Zusammenhang zwischen Adipositas und Störungen der Pubertätsentwicklung erklären, bei denen Leptin sowohl bei der Pubertas praecox als auch bei der Pubertas tarda eine wichtige Rolle als Modulator der ovariellen Regulation spielt. Veränderungen von Körpergewicht und -zusammensetzung stellen kritische Faktoren für die Regulation der Pubertätsentwicklung dar und gehen unmittelbar mit Veränderungen der Leptinsekretion einher.

Adipöse Frauen weisen eine signifikant reduzierte reproduktive Leistungsfähigkeit auf. Dies lässt sich an einer reduzierten Fekundabilität (Schwangerschaftswahrscheinlichkeit pro Zyklus) und Fekundität (Wahrscheinlichkeit einer erfolgreich ausgetragenen Schwangerschaft pro Zyklus) sowie an einer längeren Latenz bis zum Eintritt der Schwangerschaft („time to pregnancy“, TTP) aufzeigen [44]. Frauen mit einem BMI zwischen 25–30 kg/m2 haben eine um etwa 30 % reduzierte Fekundität im Vergleich zu Frauen mit einem BMI zwischen 20–25 kg/m2, dies kommt u. a. durch seltenere oder ausbleibende Ovulationen zustande. Bereits vor mehr als 20 Jahren konnte in der Nurses Health Study gezeigt werden, dass das relative Risiko einer ovulatorischen Infertilität bei ungewollt kinderlosen Krankenschwestern von 1,3 in der Gruppe mit normalem BMI auf mehr als 2,7 in der Gruppe mit einem BMI über 32 kg/m2 anstieg [18].

Besondere Bedeutung für die reproduktive Leistungsfähigkeit spielt ganz offensichtlich auch das Fettverteilungsmuster: Ein Fettverteilungsmuster vom männlichen Typ (androide Fettverteilung) hat signifikant negativen Einfluss auf den Glukose- und Fettstoffwechsel. Dieser Effekt ist bei weiblichem Fettverteilungsmuster deutlich weniger ausgeprägt, selbst wenn innerhalb der gleichen BMI-Gruppen verglichen wird. In Summe führen diese Veränderungen oftmals zum metabolischen Syndrom [13].

Das polyzystische Ovarsyndrom

Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) stellt zweifelsohne die in der gynäkologischen Sprechstunde am häufigsten anzutreffende Manifestationsform der Adipositas dar. Die bei Frauen mit PCOS meist vorliegenden Ovulationsstörungen führen in vielen Fällen zur Infertilität bzw. ziehen entsprechende reproduktionsmedizinische Behandlungsmaßnahmen nach sich.

Den Zusammenhang zwischen Adipositas/Insulinresistenz und den typischen endokrinen Veränderungen beim PCOS stellt man sich folgendermaßen vor [23]:

  • Die periphere Insulinresistenz führt an den Theka-Zellen zu einer Stimulation der Testosteronproduktion.

  • Testosteron gelangt auf dem Blutweg zum Hypothalamus und führt zu einer Steigerung der GnRH(„gonadotropin releasing hormone“)-Pulsrate, die wiederum eine verstärkte Gonadotropinsekretion mit einer Präferenz für LH (luteinisierendes Hormon) induziert.

  • Durch diese LH-Dominanz kommt es zur Proliferation der Theka-interna-Zellen und in der Folge zu einer vermehrten Testosteronproduktion [25].

  • In Summe führt damit das Gonadotropin-Ungleichgewicht zur Reifungsstörung der Follikel, mit Anreicherung der Sekundärfollikel und einem Maturationsarrest.

  • Durch fehlende Ovulationen entwickelt sich bei tonisch wirksamen Östrogenen eine Endometriumhyperplasie, die sich im ungünstigen Fall langfristig zu Atypien bzw. einem Endometriumkarzinom entwickeln kann [15].

  • Durch den Maturationsarrest und die dadurch bedingte „Anreicherung“ von Sekundärfollikeln kommt es zu dem typischen sonographischen Bild des polyzystischen Ovars [32].

Für Betroffene ist es oftmals schwierig nachzuvollziehen, dass die Ansammlung der im Ultraschall erkennbaren „Zysten“ nicht die Ursache der Erkrankung ist, sondern lediglich eines der typischen Symptome darstellt. Dies sollte im Aufklärungsgespräch ggf. thematisiert werden.

Behandlung der Adipositas bei PCOS

Die Behandlung des PCOS richtet sich danach, in welcher Lebensphase sich die Patientin aktuell befindet und was genau das Therapieziel ist. So ist es bei normalgewichtigen Frauen ohne aktuellen Kinderwunsch oftmals ausreichend, ein antiandrogenes Kontrazeptivum zu verordnen, sofern die Behandlung des Hyperandrogenismus im Vordergrund steht. Für die Behandlung von Frauen mit PCOS und Adipositas/Insulinresistenz sollte zunächst eine Veränderung des Lebensstils angestrebt werden. Dies führt nachweislich zu einer Verbesserung des kardiovaskulären Risikoprofils [46]. Solche sog. Lifestyle-Interventionen führen zu einer Veränderung der Körperzusammensetzung und zu einer Verminderung des Hyperandrogenismus sowie der Insulinresistenz. Ob sich auch positive Aspekte auf die Glukosetoleranz, das Lipidprofil und auf reproduktive Parameter erzielen lassen, ist bisher unklar [20].

Umfangreiche Untersuchungen zu verschiedenen Diätformen haben gezeigt, dass die genaue Zusammensetzung der Diät (low-carb, high-carb etc.) keine entscheidende Rolle spielt, solange es durch die mit der Diät verbundene Lebensstilveränderung zu einer Gewichtsreduktion kommt [21].

Der Einsatz von Antiadiposita zur Behandlung des PCOS führt zu einer deutlichen Verbesserung der Symptomatik, jedoch konnte bisher kein sicherer Langzeiteffekt gezeigt werden. Darüber hinaus wurden die untersuchten Präparate zum Teil bereits wieder vom Markt genommen, da sich in der Langzeitanwendung ein ungünstiges Risikoprofil ergab. Somit stellt der Einsatz von Antiadiposita bei Frauen mit PCOS und Adipositas derzeit keine probate Therapieoption dar [8].

Bei Adipositas permagna verbesserte sich nach bariatrischen Operationen auch die PCOS-Symptomatik

Im Falle einer Adipositas permagna (BMI >40 kg/m2) lässt sich selbst durch Kombination aus Lebensstilveränderung und diätetischen Maßnahmen meist keine langfristig relevante Gewichtsreduktion herbeiführen, sodass diskutiert werden muss, ob bariatrische Operationsverfahren zum Einsatz kommen. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse konnte aufzeigen, dass es dadurch nicht nur zu einer langfristigen Gewichtsreduktion, sondern auch zu einer signifikanten Verbesserung der PCOS-typischen Symptomatik kam [12].

Der Einsatz von Insulinsensitizern – insbesondere Metformin – hat sich inzwischen in der Behandlung von Frauen mit PCOS und Insulinresistenz/Adipositas bewährt. Metformin hat einen vergleichbaren Effekt wie Lebensstilveränderungen auf die Gewichtsreduktion und ist im Hinblick auf die Reduktion der Androgen-Serumkonzentrationen und der daraus resultierenden Symptomatik überlegen [22]. Die Kombination aus Metformin und Lifestyle-Intervention führt zu einer signifikanten Abnahme des BMI und des subkutanen Fettgewebes sowie zu einer Verbesserung der Zyklizität. Die Kombination von Metformin und einem hormonalen Kontrazeptivum führt zu einer deutlich ausgeprägteren Verbesserung der metabolischen Parameter als die Gabe eines Kombinationspräparates allein [14].

Die aktuellen Empfehlungen gehen davon aus, dass Metformin insbesondere bei den Frauen eingesetzt werden sollte, die eine nachgewiesene Störung des Glukose-Insulin-Stoffwechsels aufweisen. Andere Insulinsensitizer (Thiazolidinedion, Berberin oder Inositol) werden ebenfalls zur Behandlung von Frauen mit PCOS und Insulinresistenz/Adipositas eingesetzt, jedoch lässt die Datenlage momentan noch keine konkludente Empfehlung zu. Das gilt auch für neue medikamentöse Therapiestrategien, etwa für den Einsatz von Inkretin-Derivaten [24].

Für Frauen mit PCOS und Ovulationsstörungen kommen sowohl Clomifen als auch Metformin und die Kombination beider Substanzen zur Ovulationsinduktion zum Einsatz. Für adipöse Frauen mit PCOS zeigt sich unter der Gabe von 2,5–7,5 mg Letrozol eine signifikant höhere Lebendgeburtenrate im Vergleich zu Clomifen, sodass Letrozol bei Adipositas und PCOS auch als First-line-Behandlung empfohlen werden kann [5, 11]. Dies wird auch in der aktuellen internationalen Leitlinie zum PCOS entsprechend dargestellt: „Letrozole should be considered first line pharmacological treatment for ovulation induction in women with PCOS with anovulatory infertility“ [38]. Es muss beachtet werden, dass es sich dabei um eine Off-label-Anwendung handelt.

Auch bei Frauen mit PCOS hat das Körpergewicht einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg reproduktionsmedizinischer Maßnahmen: Bailey et al. konnten zeigen, dass übergewichtige Frauen mit PCOS im Vergleich zu normalgewichtigen eine um 69 % niedrigere Chance auf eine klinische Schwangerschaft (OR [Odds Ratio] 0,31; 95 %-KI [Konfidenzintervall] 0,11–0,86) hatten [4]. Ebenso lag die Geburtenrate 71 % niedriger. Das Risiko für ein ovarielles Überstimulationssyndrom (OHSS) nahm jedoch mit zunehmendem BMI ab und lag bei Normalgewichtigen bei 19,6 %, bei übergewichtigen Frauen bei 10,5 % und bei adipösen Frauen bei 3,2 % [4].

Anwendung reproduktionsmedizinischer Verfahren bei adipösen Frauen

Die Indikation zur Anwendung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen bei Frauen mit Adipositas muss sorgfältig geprüft werden. Zur Ovulationsinduktion mit FSH („follicle stimulating hormone“) benötigen adipöse Frauen höhere Stimulationsdosen und weisen dennoch eine geringere Ovulationswahrscheinlichkeit auf [26]. So nimmt u. a. die Schwangerschaftsrate bei Inseminationen mit Spendersamen mit steigendem BMI kontinuierlich ab.

Im IVF(In-vitro-Fertilisation)-Programm zeigen adipöse Frauen BMI-abhängig niedrigere Spitzenwerte für Östradiol nach Stimulation, eine höhere Rate für Zyklusabbrüche wegen fehlenden Ansprechens und signifikant weniger Oozyten bzw. qualitativ hochwertige Embryonen [6]. Auch bezüglich der Eizellqualität scheint es deutliche Unterschiede zwischen normal- und übergewichtigen Frauen zu geben [2].

Übergewichtige sowie adipöse Frauen haben nach Spontankonzeption, Ovulationsinduktion, IVF-Behandlung und auch nach Eizellspende ein erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt [26]. Ob sich durch großzügige Anwendung bariatrischer Operationsverfahren die o. g. Risiken vermeiden lassen bleibt fraglich [33], zumal Frauen nach bariatrischen Operationen ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten und Plazentafunktionsstörungen in Folgeschwangerschaften aufweisen [31].

Nach reproduktionsmedizinischen Verfahren ist die Lebendgeburtenrate bei Adipositas geringer

In der Summe führen reproduktionsmedizinische Verfahren bei adipösen Frauen zu einer geringeren Lebendgeburtenrate als bei normalgewichtigen (OR 0,88; 95 %-KI 0,79–0,99; [28]). In einer Metaanalyse mit Einschluss von ca. 48.000 IVF/ICSI(intrazytoplasmatische Spermieninjektion)-Zyklen konnten die Autoren nachweisen, dass Frauen mit einem BMI >25 kg/m2 eine signifikant niedrigere Schwangerschafts- und Lebendgeburtenrate bei gleichzeitig höheren Abortraten im Vergleich zu Frauen mit einem BMI <25 kg/m2 aufweisen (Tab. 1; [30]).

Tab. 1 Negativer Zusammenhang zwischen erhöhtem BMI (Body-Mass-Index) und Lebendgeburtenrate. Systematischer Review und Metaanalyse (33 Studien, 47.967 IVF[In-vitro-Fertilisation]- oder ICSI[intrazytoplasmatische Spermieninjektion]-Zyklen). (Mod. nach [30])

Die o. g. Risiken und das endemische Ausmaß der Adipositas in den USA haben u. a. dazu geführt, dass in vielen US-amerikanischen Zentren „standard operating procedures“ (SOPs) zum Umgang mit adipösen Patientinnen im IVF-Programm vorliegen [17]. In einer aktuellen Umfrage gaben amerikanische Zentren folgende Cut-off-Werte für die Aufnahme einer Patientin in ein IVF-Programm an (Durchschnittswerte): BMI 38,4 ± 5,2 kg/m2 und Körpergewicht 130,2 ± 14,8 kg. Konkrete Empfehlungen zur Gewichtsreduktion vor reproduktionsmedizinischen Maßnahmen gaben die Zentren in o. g. Umfrage nicht an [36].

Adipositas und Schwangerschaft

Übergewichtige und adipöse Frauen zeigen in der Schwangerschaft ein deutlich erhöhtes Risiko für fetomaternale Komplikationen (Präeklampsie, Gestationsdiabetes, Sectiorate, fetales Fehlbildungsrisiko, neonatale Morbidität etc.). Insbesondere scheint eine kurzfristige, rasche Gewichtszunahme unmittelbar vor der Schwangerschaft mit negativen Outcomeparametern assoziiert zu sein [43].

Adipositas geht oft mit Folgeerkrankungen (Hypertonus, Fettstoffwechselstörung, Diabetes mellitus etc.) einher, die per se in der Schwangerschaft zu Komplikationen führen können. Aus diesem Grund kommt der präkonzeptionellen Beratung bei adipösen Frauen eine besondere Bedeutung zu: Nach Möglichkeit sollte bereits perikonzeptionell ein Körpergewicht innerhalb des normalen Referenzbereiches angestrebt werden, da eine effektive Gewichtsreduktion während der Schwangerschaft ungleich schwieriger ist als eine entsprechende Gewichtsregulation vor der Schwangerschaft [1].

Das Risiko für einen schwangerschaftsassoziierten Hypertonus sowie eine Präeklampsie ist BMI-abhängig erhöht: Bei einem BMI von 30–35 kg/m2 kommt es zu einem 2,6-fach erhöhten Hypertonierisiko, bei einem BMI von 35–40 k/m2 bereits zu einem 3,4-fach erhöhten Risiko [19]. Das Risiko für einen Gestationsdiabetes ist bei BMI-Werten von 30–35 kg/m2 4‑fach erhöht, bei BMI-Werten >40 kg/m2 bereits 9‑fach [34]. Es konnte gezeigt werden, dass das Fettverteilungsmuster für die Abschätzung des Risikos eine noch stärkere prädiktive Aussagekraft besitzt als der absolute BMI-Wert: Yamamoto et al. konnten zeigen dass der Taille-Hüfte-Quotient vor der 9. Schwangerschaftswoche ein besserer Prädiktor für die Entwicklung einer Präeklampsie war als der BMI-Wert. Ähnlich zeigten Sattar et al., dass ein Taillenumfang von >80 cm vor der 16. Schwangerschaftswoche mit einem 1,8-fach erhöhten Risiko für eine schwangerschaftsinduzierte Hypertonie und mit einem 2,7-fach erhöhten Risiko für eine Präeklampsie einhergeht [33, 47].

Neben der Frühgeburtenrate ist auch das Risiko für eine Totgeburt bei Adipositas deutlich erhöht

Die bei Adipositas erhöhten Zytokin-Serumkonzentrationen können als pseudoinflammatorische Reaktion interpretiert werden. Dies scheint zu dem erhöhten Frühgeburtenrisiko bei adipösen Schwangeren beizutragen, da Zytokine als Modulatoren der Zervixreifung sowie der myometrialen Kontraktilität angesehen werden (Abb. 2). Neben der Frühgeburtenrate ist auch das Risiko einer Totgeburt bei adipösen Frauen deutlich erhöht (Abb. 3). Bei einem BMI >40 kg/m2 steigt das Risiko für einen intrauterinen Fruchttod um den Faktor 2,79 an [9].

Abb. 2
figure 2

Metabolische Effekte der Adipositas. IL-6(Interleukin 6)- (a) und CRP(C-reaktives Protein)-Serumspiegel (b) bei Kaukasierinnen und Asiatinnen in Abhängigkeit vom BMI (Body-Mass-Index). (Mod. nach [6])

Abb. 3
figure 3

Adipositas und IUFT(intrauteriner Fruchttod)-Risiko. Das IUFT-Risiko ist bei Adipositas im Vergleich zum Normalgewicht 4‑fach erhöht

Neben den mütterlichen Risiken kommt es bei adipösen Schwangeren zu fetalen Komplikationen. So ist die Rate kongenitaler Fehlbildungen 2,4-fach erhöht. Der genaue Mechanismus, der zu diesen Fehlbildungen führt, ist unklar. Bekannt ist allerdings, dass Hyperinsulinismus mit Neuralrohrdefekten assoziiert ist. Insbesondere Kinder adipöser Mütter sind häufiger als die Kontrollgruppe betroffen von Neuralrohrdefekten, kardiovaskulären Fehlbildungen, orofazialen Spaltbildungen und anorektalen Malformationen [34]. Bei den kardialen Fehlbildungen dominieren die Fallot-Tetralogie und das hypoplastische Linksherzsyndrom ([7]; Tab. 2).

Tab. 2 Risiko für kongenitale Herzfehler bei adipösen vs. normalgewichtigen Schwangeren. (Mod. nach [34])

Bei Adipositas sind – je nach Ausprägung – die pränatale Diagnostik und Überwachung der Schwangerschaft deutlich erschwert. Bei zunehmender Bauchdeckendicke und damit abnehmender Eindringtiefe des Ultraschalls lassen sich Fehlbildungen oder auch Ultraschallmarker deutlich schlechter erfassen. Ferner ist die Blutflussmessung mittels Doppler-Sonographie erschwert bzw. unmöglich (Tab. 3).

Tab. 3 Sonographische Darstellbarkeit der fetalen Anatomie in Abhängigkeit vom BMI (Body-Mass-Index). (Mod. nach [34])

Während sich bei normalgewichtigen Schwangeren in ca. 98 % der Fälle die Nackentransparenz messen lässt, gelingt dies bei adipösen Schwangeren mit einem BMI >40 kg/m2 nur noch in ca. 75–77 % [39].

Das biochemische Screening auf Fehlbildungen ist zur Risikoabschätzung bei adipösen Schwangeren mit einer erhöhten Falsch-negativ-Rate assoziiert, da es durch die Adipositas zu einem BMI-abhängigen Verdünnungseffekt kommt.

Auch der Einsatz moderner NIPT(non-invasiver Pränataltest)-Verfahren ist bei adipösen Schwangeren mit einer geringeren Aussagekraft verbunden, da es mit zunehmendem BMI zu einer Abnahme der Fraktion zellfreier fetaler DNA (cffDNA) im mütterlichen Blut kommt. Der geringere cffDNA-Anteil ist sowohl auf einen Verdünnungseffekt zurückzuführen als auch darauf, dass adipöse Schwangere durchschnittlich kleinere Plazenten ausbilden, die entsprechend weniger cffDNA ins mütterliche Blut abgeben [29].

Bei einem maternalen Gewicht von 60 kg beträgt der cffDNA-Anteil durchschnittlich 11,7 %, bei einem maternalen Gewicht von 160 kg nur 3,9 %. Der für eine aussagefähige NIPT-Diagnostik erforderliche Anteil der cffDNA liegt bei ca. 2 %, bereits unterhalb von 4 % kann es jedoch zu einer eingeschränkten Aussagekraft kommen [3].

Entbindung und Wochenbett bei Frauen mit Adipositas

Mit zunehmendem BMI steigt sowohl das Risiko einer Schulterdystokie als auch das Risiko für einen Geburtsstillstand. Ebenso ist die Rate primärer und sekundärer Sectiones erhöht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Indikationsstellung zur primären Sectio durch die BMI-abhängig zunehmende Ungenauigkeit der sonographischen Gewichtsschätzung des Feten beeinflusst wird. Als Indikationen zur Sectio werden angeführt: fetaler Disstress, frustrane Geburtseinleitung und Geburtsstillstand in der Eröffnungsperiode. Als mögliche Ursachen für einen Geburtsstillstand werden bei adipösen Frauen die erhöhten intrapelvinen Fettdepots mit konsekutiver Verengung des Geburtskanals genannt, darüber hinaus scheint es auch durch myometrane Cholesterindepots zu einem ungünstigen Effekt auf die Kontraktilität zu kommen.

Neben geburtsmechanischen Problemen steigt bei adipösen Schwangeren das Risiko für eine Atonie wie für Wundinfektionen nach Sectio, und insbesondere im Wochenbett kommt es im Vergleich zu normalgewichtigen Frauen nochmals zu einem signifikanten Anstieg des Thromboembolierisikos [34].

In einer aktuellen Studie konnten Timur et al. zeigen, dass Adipositas per se zu einem höheren Risiko für Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen führt, ein Diabetes der Mutter vor allem zu einem schlechteren neonatalen Outcome [40].

Schwangerschaft und Entbindung nach bariatrischer Operation

Eine in letzter Zeit vielfach diskutierte Frage ist, wie sich der Einsatz bariatrischer Operationsverfahren auf die Schwangerschafts- und Geburtsrisiken auswirkt. Durch die nahezu endemische Zunahme der Adipositas nimmt auch die Anzahl der durchgeführten bariatrischen Operationen seit Jahren kontinuierlich zu. Die derzeit favorisierten Operationsverfahren sind die Anlage eines Schlauchmagens sowie eines Bypasses. In der Schwangerschaft kommt es bei Frauen nach bariatrischen Eingriffen durch den Größenzuwachs des Uterus zu einer zunehmenden Reduktion der Nahrungsaufnahmekapazität. Darauf muss im Hinblick auf eine entsprechend schwangerschaftsadaptierte gesunde Ernährung geachtet werden.

Der Zustand nach bariatrischer Operation stellt nicht per se eine Sectioindikation dar. Schwangerschaftsassoziierte Risiken wie Präeklampsie, Hypertonus und Gestationsdiabetes treten ab dem dritten Jahr nach bariatrischen Operation deutlich seltener auf und erreichen z. T. das Niveau nichtadipöser Frauen, jedoch scheint das Risiko für einen intrauterinen Fruchttod auch danach noch erhöht zu sein. Es wird diskutiert, ob dies durch Mangel‑/Fehlernährung bzw. durch eine insuffiziente Substitution von Nährstoffen erklärt werden kann [16].

Fertilität und Schwangerschaft nach bariatrischen Operationen

Durch bariatrische Operationen bessert sich typischerweise die Fertilität adipöser Patientinnen ebenso wie zuvor bestehende sexuelle Dysfunktionen meist positiv beeinflusst werden. Da sich – je nach Operationsverfahren – ggf. die Resorption oraler Kontrazeptiva ändern kann, muss eine entsprechend Aufklärung und Kontrazeptionsberatung erfolgen. Es ist bekannt, dass die Rate postbariatrischer (ungewollter) Schwangerschaften in den ersten 2 Jahren nach dem Eingriff besonders hoch ist [27]. Dies ist problematisch, da gerade in dieser Zeit ein erhebliches Risiko für komplizierte Schwangerschaften u. a. mit erhöhtem Risiko für Früh- und Mangelgeburten besteht [37].

Gerade in den ersten 2 Jahren nach bariatrischen Eingriff ist eine sichere Kontrazeption relevant

Gerade in den ersten 2 Jahren nach dem Eingriff sollte daher zur sicheren Kontrazeption geraten werden. Etwa ab dem dritten Jahr gleicht sich dieses Risiko dem von nicht operierten Frauen an.

Bei Schwangeren muss nach bariatrischen Operationen insbesondere auch auf das erhöhte Risiko für die Entwicklung eines Gestationsdiabetes geachtet werden. Da für Frauen nach bariatrischen Eingriffen bislang keine gültigen Grenzwerte zum Screening auf Gestationsdiabetes im oGTT (oraler Glukosetoleranztest) definiert wurden, muss durch Erstellung von Blutzuckertagesprofilen abgeschätzt werden, ob die Indikation zur Therapie besteht.

Fazit für die Praxis

  • Adipositas wirkt sich auf alle Aspekte der Reproduktion negativ aus, so weisen adipöse Frauen niedrigere Implantations‑, Schwangerschafts- und Lebendgeburtenraten auf als normalgewichtige Frauen.

  • In der Schwangerschaft und bei der Geburt steigen bei adipösen Frauen die Risiken für fast alle bekannten fetomaternalen Komplikationen deutlich an.

  • Bariatrische Operationen können zu einer signifikanten Gewichtsreduktion bei massiver Adipositas führen, jedoch sind nach bariatrischer Operation besondere Risiken für die Schwangerschaft zu beachten.

  • Der Frauenarzt muss sich auf einen zunehmenden Beratungsbedarf adipöser Patientinnen einstellen. Ziel muss sein, schon perikonzeptionell eine entsprechende Gewichtsreduktion sicherzustellen.

  • Hierzu müssen die verfügbaren konservativen wie operativen Behandlungsoptionen genutzt werden, um der Patientin zu einer nachhaltigen Gewichtsreduktion zu verhelfen und damit die Folgen der Adipositas abzuwenden oder zumindest zu mildern.