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Langzeitdokumentation – Langzeitbeobachtung

Formen dokumentarischer Wiederbegegnungen

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Handbuch Filmsoziologie

Part of the book series: Springer Reference Sozialwissenschaften ((SRS))

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Zusammenfassung

In dem Beitrag werden verschiedene Formen der Langzeitbeobachtung mit ihren jeweils spezifischen dokumentarischen Ansätzen dargestellt – auch Grenzformen des Reality TV. Insbesondere wird auf Aspekte des Seriellen bei bestimmten Formen der Langzeitdokumentation eingegangen. Insgesamt wird damit – anders als in den meisten Publikationen zur Langzeitbeobachtung – ein weites Begriffsverständnis zugrunde gelegt, um die Formenvielfalt angemessen beschreiben zu können.

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Notes

  1. 1.

    In der Regel finden sich selbst in Publikationen zum Thema keine Definitionen oder nähere Bestimmungen des Untersuchungsgegenstandes. Es wird implizit davon ausgegangen, dass der Begriff Langzeitdokumentation ‚selbsterklärend‘ ist.

  2. 2.

    Von einem Dokumentieren ohne Unterlass (Lori 2008) kann man dabei sicherlich nicht sprechen, da es immer wieder zu Pausen und Unterbrechungen kommt.

  3. 3.

    Das Begriffsverständnis von Matt et al. ist dabei gegenüber anderen Definitionen als eher ‚eng‘ zu betrachten (vgl. Hißnauer 2017, S. 2 ff.).

  4. 4.

    Doch gleichzeitig „sollte es eine gewisse gesellschaftliche Relevanz haben und stellvertretend für andere Menschen wirken, in diesem Maße muss es allgemein gültiger sein“ (Matt et al. 2003, S. 44; Herv. i. Orig.). Dies gilt auch für Langzeitdokumentationen.

  5. 5.

    Genauso wie das Porträt kann sich die Langzeitbeobachtung auf eine Person (z. B. Misstraue der Idylle, ZDF 1996) oder auf mehrere Protagonisten beziehen (z. B. Die Spielwütigen).

  6. 6.

    Natürlich können Langzeitdokumentationen – insbesondere als Einzelfilm – auch mehr oder weniger ausschließlich chronologisch erzählen. Mit Blick auf Langzeitbeobachtungen als Filmreihe/-serie, bei der die Rekapitulation von Ereignissen aufgrund der oftmals mehrjährigen Abstände zwischen den einzelnen Teilen eine große Rolle spielt, beschreibt Kilborn (2010, S. 26) die narrative Struktur als eine Art „time shuttle“: „Long doc viewers thus become accustomed to being shuttled backwards and forewards on this longitudinal time axis […].“

  7. 7.

    Manchmal kommt es auch vor, dass eine ‚Wiederbegegnung‘ von einem anderen Autoren realisiert wird. Bspw. verantwortete Gert Anhalt zum 40. Jubiläum des Auslandsjournal die am 31. Oktober 2013 im ZDF ausgestrahlt Produktion AuslandsjournalDie Doku: Die Turans aus der Türkei – damals und heute. Darin wird sehr viel Material eines alten Beitrags von Hans-Dieter Grabe über die Turans aus einem der ersten Auslandsjournale verwendet sowie lange Passagen aus dem wenige Jahre später unter der Regie Grabes entstandenen Films Mehmet Turan oder Noch ein Jahr, noch ein Jahr (ZDF 1977). Solche Formen der Wiederbegegnungen können auch ökonomische Gründe haben, wenn Sendeanstalten darüber versuchen, ihr Programmarchiv maximal auszunutzen (Kilborn 2010, S. 12). Grund für eine ‚Wiederbegegnung‘ ist dann nicht unbedingt das große Interesse daran, was aus den Protagonisten geworden ist. Entsprechend gering fällt daher auch der Anteil neugedrehten Materials in Die Turans aus der Türkei aus.

  8. 8.

    Wiederbegegnung zu Peter Handke in Paris (ZDF 1975; Georg Stefan Troller).

  9. 9.

    Wiederbegegnung zu Mendel Scheinfelds zweite Reise nach Duetschland (ZDF 1972; Hans-Dieter Grabe).

  10. 10.

    „Ich bekam eigentlich die andere Seite eines Menschen. Der Film zuvor, der auf Grund der Erzählung von Sanh die Situation sehr optimistisch darstellte, war nicht falsch, aber er zeigte nur einen Teil der Wahrheit. Jetzt bekam ich Bilder, die zeigten den anderen Teil. Auf eine sehr deutliche, krasse Weise. Für den Zuschauer nicht ganz einfach, weil sich die Zuschauer gewiß gewünscht haben, daß die positive Darstellung seines Lebens die einzige richtige sein möge. Es kommt zu selten vor, daß man einen Menschen kennenlernt, dessen Leben durch den Krieg zerstört worden ist, der dann vor einem sitzt und sagt: ‚Es geht mir gut. Ich habe das, und ich muß nicht mehr betteln gehen oder irgendwelche fragwürdigen Dinge tun. Es geht mir heute gut.‘ Jemand der nicht klagt. Das ist ungeheuer eindrucksvoll. Man wünscht sich, es möge so bleiben. Knapp zwei Jahre später gibt es ganz andere Bilder. Man merkt, daß alles sehr schwierig ist. Jetzt ist es so, wie es sein muß, wenn ein Leben durch den Krieg zerstört wird.“ (Grabe 2000, S. 49).

  11. 11.

    Zu Die Kinder von Golzow siehe Lori 2008; Kilborn 2010 und Uellenberg 2010.

  12. 12.

    Berlin – Ecke Bundesplatz zeigt deutlich, wie sehr die Differenzierung idealtypisch zu betrachten ist. So gibt es hier drei Serienstaffeln mit einer Folgenlänge von jeweils ca. 30 Minuten sowie 25 Langfilme mit einer Laufzeit zwischen 60 und 95 Minuten.

  13. 13.

    Gerade Langzeitdokumentationen als Filmreihen entstehen dabei oftmals zunächst zufällig und sind nicht von vornherein als solche geplant (vgl. Kilborn 2010, S. 12). Der Filmemacher entwickelt oft erst im Lauf der Zeit ein besonderes Interesse für den/die Protagonisten des Films (vgl. Roth 2000; Rothschild 2005).

  14. 14.

    Zu barnen frân Jordbrö siehe Kilborn 2010.

  15. 15.

    Zu Seven Up siehe Bruzzi 2007 und Kilborn 2010.

  16. 16.

    Kilborn (2010, S. 19) beschreibt dies auch als die ‚kumulative Qualität‘ von Langzeitdokumentationen: „They are cumulative in the sense that, over time, each new film or programme instalments adds to, or complements, the picture that viewers have formed hitherto.“ (20) Nicht von ungefähr spricht man auch in der Serialitätsforschung von „Verschmelzung des akkumulierten Serienwissens in eine Gesamtvorstellung“ (Hickethier 1991, S. 9 f.).

  17. 17.

    Zur Theorie nicht-fiktionaler Serialität siehe Hißnauer 2016.

  18. 18.

    In der Seven Up-Reihe wird bspw. seit 1964 konzeptionell bedingt alle sieben Jahre ein neuer Teil ausgestrahlt.

  19. 19.

    Zu An American Family siehe Ruoff 2012.

  20. 20.

    Der dritte Teil der Seven Up-Reihe (21 Up, ITV 1977) zeigt zu Beginn, wie die Protagonisten gemeinsam in einem Kinoraum Ausschnitte der vorherigen Filme sehen – und ihre Reaktionen darauf. Für Kilborn (2010, S. 80) eröffnet Regisseur Michael Apted so den Protagonisten die Möglichkeit, sich damit auseinanderzusetzen, wie sie sich mit ihrer bisherigen Darstellung fühlen. Gleichzeitig reflektiert die Produktion so ihre eigene mediale Bedingtheit und ihren Konstruktcharakter.

  21. 21.

    Ruchatz (2014, S. 390) definiert Stars bzw. celebrities nicht mehr – wie bisher – über bestimmte Kriterien, sondern anhand ihrer Funktion: „Die Starfunktion zeichnet demnach bestimmte Personen als ‚Stars‘ aus, wenn sie durch massenmediale Thematisierung entlang der Differenz privat/öffentlich bekannt geworden ist.“ Dies führe zu einer Entdifferenzierung des Phänomens, da die Starfunktion in einer Vielzahl gesellschaftlicher Teilbereiche/-systeme beobachtbar werde. Zudem kann durch die Annahme einer solchen Starfunktion (kulturpessimistischen) Debatten über die Wertigkeit von celebrities entgangen werden, wie wir sie immer wieder mit Blick auf die sog. C-Promis des Reality TV beobachten können. Ausgehend von diesen Überlegungen besteht grundsätzlich ein enger Zusammenhang zwischen Startum und (Boulevard-)Presse/Medien. So stellt Ruchatz (2014, S. 365) die These auf, „dass die Penny Press [im 19. Jahrhundert] überhaupt [erst; C.H.] eine Celebritykultur erzeugt [hat], indem sie das Leben von prominenten Privatleuten als spektakulären Gegenstand öffentlichen Interesses darstellt (…)“. Reality TV geht, wenn man so möchte, einen Schritt weiter, in dem es Prominenz – zumindest zum Teil – erst erzeugt und selbstreferenziell perpetuiert. ‚Real-People‘-Formate fokussieren dabei, wie die Bezeichnung schon deutlich macht, den ‚echten‘, ‚authentischen‘ Menschen in alltäglichen oder außeralltäglichen Situationen. Gerade in dem Wechselspiel aus (vermeintlicher) Authentizität und Inszenierung wird immer auch die Differenz privat/öffentlich aufgerufen (und gleichsam unterlaufen), weil das Private öffentlich wird und am Öffentlichen vor allem das Private interessiert. Insbesondere Castingshows und gamedocs eventisieren dabei dieses Wechselspiel als ‚spektakulären Gegenstand öffentlichen Interesses‘, wie es Ruchatz als kennzeichnend für eine Starkultur beschreibt. Dies gilt aber ebenso für die auf Unterhaltung ausgerichteten Doku-Soaps.

  22. 22.

    Der dritte Handlungsbogen verweist zwar auf die lebensweltliche Realität (und damit auch über das Mediale hinaus), doch ist selbst nur in Form öffentlicher Inszenierungen (Live-Konzerte, Auftritte etc.) und/oder seiner Medialisierung (Berichterstattung, neue Formate) wahrnehmbar. Authentizität spielt dabei nur als Inszenierungseffekt (auf allen Ebenen) eine Rolle (das ‚authentische‘ Leben jenseits Medialisierung und öffentlicher Inszenierungen wäre ein vierter, aber medienwissenschaftlich nicht fassbarer Handlungsbogen).

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Hißnauer, C. (2018). Langzeitdokumentation – Langzeitbeobachtung. In: Geimer, A., Heinze, C., Winter, R. (eds) Handbuch Filmsoziologie. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10947-9_66-1

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