Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags sind Sie in der Lage:

  • ein Zyklusmonitoring zu planen.

  • Zyklusstörungen endokrinologisch abzuklären.

  • die Fertilitätsreserve Ihrer Patientin einzuschätzen.

  • die Bedeutung der einzelnen Hormonparameter in der gynäkologischen Diagnostik zu beurteilen.

Hintergrund

Die Laboranalytik stellt neben der Anamnese, klinischer Untersuchung, technischen und bildgebenden Verfahren einen essenziellen Bestandteil im Rahmen der klinischen Diagnosestrategie und -findung dar. Sie dient neben der Diagnosestellung der Differenzialdiagnose, der Risikostrategie, der Therapieentscheidung und dem Therapiemonitoring sowie der Beurteilung der Patientin bei der Verlaufskontrolle. Somit ist die Labordiagnostik ein fester Bestandteil des Behandlungsprozesses und der Ergebnisqualität.

Wesentlich für das Erreichen eines optimalen Ergebnisses sind die sinnvolle Auswahl geeigneter Parameter und die Berücksichtigung der Präanalytik in den klinischen Einrichtungen. Dabei beschreibt der Begriff der Präanalytik die Summe der praktischen und administrativen Prozesse während der Gewinnung, der Aufbereitung, der Lagerung und des Transportes medizinischen Untersuchungsmaterials vor der eigentlichen Labordiagnostik.

Für den anfordernden Arzt sind dabei mehrere Punkte zu berücksichtigen. Initial ist die Entscheidung, welche Analyte Teil der Untersuchung sein sollen, das Fundament jeglichen weiteren Procedere. Hierauf basiert die korrekte Information, Belehrung und ggf. Vorbereitung der Patientin, wie diese sich für die Probenentnahme vorzubereiten hat (s. unten, Einflussfaktoren). Wesentlich sind auch die korrekte Erstellung der Untersuchungsanforderung mit einer eindeutigen Identifikation der Patientin (Anforderungsschein, Patientenetiketten, digitale Anforderung, etc.), die richtige Auswahl der Entnahmeröhrchen, die korrekte Entnahme der Probenmaterialien, eventuelle Aufbereitungsschritte (z. B. Zentrifugation) und die entsprechende Lagerung des Materials (Raumtemperatur, Kühlung, tiefgefroren, etc.).

Laboranalytik

Präanalytik

Einfluss- und Störgrößen auf die Analytik

Im Rahmen der Präanalytik sind Einflussfaktoren und Störfaktoren von Bedeutung. Bei den Einflussgrößen auf die Analytik sind unveränderliche und veränderliche Faktoren zu unterscheiden. Die Störfaktoren werden in körpereigene und körperfremde unterteilt. Diese Einflüsse können die Messtechnik, die in der Analytik eingesetzten Reagenzien und in Folge das Messergebnis beeinträchtigen (Tab. 1).

Tab. 1 Präanalytik: Einflussgrößen und Störfaktoren

Einschränkung der Aussagekraft hormoneller Parameter unter Medikation

Medikamente können das Analyseergebnis von Hormonen sowohl direkt als auch indirekt deutlich beeinflussen. Somit sollte eine Medikamentenanamnese in jedem Falle vor Bewertung von Hormonparametern erfolgen, um außerhalb der Referenzbereiche gelegene Werte nicht fälschlich als pathologisch einzustufen.

So sind beispielsweise niedrige Östradiolspiegel unter Anwendung ethinylestradiolhaltiger hormoneller Kontrazeptiva zu beobachten, da durch die Präparate der gewünschte Effekt der Suppression der Gonadotropine und konsekutiv der ovariellen Östrogensynthese erreicht wird. Die im Körper vorhandene systemische Östrogenwirkung ist hier nicht messbar. Unter östradiol-/östradiolvalerathaltigen Präparaten (im Rahmen einer Kontrazeption oder Hormontherapie) liegen dagegen durchaus messbare Werte vor.

Prolaktin ist ein typisches Beispiel eines hormonellen Parameters, der durch Medikamenteneinnahme deutlich beeinflusst wird. Insbesondere die Einnahme von Neuroleptika, Antidepressiva, Gastroprokinetika, aber auch einige Antihypertensiva führen zu erhöhten Prolaktinwerten im Serum und können so auch klinische Symptome (z. B. Galaktorrhö, Oligo‑/Amenorrhö) bewirken (Tab. 2).

Tab. 2 Auszug von Medikamenten, die eine Hyperprolaktinämie bewirken können

Da die meisten Hormone im Blut an Bindungsproteine gebunden sind, kann ihre Serumkonzentration auch indirekt durch Veränderung der Bildung von Bindungsproteinen in der Leber beeinflusst werden.

Sexualhormonbindendes Globulin (SHBG) bindet mit höchster Affinität Dihydrotestosteron (DHT), aber auch Testosteron sowie Östradiol und nur in geringem Maße Östron, Dihydroepiandrosteron (DHEA), Androstendion und Östriol. Es wird in der Leber östrogenabhängig gebildet. Neben der Dauer der Östrogeneinwirkung spielt auch die Art des Östrogens eine Rolle bei der Beeinflussung der SHBG-Synthese. Ein besonders starker Effekt kann dabei durch Ethinylestradiol erzielt werden. Diesen günstigen Nebeneffekt macht man sich bei Anwendung hormoneller Kontrazeptiva zunutze, um durch Steigerung des SHBG den Anteil freien Testosterons im Blut zu senken und damit indirekt Androgenisierungserscheinungen zu reduzieren.

Auch weitere Bindungsproteine (cortisolbindendes Globulin [CBG], thyroxinbindendes Globulin [TGB]) werden durch Östrogen enthaltende Hormonpräparate beeinflusst. Hier kommt es ebenfalls zu einer Steigerung der Synthese, sodass indirekt zunächst im Falle des CBG der Anteil des freien Cortisols gesenkt wird und es infolge zu einem Anstieg des Gesamt-Cortisols kommt. Hohe Gesamtcortisolspiegel unter Einnahme eines kombinierten oralen Kontrazeptivums sind daher nicht als pathologisch zu interpretieren.

Ähnliches gilt für TGB: Bei Einnahme östrogenhaltiger Hormonpräparate kommt es auch zu einer Steigerung der TGB-Synthese und dadurch zu einer Senkung der freien Schilddrüsenhormone. Kompensatorisch wird TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) vermehrt sezerniert. Somit gilt auch hier, dass unter Anwendung von kombinieren hormonellen Kontrazeptiva dieser Effekt bei der Bewertung der TSH-Spiegel berücksichtigt werden muss.

Analytik

Die endokrine Labordiagnostik genießt gegenüber der bildgebenden Lokalisationsdiagnostik Vorrang. Dabei stellt die basale Hormonkonzentration, also die Konzentration eines Hormons ohne Stimulation, Suppression oder andere Interventionen (z. B. körperliche Anstrengung) die Grundlage der Beurteilung dar. Im Rahmen von Funktionstesten können dann Reihenuntersuchungen, meist mit Stimulation, ergänzende Informationen liefern. Zu bedenken ist, dass die Regulation der Hormonausschüttung häufig durch weitere Hormone oder metabolische Veränderungen geschieht. Es ist daher von Vorteil, zusammengehörige Parameter gemeinsam zu bestimmen und als diagnostische Paare in Kontext zu setzen (z. B. Östradiol und das follikelstimulierende Hormon [FSH]). Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nur ein geringer Anteil der Hormone frei im Blut zirkuliert. Ein großer Teil ist an Transportproteine gebunden, sodass auch deren Einfluss berücksichtigt werden muss. Erhöht sich die Menge an Transportproteinen (z. B. SHBG, TBG) führt dies zu einer Erhöhung der Gesamthormonkonzentration. Für die Wirkung der Hormone ist jedoch nur die ungebundene Fraktion verantwortlich.

Die Messung selbst erfolgt mittels unterschiedlicher Verfahren. Eine orientierende Übersicht ist in Tab. 3 zusammengestellt.

Tab. 3 Analytische Messverfahren in der Endokrinologie

Die Beurteilung der Ergebnisse basiert auf der Sensitivität, der Spezifität und dem Vorhersagewert eines Testverfahrens. Die Sensitivität ist dabei ein Maß, wie geeignet ein Test ist, Personen mit einer Erkrankung als krank zu identifizieren. Die Spezifität gibt an, wie geeignet ein Test ist, Personen ohne Erkrankung als gesund zu erkennen. Sensitivität und Spezifität sind fixe Größen eines diagnostischen Verfahrens. In der klinischen Praxis ist es oft wichtiger zu wissen, wie hoch bei einem positiven Testergebnis die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Person an der Krankheit leidet; dies wird durch den positiven Vorhersagewert ausgedrückt, der neben Sensitivität und Spezifität auch die Prävalenz berücksichtigt (Anzahl der Erkrankungen in einer Population zu einem bestimmten Zeitpunkt).

Einzelne Parameter

Für die Beurteilung des Krankheitsbildes bzw. der Verdachtsdiagnose ist eine gezielte Auswahl an Parametern erforderlich. Für jeden Analyten gibt es eine Indikation und die Maßgabe des zugeordneten Probenmaterials. Die Messung der Analyte erfolgt mit verschiedenen Techniken. In diesem Kontext sind wiederum Besonderheiten zu berücksichtigen: Tab. 4 gibt über diese Zusammenhänge einen orientierenden Überblick und stellt ergänzende Besonderheiten für viele Analyte dar.

Tab. 4 Wesentliche Parameter der gynäkologischen Endokrinologie, Indikationen, Entnahmematerial, Messmethode und Besonderheiten (Auswahl)

Praktische Empfehlungen

  • Eine Hormonanalytik unterliegt vielen exogenen Faktoren.

  • Ein einzelner Befund entscheidet daher nicht apodiktisch zwischen „pathologisch“ und „gesund“, sondern sollte immer im Kontext mit der Klinik und der Fragestellung interpretiert werden.

  • Bei Beurteilung der Hormonparameter erfolgt eine statistische Einteilung des Wertes in die Werte eines unausgewählten Kollektivs nicht kranker („normaler“) Probanden. Daher spricht man auch nicht vom „Normbereichen“, sondern nur von „Referenzbereichen“.

Zyklusdiagnostik

Grundlagen

Der weibliche Zyklus kennzeichnet die reproduktive Lebensphase der Frau und ist durch ein koordiniertes Zusammenspiel von Ovar und Uterus definiert [1]. Durch ein konventionelles Zyklusmonitoring lassen sich die bei der Follikelreifung auftretenden hormonellen Veränderungen (Abb. 1) ggf. in Kombination mit einer sonographischen Beurteilung von Anzahl und Größe der Follikel, sowie der Höhe des Endometriums beurteilen. Die ovarielle Funktionslage wird dabei durch die Bestimmung von Östradiol und Progesteron erfasst, deren Serumkonzentration wesentlich von den hypophysären Gonadotropinen – FSH und LH – abhängen.

Abb. 1
figure 1

Typischer Verlauf der weiblichen Hormone (Östradiol und Progesteron) und Gonadotropine während eines Zyklus. FSH follikelstimulierendes Hormon; LH luteinisierendes Hormon. (Mod. nach [1])

Die Gonadotropine wiederum unterliegen der Kontrolle der Steroide durch positive und negative Feedback-Mechanismen (Abb. 2). Jedem regulären Blutungseintritt und damit neu beginnenden Menstruationszyklus geht bei ausbleibender Schwangerschaft die Luteolyse des Gelbkörpers mit konsekutivem Abfall der Östradiol- und Progesteronspiegel voraus.

Abb. 2
figure 2

Steuerung der Follikelreifung und der ovariellen Steroidgenese durch die hypophysären Gonadotropine und entsprechende Feedback-Mechanismen (Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse)

Hormondiagnostik

Die Basisbestimmung zur Erfassung der ovariellen Funktion erfolgt am Zyklusanfang (2.–5. Zyklustag; Abb. 2). Zu diesem Zeitpunkt finden sich typischerweise niedrige Östradiol- und Gonadotropinspiegel. Ein frühfollikulär erhöhter FSH-Serumspiegel (>12 U/l) weist auf eine ovarielle Störung hin, deren Ursache weiter abgeklärt werden muss.

Der normale 28-tägige Zyklus unterliegt individuellen Schwankungen innerhalb gewisser Grenzen. So kommt es zu 25- bis 35-Tage-Intervallen mit intraindividueller Abweichung <2–3 Tage (Tab. 5).

Tab. 5 Eumenorrhö und Zyklusstörungen, Definitionen. (Nach [1])

Die Erfassung des der Ovulation 1–2 Tage vorausgehenden LH-Peaks in der Zyklusmitte ist möglich, jedoch sind hierzu ggf. mehrere LH-Messungen erforderlich. In der Praxis ist daher die einmalige Messung von Östradiol und LH in der Zyklusmitte und/oder gleichzeitige sonographische Beurteilung des Endometriums sowie der Follikelanzahl und Größe ausreichend. Die Erfassung des LH-Peaks ist auch mit kommerziell erhältlichen, urinbasierten Ovulationstests mit großer Genauigkeit zur Voraussage des fertilen Zeitfensters möglich [2].

Die zweite Hälfte eines ovulatorischen Zyklus ist durch ansteigende Progesteronspiegel (>5 ng/ml) aus dem Corpus luteum gekennzeichnet. Die Beurteilung der optimalen Sekretionsleistung oder im Gegenschluss Nachweis einer Gelbkörperschwäche (Corpus-luteum-Insuffizienz) anhand klar definierter Grenzwerte für Östradiol und Progesteron ist aufgrund der dazu erforderlichen klaren Eingrenzung des Messzeitpunktes in Verbindung zur vorausgegangenen Ovulation (ca. 5–7 Tage vorher) und bereits oben angesprochenen Variation des Zyklusgeschehens schwierig [3]. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum das Konzept des konventionellen Zyklusmonitorings mit laboranalytischem Nachweis einer vollwertigen Lutealfunktion zunehmend von einer klinischen Beurteilung mit genauer Erfassung der Zyklusanamnese abgelöst wird [4, 5]. So ist bei einem regelmäßigen Zyklusintervall von 25–35 Tagen mit intraindividueller Abweichung von nicht mehr als 2–3 Tagen zwischen den einzelnen Zyklen (Eumenorrhö) in über 95 % von einer Ovulation und einer suffizienten Lutealfunktion auszugehen [6]. Die Notwendigkeit einer ausführlicheren hormonellen Diagnostik beschränkt sich daher auf das Vorliegen von Zyklusstörungen insbesondere als Regeltempoanomalie aber auch anhand von beispielsweise verlängerten prämenstruellen Zwischenblutungen („spotting“, Tab. 6).

Tab. 6 Empfohlene Diagnostik bei Zyklusstörungen

Unabhängig von dem Vorliegen einer Zyklusstörung kann bei Patientinnen mit Kinderwunsch die Einschätzung der ovariellen Reserve durch die Messung von Anti-Müller-Hormon (AMH, s. auch unten) oder alternativ die sonographische Beurteilung der antralen Follikelzahl [7] sinnvoll sein.

Abklärung von Zyklusstörungen

Regeltempostörungen beruhen nahezu immer auf hormonellen Ursachen, wobei unterschiedlichen Ausprägungen der gestörten Follikelreifung mit verlängerten prämenstruellen Schmierblutungen über die Poly- oder Oligomenorrhö bis zur Amenorrhö als Maximalvariante auftreten.

Die Beurteilung der ovariellen Regulation durch die Bestimmung von Östradiol und FSH sowie LH kann bei Vorliegen einer Zyklusstörung bereits erste Aufschlüsse über die Störungsebene geben: Eine hypergonadotrope Konstellation weist auf eine ovarielle Störung (z. B. niedrige oder erloschene Ovarreserve, zur weiteren Quantifizierung ggfs. AMH-Messung) hin. Eine hypogonadotrope Konstellation kommt bei hypophysären oder hypothalamischen Störungen (z. B. Hypophysentumor, Essstörung etc.) infrage.

Typischerweise sind die physiologisch auftretenden Veränderungen der Perimenopause mit einer Erschöpfung der ovariellen Reserve und hypergonadotroper Konstellation bei allerdings häufig noch in der Höhe schwankenden Östrogenspiegeln sowie zunehmender Zyklusirregularität verbunden.

Eindeutig hyper- oder hypogonadotrope Gonadotropinkonstellationen sind bei Frauen im reproduktionsfähigen Alter eher selten [8]. Meist zeigt sich eine „normogonadotrope Ovarialinsuffizienz“, sie ist ganz überwiegend auf Störungen im Androgenhaushalt oder auf eine Hyperprolaktinämie zurückzuführen.

Differenzialdiagnostik

Andere Ursachen der Zyklusstörungen (Myome, Endometriose, etc.) müssen zunächst ausgeschlossen werden [9]. Bei der Amenorrhö bzw. unklaren Blutungsstörungen sollte immer auch an eine (möglicherweise gestörte) Schwangerschaft gedacht werden (hCG-Bestimmung).

Praktische Empfehlungen

  • Zur Abklärung von Zyklusstörungen empfiehlt sich die Durchführung einer Hormonbasisdiagnostik.

  • Diese sollte zwischen dem 2.–5. Zyklustag bzw. in der ovariellen Funktionsruhe (Amenorrhö) erfolgen.

  • Wichtige Parameter zur Abklärung der Zyklusstörung sind: FSH, LH, Östradiol, Testosteron, SHBG, DHEAS, Prolaktin und TSH sowie der Ausschluss einer Schwangerschaft.

  • Bei regelmäßigen Zyklen und gleichzeitig bestehendem Kinderwunsch kann zusätzlich die Bestimmung des AMH zur Beurteilung der ovariellen Reserve sinnvoll sein.

Androgendiagnostik

Die Hyperandrogenämie gehört zu den häufigen Problemen in der gynäkologischen Sprechstunde. Neben einer „zufälligen“ Entdeckung einer Hyperandrogenämie im Rahmen der Abklärung von irregulären Zyklen oder bei Kinderwunsch, erfolgt die gezielte Abklärung oft bei kutanen Androgenisierungserscheinungen. Es muss zwischen Hyperandrogenämie und Hyperandrogenismus sorgfältig unterschieden werden: Unter Hyperandrogenämie wird der Nachweis erhöhter Androgenspiegel verstanden. Hyperandrogenismus dagegen beschreibt eine verstärkte Androgenwirkung am Endorgan (z. B. Haut und Haare), die im Zweifelsfall auch mit normalen Androgenspiegeln einhergehen kann.

Hormonsynthese

Bei der Frau werden Androgene vor allem im Ovar und in der Nebennierenrinde gebildet. Darüber hinaus kommt es vor allem im Fettgewebe durch Metabolisierung von Steroidvorstufen zur Androgenbildung.

Ovarielles Testosteron wird in den Thekazellen gebildet, dabei wird die gonadale Testosteronsynthese zentral durch hypophysäres LH gesteuert.

Wichtigstes Androgen der Nebenniere ist DHEA. Dessen sulfatierter Metabolit DHEAS ist dabei weniger stark von tageszeitlichen oder Zyklusschwankungen abhängig. Die adrenale Androgensynthese unterliegt der hypophysären Steuerung durch das adrenokortikotrope Hormon (ACTH). Androgene werden – beginnend mit der Adrenarche (zwischen dem 6. und 8. Lebensjahr) hauptsächlich in der Zona reticularis der Nebennierenrinde synthetisiert.

In der Peripherie werden Androgene bzw. Androgenvorstufen durch die 5α-Reduktase in das deutlich wirksamere DHT umgewandelt.

Hormondiagnostik

Für die differenzialdiagnostische Abklärung einer Hyperandrogenämie bzw. eines Hyperandrogenismus werden vor allem folgende Parameter als „Basisprofil“ bestimmt:

  • Testosteron,

  • DHEAS,

  • Androstendion und

  • SHBG.

Testosteron ist ein lipophiles Steroidhormon das im Plasma zu ca. 60 % an SHBG und zu ca. 30–40 % an Albumin gebunden wird. Zur Messung des freien Testosterons steht bisher kein guter Assay zur Verfügung, daher sollte zusätzlich zur Bestimmung des Gesamttestosterons auch der SBHG-Spiegel ermittelt werden, um daraus den Anteil des freien, d. h. wirksamen Testosterons ableiten zu können. Auf diese Weise lässt sich der freie Androgenindex (FAI) ermitteln. Es gibt zahlreiche Einflussfaktoren, die zu einer Erhöhung bzw. Erniedrigung des SHBG-Spiegels führen können und die damit auch einen Einfluss auf den Anteil des freien Testosterons haben. Erhöhte SHBG-Spiegel kommen in der Praxis vor allem bei Einnahme von ethinylestradiolhaltigen Kontrazeptiva vor. Erniedrigte SHBG-Spiegel finden sich vor allem bei Adipositas.

Die Bestimmung der Androgene sollte möglichst am Zyklusbeginn erfolgen bzw. in einer Phase der ovariellen Funktionsruhe, da bis auf DHEAS die Androgenspiegel zyklusabhängig variieren.

Abklärung und Differenzialdiagnostik der Regulationsstörung

Im Erwachsenenalter manifestiert sich die Hyperandrogenämie meist durch kutane Erscheinungen (Hirsutismus, Akne, androgenetische Alopezie). Wie bereits erwähnt können diese Symptome jedoch auch bei normalen Serumandrogenspiegeln auftreten. Ob eine Hyperandrogenämie ovarieller oder adrenaler Genese ist, kann anhand der Klinik (ohne Laborparameter) nicht eindeutig differenziert werden ([10]; Tab. 7).

Tab. 7 Ursachen der Hyperandrogenämie/des Hyperandrogenismus. (Nach [10])

Bei Erhöhung der adrenalen Androgene (DHEAS, Androstendion) wird differenzialdiagnostisch – bei entsprechender Klinik – ein Cushing-Syndrom als Ursache der Hyperandrogenämie ausgeschlossen (Bestimmung von Cortisol). Im Fall einer Kortisolerhöhung erfolgt ein Dexamethason-Kurztest.

Ebenso sollte bei einer Erhöhung der adrenalen Androgene ein adrenaler Enzymdefekt durch frühzyklische Kontrolle von 17-Hydroxyprogesteron (17-OHP) ausgeschlossen werden. Bei erhöhten 17-OHP-Spiegeln (>2 ng/ml) wird ein ACTH-Stimulationstest durchgeführt. Bei auffälligem ACTH-Test wird eine entsprechende molekulargenetische Diagnostik zur Spezifizierung des Enzymdefektes vorgenommen.

Testosteronspiegel >1,5–2 ng/ml oder DHEAS-Spiegel >7 µg/ml sowie rasch progrediente Androgenisierungssymptome sprechen für einen androgenbildenden Tumor. In diesen Fällen führt meist die gezielte Bildgebung zur Diagnose und zur chirurgischen Intervention. Androgenbildende Tumoren der Ovarien sind häufiger als NNR-Tumoren. Meist treten die Tumoren im peri- bzw. postmenopausalen Lebensabschnitt auf. NNR-Tumoren sind in ca. 50 % der Fälle maligne, während ovarielle androgenbildende Tumoren meist gutartig sind [11].

Lässt sich die Hyperandrogenämie bzw. der Hyperandrogenismus auf ein PCO(polyzystisches Ovar)-Syndrom zurückführen, so wird in der Basisdiagnostik zusätzlich ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) empfohlen, um eine Insulinresistenz auszuschließen, die sich bei >30 % der Betroffenen nachweisen lässt. Der oGTT wird in dieser Situation immer als 75-g-Test durchgeführt, und es werden sowohl basal als auch nach 1 bzw. 2 h beide Parameter – Glukose und Insulin – bestimmt.

Praktische Empfehlungen

  • Parameter zur differenzialdiagnostischen Abklärung einer Hyperandrogenämie sind Testosteron, DHEAS, Androstendion und SHBG.

  • Auch die Bestimmung der Androgene sollte möglichst am Zyklusbeginn erfolgen bzw. in einer Phase der ovariellen Funktionsruhe, da bis auf DHEAS die Androgenspiegel zyklusabhängig variieren.

  • Bei Erhöhung der adrenalen Androgene (DHEAS, Androstendion) sollte – bei gleichzeitig bestehender Klinik – ein Cushing-Syndrom durch Bestimmung des basalen Cortisols ausgeschlossen werden. Zudem sollte eine Bestimmung von 17-OHP zum Ausschluss eines adrenalen Enzymdefekts erfolgen.

  • Bei hohen Testosteronspiegeln (>1,5–2 ng/ml) oder DHEAS-Spiegeln <7 µg/l und rasch progredienten Androgenisierungssymptomen sollte auch an androgenbildende Tumoren gedacht werden.

  • Anamnestisch sollte zudem initial eine exogene Steroideinnahme ausgeschlossen werden.

Prolaktindiagnostik

Hormonsynthese

Prolaktin gehört zu den Polypeptidhormonen und es wird vor allem in den laktotrophen Zellen des Hypophysenvorderlappens gebildet. Die Sekretion steht sowohl unter stimulierender als auch inhibitorischer Kontrolle. Dopamin hemmt die Prolaktinausschüttung, zu den stimulierenden endogenen Faktoren gehören u. a. das Gonadotropin-releasing-Hormon (GnRH), das Thyreotropin-releasing-Hormon (TRH) und Serotonin [12].

Hormondiagnostik

Auch die Prolaktinserumkonzentrationen unterliegen zyklusabhängigen Schwankungen. Daher ist auch hier eine frühfollikuläre Kontrolle bzw. eine Kontrolle bei ovarieller Funktionsruhe sinnvoll. Zudem unterliegt Prolaktin zahlreichen physiologischen, pathologischen und pharmakologischen Einflussfaktoren (Tab. 8).

Tab. 8 Ursachen der Hyperprolaktinämie. (Mod. nach [12])

Regulationsstörung und deren Abklärung

Eine Hyperprolaktinämie fällt klinisch vor allem durch

  • Zyklusstörungen und

  • Galaktorrhö

auf. Bei (Makro‑)Prolaktinomen kann es zusätzlich zu den o. g. Symptomen zu bilateralen Gesichtsfeldausfällen sowie Kopfschmerzen kommen. Diese Symptome entstehen durch Druck des Prolaktinoms auf das Chiasma opticum.

Bei den o. g. Symptomen wird eine Prolaktinbestimmung aus dem Serum vorgenommen. Dabei müssen anamnestisch mögliche Einflussfaktoren erfasst werden (Tab. 8), und es muss sorgfältig auf präanalytische Störfaktoren geachtet werden:

  • Blutabnahme unter Ruhebedingungen,

  • „stressfreie“ Blutabnahme und

  • Blutabnahme nicht nach Brustuntersuchung bzw. kurz nach Koitus etc.

Von den klinischen Einflussfaktoren führen vor allem die Hypothyreose sowie die Einnahme von prolaktinstimulierenden Medikamenten zu erhöhten Prolaktinspiegeln. In 30–40 % der Fälle bleibt jedoch die konkrete Ursache der Hyperprolaktinämie unklar, dann sollte zunächst eine Kontrolle des Serumwertes unter strenger Beachtung der o. g. präanalytischen Störfaktoren vorgenommen werden, bevor eine weiterführende Diagnostik erfolgt.

Prolaktinome

Unterschieden werden Mikro- (<10 mm) und Makroprolaktinome (≥10 mm). In der Literatur werden unterschiedliche Cut-off-Werte angegeben, ab denen eine Magnetresonanztomographie (MRT) zum Nachweis bzw. zum Ausschluss eines Prolaktinoms sinnvoll ist. Wir empfehlen eine bildgebende Diagnostik bei klinischen Symptomen und Prolaktinwerten >50–60 ng/ml bzw. >1200 mIU/l.

Differenzialdiagnostik

Makroprolaktinämie

Prolaktin liegt im Serum in unterschiedlichen Bindungsformen vor: Mehrere Prolaktinmoleküle können durch immunologischen Phänomene aggregieren und es entstehen biologisch weitgehend inaktive Strukturen die jedoch in den Standard-Assays als „Prolaktin“ gemessen werden.

  • „big“ Prolaktin (ca. 50 kDa),

  • „big big“ Prolaktin (ca. 100 kDa).

Klinisch führt dies meist zu einer „asymptomatischen Hyperprolaktinämie“. Das heißt, die Patientin hat trotz deutlich erhöhter Prolaktinspiegel einen regelrechten Zyklus und keine Galaktorrhö.

Analytisch kann in diesen Fällen eine Ausfällung vorhandener Prolaktinkomplexe mit Polyethylenglykol (PEG) vorgenommen werden, um damit den Anteil des Makroprolaktins an der Gesamtprolaktinserumkonzentration zu ermitteln. Fällt die Prolaktinkonzentration nach Abzug des Makroprolaktins in den Normalbereich, so besteht keine Indikation zur Intervention.

Prolaktinmessung in der Gravidität und Laktation

Schwangerschaft und Laktation haben in der Regel keinen signifikanten Einfluss auf das Wachstum eines Prolaktinoms, sodass die Sorge, es könne zu einer Exazerbation der klinischen Symptomatik kommen, unbegründet ist. Nur 1,5–5,5 % der Schwangeren mit Mikroprolaktinom entwickeln eine symptomatische Hypophysenvergrößerung (Kopfschmerz, Gesichtsfeldeinschränkung). Bei Frauen mit Makroprolaktinomen wird diskutiert, ob einmal pro Trimester eine Perimetrie durchgeführt werden sollte, um eine Gesichtsfeldeinschränkung rechtzeitig zu identifizieren [13].

Es gibt also zunächst einmal keine Indikation zur Prolaktinbestimmung in der Schwangerschaft. Bei Patientinnen mit einer Dopaminagonistentherapie bei Prolaktinom wird die medikamentöse Behandlung typischerweise mit Eintritt der Schwangerschaft abgesetzt (Cabergolin ist in der Schwangerschaft nicht zugelassen; [14]). Eine wiederholte Prolaktinbestimmung während der Schwangerschaft ist nicht sinnvoll, da sich aus den Werten – ohne klinische Symptomatik – keine therapeutische Intervention ableiten lässt.

Praktische Empfehlungen

  • Typische klinische Symptome einer Hyperprolaktinämie sind Zyklusstörungen und eine Galaktorrhö.

  • Bei Bestimmung von Prolaktin sollte auf präanalytische Störfaktoren geachtet werden, um keine falsch-positiven Ergebnisse zu erhalten.

  • Bei Prolaktinwerten >50–60 ng/ml bzw. >1200 mIU/l und entsprechender Klinik sollte ein Prolaktinom mittels kranialer Magnetresonanztomographie (cMRT) ausgeschlossen werden.

  • Eine asymptomatische Hyperprolaktinämie kann durch das Vorliegen einer Makroprolaktinämie begründet sein.

Diagnostik der Ovarreserve

Zur Beurteilung der Ovarreserve eignen sich FSH und Östradiol (beide Abnahme in der frühen Follikelphase), Inhibin B (ebenfalls frühfollikulär, da postovulatorisch deutlicher Abfall) sowie AMH. Aussagekräftigster Parameter ist dabei das AMH. Inhibin B hat dagegen im Laufe der letzten Jahre zunehmend an Bedeutung verloren.

Hormonsynthese

Inhibin B und Östradiol werden durch die Granulosazellen der heranreifenden Follikel produziert. Mit Abnahme des Follikelpools sinkt auch die Anzahl der Inhibin-B-produzierenden Granulosazellen, was zu einem Anstieg von FSH führt. Dann kommt es zu einer akzelerierten Follikelreifung, die sich klinisch in verkürzten Zyklen (Polymenorrhö) äußert. Laborchemisch können entsprechend in der frühen Follikelphase bereits erhöhte Östradiolwerte (>80 pg/ml) gemessen werden. Zu Beginn der Perimenopause unterliegen FSH und Östradiol jedoch deutlichen Schwankungen von Zyklus zu Zyklus (d. h. hier können auch noch unauffällige Werte vorliegen). Erst mit fortgeschrittener Abnahme der Ovarreserve können zu Zyklusbeginn bereits ein niedriges Östradiol und ein hohes FSH nachgewiesen werden.

Anti-Müller-Hormon

Der aussagekräftigste Parameter zur Beurteilung der ovariellen Reserve ist das Anti-Müller-Hormon. AMH ist ein Glykoprotein und gehört zur TGF-β(„transforming growth factor beta“)-Familie. Bereits während der frühen Entwicklungsphase wird es von Sertoli-Zellen männlicher Feten gebildet (ab 8. SSW) und verhindert dadurch die Ausbildung der Müller-Gänge. Beim weiblichen Feten kann AMH erst ab der 36. Schwangerschaftswoche in den Granulosazellen der präantralen Follikel nachgewiesen werden [15].

AMH korreliert positiv mit dem Primordialfollikelpool, wie histologische Untersuchungen nachweisen konnten [16]. Auch im Serum konnte diese Korrelation zwischen AMH und Primordialfollikelpool bestätigt werden [17]. AMH ist kein „statisches Hormon“. Während bei Geburt nur geringe Spiegel nachzuweisen sind, kommt es im weiteren Verlauf zu einem langsamen Anstieg mit einem Peak um das 25. Lebensjahr [18]. Durch Abnahme des Follikelvorrats mit zunehmendem Alter sinkt es wieder. Ein AMH unterhalb der Nachweisgrenze bedeutet dabei nicht, dass nun die Menopause eingetreten ist. Selbst bei AMH-Werten unterhalb der Nachweisgrenze können noch ovulatorische Zyklen auftreten. Untersuchungen konnten zeigen, dass im Mittel 5–6 Jahre nach Verlust der Nachweisbarkeit das Eintreten der Menopause zu beobachten war [19]. Die Bestimmung von AMH allein ist somit auch nicht ausreichend bei der Beantwortung der Frage, ob eine Patientin noch verhüten muss. Um die ovarielle Restaktivität genauer beurteilen zu können, helfen hier die FSH- und Östradiolkonzentrationen in der frühen Follikelphase weiter. Zudem spielt das Alter der Patientin eine wichtige Rolle, da mit zunehmendem Alter zusätzlich zur allein quantitativen Abnahme der Follikel auch deren Qualität deutlich abnimmt, was die Konzeptionswahrscheinlichkeit weiter schmälert.

In Phasen physiologischer und pharmakologischer Ovarsuppression konnte eine Senkung der AMH-Werte beobachtet werden. So zeigte eine Longitudinalstudie an 60 schwangeren Patientinnen einen signifikanten Abfall des AMH vom ersten bis zum dritten Trimenon [20]. Auch eine Suppression der ovariellen Aktivität durch Einnahme hormoneller Kontrazeptiva führte in mehreren Untersuchungen zu einer Abnahme der AMH-Werte im Vergleich zu Nichtanwenderinnen (bis zu 30 % niedrigere Werte; [21]). Mit zunehmender Dauer der Einnahme fielen dabei die Effekte stärker aus. Die Ethinylestradioldosis der Präparate spielte dabei keine Rolle. Mit Absetzen der Präparate konnte wieder eine signifikante Zunahme der AMH-Spiegel beobachtet werden [22]. Derzeit am heftigsten diskutiert sind inter- und intrazyklische Schwankungen der AMH-Werte. Erste Untersuchungen wiesen nur eine geringe Variabilität innerhalb des Menstruationszyklus nach, was auch plausibel wäre, da AMH nicht vom Leitfollikel oder in der zweiten Zyklushälfte durch das Corpus luteum gebildet wird [23]. Neuere Untersuchungen konnten dagegen signifikante Schwankungen innerhalb des Zyklus (niedrigere Werte periovulatorisch sowie in der Lutealphase) zeigen, insbesondere bei jüngeren Frauen [24]. Bei älteren Frauen fielen diese intrazyklischen Schwankungen deutlich geringer aus, was jedoch auch aufgrund der insgesamt niedrigen Werte und somit schwierigeren laboranalytischen Differenzierbarkeit erklärt werden kann. Verglichen mit anderen Parametern ovarieller Reserve, wie FSH und Östradiol, sind die zyklusabhängigen Schwankungen von AMH jedoch deutlich geringer ausgeprägt.

Gerade vor Durchführung von Maßnahmen assistierter Reproduktion erfolgt häufig eine Bestimmung des AMH, um zu prüfen, ob ein hohes oder ein geringes Ansprechen auf die Stimulationstherapie zu erwarten ist. In der Tat konnten Untersuchungen zeigen, dass AMH mit der Anzahl der gewonnenen Eizellen nach Stimulationstherapie korreliert [25]. Somit können ein überschießendes Ansprechen und die resultierende Entwicklung eines Überstimulationssyndroms bei hohen AMH-Werten durch eine reduzierte Startdosis und die Wahl eines Antagonistenprotokolls vermieden werden. Ob AMH auch als Prädiktor einer Lebendgeburt bei Maßnahmen assistierter Reproduktion angewandt werden kann, ist umstritten. In einer retrospektiven Analyse von 85.062 Frisch- und Kryozyklen im Rahmen von Maßnahmen assistierter Reproduktion konnte nach Adjustierung von Alter, Body-Mass-Index (BMI), Ethnizität und Zahl der Embryonen nur ein geringer prädiktiver Wert von AMH nachgewiesen werden [26]. Auch zur Einschätzung der natürlichen Fertilität scheint der hormonelle Parameter nur eingeschränkt hilfreich zu sein. Eine prospektive Kohortenstudie, die die Zeit bis zum Eintreten einer Schwangerschaft bei Frauen ohne Infertilitätsanamnese im Alter von 30–44 Jahren untersucht hat, konnte keinen Unterschied hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft nach 6 Zyklen zwischen Frauen mit hohem bzw. niedrigem AMH nachweisen [27]. Die Autoren folgerten daher, dass durch Bestimmung hormoneller Parameter allein nicht der Eintritt einer Schwangerschaft prognostiziert werden kann. Anamnestische Faktoren, wie das Alter der Patientin sowie die Dauer der Infertilität, scheinen eine deutlich wichtigere Rolle bei der Prädiktion einer Schwangerschaft zu spielen.

Praktische Empfehlungen

  • Zur Beurteilung der ovariellen Reserve eignen sich FSH, Östradiol (Abnahme in der frühen Follikelphase) sowie das AMH.

  • AMH ist der aussagekräftigste Parameter zur Beurteilung der ovariellen Reserve, da er am wenigsten zyklusabhängigen Schwankungen unterliegt.

  • AMH korreliert mit der Anzahl der gewonnenen Eizellen nach Stimulationstherapie.

  • Hinsichtlich einer Lebendgeburt bei Maßnahmen assistierter Reproduktion ist der prädiktive Wert allerdings gering.

Fazit für die Praxis

  • Eine Hormonanalyse sollte immer aufgrund einer klinischen Indikation erfolgen, und das Ergebnis sollte in Kontext mit den klinischen Symptomen gestellt werden.

  • Ist das gewonnene Ergebnis konträr zur Klinik, sollten mögliche Fehlerquellen (Präanalytik, Laboranalytik) geprüft werden.

  • Eine Behandlung aufgrund auffälliger Hormonwerte ohne klinische Symptome ist nicht sinnvoll.