Zusammenfassung
Dieser Beitrag rekonstruiert Rortys Kritik der Erkenntnistheorie. Der Repräsentationalismus, als Voraussetzung der Erkenntnistheorie, steht im Zentrum der Betrachtung. Dabei erweist sich Rortys interne Kritik des Repräsentationalismus als überzeugend. Im Schlussteil wird betont, dass der Erfolg des transformatorischen Sprachpragmatismus Rortys letztlich mit dem Aufweis der höheren Nützlichkeit des anti-repräsentationalistischen Vokabulars für die Zwecke der liberalen Demokratie steht und fällt. Die Betonung der Frage nach dem Zweck der Philosophie wird als Rortys größte Leistung hervorgehoben.
Notes
- 1.
In Der Spiegel der Natur formuliert Rorty auch zahlreiche Einwände gegen die repräsentationalistische Konzeption vom Bewusstsein als Spiegel der Natur. Für einen kritischen Überblick, siehe Hornsby (1990).
- 2.
Mittels des Arguments der Unhintergehbarkeit der Sprache wendet sich Rorty ebenfalls gegen die repräsentationalistische Setzung, es gäbe eine sprachunabhängige Realität an sich, die durch eine wahre Beschreibung erfassbar sei. Dabei trifft diese Kritik zwar den metaphysischen Realismus, nicht jedoch Formen des internen Realismus, welchen unterem anderem Hilary Putnam vertreten hat. Um Letzteren zu widerlegen attackiert Rorty das Wahrheitsverständnis des internen Realismus. Vor diesem Hintergrund muss daher Rortys Kritik der Korrespondenztheorie als Kern seiner internen Kritik verstanden werden. Für einen Überblick, siehe Welsch (2004).
- 3.
Der ethnos umfasst diejenigen, mit deren Überzeugungen man in ausreichendem Maße übereinstimmt, sodass ein Gespräch und somit eine gemeinsame Rechtfertigungspraxis möglich ist. Vor diesem Hintergrund verhält man sich nach Rorty immer ethnozentristisch, wenn man sich auf die Praxis des Gebens und Nehmens von Gründen einlässt: Der Mensch ist zum Ethnozentrismus verurteilt (Rorty 1988, S. 27–29).
- 4.
Rorty kann Haacks Tribalismus-Kritik durchaus nachvollziehen und hält diese für einschlägiger als den Relativismus-Vorwurf: „Dem vom Streben nach Solidarität beherrschten Pragmatisten kann man eigentlich nur vorwerfen, er nähme die eigene Gemeinschaft zu ernst. Nicht wegen seines Relativismus kann man ihn kritisieren, sondern nur wegen seines Ethnozentrismus“ (Rorty 1988, S. 27).
Literatur
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Kommentierte Literatur
Müller, Martin. 2014. Private Romantik, öffentlicher Pragmatismus? Richard Rortys transformative Neubeschreibung des Liberalismus. Bielefeld: transcript.
In Teil I der Monografie findet sich die umfassendste Darstellung von Rortys Kritik der Erkenntnistheorie in deutscher Sprache. Unter Berücksichtigung der rortyschen Vorgehensweise und seiner inhaltlichen Argumente kommt der Autor unter anderem zum Schluss, dass Rorty der Aufweis der Inkonsistenz des Repräsentationalismus und damit der Erkenntnistheorie als Disziplin gelingt.
Williams, Michael. 2000. Epistemology and the Mirror of Nature. In Rorty and his critics, Hrsg. R. Brandom, 191–213. Oxford: Blackwell.
Williams unternimmt eine kritische Reformulierung der rortyschen Entstehungsgeschichte des Fachs Erkenntnistheorie. Auf der einen Seite betont der Autor verschiedene Spannung innerhalb von Rortys Ideengeschichte. Zum anderen stimmt er jedoch Rortys These von der Erfindung der Erkenntnistheorie zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert zu.
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Heindl, A. (2019). Richard Rortys Kritik der Erkenntnistheorie. In: Müller, M. (eds) Handbuch Richard Rorty. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16260-3_34-1
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