Zusammenfassung
Soziologisches Filmlesen verknüpft soziologische Theorie mit der Analyse großer Filmsamples. Mit der Anwendung doppelt verschränkten Wissens – mit Rückgriffen auf Soziologie und Filmwissenschaft – ist soziologisches Filmlesen voraussetzungsvolle akademische Forschungspraxis. Die hier vorgestellte Analyse von Film bzw. filmischen Formaten in großen Samples fungiert als Repräsentations- und Viskursanalyse filmischer Artefakte und der darin eingebetteten Narrationen, Figuren und Argumentationslinien. Der Text verortet Soziologisches Filmlesen methodologisch und gibt Einblicke in konkrete Arbeitsschritte.
Notes
- 1.
Das hier vorgestellte Konzept des Soziologische Filmlesens beruht einerseits auf jahrzehntelanger Forschungserfahrung mit großen Samples von Eva Flicker sowie auf gemeinsamer Forschungs- und Lehrtätigkeit der Autorinnen im Bereich der praktischen repräsentationsorientierten Filmanalyse – vgl. Flicker und Zehenthofer 2011, 2012, als auch auf der Dissertation von Irene Zehenthofer (work in progress) mit dem Arbeitstitel „Zur Repräsentation sozialer Kräfteverhältnisse. Eine Reflexion über die Verhandlung gesellschaftlicher Ungleichheiten, Konflikte und Missstände im österreichischen Kinospielfilm zwischen 1980–2010“ am Institut für Soziologie der Universität Wien.
- 2.
Zitationsbeispiel zum Verweis auf eine Szene in der 3. Subsequenz der 2. Sequenz: (SE2/3) oder (2_3).
- 3.
Die Grafiken in Abb. 3 und 4 orientieren sich an der Figurenanalyse (Eder 2008), der Analyse dramatischer Strukturen (Eder 2007; Hickethier 2007) sowie der Filmnarratologie nach Markus Kuhn (2013). Abb. 4 wurde in Anlehnung an eine Grafik von Jens Eder unter Bezugnahme auf ein Drehbuchseminar von Jürgen Wulff (zitiert nach Eder 2008, S. 454) entwickelt.
- 4.
Die ausführliche, umfassende Darstellung eines Forschungskonzeptes würde den Rahmen des vorliegenden Artikels sprengen, deshalb wird hier nur ein ausschnitthafter Teil der Operationalisierung eines fiktiven Forschungsprojektes vorgestellt.
Literatur
Altenloh, Emilie. 1914. Zur Soziologie des Kino. Die Kino- Unternehmung und die sozialen Schichten ihrer Besucher. http://www.massenmedien.de/allg/altenloh/index.htm. Zugegriffen am 05.01.2016.
Bienk, Alice. 2010. Filmsprache. Einführung in die interaktive Filmanalyse. Marburg: Schüren.
Bogner, Alexander, Beate Littig, und Wolfgang Menz. 2014. Interviews mit Experten. Eine praxisorientierte Einführung. Wiesbaden: Springer.
Bohnsack, Ralf, und Alexander Geimer. 2014. Filminterpretation als Produktanalyse in Relation zur Rezeptionsanalyse. In Dokumentarische Video- und Filminterpretation. Methodologie und Forschungspraxis, Hrsg. Ralf Bohnsack, Bettina Fritzsche und Monika Wagner-Willi, Bd. 3, 2. Aufl., 297–319. Opladen: Budrich.
Bohnsack, Ralf, Bettina Fritzsche, und Monika Wagner-Willi, Hrsg. 2014. Dokumentarische Video- und Filminterpretation. Methodologie und Forschungspraxis, Bd. 3, 2. Aufl. Opladen: Budrich.
Dadek, Walter. 1960. Der gegenwärtige Stand der Filmsoziologie. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 12(3): 516–533.
Eder, Jens. 2007. Dramaturgie des populären Films. Drehbuchpraxis und Filmtheorie. Münster: Lit.
Eder, Jens. 2008. Die Figur im Film. Grundlagen der Figurenanalyse. Marburg: Schüren.
Ehrenspeck, Yvonne, und Alexander Geimer. 2010. Qualitative Filmanalyse in den Sozial- und Erziehungswissenschaften. In Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft, Hrsg. Barbara Friebertshäuser, Antje Langer und Annedore Prengel, 3. Aufl., 589–598. München: Beltz Juventa.
Faulstich, Werner. 2002. Grundkurs Filmanalyse. München: Fink UTB.
Flicker, Eva. 1998. Liebe und Sexualität als soziale Konstruktion. Spielfilmromanzen aus Hollywood. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag.
Flicker, Eva. 2008. Women scientists in mainstream film: Social role models. In Science images and popular images of the sciences, Hrsg. Bernd Hüppauf und Peter Weingart, 241–256. London/New York: Routledge.
Flicker, Eva. 2016. Medien und Visualität aus kultursoziologischer Perspektive. In Handbuch Kultursoziologie, Hrsg. Stephan Moebius, Frithjof Nungesser und Katharina Scherke, Bd. 2. Wiesbaden: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-08001-3_34-1.
Flicker, Eva. 2017. Wissenschaftlerinnen im Spielfilm – Stereotype zwischen Perpetuierung und Wandel. In Streitfall Evolution. Eine Kulturgeschichte, Hrsg. Angela Schwarz. Wien: Böhlau in Druck.
Flicker, Eva, und Irene Zehenthofer. 2011. Repräsentationen von Armut und sozialer Ausgrenzung im Österreichischen Film. In Armut in Österreich. Bestandsaufnahme, Trends, Risikogruppen. Sociologica Bd. 15, Hrsg. Roland Verwiebe, 328–347. Wien: Braumüller.
Flicker, Eva, und Irene Zehenthofer. 2012. Geschlechternarrationen im Kontext sozialer Ungleichheit. Soziologische Perspektiven auf den jüngeren österreichischen Kinospielfilm. In Perspektiven der Filmsoziologie, Hrsg. Carsten Heinze, Stephan Moebius und Dieter Reicher, 220–244. München: UVK.
Hall, Stuart, Hrsg. 1980. Encoding/Decoding. In Culture, Media, Language: Working Papers in Cultural Studies 1972 – 1979, 128–138. New York: Routledge.
Haraway, Donna, Hrsg. 1995. Situiertes Wissen. In Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen, 73–97. Frankfurt a. M.: Campus.
Heinze, Carsten. 2014. Alltagskonstruktionen und soziale Rolle. Eine soziologische Perspektive auf den TATORT. In Zwischen Serie und Werk. Fernseh- und Gesellschaftsgeschichte im „Tatort“, Hrsg. Christian Hissnauer, Stefan Scherer und Claudia Stockinger, 41–66. Bielefeld: transcript.
Heinze, Carsten. 2015. Pierre Bourdieu und der/im Film. Vorüberlegungen zu den Konzepten der „Symbolischen Herrschaft“ der Feld-, Habitus- und Symboltheorie als Deutungsperspektive für die Filmsoziologie und zu Legitimationskämpfen im filmwissenschaftlichen Feld. LiTheS Zeitschrift für Literatur und Theatersoziologie 12:65–95. http://lithes.uni-graz.at/lithes/15_12.html. Zugegriffen am 15.01.2016.
Heinze, Carsten, Stefan Moebius, und Dieter Reicher, Hrsg. 2012. Perspektiven der Filmsoziologie. München: UVK.
Hickethier, Knut. 2007. Film- und Fernsehanalyse, 4. Aufl. Stuttgart: Metzler.
Kanzog, Klaus. 1991. Konstruktivistische Probleme der Filmwahrnehmung und Filmprotokollierung. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik. Filmanalyse interdisziplinär. Beiträge zu einem Symposium an der Hochschule für bildende Künste Braunschweig Beiheft 15:20–30.
Kaschuba, Wolfgang. 2004. Die Überwindung der Distanz. Zeit und Raum in der europäischen Moderne. Frankfurt a. M.: Fischer.
Keppler, Angela. 2010. Perspektiven einer kultursoziologischen Medienanalyse. In Kultursoziologie. Paradigmen – Methoden – Fragestellungen, Hrsg. Monika Wohlrab–Sahr, 101–126. Wiesbaden: Springer.
Korte, Helmut. 2004. Einführung in die systematische Filmanalyse, 3. Aufl. Berlin: Erich Schmidt.
Kracauer, Siegfried. 1979. Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films, 9. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Kuchenbuch, Thomas. 2005. Filmanalyse. Theorien – Methoden – Kritik. Wien/Köln/Weimar: Böhlau UTB.
Kuhn, Markus. 2013. Filmnarratologie. Ein erzähltheoretisches Analysemodell. Berlin: De Gruyter.
Mai, Manfred, und Rainer Winter, Hrsg. 2006. Das Kino der Gesellschaft – die Gesellschaft des Kinos. Interdisziplinäre Positionen, Analysen und Zugänge. Köln: Halem.
Mayring, Phillip. 2002. Einführung in die qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zu qualitativem Denken, 5. Aufl. Basel: Beltz.
Mikos, Lothar. 2003. Zur Rolle ästhetischer Strukturen in der Filmanalyse. In Film und Fotoanalyse in der Erziehungswissenschaft, Hrsg. Yvonne Ehrenspeck und Burkhard Schäffer, 135–149. Opladen: Leske+Budrich.
Mikos, Lothar. 2008. Film-und Fernsehanalyse, 2. Aufl. Konstanz: UVK.
Morin, Edgar. 1954. Das Problem der gefährlichen Auswirkungen des Kinos. Montage AV. Zeitschrift für Theorie und Geschichte audiovisueller Kommunikation. Filmologie/Soziologie, 61–76. http://www.montage-av.de/a_2010_2_19.html. Zugegriffen am 19.02.2010.
Osterland, Martin. 1970. Gesellschaftsbilder in Filmen. Eine soziologische Untersuchung des Filmangebots der Jahre 1949 bis 1964. Stuttgart: Enke.
Peltzer, Anja. 2011. Identität und Spektakel. Der Hollywood-Blockbuster als global erfolgreicher Identitätsanbieter. Konstanz: UVK.
Peltzer, Anja, und Angela Keppler. 2015. Die soziologische Film- und Fernsehanalyse. Eine Einführung. Berlin: De Gruyter.
Prinz, Sophia. 2014. Die Praxis des Sehens. Über das Zusammenspiel von Körpern, Artefakten und visueller Ordnung. Bielefeld: transcript.
Prokop, Dieter. 1982. Soziologie des Films. Frankfurt a. M.: Fischer.
Raab, Jürgen. 2008. Visuelle Wissenssoziologie. Theoretische Konzeption und materiale Analysen. Konstanz: UVK.
Scheinpflug, Peter. 2014. Genre-Theorie. Eine Einführung. Berlin: LIT.
Scholz, Sylka, Michel Kusche, Nicole Scherber, Sandra Scherber, und David Stiller. 2014. Das Potenzial von Filmanalysen für die (Familien-) Soziologie. Eine methodische Betrachtung anhand der Verfilmungen von „Das doppelte Lottchen“. Forum Qualitative Sozialforschung 15 (1), Art. 15. http://www.qualitativeresearch.net/index.php/fqs/article/view/2026/3612. Zugegriffen am 10.01.2016.
Schroer, Markus, Hrsg. 2008. Gesellschaft im Film. Konstanz: UVK.
Traue, Boris. 2013. Visuelle Diskursanalyse. Zeitschrift für Diskursforschung 2:117–136.
Trültzsch, Sascha. 2009. Kontextualisierte Medienanalyse. Mit einem Beispiel zu dem Frauenbild in DDR-Familienserien. Wiesbaden: Springer.
Winter, Rainer. 1992. Filmsoziologie: eine Einführung in das Verhältnis von Film, Kultur und Gesellschaft. München: Quintessenz.
Winter, Rainer. 2003. Filmanalyse in der Perspektive der Cultural Studies. In Film und Fotoanalyse in der Erziehungswissenschaft, Hrsg. Yvonne Ehrenspeck und Burkhard Schäffer, 151–164. Opladen: Leske + Budrich.
Wulff, Hans Jürgen. 2011. Filmanalyse. In Qualitative Methoden der Medienforschung, Hrsg. Ruth Ayaß und Jörg Bergmann, 220–244. Mannheim: Verlag für Gesprächsforschung.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2018 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this entry
Cite this entry
Flicker, E., Zehenthofer, I. (2018). Soziologisches Filmlesen. In: Geimer, A., Heinze, C., Winter, R. (eds) Handbuch Filmsoziologie. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10947-9_27-1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-10947-9_27-1
Received:
Accepted:
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-10947-9
Online ISBN: 978-3-658-10947-9
eBook Packages: Springer Referenz Naturwissenschaften