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Genrespezifika der Filmmusik

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Handbuch Filmgenre

Part of the book series: Springer Reference Geisteswissenschaften ((SPREFGEIST))

Zusammenfassung

Das Denken in Genres und Standardsituationen prägte von Beginn der Filmgeschichte an die filmmusikalische Praxis. Hiervon zeugt etwa das Allgemeine Handbuch der Film-Musik (1927) von Giuseppe Becce und Hans Erdmann, das eine der umfangsreichsten Sammlungen von situations- und stimmungsspezifisch katalogisierten Musikbeispielen darstellt. Noch weit nach dem Ende der Stummfilmzeit griffen Filmkomponisten auf solche Sammlungen zurück, die sie in den Musikarchiven großer Filmstudios fanden, und integrierten vorgefundene Fremdmaterialien in ihre eigenen Kompositionen. Am Beispiel der für gleich mehrere Genres zentralen Standardsituation ,Verfolgungsjagd‘ lässt sich zeigen, dass bestimmte filmmusikalische Gestaltungsmuster eine langjährige Tradition aufweisen und bis heute in der Kompositionspraxis präsent sind. Auffällig ist, dass bei der Vertonung von Verfolgungsjagden der musikalische Topos der Bewegung in Form von Ostinatofiguren und Orchesterhits eine filmmusikalische Grundkonstante über mehrere Genres hinweg bildet. Hinzu kommen weitere musikalische Gestaltungsmuster, die eng mit dem jeweiligen affektiven Erzählmodus verbunden sind und auch jenseits der einzelnen Standardsituation prägenden Charakter für das jeweilige Genre besitzen.

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Notes

  1. 1.

    Gerade die Mainzer Filmwissenschaft hat zu dieser Diskussion entscheidend beigetragen.

  2. 2.

    Eine ausführliche Darstellung der Quellenlage im Bereich der Stummfilmmusik findet sich bei Marks 2018.

  3. 3.

    Das Wort „Kinothek“ ist eine Zusammenziehung aus „Kino“ und „Bibliothek“ und bezeichnet Kompilationen von klassisch-romantischen Kompositionen aus dem Konzert- und Opernbereich sowie neukomponierte Stücke, die gestalterisch für unterschiedliche filmische Situationen zugeschnitten sind. Kinotheken wurden zumeist als Loseblattsammlungen vertrieben. Koldau (2008, S. 249) weist darauf hin, dass musikalische Topoi, die in der Komposition und Rezeption insbesondere des 17. und 19. Jahrhunderts mit bestimmten Ausdrucksgehalten aussoziiert worden seien, darin „in hoher Konzentration“ auftreten und sie „umgekehrt durch den jahrelangen intensiven Einsatz in der Begleitung von Stummfilmen weiter ausgeprägt“ wurden.

  4. 4.

    Für diesen Hinweis bin ich Markus Heuger sehr dankbar.

  5. 5.

    Die Firma Sonoton gehört mit einem Angebot von weit mehr als 500.000 Musikstücken zu den führenden Anbietern auf diesem Gebiet.

  6. 6.

    Als Beispiele wurden vor allem Filme ausgewählt, die für einen weltweiten Markt produziert wurden, ein Millionenpublikum im Kino erreicht haben und für das jeweilige Genre als prägend wahrgenommen wurden.

  7. 7.

    In den Produktionen der späten 1990er- und frühen 2000er-Jahre bezog sich die Musik mitunter stark auf die aktuelle Drum’n’Bass-Stilistik, die auch bei Verfolgungsjagden ihren Niederschlag fand und mit ihrer repetitiven Grundstruktur der Ostinato-Idee entsprach. Anders verhielt sich etwa die Einbindung der Popstilistik in den 1970er-/80er-Jahren, wie sie in den James Bond-Filmen dieser Zeit zu finden ist. Exemplarisch sei auf die Vertonung zu The Spy Who Loved Me (1977) verwiesen. Hier wirkt die Musik von Marvin Hamlisch weitgehend losgelöst von den dramaturgischen Teilabschnitten der Verfolgungsjagden, so dass der Topos der Bewegung nur indirekt über den Rhythmus transportiert wird.

  8. 8.

    Zum eklektizistischen Gebrauch von neuer Musik im Horrorfilm siehe auch Stiglegger 2009.

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Moormann, P. (2018). Genrespezifika der Filmmusik. In: Stiglegger, M. (eds) Handbuch Filmgenre. Springer Reference Geisteswissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-09631-1_13-1

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