Die akute Nierenschädigung („acute kidney injury“, AKI) ist eine häufige Komplikation im perioperativen Bereich. Hierzu tragen auch die demografischen Veränderungen bei, denn in einer alternden Bevölkerung sind viele Patienten bereits vor der stationären Aufnahme von einer chronischen Nierenerkrankung betroffen. So weisen in Deutschland nach einer jüngsten Querschnittsuntersuchung etwa 10 % der Bevölkerung eine Nierenschädigung auf, definiert über eine „estimated“ glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) <60 ml/min/1,73m2 KOF oder eine Albuminurie. In der Altersgruppe über 70 Jahre zeigen >10 % eine relevant reduzierte eGFR. Mehr als 70 % der betroffenen Patienten haben davon keine Kenntnis [1].

Im Krankenhaus ist mittlerweile jeder 5. Patient auf der Normalstation und jeder 2. Patient auf einer Intensivstation von einer AKI betroffen [2]. Morbidität und Letalität der Erkrankung sind auch bei optimaler Behandlung hoch – und zwar nicht nur während des akuten stationären Aufenthalts, sondern auch im Langzeitverlauf. So entwickeln bis zu 20 % der Patienten mit schwerer AKI in den nachfolgenden 10 Jahren eine terminale Niereninsuffizienz und zwar auch dann, wenn sie nach überstandener Episode einer AKI mit scheinbar normaler Nierenfunktion aus dem Krankenhaus entlassen wurden [3]. Die mittlere Überlebenszeit dieser Patienten beträgt auch in Deutschland mit seinem hochentwickelten Gesundheitssystem nur etwa 5 Jahre. Die Manifestation einer AKI bzw. die Verschlechterung einer vorbestehenden chronischen Nierenerkrankung muss deshalb unbedingt vermeiden werden – und zwar schon im OP und nachfolgend auf der Intensivstation.

Jeder 5. Patient auf der Normalstation und jeder 2. Intensivpatient ist von einer AKI betroffen

Das Thema ist besonders für Anästhesiologen von Bedeutung, denn viele große operative Eingriffe, z. B. in der Herzchirurgie, gehen mit einem erhöhten Risiko für eine perioperative AKI einher. Besonders wichtig ist es deshalb, die Patienten mit vorbestehendem Risiko für eine perioperative Verschlechterung der Nierenfunktion vor elektiven Eingriffen im Rahmen der der Prämedikation zu identifizieren. Hier ist ein profundes Wissen über die Pathophysiologie und auch die Labordiagnostik erforderlich, denn grade bei älteren Patienten haben die routinemäßig bestimmte Kreatininkonzentration und auch die daraus berechnete eGFR nur eine geringe Aussagekraft.

Für Risikopatienten können strukturierte Behandlungspfade etabliert werden, um eine perioperative Nierenschädigung zu vermeiden. Bei Hochrisikopatienten empfiehlt sich die Anwendung einer „Bundle-Strategie“, ähnlich wie wir sie schon von den Sepsis-Bundles kennen. Solche Interventionen wurden bereits vor Jahren beschrieben [4] und können, wie auch eine Studie aus der Klinik der beiden Autorinnen gezeigt hat, die Inzidenz der AKI perioperativ signifikant reduzieren [5].

Küllmar und Meersch haben in ihrer umfangreichen Übersichtsarbeit den aktuellen Wissensstand zum Thema AKI übersichtlich zusammengefasst. Sie beschreiben die aktuell gültige Definition der AKI [6], benennen die wichtigsten Risikofaktoren und stellen neue Werkzeuge zur früheren Erkennung der AKI vor. Besonderen Stellenwert in der intraoperativen Phase haben die Blutdruckregulation und das Flüssigkeitsmanagement. Auch hier geben Küllmar und Meersch praktisch relevante und umsetzbare Handlungsempfehlungen. Schließlich wird mit der entfernten ischämischen Präkonditionierung eine mögliche neue Methode zur Prophylaxe beschrieben, die derzeit allerdings noch nicht generell empfohlen werden kann.

Dieser Beitrag kann jedem Anästhesiologen zur Lektüre empfohlen werden, denn Patienten mit einem Risiko für eine perioperative AKI begegnen uns de facto jeden Tag. Sowohl im OP als auch auf der Intensivstation müssen alle relevanten Interventionen zeitnah und konsequent durchgeführt werden, um eine Verschlechterung der Nierenfunktion und die damit verbundene erhöhte Morbidität und Letalität zu vermeiden.