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Rechtsgrundlage: Vertrag von London (Satzung des Europarats) vom 5. Mai 1949

Aufgaben: „Der Europarat hat die Aufgabe, einen engeren Zusammenschluß unter seinen Mitgliedern zu verwirklichen, um die Ideale und Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe sind, zu schützen und zu fördern und um ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu begünstigen.“ (Satzung Art. 1a)

Organe/Institutionen/Einrichtungen: Ministerkomitee (47 Mitglieder), Parlamentarische Versammlung (318 Mitglieder), Generalsekretärin Marija Pejčinović Burić (seit 2019), Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (324 Mitglieder), Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (47 Richter), Kommissarin für Menschenrechte Dunja Mijatović (2018–2024), Konferenz der Internationalen Nichtregierungsorganisationen, Entwicklungsbank des Europarats (Paris), Europäische Jugendzentren (Straßburg und Budapest), Nord-Süd-Zentrum (Lissabon), Zentrum für Moderne Sprachen (Graz)

Hauptsitz/Personal: Straßburg, Planstellen: 2135 (2020), ca. 350 Zeit- und Projektstellen (2020)

Budget 2020: 255 Millionen Euro (ordentlicher Haushalt), 496 Millionen Euro (einschließlich freiwilliger Beiträge der Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsprojekten mit der EU)

Internet: Europarat: www.coe.int

Gründung

Der Europarat wurde am 5. Mai 1949 durch den Vertrag von London (Satzung des Europarats) gegründet. Der Initiative Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Benelux-Staaten schlossen sich Dänemark, Italien, Irland, Schweden und Norwegen an. Im August 1949, zur ersten Zusammenkunft des Ministerkomitees und der Parlamentarischen Versammlung, traten Griechenland und die Türkei bei. Als Sitz des Europarats wurde Straßburg gewählt als Symbol des Friedens und einer erhofften französisch-deutschen Verständigung. Nachdem der Deutsche Bundestag am 15. Juni 1950 beschlossen hatte, den Beitritt zu beantragen, wurde die Bundesrepublik im Juli 1950 zusammen mit dem Saarland assoziiertes Mitglied. Am 2. Mai 1951 wurde die Bundesrepublik Deutschland Vollmitglied. Nach der Erweiterung auf 47 Mitgliedstaaten sind bis auf Belarus und Kosovo alle Territorialstaaten Europas im Europarat, wobei sowohl Kosovo als auch Belarus einigen Abkommen beigetreten sind. Ebenfalls beteiligen sich der Vatikanstaat, Japan, Kanada, Mexiko und die Vereinigten Staaten von Amerika als Beobachter an den Arbeiten des Europarats. Israel ist Beobachter der Parlamentarischen Versammlung.

Arbeitsweise

Der Europarat ist eine Organisation der Regierungszusammenarbeit mit parlamentarischer Dimension. Dies unterscheidet ihn von anderen internationalen Organisationen. Das Ministerkomitee ist das Entscheidungsgremium. Es setzt sich aus den Außenministern der 47 Mitgliedstaaten bzw. ihren Stellvertretern, den ständigen Vertretern/Botschaftern in Straßburg zusammen. Das Ministerkomitee beschließt die Politik, den Haushalt und das Tätigkeitsprogramm. Die 318 Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung sind in übernationalen politischen Gruppen organisiert, die weitgehend denen im Europäischen Parlament entsprechen. Die Versammlung wählt den Generalsekretär, den Menschenrechtskommissar und die Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Initiativen für neue Übereinkommen und die Behandlung von politischen Fragen gehen zumeist auf Debatten der Versammlung zurück. Die Versammlung trifft sich viermal im Jahr in Straßburg. Der Kongress der Gemeinden und Regionen vertritt die Kommunen und Regionen. Er setzt sich aus zwei Kammern zusammen – der Kammer der Gemeinden und der Kammer der Regionen – und umfasst 648 gewählte Mitglieder, die mehr als 200.000 europäische Gebietskörperschaften vertreten. Der Menschenrechtskommissar ist eine unabhängige Einrichtung, die durch Stellungnahmen und Besuche in den Mitgliedstaaten Probleme öffentlich macht und Lösungsansätze aufgezeigt. Die Konferenz internationaler Nichtregierungsorganisationen umfasst etwa 400 Organisationen. Sie ist die Stimme der Zivilgesellschaft im Europarat. Aus der Arbeit dieser Organe kommen die Initiativen für neue Übereinkommen und Vorhaben. Die Europäische Menschenrechtskonvention wurde 1949/1950 in der Versammlung entworfen und dann von den Mitgliedstaaten in ein rechtlich bindendes Übereinkommen gefasst. Als Lehre aus den Konventionen des Völkerbundes beinhalten die Europarats-Übereinkommen stets ein Überprüfungs- und Berichtsverfahren. Die Umsetzung der rechtlich bindenden Übereinkommen obliegt den Mitgliedstaaten, die sich durch die Verfahren gegenseitig Rechenschaft ablegen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist der bekannteste und bedeutendste Überprüfungsmechanismus. Er bindet gut 30 Prozent des Personals (über 600 Planstellen). Neben Übereinkommen („standards“) und deren Überprüfung („monitoring“) hat der Europarat v. a. seit 1990 die Zusammenarbeit („cooperation“) mit den neuen Mitgliedstaaten verstärkt, um sie bei der Erreichung und Einhaltung der Standards durch internationalen Austausch zu unterstützen.

Ziele

Der Europarat verfolgt erstens die Umsetzung der Grundrechte und -freiheiten der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die von den Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 angenommen wurde, und möchte zweitens die Einheit der europäischen Staaten voranbringen, wie vom Haager Kongress im Mai 1948 gefordert. Er wurde schnell zu einem Grundstein des westeuropäischen Einigungswerks, das mit der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (heute: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD) im April 1948, der NATO im April 1948 und dem Schuman-Plan vom 9. Mai 1949 zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und während des Kalten Krieges (1947–1991) die politische Teilung des Kontinents charakterisierte. Zum Auftrag des Europarats wurde, den engeren Zusammenschluss unter seinen Mitgliedern zu fördern und ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu begünstigen – durch den Abschluss von Abkommen und durch gemeinsames Handeln auf den Gebieten der Wirtschaft, des sozialen Lebens, der Kultur, der Wissenschaft, der Rechtspflege und der Verwaltung sowie durch Schutz und Weiterentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Die Fragen der nationalen Verteidigung gehören ausdrücklich nicht zum Auftrag des Europarats.

Menschenrechte

Die Absicherung der Menschenrechte und Grundfreiheiten wurde schrittweise verwirklicht. Den Grundstein bildeten die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1950 und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der seit seiner Einrichtung 1959 zu einem „Markenzeichen“ Europas wurde. Beide sind Bestandteil der Rechtsordnung der Europaratsmitglieder. Die meisten Mitgliedstaaten haben zudem die weiteren Menschenrechtsabkommen des Europarats ratifiziert. Dies sind unter anderen die Europäische Sozialcharta (1961, revidiert 1996), das Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (1981, erweitert 2018), das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (1987), das Rahmenabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (1995), das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (1997), die Konvention zur Bekämpfung des Menschenhandels (2005), das Übereinkommen zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (2007) und das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Istanbul-Konvention“, 2011). Das Ministerkomitee verabschiedete 2010 als erste internationale Organisation Empfehlungen für Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Ein besonderes Verdienst kommt dem Europarat bei der Abschaffung der Todesstrafe in Europa zu. 1983 wurde die Abschaffung durch das EMRK-Zusatzprotokoll Nr. 6 beschlossen. Seit 2002 ist die Todesstrafe „unter allen Umständen“ verboten (Zusatzprotokoll Nr. 13). Das grundsätzliche Verbot der Todesstrafe gilt in allen Mitgliedstaaten bis auf Armenien, Aserbaidschan und Russland, die das 13. Zusatzprotokoll nicht ratifiziert haben.

Europäische Einheit

Die ursprüngliche Hoffnung, mit dem Europarat europäische Einheit zu schaffen, hat sich bald nach seiner Gründung zerschlagen, zu unterschiedlich waren die Vorstellungen der Mitglieder. Die wirtschaftliche Integration wurde hauptsächlich von den sechs Gründern der EGKS vorangetrieben. Nach Gründung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) 1960 verlor der Europarat ab den 1960er-Jahren seine treibende politische Rolle. Er ergänzte die vorrangig wirtschaftliche Integration der Europäischen Gemeinschaft (EG) mit Impulsen für die demokratische Entwicklung, gesellschaftliche Modernisierung und eine europäische (kulturelle) Identität. So entwickelte der Europarat schon 1955 die Europaflagge mit 12 goldenen Sternen auf blauem Grund und erklärte 1972 die „Ode an die Freude“ aus der IX. Symphonie von Ludwig van Beethoven zur Europahymne. Beide wurden 1985 von der EG übernommen. In den 1970er- und 1980er-Jahren gelangen dem Europarat bemerkenswerte Erfolge in der Umsetzung der Europäischen Kulturkonvention (1954), in den Bereichen Bildung und Erziehung (gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen seit 1953), Kultur (Filmförderprogramm Eurimages 1989) und Jugend (Europäisches Jugendzentrum und Jugendwerk 1972), Sport (Übereinkommen gegen Zuschauergewalt 1985), Natur-, Tier- und Artenschutz (Bern-Konvention 1979), Denkmalpflege (Europäisches Denkmaljahr 1975) sowie Gesundheit und Pharmazie. Seit 1969 wurde der Europarat zum Pionier und europapolitischen Zentrum für die Lage von Roma und Reisenden und entwickelte seitdem Standards und Empfehlungen zum Schutz und zur Würdigung der Roma als in ganz Europa vertretener Minderheit.

Die Beziehungen zur EU

Die gemeinsamen europapolitischen Wurzeln verhinderten nicht die wachsende politische Marginalisierung des Europarats durch EGKS, EWG und die EU seit den 1950er-Jahren. Seit dem Warschauer Europarat-Gipfel 2005 wurden die Beziehungen auf eine praktische Grundlage gestellt, wobei der Europarat als Bezugspunkt und Maßstab für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit festgelegt wurde. Seitdem wurden verstärkt Gemeinschaftsprojekte in den europäischen Nicht-EU-Staaten des Europarats im Rahmen der Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik durchgeführt. Der Vertrag von Lissabon schuf die rechtliche Voraussetzung für einen Beitritt der EU zur EMRK. Am 31. Oktober 2019 kündigte die Europäische Kommission an, die Verhandlungen über einen Beitritt wieder aufzunehmen, nachdem ein erster Anlauf 2014 durch den Gerichtshof der Europäischen Union gestoppt worden war. Die Arbeiten wurden Anfang 2020 vom Ministerkomitee wieder aufgenommen.

Krise und Jubiläum

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine führte ab 2014 zu einer tiefen Krise des Europarats. Im Zuge der Auseinandersetzung setzte Russland die Zahlung seiner Mitgliedsbeiträge aus. Dies verschärfte die ohnehin schwierige Finanzlage der Organisation, deren realer ordentlicher Haushalt trotz vermehrter Aufgaben und mehr Mitgliedern seit Mitte der 2000er-Jahre jährlich schrumpfte. Diese politischen Herausforderungen wurden begleitet von Zweifeln an der Effektivität der Instrumente des Europarats. Urteile des EGMR werden zum Teil nicht umgesetzt. Das Ideal europäischer Einheit wurde durch das Ende der EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs gebremst. Das Ansehen der Parlamentarischen Versammlung erholt sich zugleich gerade erst von einer Korruptionsaffäre, die 2018 zum Ausschluss von 14 (darunter auch zwei deutschen) Mitgliedern führte. Die Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Gründung des Europarats fanden in entsprechend gedämpfter Stimmung statt. Allerdings gelingt es dem Europarat weiterhin, Übereinkommen für aktuelle Herausforderungen wie Cyberkriminalität, gegen Doping und Wettbetrug im Sport, Medikamentenfälschung („Medicrime Convention“), Künstliche Intelligenz und Menschenrechte sowie für eine Beobachtungsstelle zur Geschichtsbildung angesichts von Revanchismus und Konflikten (Observatory on History Teaching in Europe) zu entwickeln. Der französische Präsident Emmanuel Macron, als Vertreter des turnusmäßigen Vorsitzes des Ministerkomitees, konnte daher im Herbst 2019 in seiner Rede vor der Parlamentarischen Versammlung in Straßburg einen verhaltenen Optimismus verbreiten.

Ausblick

Das Jahr 2020 sollte ganz im Zeichen des 70. Jahrestags der EMRK stehen. Das Funktionieren und die Stabilität rechtsstaatlicher und demokratischer Institutionen sowie die Meinungs- und Medienfreiheit sind in einigen Mitgliedstaaten seit geraumer Zeit nur noch eingeschränkt gewährleistet, was Folge und Ursache für die Schwächung des internationalen Rechts und multilateraler Institutionen ist. Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat diese Probleme in einigen Mitgliedstaaten verstärkt. Generalsekretärin Pejčinović Burić mahnte im Hinblick auf die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Europa die Verhältnismäßigkeit und die zeitliche Begrenzung von Grundrechtseinschränkungen an. Gleichzeitig waren das Elsass und Straßburg besonders von der Pandemie betroffen und so mussten die regelmäßigen Sitzungen der Organe stark eingeschränkt werden, einschließlich der Arbeit des Gerichtshofs. Die Frage der Mitgliedschaft Russlands ist von der durch die Pandemie ausgelösten Krise abgelöst worden. Der Europarat muss sich als geeignete Organisation für europäische Zusammenarbeit zur Sicherung und Verwirklichung der Grundwerte Europas weiterhin beweisen und bewähren.