FormalPara Editorial zu

Trimmel H, Halmich M, Paal P (2019) Stellungnahme der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) zum Einsatz des Larynxtubus durch Rettungs- und Notfallsanitäter. Anaesthesist. https://doi.org/10.1007/s00101-019-0606-y

Vor dem Hintergrund der neuen AWMF-Leitlinie „Prähospitales Atemwegsmanagement“ [1] nehmen in dieser Ausgabe Trimmel et al. für die Österreichische Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) zum Einsatz des Larynxtubus durch Rettungs- und Notfallsanitäter Stellung [2]. Die ÖGARI empfiehlt, die Anwendung des Larynxtubus (LT) nicht mehr als gleichwertig bzw. überlegen zur Beutel-Masken-Beatmung bzw. anderen Atemwegsmanagementverfahren zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Ausbildungssituation und der gesetzlichen Grundlagen in Österreich wird weiter empfohlen, die Notfallkompetenz „Intubation für Notfallsanitäter“ in eine „Notfallkompetenz zur Anwendung extraglottischer Atemwege bei erwachsenen Notfallpatienten im Rahmen der Reanimation“ umzuwandeln.

Dies stellt nach Jahren von im Wesentlichen auf Fallberichten basierenden Empfehlungen und einer durch z. T. kritikloses Marketing geprägten weiten Verbreitung und Bewerbung des LT und der hiermit gerade im nichtärztlichen Bereich erreichten sehr großen Popularität einen Paradigmenwechsel dar. So hatten die Landesärzte des Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Deutschland im November 2018 beschlossen, basierend auf der S1-Leitlinie, aber auch aktuellen Publikationen, die eine ganze Reihe von Komplikationen und Problemen bei der Anwendung des LT zeigen, den Einsatz des LT im Sanitätsdienst nicht mehr vorzusehen. Es überrascht nicht, dass die Umsetzung des Beschlusses nicht ohne Empörung und Widerstand in den Verbänden erfolgt.

Mit der neuen S1-Leitlinie wird die Bedeutung der praktischen Ausbildung und der notwendigen regelmäßigen Anwendungen zur Aufrechterhaltung der Kenntnisse deutlich unterstrichen. Die in der Regel – vor dem Hintergrund der Anwendungs- und Einsatzrealität – nicht mögliche Umsetzung entsprechender Schulungs- und Trainingsmaßnahmen führt zwangsläufig zu Limitationen beim Einsatz des LT insgesamt [3, 4]. Nüchtern betrachtet, stellt sich der Sachverhalt mit der aktuellen S1-Leitlinie dabei pragmatisch und unabhängig von der Anwendergruppe dar: Kann die notwendige Ausbildung für die Anwendung eines Verfahrens sichergestellt werden und erfolgen in der täglichen Praxis ausreichend viele Anwendungen, kann der Einsatz des Verfahrens erfolgen, ansonsten kann die Anwendung nicht empfohlen bzw. schon gar nicht als überlegen bewertet werden.

In diesem Zusammenhang sollte aber konsequent geblieben werden: Nichtverfügbarkeit von Ausbildung bzw. ausreichend qualifizierten Mitarbeitern darf nicht dazu führen, als sinnvoll erachtete Mindestzahlen zur sicheren Erlernung eines Verfahrens zu reduzieren, sondern erfordert eine Neubewertung des Verfahrens bzw. des Managements an sich. Andernfalls bewegen wir uns auf unsicherem Eis, und Kompromisse bei der Patientensicherheit scheinen unvermeidbar. Todesfälle durch gut gemeintes, aber katastrophal misslungenes Atemwegsmanagement sind jedoch auch im deutschen Sprachraum gut dokumentiert und müssen unbedingt vermieden werden [5,6,7]. In diesem Zusammenhang bleibt unklar, warum die ÖGARI in ihrer wichtigen Stellungnahme mit der Empfehlung von zumindest „20 erfolgreichen klinischen Anwendungen unter ärztlicher Aufsicht“ deutlich unter den in der S1-Leitlinie dargestellten erforderlichen 45 Anwendungen extraglottischer Atemwege bleibt. Berücksichtigt man dabei, dass Leitlinien das Ergebnis eines langen Einigungsprozesses unter den Experten sind und damit oft auch einen gewissen Kompromiss widerspiegeln, liegen tatsächlich sinnvolle Zahlen wahrscheinlich sogar noch höher [8]!

Die ÖGARI bewertet den Einsatz eines LT gegenüber der Maskenbeatmung aufgrund seiner vielfältigen Komplikationen als nicht länger gleichwertig oder sogar überlegen. Die offene Frage bleibt, was anstelle des LT treten soll. Auch die Maskenbeatmung ist schwer zu erlernen, und deren Wiedereinführung zum Einsatz bei der primären Atemwegssicherung darf keinen Rückschritt bedeuten. Der immer noch geltende „Goldstandard“ der Intubation, zu deren Ausbildung mindestens 100 innerklinisch supervidierte Anwendungen erforderlich sind, stellt für nichtnotärztliches Personal wahrscheinlich keine realistische Alternative dar. Mit dem extraglottischen Atemweg (EGA) vom Larynxmaskentyp besteht eine deutlich höhere innerklinische Erfahrung nicht nur bei elektiven Anwendungen, sondern auch in Notfallsituationen. Es sollte daher genau beobachtet werden, ob sich diese Erfahrungen auf die prähospitale Situation übertragen lassen [9].

Konsequenz bedeutet bei entsprechenden Neubewertungen bzw. Empfehlungen allerdings auch, dass diese zunächst unabhängig von der Anwendungsgruppe erfolgen: Ob im nichtärztlichen Rettungsdienst oder im Notarztdienst spielt zunächst keine Rolle. Mindestvorgaben in Bezug auf Ausbildung, Aufrechterhaltung der erlangten Kenntnisse und ein entsprechendes Qualitätsmanagement müssen grundsätzlich Gültigkeit haben. Die zitierte Empfehlung des DRK im November 2018 betrifft ausdrücklich den Sanitätsdienst, da für die in der Regel ehrenamtlich tätigen Helfer außerhalb des professionellen Rettungsdienstes in der Regel nie eine ausreichende klinisch-praktische Ausbildung und Aufrechterhaltung der Kenntnisse zu erwarten war. Schauen wir uns andere in der Notfallmedizin Beteiligte an, drängt sich der – politisch sicherlich kaum umzusetzende – Gedanke auf, die Empfehlung sogar erweitern zu müssen. Nicht nur im nichtärztlichen, in Deutschland mit Einführung des Notfallsanitätergesetzes weiter professionalisierten Rettungsdienstfachpersonal gelten Mindestzahlen, sondern – zunächst ergebnisoffen – auch im notärztlichen Bereich.