Zusammenfassung
In den ersten beiden Jahrzehnten nach der Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit gab es nahezu keine Soziologie in Österreich. Das 1963 eröffnete Institut für Höhere Studien (IHS) bot erstmals eine postgraduale Ausbildung und fungierte eine Weile lang als Brutstätte professioneller Soziologie. An den Universitäten wurde eine eigene Studienrichtung erst Mitte der 1960er-Jahre eingerichtet, was eine erste personelle Expansion nach sich zog. Während der sozialdemokratischen Alleinregierung (1970–83) kam es zur Gründung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, die durch Auftragsforschung und geringe Basissubventionen charakterisiert waren. Die nächste Generation von Soziologen und Soziologinnen an den Universitäten überwand die schroffe Frontstellung zwischen außeruniversitärer „kritischer“ und universitär „konservativer“ Ausrichtung. Nach dem Beitritt zur Europäischen Union florierten jene (zumeist außeruniversitären) Forschungsstätten, die die neuen Fördermöglichkeiten nutzten. Eine Reform der Universitäten 2004 führte dazu, dass in der nunmehr autonomen Universität die Möglichkeiten, Soziologie zu studieren, vermehrt wurden, was von einem weiteren Personalzuwachs begleitet wurde. Erstmals wurden nun in größerer Zahl Professorinnen und Professoren aus dem Ausland berufen.
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Notes
- 1.
Siehe dazu auch meinen Beitrag zur „Soziologie in Österreich zur Zeit des Nationalsozialismus“ in diesem Band.
- 2.
Da im Folgenden immer wieder auf (auch kleine) Statusunterschiede zwischen Universitätslehrern eingegangen wird, ist eine knappe Erläuterung zu den verschiedenen Titeln angebracht. In den Anfangsjahren der Zweiten Republik gab es zwei Typen von Professoren: ordentliche und außerordentliche Universitätsprofessoren, gelegentlich auch lateinisch Ordinarius und Extraordinarius (abgekürzt: o. Prof. bzw. ao. Prof.) Sie unterschieden sich nur geringfügig: ao. Professoren vertraten ihr Fach meist nicht in der ganzen Breite oder ihr Fach gehörte nicht zu den zentralen (Prüfungs-) Fächern der jeweiligen Fakultät, sie wurden schlechter bezahlt und konnten akademische Funktionen (Dekan, Rektor) nicht übernehmen, sie gehörten aber in der Regel dem Fakultätskollegium an (es gab eine Beschränkung der Zahl der ao. in Relation zu den o. Profs in diesem Entscheidungsgremium). Oftmals wurden ao. Prof. ohne Berufungsverfahren zu o. Prof. befördert.
Anfang der 1970er-Jahre wurde ein damals so genannter ao. Prof. neuen Typs eingeführt, was die Abwanderung der Privatdozenten ins Ausland hintanhalten sollte. Diese anfangs ohne Ausschreibung und Berufungsverfahren Ernannten gehörten der Gruppe der Professoren (Professorenkurie) an, erhielten weniger bezahlt und konnten weder zum Dekan noch Rektor gewählt werden. Zusätzlich wurde manchem altgedienten Privatdozenten (später zeitweilig: Universitätsdozent genannt), die ja keine Beschäftigungsverhältnis zur Universität hatten, sondern nur „Kollegiengelder“ als Lohn bezogen, der Titel eines ao. oder gar o. Professors verliehen, abgekürzt: tit. (a)o. Prof.
Ende der 1990er-Jahre wurden dann die ao. Profs zu „Universitätsprofessoren“ und eine neue Gruppe von ao. Professoren geschaffen: Habilitierte und angestellte (sog. pragmatisierte) Universitätsassistenten erhielten diesen Berufstitel, blieben aber dienstrechtlich Mitglieder des Mittelbaus. Da sie Beamte sind ist ihr Lebenseinkommen vermutlich höher als das der meisten nach 2002 berufenen Professoren (die nicht mehr verbeamtet wurden), die seitdem keine interne Differenzierung mehr aufweisen (ältere Professoren behielten ihre Titel).
- 3.
- 4.
Personalakt Johann Mokre, Universitätsarchiv Graz.
- 5.
„1940 soll sich Stern, so schreiben die offiziellen Biographen der SED, nachträglich habilitiert haben. Gedruckt wurde die Habilitationsschrift bzw. Promotion B jedoch nicht und ist bisher auch nicht nachgewiesen.“ Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Catalogus Professorum Halensis: Leo Stern, http://www.catalogus-professorum-halensis.de/sternleo.html. Zugegriffen am 16.08.2016.
- 6.
PA Walther Schienerl, UA Wien. Ähnlich 1952 als das Professorenkollegium eine zusätzliche Vorlesung über Soziologie der Autorität ablehnte, weil „es sich von der sachlichen Notwendigkeit nicht überzeugen konnte.“
- 7.
- 8.
Siehe dazu auch meinen Beitrag „Geschichte der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie“ in diesem Band.
- 9.
Siehe dazu auch meinen Beitrag „Die Geschichte des Instituts für Höhere Studien, Wien“ in diesem Band.
- 10.
Personalakt Benedikt Kautsky, Universitätsarchiv Graz.
- 11.
- 12.
Zweiteres Phänomen konnte man in Deutschland und Österreich bei der Wiedereingliederung entnazifizierter Professoren beobachten: Die 1945 ff. Entlassenen kamen in Österreich ab 1949, manche aber erst 1955 wieder an die Universitäten zurück; in Westdeutschland erfolgte diese Wiedereingliederung ab 1951.
- 13.
Bei der Debatte um das Vorgängergesetz HOG 1955 begründete der damalige für die Hochschulen zuständige Sektionschef, der spätere langjährige Unterrichtsminister Heinrich Drimmel, die Nichtausschreibung folgendermaßen: „Die Ausschreibung von Dienstposten für […] Professoren halte ich […] für schwer gangbar. Vor allem bitte ich zu bedenken, dass der in Betracht kommende Personenkreis dem Professorenkollegium vor der Antragstellung ohnehin sehr wohl bekannt ist […]. Wenn es aber nicht so wäre, müsste eine Ausschreibung, die ihren Zweck erfüllen will und hier bitte ich nicht zu übersehen, dass für Berufungen in vielen Fällen auch Ausländer in Betracht kommen urbi et orbi verlautbart werden, was praktisch nicht durchführbar ist. […] Von all dem abgesehen, stünde mit Sicherheit zu erwarten, dass sich im Falle einer Ausschreibung sehr viel mehr Unberufene als Berufene bewerben würden […]. Ich bemerke schliesslich, dass derartige Ausschreibungen an keiner Hochschule des deutschen Sprachraumes gebräuchlich sind und wir dafür auch im Hochschulrecht anderer […] Staaten kein Beispiel gefunden habe.“ Zitiert nach König 2012a, S. 65.
- 14.
Über Kerschagl s. Klausinger 2015.
- 15.
Richard Kerschagl an Rektor Willy Bouffier, 14. 11. 1968, Präs. Akten 101 + 102/1968, Karton 126, Archiv der WU.
- 16.
Erich Bodzenta an das Dekanat der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, 22. November 1963, PA Bodzenta, UA Wien.
- 17.
Wem dieses Urteil zu harsch erscheint, den verweise ich auf die Personal- und insbesondere Habilitationsakten der genannten Personen, worin sich in mehr als einem Fall größte Nachsicht gegenüber dem Habilitationswerber manifestiert. Man kann aber auch schlicht die erhalten gebliebenen intellektuellen Spuren der Mitglieder dieser Kohorte inspizieren.
- 18.
Verwiesen sei nur darauf, dass F.A. Hayek einen Ruf nach Freiburg auch deswegen annahm, weil ihm seine Pensionseinkünfte in Chicago nicht ausreichend erschienen.
- 19.
Personalakt Walter B. Simon, UA Wien. Im konkreten Fall gewinnt der Fall eine zusätzliche Dimension, da der 1918 in Wien geborene Simon 1938 flüchten musste und erst 1972 eben als Gastprofessor dorthin zurückkehrte.
- 20.
Habilitationen sollten für ein ganzes Fach erteilt werden, doch die Professoren setzten sich oft über diese Bestimmung hinweg und votierten für Venias mit Zusätzen wie „Soziologie, mit besonderer Berücksichtigung“, „Soziologie, unter Einschluss von“, „Soziologie und relevante Teilgebiete“ oder gewährten nur spezialisierte Fachbezeichnungen, wie Verstehende, Kunst-, Pädagogische, Wissenschaftssoziologie u. dgl.
- 21.
Gesucht wurde im online Katalog der Deutschen Nationalbibliothek nach selbständigen Veröffentlichungen, die in regulären Verlagen erschienen sind und den Gesuchten als Allein- oder Mitautor ausweisen.
- 22.
Hinzufügen muss man, dass bis 2004 Universitätsassistenten, die sich habilitierten, Anspruch auf Lebenszeitstellungen hatten.
- 23.
Es hätten noch mehr sein können, da mehrere Stellen, aus jeweils sehr unterschiedlichen Gründen, nicht besetzt werden konnten.
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