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Qualitätskonventionen und Ernährungskommunikation

Konzepte und Perspektiven der Ökonomie der Konventionen

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Ernährungskommunikation

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird die Ökonomie der Konventionen auf Grundlagen, aber auch auf Spannungen und Kritiken in der Ernährungskommunikation angewendet. Ein Ausgangspunkt ist die Analyse von Produktqualitäten und Logiken der Produktion insbesondere im Bereich von Nahrungsmitteln. Aus Sicht der Ökonomie der Konventionen sind ‚Eigenschaften‘ von Nahrungsmitteln das Resultat von Koordinationsprozessen, in denen mit Bezug auf Qualitätskonventionen die Wertigkeiten, Qualitäten und Eigenschaften erst generiert und mobilisiert werden. Es wird davon ausgegangen, dass es eine Pluralität von Qualitätskonventionen gibt, daher sind die Widersprüche, Kritiken und Spannungen zwischen den Qualitätskonventionen als Koordinations- und Bewertungslogiken ein wichtiger Untersuchungsgegenstand.

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Notes

  1. 1.

    Etabliert haben sich daher auch Benennungen der EC als ‚Soziologie der Konventionen‘ oder ‚Konventionentheorie‘.

  2. 2.

    Das Konzept des Terroirs ist ein aus der französischen Weinwelt stammender Begriff, der verschiedene Aspekte integriert, wie geologische und biochemische Eigenschaften des Bodens, aber auch das Mikroklima sowie das winzerische Potenzial des Bodens. Mit dem Begriff ‚Terroir‘ wird im Grunde der ‚Charakter‘ des Bodens zu bezeichnen versucht, welcher sich dann im Wein artikulieren soll. Damit erhält der Begriff auch eine soziokulturelle Bedeutung (Diaz-Bone 2005).

  3. 3.

    Was allerdings nicht bedeutet, dass Alltagshandelnden diese Qualitätskonventionen reflexiv präsent sind und sie diese selbst umfassend darlegen können. Empirisch sichtbar werden diese Qualitätskonventionen als ‚Tiefenstrukturen‘ in Dokumenten, Aussagen, den Kontexten und sind so für die Analyse prinzipiell zugänglich (Boltanski und Thévenot 2007; Diaz-Bone 2018).

  4. 4.

    Bereits die geschmackliche Beurteilung ist kulturell überformt oder gar organisiert (Diaz-Bone 2005).

  5. 5.

    Hier offenbart sich eine Nähe der Perspektive der EC mit diskurstheoretischen Ansätzen aus dem (Neo-)Strukturalismus, die ebenfalls auf die Unbestimmtheit der Begriffsbedeutungen und die Rolle der diskursiven Praxis hinweisen. Dabei werden diese diskursiven Praktiken ihrerseits durch eine tiefer liegende Diskurslogik als semantische Tiefenstruktur intern organisiert (Diaz-Bone 2017).

  6. 6.

    In der EC wird für diese Reichweite auch das Konzept des Äquivalenzraums verwendet (Desrosières 2005). Für die Etablierung, Ausdehnung und Stabilisierung des Äquivalenzraums spielen Objekte, Klassifikationen, und Intermediäre eine wichtige Rolle, sodass die Implementierung eines Äquivalenzraums nicht allein durch eine Qualitätskonvention erfolgen kann.

  7. 7.

    Dies im Sinne des französischen Konzeptes der ‚grandeur‘ (Boltanski und Thévenot 2007).

  8. 8.

    Insbesondere Alain Desrosières und Laurent Thévenot führten schon früh das Konzept der statistical chains ein, um auf die distribuierte Produktion von statistischen Daten zu verweisen (Thévenot 1983). Später inspirierten sie damit in den Agrarwissenschaften auch einige Arbeiten zur Analyse der Herstellung von Lebensmittelqualität in regionalen und globalen Märkten (Thévenot 1995). Die empirische Studie „The coffee paradox“ von Daviron und Ponte zeigt beispielsweise mit dem ähnlichen Konzept der Global Value Chains, wie aus dem gleichen Anfangsprodukt, aufgrund unterschiedlicher Qualitätspolitiken, verschiedene Kaffeequalitäten entstehen (Daviron und Ponte 2005).

  9. 9.

    Siehe dafür auch die Vorläufertheorie des Symbolischen Interaktionismus (Blumer 2013). Die EC rückt mit dieser Entwicklung in die Nähe der späten Arbeiten von Michel Foucault zu den Technologien des Selbst (1993).

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Diaz-Bone, R., Cappel, V. (2020). Qualitätskonventionen und Ernährungskommunikation. In: Godemann, J., Bartelmeß, T. (eds) Ernährungskommunikation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27315-6_22-1

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