Läsionen des Corpus callosum können verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Grundsätzlich sollten ischämische, neoplastische, traumatische oder entzündliche Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen werden. Friese et. al. [4] geben einen Überblick über die Charakteristika der Läsionen in Bezug auf ihre Lage im Corpus callosum und die Assoziation mit möglichen anderen zerebralen Läsionen und der klinischen Präsentation.

Die in diesem Fall beschriebene Läsion im Splenium des Corpus callosum gehört zu den benignen transienten Spleniumläsionen. Diese sind charakterisiert durch eine zentrale Lage, fehlende Kontrastmittelaufnahme und ein homogenes hyperintenses Signal in T2-gewichteten und Fluid-attenuated-inversion-recovery- (FLAIR-)Sequenzen. Solche reversiblen Läsionen wurden bei Patienten mit bekannter Epilepsie als postiktale Veränderungen oder in Zusammenhang mit schneller Reduktion antiepileptischer Medikamente gesehen [3, 5, 6, 9]. Mehrere Arbeiten beschreiben transiente Läsionen im Splenium des Corpus callosum bei Virusinfektionen mit Enzephalopathie mit einem milden klinischen Verlauf und guter Prognose [2, 8, 11, 12].

Fallbericht

Anamnese

Ein 11-jähriger Junge stellte sich mit seit 2 Wochen bestehenden Kopfschmerzen und mildem Husten in der pädiatrischen Notaufnahme vor. Fieber bestand nicht. Aktuell wurde über Schwindel geklagt, er war desorientiert und erkannte seine Mutter nicht mehr. Des Weiteren berichtete die Mutter über einen von ihr zu Hause beobachteten fraglichen Krampfanfall. Der Junge habe aus Ruhe heraus leichte Muskelzuckungen und -anspannungen über einen Zeitraum von etwa 1 min gehabt. In der Anamnese lagen keine chronischen Krankheiten, Krampfanfälle, Fieberkrämpfe oder Medikamenteneinnahmen vor. In der Familienanamnese gab es ebenfalls keine Hinweise auf ein Epilepsieleiden oder Fieberkrämpfe.

Diagnostik

In der Notaufnahme traten 2 generalisierte tonisch-klonische Krampfanfälle auf. Der erste sistierte spontan nach etwa 1 min, der zweite wurde nach etwa 2 min mit 0,25 mg Clonazepam i.v. unterbrochen. Nach dem Anfall war der Patient weiterhin desorientiert und agitiert. Weitere neurologische Auffälligkeiten zeigten sich nicht. Die körperliche internistische Untersuchung war bis auf einen geröteten Rachen unauffällig. Der Junge wurde stationär zur weiteren Diagnostik aufgenommen. Das noch am selben Tag in der Aufnahmeklinik angefertigte Magnetresonanztomogramm (MRT) des Hirns zeigte eine solitäre fokale Läsion im Splenium des Corpus callosum (Abb. 1 a). Wegen des Verdachts auf einen Hirntumor wurde der Junge nach etwa 40 h in stabilisiertem Allgemeinzustand in ein Zentrum für pädiatrische Onkologie verlegt. Weitere Krampfanfälle waren nicht mehr aufgetreten.

Abb. 1
figure 1

Fokale Läsion im Splenium des Corpus callosum (a) und Kontrolle nach 6 Wochen (b) auf axialen, Fluid-attenuated-inversion-recovery- (FLAIR-)Sequenzen

Ein bei Aufnahme vorgenommener Rachenabstrich erbrachte ein positives Ergebnis für Influenza-A-H1N1 in der „reverse transcription polymerase chain reaction“ (rtPCR [10]). Die Blutbild- und klinischen Chemiewerte lagen innerhalb des Normbereichs. Die Liquoruntersuchung zeigte keine Zeichen einer Entzündung oder Infektion, Tumorzellen wurden nicht nachgewiesen. Die rtPCR für Influenza-A-H1N1-Virus des Liquors war negativ, ebenso wie die PCR für Herpes-simplex-Virus (HSV) 1 und 2, Varizella-zoster-Virus (VZV) und Enterovirus. Im am Tag nach der Aufnahme veranlassten Elektroenzephalogramm (EEG) wurde eine reduzierte basale Aktivität nachgewiesen. Das Kontroll-EEG 4 Tage später war unauffällig.

Die MRT-Bilder der Erstaufnahmeklinik wurden erneut beurteilt. Es handelte sich um Aufnahmen an einem 1,5-T-MRT (Siemens, Avanto). Die axialen Sequenzen wurden balken-, die koronalen hirnstammanguliert. Darauf folgten native axiale FLAIR-Sequenzen mit Fettunterdrückung, eine axiale Diffusionswichtung, axiale T2-Turbospinecho- (TSE-)Sequenzen und axiale T1w-Gradientenechosequenzen. Nach i.v.-Gabe von 8 ml Dotarem® wurden koronale T1w-Gradientenecho-, koronale T2-TSE-, sagittale T2-TSE- und sagittale FLAIR-Sequenzbilder angefertigt. Die Aufnahmen zeigten eine solitäre Läsion (2×1×1,8 cm) im Splenium des Corpus callosum, hyperintens in T2-gewichteten Aufnahmen und FLAIR-Sequenzen ohne Kontrastmittelaufnahme. In der weiteren Hirnuntersuchung waren keine Auffälligkeiten erkennbar, insbesondere keine entzündlichen Läsionen.

Therapie und Verlauf

Die medikamentöse Therapie erfolgte mit Oseltamivir (2 mg/kgKG 2-mal täglich) für 5 Tage, Aciclovir i.v. (15 mg/kgKG 3-mal täglich) für 24 h bis zum Erhalt der negativen Liquorergebnisses in der PCR für HSV und VZV. Zusätzlich erhielt der Patient Levetiracetam als antiepileptische Monotherapie bei erstmals aufgetretenen Krampfanfällen (500 mg/Tag), um weitere Anfälle zu vermeiden. Sein Allgemeinzustand und die neurologische Symptomatik verbesserten sich schnell, sodass er nach 5 Tagen aus der stationären Behandlung entlassen werden konnte. Im Kontroll-MRT 6 Wochen später war die Spleniumläsion nicht mehr nachweisbar (Abb. 1 b). Da im Verlauf keine weiteren Krampfanfälle mehr auftraten, konnte die antiepileptische Therapie ausschleichend beendet werden.

Diskussion

Über transiente fokale Läsionen im Splenium des Corpus callosum im MRT wird in Zusammenhang mit verschiedenen klinischen Aspekten berichtet. Zum Teil werden solche Läsionen als postiktale Veränderungen beschrieben [3, 5, 9]. So analysierten Gröppel et al. [5] 1500 MRT-Untersuchungen von Patienten mit Epilepsie, bei denen 24 fokale Läsionen im Splenium des Corpus callosum festgestellt wurden. Mehrere Faktoren wie Ödem, spezielle Antiepileptika oder hohe Medikamentenspiegel wurden ätiologisch in Betracht gezogen, jedoch konnte kein sicherer Zusammenhang bewiesen werden.

Des Weiteren wurden solche Läsionen im Zusammenhang mit viralen Infektionen wie Influenza-, Rotavirus, Mumps- oder Adenovirusinfektionen erwähnt [2, 8, 12]. Bulakbasi et al. [2] beschreiben solche MRT-Befunde bei 5 Patienten mit Influenza-A-Infektion und neu aufgetretenen neurologischen Symptomen wie Krampfanfällen, Trigeminusneuralgien oder Monoparese. Der Influenza-A-Virus wurde in allen Rachenabstrichen mittels rtPCR nachgewiesen, die Liquor-PCRs der Patienten waren jedoch unauffällig ebenso wie die weiteren Liquoruntersuchungen. Klinisch litten die Patienten unter einer milden influenzaassoziierten Enzephalopathie. Im weiteren Verlauf kam es zu einer vollständigen Rückbildung der Symptome und einem Verschwinden der Spleniumäsion in den Kontrollaufnahmen.

Die in der Literatur beschriebenen benignen Spleniumläsionen sind charakterisiert durch ihre zentrale Lokalisation im Splenium, das homogene hyperintense Signal in T2-gewichteten und FLAIR-Sequenzen, die fehlende Kontrastmittelaufnahme sowie das Fehlen anderer ZNS-Veränderungen. Eine vollständige Rückbildung der Läsion muss im Verlauf nachgewiesen werden. Mögliche Differenzialdiagnosen sind Lymphome, Hirntumoren, Infarzierungen, eine akute disseminierte Enzephalomyelitis oder Läsionen bei multipler Sklerose. Bei den genannten Differenzialdiagnosen treten allerdings in der Regel noch weitere Hirnläsionen und/oder eine Kontrastmittelaufnahme auf.

Unseres Wissens ist dies der erste Fallbericht eines Patienten mit Influenza-A-H1N1-09-Infektion, Enzephalopathie (Krampfanfälle, neurologische Ausfälle) und einer fokalen Läsion im Splenium des Corpus callosum. Es zeigte sich, dass das neue Influenza-A-H1N1-Virus neurologische Symptome bei infizierten Kindern hervorrufen kann [1]. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht beschreibt sogar eine akute nekrotisierende H1N1-Enzephalopathie [7].

Fazit

Transiente MRT-Läsionen im Splenium des Corpus callosum bei Patienten mit influenzaassoziierten neurologischen Symptomen sind Teil des Spektrums benigner Spleniumläsionen. Die Läsionen sind prognostisch günstig und bedürfen keiner invasiven Diagnostik und medikamentösen Behandlung. Eine zugrunde liegende Infektion sollte je nach Klinik und Erreger behandelt werden. Bei Krampfanfällen kann je nach Ausprägung eine medikamentöse antiepileptische Therapie notwendig sein.