Es ist nicht genug, zu wissen, man muss es auch anwenden.

Johann Wolfgang von Goethe

„Gemeinsam klug entscheiden“ heißt eine 2015 gestartete Initiative der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.). Empfehlungen an Patienten, Ärzte und die Öffentlichkeit sollen helfen, Versorgungsprobleme in Deutschland zu reduzieren. Das internationale Vorbild dieser Idee ist „choosing wisely“, ein seit 2011 bestehendes Programm des American Board of Internal Medicine, das mit Negativempfehlungen arbeitet („Don’t do!“) und damit vor allem die Überversorgung im Blick hat.

Das entscheidende Problem, das beide Initiativen anzugehen versuchen, ist die möglichst gute und konsequente Umsetzung wissenschaftlich fundierter Leitlinien in die Entscheidungen des medizinischen Alltags. Zu diesen Entscheidungen tragen unsere Patienten einen wesentlichen Anteil bei, wie die Arbeit von Groeben et al. in dieser Ausgabe aus ärztlicher Sicht zeigt [1]: 89 % der befragten Urologen befürworten eine geteilte Entscheidungsfindung und damit eine aktive Rolle des Patienten. Daher müssen die Leitlinienempfehlungen auch einen Weg zum Patienten finden – nur so kann er klug (mit-)entscheiden.

Auf diese Erkenntnis zielt die „Patienten Akademie“ der Deutschen Urologen [2]. Sie möchte qualifizierte Informationen für Patienten in verständlicher Form bereitstellen und beschreitet dabei bewusst auch neue Wege. So hat Herr PD Dr. Dr. Huber unter ihrem Dach federführend die „Entscheidungshilfe Prostatakrebs“ konzipiert – ein innovatives Projekt mit Modellcharakter. Die onlinebasierte Entscheidungshilfe vermittelt dem Patienten über Videosequenzen mit einem virtuellen Arzt alle relevanten Informationen zum Prostatakarzinom. Sämtliche Angaben basieren dabei auf der aktuellen deutschen S3-Leitlinie [3]. Durch Eingaben des Patienten können klinische Parameter in die Informationen einfließen und der Patient kann die Vor- und Nachteile der einzelnen Therapieoptionen aus seiner Sicht bewerten. Alle Angaben können ausgedruckt werden und als Grundlage für das anschließende Arztgespräch dienen. Eine kontinuierliche wissenschaftliche Evaluation soll die Effekte der Entscheidungshilfe untersuchen und zugleich die deutsche Versorgungssituation erfassen. Damit verspricht dieses Projekt positive Effekte für die Patienten, ihre betreuenden Urologen und die Versorgungsforschung. Darüber hinaus weist die „Entscheidungshilfe Prostatakrebs“ alle potenziell geeigneten Teilnehmer auf das Angebot der PREFERE-Studie hin und kann so die Rekrutierung unterstützen.

Die Ergebnisse der Befragung unter Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) und des Berufsverbands der Deutschen Urologen e. V. (BDU) lassen eine sehr hohe Akzeptanz erwarten, die sogar deutlich über Vergleichswerte von US-amerikanischen Urologen und Strahlentherapeuten hinausgeht [1]. Wir möchten Sie ausdrücklich ermutigen die „Entscheidungshilfe Prostatakrebs“ zu testen und sie ihren Patienten anzubieten! Dieses Projekt der „Patienten Akademie“ [2] ist ein Angebot aus urologischer Hand und transportiert ohne alltäglichen Mehraufwand die Inhalte der S3-Leitlinie Prostatakarzinom zu unseren Patienten [3]. Dieses Modell dürfte für viele Patienten ein neuer und zeitgemäßer Weg zu einer klugen Entscheidung sein.

Prof. Dr. Dr. h.c. M.P. Wirth

Prof. Dr. M.S. Michel