Skip to main content

Familie und Paarbeziehung

  • Living reference work entry
  • First Online:
Handbuch Familie
  • 1409 Accesses

Zusammenfassung

Der Beitrag geht davon aus, dass die Entstehung einer intimen Beziehung heutzutage nicht mehr zwangsläufig zur Familiengründung führt. Die Paarbeziehung kann deshalb als eigenständige Lebensform betrachtet werden. Es wird gezeigt, dass der Prozess hin zur Eigenständigkeit des Paares in der Geschichte Nord- und Westeuropas schon sehr früh einsetzte, im Unterschied zu fast allen anderen Weltregionen. Die Paarbeziehung wird als Prozess mit Phasen und Übergängen dargestellt, wobei die Gründungsphase sowie die mögliche Auflösungsphase gesondert betrachtet werden. Mit einigen Konsequenzen der globalen Entwicklung, etwa zur Bildung bikultureller Paare im Kontext von Migrationsprozessen, und der Frage, ob sich die Autonomisierung des Paares auch in der nichtwestlichen Welt durchsetzen wird, schließt der erste Teil ab.

Trotz der Eigenständigkeit des Paares ist die Familie immer noch die bevorzugte Lebensform. Die Entwicklung vom Paar zur Familie wird im zweiten Teil des Beitrags erörtert. Der Übergang in die Elternschaft bringt eine Reihe wichtiger Veränderungen, vor allem in Bezug auf das Geschlechterverhältnis. Mit der Erweiterung der Familie durch weitere Kinder ist der Prozess der Familienbildung abgeschlossen. Der Auszug der erwachsen gewordenen Kinder und der Übergang des älteren Paares in das ‚empty nest‘ leitet einen neuen Zyklus von Paardynamik und Familiengründung ein.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Die strukturalistische Ethnologie (Lévi-Strauss 1951) hat den Regelcharakter hervorgehoben. Demgegenüber betonten Autoren wie Bourdieu Heirats-Strategien. Doch sind auch solche Strategien in einen übergreifenden Regel-Zusammenhang eingebettet: Es sind nicht individuell-rationale Kalküle im Sinne von Bedürfnis- und Nutzenmaximierung, sondern ‚Strategien‘ des Habitus, in denen ein Gespür für eine sozial adäquate Wahl zum Ausdruck kommt (Bourdieu 1982, S. 373–378).

  2. 2.

    Die Terminologie ist nicht einheitlich. Manche Psychologen sprechen von Endogamie, wenn sie sich auf sozio-kulturelle Variablen beziehen (Bildung, Konfession, etc.), von Homogamie dagegen unter Bezug auf psychologische Variablen. Demgegenüber soll hier, in Übereinstimmung mit der Ethnologie, der Endogamie-Begriff für die Heirat innerhalb einer definierten sozialen Gruppe (zum Beispiel Arbeitermilieu) reserviert bleiben. Man spricht dann auch von geschlossenen Heiratskreisen oder sozialer Schließung, im Anschluss an Max Weber, der zwischen offenen und geschlossenen sozialen Beziehungen unterscheidet (Weber [1920] 1972, S. 23).

  3. 3.

    Mit dem Begriff bikulturelle oder interkulturelle Paarbeziehung wird allerdings eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Konstellationen und Personengruppen erfasst, zum Beispiel kosmopolitische Individuen, die sich in den Weltmetropolen aufhalten und dort jemanden finden, der zu ihnen passt; oder Immigranten mit deutschem Pass, die eine Frau aus ihrem Herkunftsland nach Deutschland holen; oder europäische Männer, die gezielt und organisiert nach einer Frau aus Thailand oder den Philippinen suchen. Der Grad der ‚Fremdheit‘ kann also sehr unterschiedlich sein, wie auch die Motive und Umstände. Bei binationalen Ehen haben die beiden Beteiligten unterschiedliche Staatsangehörigkeiten, müssen aber nicht zwangsläufig eine kulturelle Distanz im Sinne von bikulturell haben.

Literatur

  • Blossfeld, H.-P., & Timm, A. (Hrsg.). (2003). Who marries whom? Educational systems as marriage markets in modern societies. Dordrecht: Kluwer.

    Google Scholar 

  • BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend). (2006). Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik (Siebter Familienbericht). Berlin: BMFSFJ.

    Google Scholar 

  • Bourdieu, P. (1982). Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Bourdieu, P. (2005). Die männliche Herrschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Burkart, G. (1994). Die Entscheidung zur Elternschaft. Eine empirische Kritik von Individualisierungs- und Rational-Choice-Theorien. Stuttgart: Enke.

    Google Scholar 

  • Burkart, G. (2002). Entscheidung zur Elternschaft revisited. Was leistet der Entscheidungsbegriff für die Erklärung biographischer Übergänge? In N. F. Schneider & H. Matthias-Bleck (Hrsg.), Elternschaft heute. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und individuelle Gestaltungsaufgaben (Zeitschrift für Familienforschung, Sonderheft 2, S. 23–48). Opladen: Budrich.

    Google Scholar 

  • Burkart, G. (2008). Familiensoziologie. Konstanz: Universitätsverlag.

    Google Scholar 

  • Burkart, G. (2013). Eine Kultur des Zweifels. Kinderlosigkeit und die Zukunft der Familie. In D. Konietzka & M. Kreyenfeld (Hrsg.), Ein Leben ohne Kinder. Ausmaß, Strukturen und Ursachen von Kinderlosigkeit (2. Aufl., S. 379–402). Wiesbaden: Springer VS.

    Google Scholar 

  • Burkart, G. (2017). Liebe. Historische Formen und theoretische Zugänge. In B. Kortendiek, B. Riegraf & K. Sabisch (Hrsg.), Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12500-4_60-1.

    Chapter  Google Scholar 

  • Burkart, G. (2018). Soziologie der Paarbeziehung. Wiesbaden: Springer VS.

    Book  Google Scholar 

  • Burkart, G. (2020). Liebe in der Weltgesellschaft. Soziale Systeme, 21, 419–433.

    Google Scholar 

  • Durkheim, E. (1921). La famille conjugale. Revue Philosophique, 20, 2–14.

    Google Scholar 

  • Giddens, A. (1993). Wandel der Intimität. Sexualität, Liebe und Erotik in modernen Gesellschaften. Frankfurt a. M.: Fischer.

    Google Scholar 

  • Handl, J. (1988). Berufschancen und Heiratsmuster von Frauen. Empirische Untersuchungen zu Prozessen sozialer Mobilität. Frankfurt a. M.: Campus.

    Google Scholar 

  • Helfferich, C. (2017). Familie und Geschlecht. Opladen: Budrich/UTB.

    Google Scholar 

  • Hirsch, J. S., & Wardlow, H. (Hrsg.). (2006). Modern loves. The anthropology of romantic courtship and companionate marriage. Ann Arbor: The University of Michigan Press.

    Google Scholar 

  • Hopf, C., & Hartwig, M. (Hrsg.). (2001). Liebe und Abhängigkeit. Partnerschaftsbeziehungen junger Frauen. Weinheim: Juventa.

    Google Scholar 

  • Illouz, E. (2011). Warum Liebe weh tut. Eine soziologische Erklärung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Kaufmann, J.-C. (1994). Schmutzige Wäsche. Zur ehelichen Konstruktion von Alltag. Konstanz: Universitätsverlag.

    Google Scholar 

  • Kaufmann, J.-C. (2011). Sex@mour. Wie das Internet unser Liebesleben verändert. Konstanz: Universitätsverlag.

    Google Scholar 

  • Kaufmann, J.-C. (2004). Der Morgen danach. Wie eine Liebesgeschichte beginnt. Konstanz: Universitätsverlag.

    Google Scholar 

  • Kohli, M. (1985). Die Institutionalisierung des Lebenslaufs. Historische Befunde und theoretische Argumente. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 37, 1–29.

    Google Scholar 

  • Konietzka, D., & Kreyenfeld, M. (Hrsg.). (2013). Ein Leben ohne Kinder. Ausmaß, Strukturen und Ursachen von Kinderlosigkeit (2. Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.

    Google Scholar 

  • Koppetsch, C., & Burkart, G. (1999). Die Illusion der Emanzipation. Zur Wirksamkeit latenter Geschlechtsnormen im Milieuvergleich. Konstanz: Universitätsverlag.

    Google Scholar 

  • Koppetsch, C., & Speck, S. (2015). Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist. Geschlechterkonflikte in Krisenzeiten. Berlin: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Kreyenfeld, M., & Konietzka, D. (2017). Childlessness in East and West Germany: Long-term trends and social disparities. In M Kreyenfeld & D Konietzka (Hrsg.), Childlessness in Europe: Contexts, causes, and consequences (S. 97–114). Cham: Springer Open.

    Chapter  Google Scholar 

  • Lauterbach, W. (2004). Die multilokale Mehrgenerationenfamilie. Zum Wandel der Familienstruktur in der zweiten Lebenshälfte. Würzburg: Ergon.

    Google Scholar 

  • Lenz, K. (2006). Soziologie der Zweierbeziehung. Eine Einführung (3. Aufl.). Wiesbaden: VS-Verlag.

    Google Scholar 

  • Lenz, K., & Nestmann, F. (Hrsg.). (2009). Handbuch persönliche Beziehungen. Weinheim: Juventa.

    Google Scholar 

  • Leupold, A. (1983). Liebe und Partnerschaft. Formen der Codierung von Ehen. Zeitschrift für Soziologie, 12, 297–327.

    Article  Google Scholar 

  • Lévi-Strauss, C. ([1951] 1981). Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Matthiesen, S., Mainka, J., & Martyniuk, U. (2013). Jugendsexualität heute. In: Jugendsexualität im Internetzeitalter (S. 22–91). Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

    Google Scholar 

  • Morikawa, T. (Hrsg.). (2014). Die Welt der Liebe. Liebessemantiken zwischen Globalität und Lokalität. Bielefeld: transcript.

    Google Scholar 

  • Müller-Lissner, A. (2020). Empty nest. Wenn die Kinder ausziehen. Berlin: Ch. Links.

    Google Scholar 

  • Padilla, M. B., Hirsch, J. S., Munoz-Laboy, M., Sember, R. E., & Parker, R. G. (Hrsg.). (2007). Love and globalization. Transformations of intimacy in the contemporary world. Nashville: Vanderbilt University Press.

    Google Scholar 

  • Parsons, T. ([1943] 1964). Das Verwandtschaftssystem in den Vereinigten Staaten. In D. Rüschemeyer (Hrsg.), Beiträge zur soziologischen Theorie (S. 84–108). Neuwied: Luchterhand.

    Google Scholar 

  • Popenoe, D. (1988). Disturbing the nest. Family change and decline in modern societies. New York: Aldine de Gruyter.

    Google Scholar 

  • Schmidt, G., Matthiesen, S., Dekker, A., & Starke, K. (2006). Spätmoderne Beziehungswelten. Report über Partnerschaft und Sexualität in drei Generationen. Wiesbaden: VS-Verlag.

    Google Scholar 

  • Sieder, R. (2008). Patchworks – das Familienleben getrennter Eltern und ihrer Kinder. Stuttgart: Klett-Cotta.

    Google Scholar 

  • Simmel, G. ([1908] 1993). Die Gesellschaft zu zweien. In Aufsätze und Abhandlungen 1901–1908, Bd. II, Gesamtausgabe, Bd. 8 (S. 348–354). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Skopek, J. (2012). Partnerwahl im Internet. Eine quantitative Analyse von Strukturen und Prozessen der Online-Partnersuche. Wiesbaden: VS-Verlag.

    Google Scholar 

  • Verband binationaler Familien und Partnerschaften. (2017). Zahlen und Fakten: Eheschließungen. http://verband-binationaler.de/presse/zahlen-fakten/eheschliessungen. Zugegriffen am 20.05.2018.

  • Wallerstein, J., & Blakeslee, S. (1989). Gewinner und Verlierer – Frauen, Männer, Kinder nach der Scheidung. München: Droemer Knaur.

    Google Scholar 

  • Weber, M. ([1920] 1972). Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Studienausgabe (5. Aufl.), Tübingen: Mohr.

    Google Scholar 

Literatur zum Weiterlesen

  • Bethmann, S. (2013). Liebe – Eine soziologische Kritik der Zweisamkeit. München: Beltz.

    Google Scholar 

  • Burkart, G. (2018). Soziologie der Paarbeziehung. Wiesbaden: Springer VS.

    Book  Google Scholar 

  • Kaufmann, J.-C. (1994). Schmutzige Wäsche. Zur ehelichen Konstruktion von Alltag. Konstanz: Universitätsverlag.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Günter Burkart .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2020 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature

About this entry

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this entry

Burkart, G. (2020). Familie und Paarbeziehung. In: Ecarius, J., Schierbaum, A. (eds) Handbuch Familie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19416-1_27-1

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-19416-1_27-1

  • Received:

  • Accepted:

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-19416-1

  • Online ISBN: 978-3-658-19416-1

  • eBook Packages: Springer Referenz Sozialwissenschaften und Recht

Publish with us

Policies and ethics