1 Chlamydien-Infektionen

1.1 Chlamydophila pneumoniae

Definition

Chlamydophila (früher Chlamydia) pneumoniae ist im Kindesalter ein seltener Erreger respiratorischer Infektionen, vor allem der Pneumonie, wenn die PCR als direkte Nachweismethode herangezogen wird. Die höhere Nachweisrate von Antikörpern gegen C. pneumoniae deutet auf eine hohe Rate asymptomatischer oder unspezifischer Infektionen durch C. pneumoniae hin.

Epidemiologie

Der Mensch ist weltweit das einzige Erregerreservoir. Kranke, seltener auch asymptomatische Ausscheider (Wochen bis 1 Jahr) sind die Ansteckungsquelle. Die Übertragung erfolgt als „Tröpfcheninfektion“ mit respiratorischen Sekreten. Eine epidemische Krankheitshäufung ist beschrieben. In feuchtem Milieu können Chlamydien bis zu 30 h auf unbelebtem Material überleben.

Im Erwachsenenalter haben 50–75 % der Bevölkerung Antikörper gegen C. pneumoniae. Die höchsten Titer werden in der Altersklasse der 5- bis 14-Jährigen gefunden – ein Indiz für das Hauptmanifestationsalter der Primärinfektion. Seroprävalenzdaten aus Deutschland decken sich mit den Angaben aus der internationalen Literatur (5 % der unter 10-Jährigen, 64 % der unter 18-Jährigen besitzen Antikörper gegen C. pneumoniae). Ambulant erworbene Pneumonien werden im Kindesalter möglicherweise in bis zu 18 % der Fälle (serologische Diagnose) durch C. pneumoniae verursacht. Untersuchungen mittels PCR hingegen weisen C. pneumoniae nur in sporadischen Fällen nach. Koinfektionen mit Mykoplasmen, aber auch Pneumokokken und Adenoviren sind keine Seltenheit.

Mikrobiologie

Chlamydien sind obligat intrazelluläre, gramnegative Bakterien. Ihnen fehlt die enzymatische Ausstattung zur Produktion von ATP, sie sind daher „Energieparasiten“. Anhand morphologischer, genetischer und serologischer Eigenschaften lassen sich 2 Genera und 5 humanpathogene Spezies unterscheiden:

  • Zum Genus Chlamydia gehört:

    • C. trachomatis

  • Zum Genus Chlamydophila gehören:

    • C. pneumoniae

    • C. psittaci

    • C. abortus

    • C. felis

Zusätzlich gibt es noch Umwelt-Chlamydien, wie Simkania negevensis und Parachlamydia acantamoeba , die ebenfalls Infektionen beim Menschen auslösen können. Chlamydien durchlaufen einen charakteristischen zweiphasigen Entwicklungszyklus.

Die kleinere, extrazelluläre Form (Durchmesser 0,2–0,4 μm) wird „Elementarkörper“ genannt. Es ist die infektiöse, stoffwechselinaktive und nicht durch Antibiotika hemmbare Ruheform, die sich an die Wirtszelle anheftet und mittels Endozytose in die Zelle aufgenommen wird. Intrazellulär findet eine Transformation zum „Retikularkörper“ statt. Diese größere Form (Durchmesser 0,7–1,0 μm) ist stoffwechselaktiv, nicht infektiös und durch Antibiotika hemmbar; sie ruft eine Entzündungsreaktion des Körpers hervor. Zur Gattung C. pneumoniae gehört nur ein Serotyp, der sog. TWAR-Stamm. Diese Abkürzung kombiniert die Bezeichnung für 2 mikrobiologisch identische Isolate: TW steht für ein Chlamydienisolat aus dem Konjunktivalabstrich eines taiwanesischen Mädchens und AR für ein Isolat aus dem Respirationstrakt eines amerikanischen Studenten mit akuten respiratorischen Symptomen.

Klinische Symptome und Verlauf

Die meisten Infektionen verlaufen asymptomatisch. Nach einer Inkubationszeit von mehreren Wochen (in der Regel 3 Wochen) entwickeln die Patienten ein grippeähnliches Krankheitsbild. Im Vordergrund stehen Pharyngitis mit Heiserkeit und starke Halsschmerzen. Die zervikalen Lymphknoten sind geschwollen. Produktiver Husten weist auf eine Infektion des unteren Respirationstrakts hin. Myalgien und Arthralgien sind weitere unspezifische Symptome, die Körpertemperatur ist nur mäßig erhöht. Symptome einer Sinusitis oder Otitis media können auftreten. Die Patienten erholen sich nur langsam.

In 10 % der Fälle schließt sich eine zweite Krankheitsphase an, die durch eine Pneumonie gekennzeichnet ist. Diese beginnt schleichend mit erneutem, nun trockenem, nichtproduktivem Husten, begleitet von einer Tachypnoe. Fieber tritt in dieser Phase selten auf. Auskultatorisch imponieren feinblasige Rasselgeräusche. Klinisch ist eine durch C. pneumoniae verursachte Pneumonie von Pneumonien anderer Ursache nicht zu unterscheiden. Das Röntgenbild der Lunge zeigt eine meist einseitige segmentale Verschattung, seltener bilaterale, ausgedehnte Infiltrate und selten einen Pleuraerguss. Der Krankheitsverlauf ist meist leicht, eine stationäre Behandlung ist selten notwendig.

Schwere Verläufe sind im hohen Alter und bei chronischen Grundkrankheiten möglich, z. B. Mukoviszidose, Asthma bronchiale, Sichelzellanämie (mit akutem Thorax-Syndrom), schwerem T-Zell-Defekt. Die Erholung verläuft in diesen Fällen verzögert, die Patienten klagen über wochenlangen Husten und eine reduzierte Belastbarkeit. Bakterielle Superinfektionen (vor allem Pneumokokken) können den Verlauf komplizieren. Eine Rarität stellen schwere, gelegentlich letal verlaufende, systemische Infektionen dar (Endokarditis, Myokarditis, Perikarditis, Meningoenzephalitis, Guillain-Barré-Syndrom). Betroffen sind davon in erster Linie Patienten mit schwerer Grundkrankheit (Immundefekt; Sarkoidose, systemischer Lupus erythematodes) oder auch gesunde Hochleistungssportler.

Neben akuten Krankheiten des Respirationstrakts ist C. pneumoniae mit reaktiver Arthritis, Erythema nodosum, Sarkoidose und Asthma bronchiale assoziiert. Mögliche ätiologische Zusammenhänge mit multipler Sklerose, Alzheimer-Erkrankung und Atherosklerose werden in der Literatur kontrovers diskutiert. Die Assoziationen basieren vornehmlich auf seroepidemiologischen Untersuchungen mit erhöhten Antikörperraten im Vergleich zu Kontrollgruppen. Für die Koronarsklerose weisen morphologische Daten auf einen möglichen kausalen Zusammenhang hin. Mehrere große Interventionsstudien mit Antibiotika gegen C. peumoniae haben jedoch keinen Effekt auf den Verlauf einer Koronarsklerose im Erwachsenenalter gezeigt.

Da keine lang andauernde Immunität besteht und die Durchseuchung in der Bevölkerung hoch ist, sind Reinfektionen die Regel.

Diagnose

Die Diagnose C.-pneumonia-Infektion ist problematisch, ein Goldstandard ist nicht definiert. Zur Diagnose herangezogen werden der Erregernachweis mittels Kultur, DNA-Nachweis oder die Serologie. Der Erreger kann aus Nasopharyngealsekret, Rachenabstrich, Rachenspülwasser, Sputum, Trachealsekret oder bronchoalveolärer Lavage isoliert werden. Für den kulturellen Nachweis benötigt man spezielle Transportmedien, bei nicht sofortiger Verarbeitung ist eine Lagerung der Probe im Kühlschrank angezeigt. Der kulturelle Erregernachweis im Dottersack von Hühnerembryonen oder in einer Zellkultur ist schwierig, wenig sensitiv und langwierig (3 Wochen). Am sensitivsten und am schnellsten wird der Erregernachweis über den DNA-Nachweis mittels PCR geführt. Allerdings ist die Technik nicht standardisiert und weist bislang hohe Variabilitäten auf. Neben den oben genannten Untersuchungsmaterialien können auch Biopsate (in Formalin oder Paraffin fixiert) verwendet werden.

Für den serologischen Nachweis stehen 2 Verfahren zur Verfügung:

  • Komplementbindungsreaktion (KBR) und

  • Mikroimmunfluoreszenz (MIF).

Enzymimmunassays sind kommerziell erhältlich, aber bisher nicht ausreichend validiert. Mit der KBR können ganz allgemein Chlamydien-Infektionen nachgewiesen werden, eine Differenzierung der verschiedenen Spezies ist nur mittels MIF möglich. Der MIF-Test gilt derzeit als einzig empfohlenes serologisches Verfahren, trotz einer niedrigen Sensitivität (nur 30 % bei kulturell gesicherten Infektionen), einer Variabilität der Untersuchungsergebnisse zwischen unterschiedlichen Laboren und des technischen Aufwandes (Übersicht). Falsch-positive IgM-Ergebnisse werden bei Rheumafaktor-positiven Patienten oder bei anderen intrazellulären Erregern (Bartonellen, Bordetellen, Mykoplasmen, Yersinien, Picornaviren) beobachtet. Eine serologische Unterscheidung zwischen einer Primärinfektion und einer Reinfektion ist nicht zuverlässig möglich. Einzelne IgG-Titer-Bestimmungen werden nicht empfohlen, nur Titerverläufe und -anstiege (innerhalb von 3–4 Wochen) beweisen – retrospektiv – eine Infektion. In der Akutinfektion spielt die Serologie eine untergeordnete Rolle.

Serologische Diagnosekriterien (nach Dowell et al. 2001)

Gesicherte akute Infektion:

  • MIF-IgM: ≥1:16 (ab 2.–3. Woche)

  • MIF-IgG: ≥4-facher Titeranstieg (ab 6.–8. Woche)

Verdacht auf abgelaufene Infektion:

  • MIF-IgG: ≥1:16 und <1:512

Therapie

Kontrollierte Studien zur klinischen Wirksamkeit von Antibiotika existieren nicht. Therapieempfehlungen basieren auf 2 Multicenterstudien im Kindesalter und dem Nachweis der In-vitro-Aktivität, der mit folgenden Substanzen gelingt: Erythromycin, Clarithromycin, Azithromycin, Tetrazykline, Doxycyclin, Fluorochinolone.

Die Therapiedauer für Standardpräparate (Erythromycin oder Clarithromycin bei Kindern unter 9 Jahren und Doxycyclin bei Kindern über 9 Jahren) liegt bei mindestens 14 Tagen, zu Dosierungen Kap. Antimikrobielle Therapie bei Kindern und Jugendlichen. Sollten nach einem Therapiezyklus weiter Symptome bestehen, wird ein zweiter Therapiezyklus, ggf. mit einem alternativen Medikament, angeschlossen. Die Isolierung stationärer Patienten ist nicht notwendig.

Prophylaxe

Es existieren weder spezielle prophylaktische Maßnahmen noch eine Impfung.

1.2 Chlamydophilia psittaci

Definition

Chlamydophilia (früher Chlamydia) psittaci ist Ursache der Psittakose oder Ornithose , einer weltweit vorkommenden Zoonose, die beim Menschen als akute Krankheit des Respirationstrakts mit systemischen Symptomen verläuft.

Epidemiologie

Hauptreservoir für Infektionen des Menschen sind Vögel (Tauben, Finken, Wellensittiche, Papageien, aber auch Hühner, Gänse, Schwäne) und kleine Säugetiere. In 75 % der Fälle lässt sich anamnestisch ein Kontakt zu Vögeln eruieren. Die häufig ebenfalls erkrankten Vögel leiden an Durchfall, Anorexie oder Ausfall der Federn. Der Erreger wird als Aerosol aus Sekreten der Vögel vom Menschen eingeatmet und ist hochinfektiös. Ein besonders hohes Infektionsrisiko haben Menschen mit engem Kontakt zu Vögeln (Vogelbesitzer, Tierhändler, Taubenzüchter, Geflügelhalter, Laborpersonal). Erkrankungen im Kindesalter sind eine Rarität.

Die Krankheit kommt weltweit vor, ihr Auftreten ist sporadisch, selten epidemisch (z. B. in Geflügelzuchtanlagen). Nur schwer kranke Personen mit ausgeprägtem Auswurf können die Erreger mittels Tröpfcheninfektion direkt weitergeben. In Deutschland werden pro Jahr 15–150 Fälle der meldepflichtigen Krankheit dokumentiert. Seitdem die Falldefinition einen serologischen Antikörpernachweis (Mikroimmunfluoreszenz, MIF) fordert, ist die Zahl der gemeldeten Fälle rückläufig.

Mikrobiologie

Chlamydien sind intrazelluläre Energieparasiten (unter „Mikrobiologie“ im Abschn. 1.1). Im Tierreich werden 8 Serotypen unterschieden.

Klinische Symptome und Verlauf

Die Inkubationszeit beträgt (5–) 7–14 (–21) Tage. Die Krankheit beginnt abrupt und verläuft selten asymptomatisch. Klinisch imponieren grippeähnliche Beschwerden mit einer Körpertemperatur bis 40,5 °C (Kontinua über 2–3 Wochen), Schüttelfrost, Rigor, Myalgien und Arthralgien sowie als charakteristisches Symptom heftige frontale Kopfschmerzen. Am Ende der 1. Krankheitswoche entwickeln die Betroffenen die klinischen Zeichen einer Pneumonie mit trockenem Husten, Dyspnoe, Tachypnoe und evtl. Pleuraschmerzen. Abdominelle Symptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall sind möglich. Ein begleitendes makulopapulöses, blassrosafarbenes Exanthem wird als „Horder’s spots“ bezeichnet. Rund 70 % der Patienten entwickeln eine Splenomegalie.

Im Blutbild fallen eine Linksverschiebung ohne Leukozytose und eine Eosinophilie auf, die Blutsenkung ist mäßig beschleunigt. Radiologisch zeigt sich eine ausgeprägte interstitielle Zeichnungsvermehrung der Lungen mit variablen fleckig-konfluierenden Infiltraten, evtl. ein Pleuraerguss. Die Patienten sind 2–3 Wochen lang schwer krank, die Rekonvaleszenz geht über Wochen. Häufige Komplikationen sind Nasenbluten und Leberbeteiligung (Transaminasenanstieg, Cholestase), seltener Endo-, Peri- oder Myokarditis, Glomerulonephritis, Thyreoiditis, Sepsis mit ARDS, DIC, Lungenembolie, schwere Anämie und Erythema nodosum. Die Letalität wird mit <1 % angegeben. Die Infektion hinterlässt keine lebenslange Immunität, Reinfektionen sind möglich.

Diagnose

Die Isolierung des Erregers aus Sputum oder Blut mittels Kultur ist schwierig und Speziallabors vorbehalten. Die Diagnose wird fast immer serologisch gestellt. Kommerziell zur Verfügung stehen eine Komplementbindungsreaktion (KBR), die jedoch nicht speziesspezifisch ist (Kreuzreaktion mit C. pneumoniae und C. trachomatis) und ein speziesspezifischer Mikroimmunfluoreszenztest (MIF). Die Diagnose ist gesichert, wenn bei passender Klinik folgende Parameter nachzuweisen sind:

  • ein 4-facher Titeranstieg (mind. ≥1:32, innerhalb von ≥2 Wochen) oder

  • ein MIF-IgM-Titer ≥1:16 oder

  • eine positive Kultur.

Die Verdachtsdiagnose ist zu stellen, wenn bei passendem klinischem Erscheinungsbild trotz negativer Serologie ein Vogelkontakt vorangegangen ist. PCR-Untersuchungen von respiratorischen Materialen, Blut oder Gewebe sind bisher unzureichend standardisiert.

Therapie

Mangels kontrollierter Studien zur klinischen Wirksamkeit basieren Antibiotika-Therapieempfehlungen auf dem In-vitro-Aktivitätsnachweis. In-vitro aktiv sind: Erythromycin (Mittel der Wahl <9 Jahre), neuere Makrolide (Clarithromycin, Roxithromycin), Doxycyclin und Tetrazykline (>9 Jahre). Die Therapiedauer beträgt mindestens 10–14 (–28) Tage. Rückfälle nach Therapieende sind möglich.

Bei hospitalisierten Patienten gelten die allgemeinen Hygienevorschriften beim Umgang mit Sekreten des Respirationstrakts. Der Erregernachweis ist für Labore meldepflichtig.

Prophylaxe

Im Erkrankungsfall sollte nach der Ansteckungsquelle gesucht werden. Verdächtige Vögel sollten vom Tierarzt getötet, in einer Desinfektionslösung eingelegt und in einem Speziallabor untersucht werden. Käfige und Umgebung der Tiere sind zu desinfizieren (mit Atemschutzmaske). Kontaktpersonen müssen beobachtet werden, um bei ersten Krankheitszeichen Diagnostik und Therapie zu veranlassen.

2 Mykoplasmen-Infektionen

Definition

Mykoplasmen sind zellwandlose Bakterien mit einer sterolhaltigen Membran. Sie rufen Krankheiten des Respirationstrakts, des Urogenitaltrakts, Bakteriämien und – möglicherweise immunologisch bedingt – sekundäre Krankheiten wie Exantheme, Morbus Raynaud oder Arthropathien hervor.

Epidemiologie

Mykoplasmen kommen ubiquitär vor und können Pflanzen, Tiere und Menschen sowohl kolonisieren als auch Krankheiten verursachen.

Mycoplasma pneumoniae kommt weltweit vor, allerdings ist für diese Spezies der Mensch das einzige Reservoir. Die Übertragung erfolgt durch Inhalation infektiöser Tröpfchen von Kranken oder durch kontaminierte Gegenstände. Kranke scheiden den Erreger bis zu 13 Wochen lang aus, selbst nach effektiver antibiotischer Therapie. Die Krankheit tritt sporadisch auf mit kleinen Epidemien innerhalb von Familien oder in Gemeinschaftseinrichtungen. Die „attack rate“ liegt zwischen 1–3/1000 in der Normalbevölkerung und 5–50/1000 in Kasernen (Kap. Prinzipien der Infektiologie). Kinder im Alter bis 3 Jahre entwickeln meist eine Infektion des oberen Respirationstrakts, 5- bis 20-Jährige meist eine Bronchitis oder eine Pneumonie. Die Inkubationszeit ist mit 6–32 Tagen (meist 2–3 Wochen) ausgesprochen lang.

Ureaplasma urealyticum und M. hominis kolonisieren den Genitaltrakt von bis zu 30 % aller Frauen. Die Erreger lassen sich auf der Nasen- oder Rachenschleimhaut von bis zu 15 % aller Neugeborenen nachweisen. Selten persistiert diese Kolonisation über das 2. Lebensjahr hinaus. Nach der Pubertät reflektiert die Kolonisationsrate die Anzahl der Geschlechtspartner.

Mikrobiologie

Mycoplasmataceae gehören zur Klasse der Mollicutes und kolonisieren/infizieren Menschen, Tiere und Pflanzen. Zu den Genera Mycoplasma und Ureaplasma zählen die in Tab. 1 wiedergegebenen Subgruppen. Mykoplasmen sind mit 150–200 nm Größe die kleinsten frei vorkommenden Lebewesen. Dies unterscheidet sie sowohl von den ebenfalls zellwandlosen bakteriellen L-Formen als auch von Viren. Sie haben komplexe Nährstoffansprüche und lassen sich auf isotonen Nährmedien anzüchten, wo sie nach 2–8 Tagen oft typische „spiegeleiartige“ Kolonien bilden.

Tab. 1 Humanpathogene Mykoplasmen: Vorkommen und Assoziation zu Krankheiten des Menschen. (Mod. nach Baum 1995)

Pathogenese

Als extrazelluläre Pathogene lagern sich Mykoplasmen an die Oberfläche zilientragender und zilienfreier Epithelien an. Über die folgenden Schritte in der Pathogenese ist wenig bekannt. Es wird vermutet, dass direkte zytotoxische Effekte oder die induzierte entzündliche Reaktion mit Zytolyse Folgen der Infektion sind. Als Kontaminanten von Zellkulturen sind Mykoplasmen intrazelluläre Parasiten, die nur schwer zu beseitigen sind.

Klinische Symptome und Verlauf

Mycoplasma pneumoniae kann Infektionen der Atemwege hervorrufen. Der Begriff „atypische Pneumonie“ stammt aus den frühen 1940er-Jahren, als man feststellte, dass einige Patienten mit Pneumonie nicht auf eine antibiotische Therapie ansprachen und dass im Gram-Präparat ihres Sputums kein ursächlicher Erreger nachweisbar war. Zwar macht M. pneumoniae einen großen Teil der „atypischen Pneumonien“ aus, doch weiß man heute, dass so unterschiedliche Mikroorganismen wie Influenzaviren, Adenoviren, RSV, Zytomegalieviren, Chlamydien, Legionellen und Pneumocystis carinii ebenfalls deren Ursache sein können. Der Begriff ist mit dem heutigen Kenntnisstand überholt, man sollte bei einem Patienten mit Pneumonie den (vermuteten) Erreger nennen.

Mykoplasmenbedingte Infektionskrankheiten des Respirationstrakts (Bronchitis, Pneumonie) beginnen schleichend mit geringgradigem Fieber, Krankheitsgefühl und Kopfschmerzen. Husten folgt innerhalb von 3–4 Tagen, ist dann aber prominent und kann über 4 Wochen persistieren. Er ist oft so ausgeprägt, dass die Patienten extreme Brustschmerzen durch die hustenbedingte Muskelanspannung entwickeln. Ansonsten wirken die Patienten nicht schwer krank. Myalgien, Übelkeit und Erbrechen wie bei Influenza oder Diarrhö, wie oft bei Adenovirus-Pneumonie, fehlt meist.

Bei der körperlichen Untersuchung fallen eine Pharyngitis und eine ausgeprägte zervikale Lymphadenopathie auf. Die klinische Untersuchung der Lunge zeigt kaum Auffälligkeiten, selbst bei Mykoplasmen-Pneumonie sind feinblasige Rasselgeräusche oder eine Klopfschalldämpfung nur selten nachzuweisen. Geringgradige Pleuraergüsse sind bei bis zu 20 % aller Patienten nachweisbar. Rund jedes 10. Kind mit Mykoplasmen-Pneumonie entwickelt einen makulopapulösen Hautausschlag. Im Blut finden sich unterschiedlich ausgeprägte Infektionszeichen, auch die Röntgenaufnahme des Thorax ist unspezifisch.

Pharyngitis, Otitis media, Sinusitis und Pseudokrupp sind weitere mögliche Manifestationen einer M.-pneumoniae-Infektion.

Neben den Infektionskrankheiten des Respirationstrakts ist M. pneumoniae assoziiert mit makulären, morbilliformen und papulovesikulären Exanthemen. Das Erythema exsudativum multiforme major soll bei bis zu 7 % aller Patienten mit Mykoplasmen-Pneumonie vorkommen. Ein Raynaud-Phänomen kann auf die Entwicklung von Kälteagglutininen im Rahmen einer Mykoplasmen-Pneumonie zurückgeführt werden. EKG-Veränderungen, wie Reizleitungsstörungen, Arrhythmien, und Brustschmerzen kommen bei bis zu 10 % aller M.-pneumoniae-Infektionen vor.

Der Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen einer M.-pneumoniae-Infektion und neurologischen Krankheiten und Symptomen ist bisher weniger überzeugend – beschrieben sind Assoziationen mit aseptischer Meningitis, Meningoenzephalitis, transverser Myelitis, Guillain-Barré-Syndrom, Hirnstammstörungen und peripherer Neuritis. Polyarthralgien – selten eine Monarthritis – waren ebenfalls mit M.-pneumoniae-Infektionen assoziiert.

Patienten mit Hämoglobinopathien und anderen Ursachen einer – anatomischen oder funktionellen – Asplenie haben gehäuft sehr schwere Krankheitsverläufe mit großen Pleuraergüssen, extremer Dyspnoe oder Nekrosen der Akren.

Die Dauer der Immunität nach M.-pneumoniae-Infektion ist unbekannt – Rezidive kommen vor.

Ureaplasmen sind assoziiert mit nichtgonorrhoischer Urethritis, Prostatitis, Epididymitis, Fieber unter der Geburt, Infertilität, Spontanabort und Totgeburt, Chorioamnionitis und niedrigem Geburtsgewicht.

Mycoplasma hominis ist assoziiert mit Pyelonephritis, Entzündungen des weiblichen Beckens und Fieber nach der Geburt.

Diagnose und Differenzialdiagnose

Standard für den Nachweis einer Infektion mit M. pneumoniae ist heute die PCR. Der standardisierte Nachweis von Kälteagglutininen in einem Titer von >1:32 ist ein einfacher und früher Hinweis auf eine Mykoplasmen-Infektion. Falsch-negative Befunde kommen vor, falsch-positive Resultate werden bei Infektionen durch das Epstein-Barr-Virus (Anti-i), das Zytomegalievirus (Anti-I), verschiedene andere Viren und bei Lymphomen gefunden.

Als einfache Modifikation des Kälteagglutininnachweises in Klinik und Praxis füllt man 1 ml Patientenblut in ein „Gerinnungsröhrchen“. Nach Abkühlung im Kühlschrank (4 °C) beobachtet man Verklumpungen, die nach Aufwärmen der Probe (z. B. in der Hosentasche) reversibel sind. Ein derart „positiver Schnelltest“ korreliert mit einem Kälteagglutinintiter von 1:64 in standardisierten Tests.

Die Kultur ist aufwendig und zeitintensiv (1–2 Wochen). Spezifisches IgM ist oft erst 1–2 Wochen nach Krankheitsbeginn nachweisbar und damit in der Frühphase der Krankheit diagnostisch nicht hilfreich.

Bei anhaltendem Husten (>7 Tage) ohne Fieber ist differenzialdiagnostisch auch an eine Infektion durch Bordetella pertussis, Bordetella parapertussis, Adenoviren und das RSV zu denken.

Zur Diagnose und Differenzialdiagnose von Ureaplasma- und M.-hominis-Infektionen der Harnwege Kap. Harnwegsinfektionen bei Kindern und Jugendlichen.

Therapie

Mykoplasmen-Infektionen des oberen Respirationstrakts werden praktisch nie als solche erkannt und bleiben daher – zu Recht – ohne spezifische Behandlung. Auch die Mykoplasmen-Pneumonie heilt meist spontan aus, doch kann die Dauer der Krankheit durch Makrolide oder Tetrazykline reduziert werden. Fluorochinolone, Ketolide, Streptogramine haben ebenfalls In-vitro-Aktivität gegen Mykoplasmen.

Zur Therapie urogenitaler Infektionen Kap. Harnwegsinfektionen bei Kindern und Jugendlichen.

Prophylaxe

Eine spezifische Prophylaxe ist nicht bekannt. Zusammenleben auf engem Raum erhöht die Infektionsrate.

Prognose

Die Prognose ist ausgezeichnet.

3 Tularämie

Definition

Die Tularämie ist eine durch Francisella tularensis hervorgerufene akute Infektionskrankheit, die je nach Virulenz des Erregers und Eintrittspforte klinisch als vorwiegend lokal ulzerierende Krankheit, regionale Lymphadenopathie, Krankheit eines Organs, Sepsis mit typhoidem Verlauf oder als Mischform auftritt.

Epidemiologie

Erregerreservoir sind verschiedene Tierarten wie Hasen und andere Nager, von denen F. tularensis durch direkten Kontakt, über blutsaugende Arthropoden oder Insekten, über Aerosole und selten wohl auch über unbelebte Materialien wie Wasser und Schlamm auf den Menschen übertragen wird. In Deutschland wurde durchschnittlich von 3–5 Fällen pro Jahr berichtet, 2005 nahm die Zahl aber zu und 2010 wurde der bisherige Höchststand erreicht (31 Fälle). Francisella tularensis ist unter dem Aspekt einer möglichen bioterroristischen Bedrohung von Bedeutung und alle Fälle sind nach IfSG meldepflichtig.

Mikrobiologie und Pathogenese

Francisella tularensis ist ein fakultativ intrazelluläres, kokkoides, bipolar anfärbbares gramnegatives Stäbchen mit komplexen Wachstumsanforderungen. Die Kapsel scheint einen der wichtigsten Virulenzfaktoren darzustellen. Nach lokaler Infektion und Vermehrung an der Infektionsstelle in der Haut beobachtet man eine Papel, die nach 2–4 Tagen ulzeriert. Der Erreger gelangt in die regionalen Lymphknoten und breitet sich dann lymphohämatogen aus. In infizierten Organen sieht man histologisch Granulome, die gelegentlich auch verkäsen können. Während der 2.–3. Krankheitswoche werden spezifische IgM- und IgG-Antikörper gebildet, die über Jahrzehnte hinweg persistieren können. Für die Heilung wird eine spezifische T-Zell-Aktivierung benötigt.

Klinische Symptome und Verlauf

Typisch ist nach einer Inkubationbszeit von 3–5 Tagen ein plötzlicher Krankheitsbeginn mit hohem Fieber und schwerem Krankheitsgefühl, gefolgt von lokalen Symptomen. Je nach Eintrittspforte, Virulenz des Erregers und Grundkrankheit des Wirts gibt es auch leichte Verläufe. Überlappungen zwischen den Formen kommen vor:

  • Bei der häufigen ulzeroglandulären Tularämie beobachtet man an der Eintrittspforte der Haut eine Papel, die ulzeriert und mit Vergrößerung der regionalen Lymphknoten einhergeht.

  • Bei der rein glandulären Form fehlt eine Hautläsion.

  • Die typhoide Form wird vor allem bei Patienten mit einer Grundkrankheit beobachtet, verläuft fulminant und kann rasch zum Tode führen. Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Halsschmerzen, Anorexie, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Hepatosplenomegalie, Meningismus, Verwirrtheit, roseoliformes Exanthem und Subileus sind mögliche Symptome und Befunde.

  • Eine eitrige oder ulzerierende Konjunktivitis mit regionaler Lymphadenopathie ist Zeichen einer okuloglandulären Tularämie.

  • Die oropharyngeale Tularämie ist meist auf den Genuss kontaminierter Speisen zurückzuführen.

  • Bei der pulmonalen Form ist die Ursache meist in der Inhalation des Erregers, z. B. im mikrobiologischen Labor, zu suchen.

Die Krankheit hinterlässt eine lebenslange Immunität. Rückfälle kommen bei inadäquater antibiotischer Behandlung vor.

Diagnose und Differenzialdiagnose

Die Diagnose sollte bei plötzlichem Krankheitsbeginn mit hohem Fieber differenzialdiagnostisch erwogen werden, Hautbefunde und ggf. eine passende Reiseanamnese sind dann diagnostisch wegweisend. Der Erreger kann aus lokalen Läsionen, Lymphknotenaspirat, Sputum oder Blutkultur angezüchtet werden. Serologische Verfahren und PCR stehen in Speziallabors zur Verfügung.

Zur Differenzialdiagnose der glandulären Form gehören pyogene Infektionen, Katzenkratzkrankheit, Syphilis, Chancroid, Lymphogranuloma venereum, Toxoplasmose, Mykobakteriosen, Sporotrichose, Rattenbissfieber, Anthrax, Pest und Herpes-simplex-Infektionen. Bei Augenbeteiligung ist auch an eine Adenovirus-Infektion zu denken, bei pharyngealer Form außerdem an eine Streptococcus-pyogenes-Infektion, an infektiöse Mononukleose und Diphtherie.

Zur Differenzialdiagnose des typhösen Verlaufs zählen Salmonellose, Brucellose, Legionellose, Q-Fieber, disseminierte Mykobakteriosen, Pilzinfektionen, Rickettsiosen, Malaria und Endokarditis. Bei pulmonaler Verlaufsform ist an Legionella, Chlamydia pneumoniae und Chlamydia psittaci, Mycoplasma pneumoniae, Tuberkulose, tiefe Mykosen und Q-Fieber zu denken.

Therapie

Streptomycin ist unverändert Mittel der Wahl (30–40 mg/kg KG in 2 ED, Maximaldosis 2 g/Tag für 7–14 Tage), alternativ Gentamicin (3–5 mg/kg KG in 2–3 ED). Bei meningealer Form ist zusätzlich Chloramphenicol (100 mg/kg KG/Tag in 2 ED) indiziert. Große Abszesse sollten drainiert werden.

Prophylaxe

Zur Vermeidung einer Exposition ist in Endemiegebieten eine Prophylaxe gegen Zecken sinnvoll. Beruflich möglicherweise Exponierte (Jäger) sollten Handschuhe beim Enthäuten von Wildtieren tragen. Bislang sind keine wirksamen Impfstoffe verfügbar. Nach wahrscheinlicher Exposition ist die Gabe von Doxycyclin oder Ciprofloxacin p.o. für 2 Wochen empfohlen.

Prognose

Die Letalität lag in der Vor-Antibiotika-Ära bei 60 %, heute beträgt sie ≤4 %.

4 Bartonella henselae: Katzenkratzkrankheit

Definition

Die Katzenkratzkrankheit (KKK) ist eine mit Katzenexposition assoziierte bakterielle, lokalisiert oder mit Ausbreitung auf multiple Organsysteme verlaufende Infektionskrankheit.

Epidemiologie

Die Isolation von Bartonella henselae aus Blut von meist asymptomatischen Katzen von Patienten mit B.-henselae-Infektion weist auf die Rolle von Katzen als Reservoir für dieses Bakterium hin. Jüngere (<12 Monate) Katzen sind häufiger bakteriämisch als ältere. Der Übertragungsmodus von B. henselae auf den Menschen ist nicht geklärt. Katzenflöhe scheinen eine wichtige Rolle zu spielen. Die Prävalenz von KKK beim Menschen hängt von der Dichte der Katzenpopulation, der Exposition mit Katzen, dem Alter der Katzen, dem Grad des Befalls der Katzen mit Flöhen, der geografische Lage, der Jahreszeit und dem Klima ab. Die Seroprävalenz der Katzen für B. henselae ist in warmen und feuchten Regionen am höchsten (bis 55 %). In den USA rechnet man jährlich mit 9,3 KKK-Fällen/100.000 Einwohner.

Ätiologie

Die Ätiologie der 1931 erstmals beschriebenen KKK wurde 1983 durch den Nachweis von Bakterien in betroffenen Lymphknoten mittels Silberfärbung ermittelt. Die Bakterien wurden 1991 fälschlich als Afipia felis identifiziert. Seit 1992 gilt Bartonella (anfänglich Rochalimea genannt) henselae als der Haupterreger der KKK.

Pathogenese

Die Pathogenese der KKK ist unklar und hängt vom Immunstatus des Wirts ab: Der Immunkompetente zeigt granulomatöse und eitrige Prozesse, der Immungeschwächte Vasoproliferation. B. henselae ist ein intrazellulärer Erreger. Er dürfte ähnlich wie Salmonellen durch eine mittels Flagellen eingeleitete Endozytose in die Wirtszelle eindringen. Zu Beginn der Infektion entwickeln sich im befallenen Lymphknoten lymphoide Hyperplasie, arterioläre Proliferation, Erweiterung der Arteriolenwände und Hyperplasie der Retikulumzellen. Später bilden sich Granulome, manche mit zentraler Nekrose und mehrkernigen Riesenzellen. Multiple Mikroabszesse reifen heran und verschmelzen zu größeren Abszessen. Granulome und Abszesse können nebeneinander bestehen. Bei Immunkompromittierten kann die Infektion zur bazillären Angiomatose oder Peliosis hepatis fortschreiten. Angiogene Zytokine produzierende Immuneffektorzellen scheinen dabei eine pathogenetische Rolle zu spielen.

Klinische Symptome und Verlauf

Die Symptome hängen vom Immunstatus des Patienten ab. Beim Immunkompetenten unterscheidet man zwischen:

  • typischer KKK und

  • atypischer KKK.

Bei der typischen KKK besteht meist eine Anamnese mit Kratz- oder Bissverletzung durch eine Katze oder von Kontakt mit (meist jungen) Katzen. Meist entwickelt sich am Ort der Verletzung nach 3–10 Tagen eine runde, rötlich-braune, wenige Tage bis 3 Wochen persistierende Papel. Nach 1–2 Wochen kommt es zum Anschwellen eines oder mehrerer regionärer Lymphknoten, die binnen 2–3 Wochen bis zu mehreren Zentimetern im Durchmesser groß werden (Abb. 1). Nach weiteren 2–3 Wochen verkleinern sie sich. Rund 15 % der befallenen Lymphknoten abszedieren und entleeren sich. Fieber und Unwohlsein treten bei 30 % der Patienten auf. Die Krankheit dauert höchstens 2–4 Monate.

Abb. 1
figure 1

Bild einer typischen Katzenkratzkrankheit bei einem 11-jährigen Jungen mit unilateraler Lymphadenitis colli. Beachte die ipsilateral und kaudal gelegene Primärläsion

Die atypische KKK wird seltener beobachtet. Mit Verbesserung der Diagnostik ist der Anteil nachgewiesener atypischer KKK von 5 auf 25 % angestiegen. Die meisten Patienten entwickeln schwere systemische Symptome wie über 2 Wochen anhaltendes Fieber, Unwohlsein, Müdigkeit, Myalgien und Arthralgien. Manche Patienten zeigen zudem Hepato- und/oder Splenomegalie, Hauteruptionen und Gewichtsverlust. Leber, Milz und Knochen können mit Abszessen befallen sein. Bei disseminierter KKK ist die periphere Lymphadenopathie nicht obligat.

Das okuloglanduläre Syndrom nach Parinaud – unilaterale Konjunktivitis mit ipsilateraler präaurikulärer Lymphadenopathie – kommt in 4–6 % aller Fälle von KKK vor. Es entwickelt sich meist nach Kontakt mit Katzen und indirekter Inokulation von B. henselae in das Auge. Nach Wochen bis Monaten erfolgt die komplikationslose Heilung.

Neurologische Komplikationen der KKK können wenige Tage bis 2 Monate nach Beginn der Lymphadenitis in Form von Enzephalitis sowie von kranialer und peripherer Neuritis auftreten. Sie werden bei älteren Kindern und Jugendlichen öfter beobachtet als bei jüngeren Kindern. Etwa 50 % dieser Patienten zeigen zerebrale Krämpfe. Neuroradiologische Abklärungen fallen meist normal aus. Im Liquor cerebrospinalis findet man nur in der Minderzahl der Fälle geringe Pleozytose und gering erhöhtes Eiweiß. Die Abheilung erfolgt nach einer bis mehreren Wochen, meist ohne Restfolgen. Optikusneuritis und Retinitis – idiopathische sternförmige Retinopathie – werden seit Einführung der Serodiagnostik häufiger als Komplikation der KKK erkannt. Die Patienten präsentieren sich mehrere Wochen nach Beginn der Lymphadenitis mit schmerzlosem unilateralem Visusverlust. Das Sehvermögen erholt sich spontan innerhalb von Monaten komplett. Seltenere Komplikationen der KKK sind Endokarditis, Fieber unklarer Genese, Erythema nodosum, nichtthrombozytopenische Purpura, Anämie, Pneumonie, Pleuritis und Glomerulonephritis.

Immunkompromittierte können eine kutane bazilläre Angiomatose entwickeln. Dabei handelt es sich um einzelne oder multiple stecknadelkopfgroße rot-livide Papeln, die zu Knötchen oder Tumoren anwachsen können. Sie gleichen Granulomen, Hämangiomen oder dem Kaposi-Sarkom. Histologisch finden sich proliferierende, mit plumpen Endothelzellen ausgekleidete Gefäße sowie Neutrophile mit Debris um eosinophile Aggregate. Die Silberfärbung zeigt Bazillen. Innere Organe können auch betroffen sein. Fieber, Schüttelfrost, Nachtschweiß und Gewichtsverlust dominieren dann die Symptomatik. Die Abgrenzung gegenüber Mykobakterien- und Pilzinfektionen oder Neoplasien ist schwierig. Kommt es zu zystischer Vasoproliferation in der Leber, spricht man von Peliosis hepatis . Die blutgefüllten Räume sind von B. henselae enthaltendem fibromyxoidem Stroma umgeben. Simultane kutane bazilläre Angiomatose muss nicht bestehen. Die Infektion mit B. henselae kann sich bei Immunkompromittierten ebenfalls als Fieber unklarer Ätiologie oder Endokarditis manifestieren.

In der Übersicht sind die beschriebenen Krankheitsbilder noch einmal zusammengefasst.

Durch Bartonella henselae verursachte Krankheitsbilder

Immunkompetenter Wirt:

  • Typische KKK: regionäre Lymphadenitis

  • Atypische KKK: Enzephalitis, Myelitis, Neuritis, Parinaud-Syndrom, Optikusneuritis, Retinitis, granulomatöse Hepatitis, Leber- /Milzabzesse, Pneumonie, Pleuritis, Osteitis, Osteolyse, unklares Fieber, Endokarditis

Immunkompromittierter Wirt:

  • Bazilläre Angiomatose, Peliosis hepatis, rezidivierende Bakteriämie mit Fieber, Endokarditis

Diagnose und Differenzialdiagnose

Während die Diagnose der typischen KKK klinisch mit großer Sicherheit gestellt werden kann, sind bei atypischer KKK, insbesondere bei fehlender peripherer Lymphadenopathie , die Verdachtsmomente gering. Pathologische Veränderungen des Blutbildes oder des Liquor cerebrospinalis (bei neurologischen Komplikationen) werden nur in der Minderheit der Fälle beobachtet. Der Befall von inneren Organen und Knochen wird mit bildgebenden Verfahren erfasst. Gesichert wird die Diagnose durch den Nachweis spezifischer Antikörper (IgM in der Frühphase) gegen B. henselae. Obwohl je nach Methode Sensitivität und Spezifität variieren, erlaubt die Serodiagnostik oft den Verzicht auf invasive Diagnostik mit Biopsien.

Differenzialdiagnostisch müssen bei der typischen KKK Lymphadenopathien anderer infektiöser oder neoplastischer Genese in Betracht gezogen werden. Bei der atypischen KKK ist die Differenzierung gegenüber anderen systemischen bakteriellen oder viralen Infektionen notwendig. Blutkulturen können bei Verwendung korrekter Medien und Bebrütung zum Nachweis von B. henselae führen. Die Anzüchtung des Erregers kann eine bis mehrere Wochen dauern. Im befallenen Gewebe können die Bakterien mittels Silberfärbung oder Polymerasekettenreaktion nachgewiesen werden.

Therapie

Sowohl die typische wie auch die atypische KKK heilen meist spontan. Azithromycin (10 mg/kg KG am 1. Tag, 5 mg/kg KG am 2.–5. Tag) bedingt innerhalb 30 Tagen nach Therapiebeginn, jedoch nicht darüber hinaus, eine raschere Reduktion des Volumens befallener Lymphknoten. Eine antibiotische Therapie ist einzig bei Endokarditis und bei immunkompromittierten Patienten indiziert. Alle Bartonellen-Stämme sind in vitro hoch empfindlich auf eine ganze Reihe von Antibiotika. Aminoglykoside wirken als einzige bakterizid, wobei Gentamicin am wirksamsten ist. Bei Immunkompromittierten haben sich Makrolide und Tetrazykline über mindestens 2–3 Monate am besten bewährt.

Prognose

Trotz möglicherweise dramatischem Verlauf ist die Prognose aller Formen der KKK gut. Sie heilen bei fast allen Immunkompetenten ohne spezifische Therapie und bei Immunkompromittierten nach Antibiotikatherapie.

5 Andere Bartonellosen

Neben der Katzenkratzkrankheit (KKK) gibt es 3 weitere Bartonellosen, von denen in Europa neben der KKK nur die durch B. quintana verursachte vorkommt (Tab. 2). Allen gemeinsam ist die enge Assoziation zu Erythrozyten und zu Endothelien. Interessant ist, dass B. quintana, B. henselae und B. elizabethae häufig bei HIV-Infizierten, Obdachlosen oder Alkoholikern gefunden werden. Bei diesen verursachen die Bakterien schwere chronische Endokarditiden mit Zerstörung der Klappen. Bei HIV-Infizierten ist eine ZNS-Beteiligung mit B. henselae oder/und B. quintana bekannt .

Tab. 2 Epidemiologie und klinische Manifestationen humanpathogener Bartonellen. (Mod. nach Maurin et al. 1997)

6 Coxiella burnetti:Q-Fieber

Definition

Das Q-Fieber wird verursacht durch einen obligat intrazellulären Erreger (Coxiella burnetii), der beim Menschen meist subklinische Verläufe, gelegentlich auch eine akute, hoch fieberhafte, grippeähnliche und selten eine chronische Krankheit (meist eine „kulturnegative Endokarditis“) hervorruft. Der Erreger wird als potentielles Bioterrorismus-Agens der Kategorie B eingestuft.

Epidemiologie und Ätiologie

Das Q-Fieber ist eine weltweit (Ausnahme: Neuseeland) vorkommende Zoonose. Neben Haustieren, in erster Linie Rindern, Schafen und Ziegen, aber auch Hunden, können Nager, Fische, Vögel und Zecken – meist asymptomatisch – infiziert sein. Höchste Keimzahlen werden in Plazentagewebe erreicht (bis 1012 Erreger/g). Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch Inhalation kontagiösen Staubs, Ingestion nicht pasteurisierter Milch oder selten durch direkten Kontakt, z. B. über eine Hautwunde oder einen Zeckenstich. In Einzelfällen sind vertikale Übertragungen (transplazentar bzw. Muttermilch) beschrieben, die zu einem Abort, Totgeburt oder einer Frühgeburt führen können. Auch eine Übertragung durch Geschlechtsverkehr scheint möglich zu sein.

In Deutschland werden jährlich etwa 20–100 Fälle gemeldet, es treten regelmäßige lokale Kleinepidemien auf. Die Inzidenz der Erkrankung ist in Deutschland im letzten Jahrzehnt angestiegen (0,4–0,5 Fälle auf 100.000 Bewohner in 2010). Serologisch lassen sich bei 7–30 % der Deutschen Antikörper gegen Coxiella burnetii nachweisen. Erkrankungsfälle im Kindesalter sind selten, am ehesten sind beruflich exponierte Erwachsene betroffen.

Mikrobiologie

Coxiella burnetii ist ein pleomorphes, unbewegliches, gramnegatives Bakterium der γ-Untergruppe der Proteobakterien (nicht mehr Rickettsien aufgrund der 16S rDNA-Struktur). Es besteht eine Verwandtschaft zu Legionellen und Francisella spp.. Coxiella burnetii zeigt einen Tropismus für Monozyten/Makrophagen und vermehrt sich obligat intrazellulär innerhalb von Phagolysosomen bei einem pH von 4,5. Serologisch, morphologisch und biochemisch ist eine Lipopolysaccharid-Phasenvariation nachweisbar. Phase-I- und Phase-II-Antigene korrelieren mit chronischer bzw. akuter Krankheit. Morphologisch lassen sich eine „small cell variant“ und eine „large cell variant“ unterscheiden, letztere nur in Phase II. Eine endosporenähnliche Struktur wird für die extreme Resistenz gegen physikalische Umwelteinflüsse verantwortlich gemacht.

Pathogenese

Die Erreger werden inhaliert, vermehren sich in der Lunge und gelangen dann im Rahmen einer Bakteriämie in verschiedene Organe. Die Variabilität der klinischen Symptomatik lässt sich durch unterschiedliche Inokula, Erregervirulenz und Wirtseigenschaften erklären.

Klinische Symptome und Verlauf

Die Mehrzahl der Infektionen – vor allem im Kindesalter – bleibt asymptomatisch. Die Inkubationszeit beträgt 2–3 Wochen. Die Krankheit kann sich mit sehr wenigen Symptomen manifestieren, aber auch als akut beginnende, hoch fieberhafte „grippale Infektion“ mit schwerer Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, starken Kopfschmerzen (vor allem retrobulbär), Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Ein Exanthem fehlt normalerweise, ist aber, wenn es auftritt, bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen zu finden. Eine Pneumonie ist die häufigste Organmanifestation (vor allem bei Erwachsenen oder Immunsupprimierten), gefolgt von Hepatitis und Meningoenzephalitis. Selten sind Perikarditis, Myokarditis, Orchitis, Erythema nodosum, Lymphadenitis, hämolytische Anämie und Panzytopenie. Die akute Krankheit ist selbstlimitierend und dauert 1–2, selten bis zu 4 Wochen. Eine verlängerte Rekonvaleszenz ist häufig und kann bis zu einem Jahr andauern.

Vor allem bei Patienten mit einer Grunderkrankung – Malignome, chronische Niereninsuffizienz, Kortisontherapie, Schwangerschaft – können die Erreger persistieren und noch nach Jahren zum chronischen Q-Fieber führen. Die zuvor stattgehabte Primärinfektion ist in der Regel asymptomatisch verlaufen oder aufgrund einer unspezifischen Klinik nicht als Q-Fieber-Primärinfektion diagnostiziert worden. Die häufigste Manifestation ist die Endokarditis, vor allem bei vorbestehendem Klappendefekt. Vegetationen sind nur gering ausgeprägt und daher sonografisch schwer nachweisbar. Das Leitsymptom sind subfebrile Temperaturen. Zweithäufigste Organmanifestation im Kindesalter ist eine chronische, evtl. multifokale Osteomyelitis. Im Erwachsenenalter treten noch Vaskulitis und granulomatöse Hepatitis auf.

Diagnose

Der anamnestische Hinweis auf Tierkontakte (vor allem mit schwangeren und neugeborenen Schafen, Ziegen und Kühen) ist wegweisend für die Diagnose. Diese Diagnose wird serologisch mittels IFT oder ELISA gesichert, die beide sowohl spezifische IgM- als auch IgG-Antikörper erfassen, aber erst ab der 2. Krankheitswoche nachweisbar werden. Die Immunfluoreszenz gilt als der Goldstandard:

  • IgM-Titer ≥50 oder IgG-Titer ≥200 gegen das Phase-II-Antigen sprechen für eine akute Infektion (positiver Vorhersagewert 100 %)

  • IgG-Titer ≥800 gegen das Phase-I-Antigen für eine chronische Infektion (positiver Vorhersagewert 98 %)

Die KBR ist zwar hoch spezifisch, aber wenig sensitiv, nur ein 4-facher Titeranstieg ist beweisend. Kreuzreaktionen mit Bartonellen, Brucellen, Ehrlichia spp., Legionellen und Leptospiren kommen vor. In den ersten 2 Wochen der Infektion – bei noch negativer Serologie – hilft eine RT-PCR aus Serum in der Diagnosestellung, nach der 4. Woche ist die PCR regelmäßig negativ. Im Gewebe lässt sich Coxiella-Antigen mittels direktem IFT oder PCR nachweisen. Die Erregeranzüchtung auf Zellkulturen oder in Hühnerembryonen ist wegen der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen Speziallaboratorien vorbehalten.

Therapie

Doxycyclin (2–4 mg/kg KG in 2 ED für 2–3 Wochen) gilt als Mittel der Wahl bei akutem Q-Fieber. Alternativ werden neuere Fluoroquinolone, vor allem bei ZNS-Befall, wegen der besseren Liquorgängigkeit empfohlen. Im Kindesalter unterhalb des 8. Lebensjahres sind Cotrimoxazol oder neuere Makrolide empfohlen. Bei Endokarditis oder Herzklappenfehlern werden eine Therapiedauer von 1 Jahr und die Hinzunahme von Hydroxychloroquin empfohlen, um den pH in den Phagolysosomen anzuheben und die Antibiotikawirksamkeit zu erhöhen. Klinische und serologische Nachuntersuchungen erfolgen alle 3–6 Monate, um chronische Verläufe rechtzeitig zu erfassen. Chronisches Q-Fieber sollte wenigstens für 1,5–3 Jahre mit Doxycyclin unter Hinzunahme von Hydroxychloroquin unter Spiegelkontrollen behandelt werden. Im Rahmen der mindestens 3-monatlichen Kontrolluntersuchungen gelten abfallende Titer (IgG-Titer gegen Phase-I-Antigen <400 bzw. negativ werdende IgA-Titer) als Hinweis für eine Heilung.

Ein operativer Klappenersatz ist nur bei hämodynamischen Problemen indiziert, da die Erreger häufig auch im Gewebe außerhalb der Klappe sitzen und somit chirurgisch nicht zu eliminieren sind.

Prophylaxe

Ein praktikabler, sicherer Schutz vor Übertragung durch Aerosole existiert nicht. Der Umgang mit potenziell infektiösen Tieren kann gemieden werden, Milch sollte nur nach Pasteurisation konsumiert werden. Eine Isolierung von Patienten ist nicht notwendig. Nach dem Infektionsschutzgesetz ist der Nachweis von Coxiella burnetii durch Labore meldepflichtig. In Australien existiert ein gut wirksamer Totimpfstoff, der bei beruflich exponierten Personen eingesetzt wird.

7 Rickettsiosen

Definition

Rickettsiosen sind meist durch Arthropoden und nur selten aerogen oder durch Bluttransfusion übertragene bakterielle Krankheiten des Menschen .

Epidemiologie

Rickettsia prowazekii wird durch Läuse, R. akari durch Milben, R. typhi und R. felis durch Flöhe, die restlichen Rickettsien werden durch Zecken übertragen. Die Arthropoden scheiden die Bakterien mit dem Speichel oder den Fäzes aus. Der Mensch spielt im natürlichen Zyklus der Rickettsien außer für R. prowazekii nur eine sekundäre Rolle. Die geografische Verbreitung der einzelnen Erreger ist in Tab. 3 aufgelistet .

Tab. 3 Synopsis der Rickettsiosen und der früher den Rickettsiosen zugeordneten Krankheiten

Ätiologie

Bisher wurden 14 Serotypen von Rickettsien beim Menschen isoliert (Tab. 3). Das durch Coxiella burnetii verursachte Q-Fieber, das durch Bartonella quintana bedingte Grabenfieber und das durch Orientia tsutsugamushi induzierte japanische Fleckfieber werden nicht mehr den Rickettsiosen zugeordnet.

Pathogenese

Im Wirt vermehren sich die Rickettsien vorwiegend in den Endothelzellen der Gefäße. Dabei gehen die Endothelzellen zugrunde. Die Erreger gelangen schubweise in die Blutbahn.

Klinische Symptome und Verlauf

Die Krankheitsbilder der verschiedenen Rickettsiosen sind in Tab. 3 zusammengefasst. Das typische klinische Bild besteht in hohem Fieber (39,5–40 °C), Kopfschmerzen und Exanthem. Die Krankheit verläuft leicht oder schwer und dauert rund 2–3 Wochen. Komplikationen wie Pneumonie, Meningitis, Sepsis und Myokarditis sind selten.

Diagnose und Differenzialdiagnose

Serologische Untersuchungen sind die einfachste Methode zur Sicherung der aufgrund von Anamnese und Klinik gestellten Verdachtsdiagnose. Der Weil-Felix-Test war der erste Test. Er beruht auf serologischen Kreuzreaktionen mit 3 Proteusbakterienspezies. Da Sensitivität und Spezifität des Tests ungenügend sind, wurde er zugunsten von Mikroimmunfluoreszenz- oder Enzymimmunadsorbenttests verlassen. Diese werden von Speziallaboratorien angeboten, die auch über die Grenzen dieser Diagnostik Auskunft geben können. Man kann versuchen, in Hautbiopsien oder zirkulierenden Epithelzellen die Rickettsien mittels Immunfluoreszenz, Polymerasekettenreaktion oder kulturell nachzuweisen. Eine vorherige Absprache mit dem Speziallabor ist zu empfehlen.

Therapie

Die Therapie der Wahl für alle Rickettsien-Infektionen bei Kindern über 8 Jahren sind Tetrazykline (40 mg/kg KG/Tag in 4 ED) oder Doxycyclin (2-mal 100 mg/Tag) für 10–14 Tage. Bei jüngeren Kindern werden Chloramphenicol (50–75 mg/kg KG/Tag in 4 ED) oder neuere Makrolide wie Azithromycin oder Clarithromycin empfohlen. Eine Alternative bietet Ciprofloxacin (15 mg/kg KG/Tag in 2 ED).

Prophylaxe

Impfungen gibt es noch keine. Deshalb muss der Kontakt mit Arthropoden durch schützende Kleidung und Benutzung von Insektenvertreibungsmittel bzw. Entlausung vermieden werden.

8 Spirochäten-Infektionen

8.1 Definition

Spirochäten sind Bakterien der Ordnung Spirochaetales . Spiralige Morphologie, Beweglichkeit und hohe Ansprüche an das Kultivierungsmedium sind besondere Kennzeichen dieser Bakterien, die sich zum Teil ausschließlich im tierischen oder menschlichen Organismus vermehren. Humanpathogene Relevanz haben insbesondere Bakterien der Familie Spirochaetaceae mit den Gattungen Borrelia und Treponema sowie der Familie Leptospiraceae mit der Gattung Leptospira. In der Pädiatrie besitzt die Lyme-Borreliose die größte Bedeutung unter den durch Spirochäten verursachten Krankheitsbildern. Nur vereinzelt ist momentan in Westeuropa mit Rückfallfieber, verursacht durch andere Borrelien, angeborener Syphilis durch Treponema pallidum (Kap. Pränatale Infektionen) oder Leptospirose zu rechnen.

8.2 Lyme-Borreliose

Definition

Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit des Menschen und wird durch Borrelia burgdorferi sensu lato verursacht. Die Erstbeschreibung als nosologische Entität erfolgte 1977 in der Ortschaft Lyme/Connecticut in den USA. Als Erreger wurde 1982 eine Spirochäte identifiziert und nach dem Entdecker, Willi Burgdorfer, benannt. Klinische Symptomatik und Verlauf der Lyme-Borreliose entsprechen einer Infektionskrankheit mit multipler Organmanifestation, die überwiegend die Haut und – deutlicher seltener – das Nervensystem und die Gelenke betrifft. Die Infektion ist einer kausalen antibiotischen Therapie zugänglich. Im Kindesalter ist die Lyme-Borreliose eine Krankheit mit meist akutem Verlauf und guter Prognose.

Epidemiologie

In Mitteleuropa ist die Zecke Ixodes ricinus (Holzbock) der Vektor von Borrelia burgdorferi. Die Entwicklung von Ixodes ricinus vollzieht sich über 1–2 Jahre in 3 Phasen (Larve-Nymphe-Imago), die jeweils mit einer Blutmahlzeit verbunden ist. Als Erregerreservoir von B. burgdorferi gelten Nager, Wild, Vögel, Igel und Haustiere. Die Zecke bevorzugt als Lebensraum eine feuchte Umgebung. Ihre Stechaktivität ist an eine ausreichend hohe Luftfeuchtigkeit und Temperatur gebunden (bimodale saisonale Stechaktivität im Frühjahr und Herbst). Die Verbreitung von B. burgdorferi entspricht in Europa dem geografischen Lebensraum von Ixodes ricinus. Die Zecken halten sich im hohen Gras und niedrigen Gebüsch auf. Prädilektionsstelle für Zeckenstiche ist bei Kindern die Kopf-Hals-Region einschließlich der behaarten Kopfhaut. Das Infektionsrisiko mit B. burgdorferi korreliert mit der Dauer des Saugakts der Zecke und steigt ab einer Haftzeit von mehr als 24 h deutlich an. Aufgrund anästhesierender Eigenschaften des Zeckenspeichels wird der Zeckenstich häufig nicht oder erst spät bemerkt.

In Relation zur Häufigkeit von Zeckenstichen ist die Lyme-Borreliose eine seltene Krankheit. In einem Hochendemiegebiet in Südschweden wurde für alle Manifestationen ein Wert von 69 Krankheitsfällen/100.000 Einwohner/Jahr ermittelt. Die Inzidenz für die Neuroborreliose bei Kindern betrug in Südniedersachsen 5,8/100.000 Kinder im Alter von 1–13 Jahren.

Die Durchseuchung der Zecken mit B. burgdorferi ist regional unterschiedlich und beträgt in Mitteleuropa bis zu 30 %. Die Infektionsrate (Serokonversion) nach dem Stich einer infizierten Zecke wird auf 10 % geschätzt. Die Prävalenz von Antikörpern gegen B. burgdorferi bei Kindern steigt ab dem 6. Lebensjahr an und beträgt im Schulalter ungefähr 5 %. Mit einer klinischen Manifestation muss lediglich nach ca. 1 % der Zeckenstiche gerechnet werden.

In der jahreszeitlichen Verteilung der Lyme-Borreliose besteht eine saisonale Häufung im Frühsommer und Herbst für die dermatologischen Manifestationen (Erythema migrans, Borrelien-Lymphozytom) und die akute Neuroborreliose. Das Auftreten der Lyme-Arthritis ist nicht jahreszeitlich gebunden.

Ätiologie

Der Erreger, B. burgdorferi sensu lato, wird in Europa molekulargenetisch in folgende humanpathogene Genospezies unterteilt: B. burgdorferi sensu stricto, B. garinii, B. afzelii, B. spielmanii und B. bavariensis, während in Nordamerika bisher nur B. burgdorferi sensu stricto gefunden wurde.

Eine Krankheitsspezifität besteht nur für die Acrodermatitis chronica atrophicans , die offenbar ausschließlich durch B. afzelii verursacht wird. Dagegen sind bei den anderen dermatologischen Manifestationen ebenso wie bei der Neuroborreliose und der Lyme-Arthritis alle humanpathogenen Spezies nachweisbar.

Pathogenese

Die Inokulation des Erregers erfolgt durch den Zeckenstich über die Haut und induziert eine lokale Entzündungsreaktion u. a. mit Makrophagen und Monozyten. Eine hämatogene Disseminierung mit multiplem Organbefall kann folgen. Bei der Neuroborreliose besteht ein klarer topografischer Zusammenhang zwischen der Lokalisation des Zeckenstichs und der nachfolgenden neurologischen Symptomatik. So manifestiert sich die Fazialisparese in der Regel ipsilateral auf der Seite eines vorausgegangenen Zeckenstichs im Kopf-Hals-Bereich. Neben einem hämatogenen Infektionsmodus wird deshalb bei der Neuroborreliose auch eine lokale Erregerinvasion postuliert, die initial eine periphere Neuritis verursacht und sekundär retrograd zu einer Meningoradikulitis führt. Borrelia burgdorferi weist eine hohe Affinität zu den Endothelzellen auf, so dass die bakteriämischen Phasen kurz sind. Die entzündlichen Organveränderungen sind durch eine Perivaskulitis charakterisiert. Chronische Verläufe, wie die Acrodermatitis chronica atrophicans, lassen sich möglicherweise durch eine verminderte Expression von HLA-Klasse-II-Molekülen auf infizierten Zellen erklären, die somit der Immunabwehr entgehen. Bei therapierefraktären Verläufen der Lyme-Arthritis finden sich Hinweise auf autoaggressive T-Zell-Aktivitäten.

Klinische Symptome und Verlauf

In der Systematik der vielfältigen Manifestationen der Lyme-Borreliose wird zwischen einem frühen und einem späten Krankheitsstadium – mit allerdings fließenden Übergängen – differenziert (Tab. 4). Symptome der Haut, des Nervensystems und der Gelenke prägen das klinische Spektrum der Lyme-Borreliose und können in jedem Stadium vorkommen. Dermatologische Manifestationen, insbesondere das Erythema migrans , sind am häufigsten, sie treten bei ungefähr 90 % der Krankheitsfälle auf. Der Anteil der neurologischen Symptome und der Gelenkmanifestationen beträgt jeweils ungefähr 5 %. Der Verlauf ist variabel, meist beschränkt sich die Erkrankung jedoch auf ein Organsystem. So wird eine Neuroborreliose nicht selten ohne vorausgegangene dermatologische Frühsymptome beobachtet.

Tab. 4 Klinische Systematik der Lyme-Borreliose

Erythema migrans

Das Erythema migrans ist das lokale Leitsymptom der Lyme-Borreliose im Frühstadium. Mit einer Latenz von 1–3 Wochen entwickelt sich diese Effloreszenz an der Zeckenstichstelle, breitet sich zentrifugal aus und zeigt dann eine zentrale Abblassung oder eine livide Verfärbung (Abb. 2). Das Erythema migrans geht nur selten mit Allgemeinsymptomen wie Fieber oder Kopfschmerzen einher. Eine Spontanremission ist häufig, aber Rezidive an gleicher Stelle oder anderen Körperregionen werden beobachtet.

Abb. 2
figure 2

Erythema migrans

Borrelien-Lymphozytom

Das Borrelien-Lymphozytom wird bevorzugt bei Kindern und Jugendlichen beobachtet, ist jedoch wesentlich seltener als das Erythema migrans. Es handelt sich um solitäre Tumoren der Haut mit Prädilektion des Ohrläppchens, der Mamillen und des Skrotums. Die Effloreszenz imponiert mit einer Rötung und einer derben Infiltration (Abb. 3), der histopathologisch eine gutartige lymphoretikuläre Gewebsproliferation zugrunde liegt. Im Unterschied zum Erythema migrans persistiert das Lymphozytom häufig über Wochen und Monate.

Abb. 3
figure 3

Borrelien-Lymphozytom

Acrodermatitis chronica atrophicans

Die Acrodermatitis chronica atrophicans wurde bei Kindern bislang nur kasuistisch beschrieben. Sie wird dem Spätstadium der Lyme-Borreliose zugerechnet und manifestiert sich nach einer langen Inkubationszeit von Monaten bis Jahren ausschließlich nach Infektion mit B. afzelii. Prädilektionsstellen sind die Akren und die Haut über den großen Gelenken. Nach einer initialen akut-entzündlichen Hautveränderung entwickelt sich eine Atrophie der Epidermis (gefältetes Zigarettenpapier).

Neuroborreliose

Die akute periphere Fazialisparese und die lymphozytäre Meningitis prägen mit einem Anteil von über 80 % der Krankheitsfälle das klinische Spektrum der Neuroborreliose im Kindesalter (Abb. 4). Die Lyme-Borreliose ist die häufigste Ursache der akuten peripheren Fazialisparese bei Kindern. In den Sommer- und Herbstmonaten ist jeder 2. Fall dieser Krankheit auf eine Infektion mit B. burgdorferi zurückzuführen. In der Mehrzahl der Fälle manifestiert sich die Fazialisparese monosymptomatisch ohne meningitische Zeichen, obwohl fast immer eine Pleozytose im Liquor nachweisbar ist. Eine bilaterale Fazialisparese, die sich konsekutiv mit mehrtägigem Intervall manifestiert, gilt als spezifischer Befund einer Neuroborreliose , ist insgesamt jedoch selten.

Abb. 4
figure 4

Klinisches Spektrum der Neuroborreliose im Kindesalter; n = 169. (Aus: Christen et al. 1993)

Die Borrelien-Meningitis ist mit einem Anteil von ungefähr 25 % die zweithäufigste Manifestation der Neuroborreliose im Kindesalter. Neben Enterovirus-Infektionen ist die Lyme-Borreliose die häufigste verifizierbare Ursache der lymphozytären Meningitis im Kindesalter. Weder anamnestisch noch anhand des klinischen Befundes ist die Borrelien-Meningitis im Einzelfall von der lymphozytären Meningitis viraler Genese zuverlässig zu unterscheiden. Neben der überwiegend akuten Manifestation der Borrelien-Meningitis ist auch eine protrahierte Verlaufsform mit unspezifischen Beschwerden möglich, die im älteren Schrifttum als subakut-chronische lymphozytäre Meningitis bekannt ist. Bei diesen Patienten imponieren ein beeinträchtigtes Allgemeinbefinden, eine Inappetenz mit der Folge einer deutlichen Gewichtsabnahme und rezidivierende Kopfschmerzen mit über Wochen fluktuierender Ausprägung. Fakultativ kann dieses Krankheitsbild auch mit einer Stauungspapille, Abduzensparese und/oder deutlichen Liquordruckerhöhung (>20 cm Wassersäule) einhergehen, so dass die Lyme-Borreliose eine wichtige Differenzialdiagnose beim Pseudotumor cerebri darstellt.

Die lymphozytäre Meningoradikuloneuritis mit Beteiligung des peripheren Nervensystems (Bannwarth-Syndrom), die die typische Manifestation der Neuroborreliose bei Erwachsenen darstellt, wird bei Kindern nur vereinzelt beobachtet. Dieses Krankheitsbild ist durch radikuläre Schmerzen charakterisiert und manifestiert sich bei Kindern nicht selten mit Bauchschmerzen, Rückenschmerzen oder einer monosymptomatischen Strecksteife der Wirbelsäule. Weitere, jedoch seltene Manifestationen einer Neuroborreliose sind isolierte Hirnnervenausfälle (vor allem Okulomotorius-, Trochlearis- und Abduzensparese, Vestibularisaffektion), fokale Enzephalitis, akute Ataxie, akute Querschnittmyelitis und Guillain-Barré-Syndrom. Dem Spätstadium einer Neuroborreliose im Kindesalter sind seltene zerebrovaskuläre Verlaufsformen zuzuordnen, die sich mit einer akuten Hemiparese manifestieren können.

Lyme-Arthritis

Die Systematik der Gelenkmanifestationen der Lyme-Borreliose unterscheidet zwischen Arthralgie, akuter Arthritis und chronischer Arthritis. Intermittierende Arthralgien wechselnder Lokalisation mit Beteiligung gelenknaher Strukturen sind im frühen Stadium der Lyme-Borreliose häufig. Die eigentliche Lyme-Arthritis besteht in einer Monarthritis oder Oligoarthritis mit intermittierender Manifestation. Sie betrifft am häufigsten die großen Gelenke, bevorzugt das Kniegelenk. Klinisch stehen Gelenkschwellung und Ergussbildung im Vordergrund, während schmerzhafte Bewegungseinschränkungen eher gering ausgeprägt sind. Der Verlauf ist häufig monophasisch. Die Arthritis sistiert nach 1–2 Wochen, kann aber nach Monaten rezidivieren. Der Übergang in eine chronische Arthritis wird bei ungefähr 10 % der Patienten beschrieben. In diesen Fällen können sich irreversible Gelenkveränderungen mit destruktiven Erosionen und funktionellen Defiziten ausbilden. Die relative Häufigkeit der Lyme-Borreliose als Ursache der Arthritis im Kindesalter ist in Europa gering und wird mit 3–5 % angegeben.

Seltene Manifestationen der Lyme-Borreliose

Kardiale Manifestationen der Lyme-Borreliose sind sehr selten. Die Lyme-Karditis manifestiert sich am häufigsten mit Herzrhythmusstörungen, typischerweise einer atrioventrikulären Reizleitungsstörung mit rasch wechselnder Ausprägung. Auch eine Myokarditis und ein Perikarderguss werden als Komplikationen berichtet. Klinisch kann sich die Lyme-Karditis in unspezifischen Allgemeinsymptomen, synkopalen Anfällen, Schwindelgefühlen und Palpitationen äußern.

Ophthalmologische Manifestationen der Lyme-Borreliose, die kasuistisch mitgeteilt wurden, sind Chorioretinitis, Uveitis, Papillitis und Optikusneuritis.

Diagnose

Die Diagnose einer Lyme-Borreliose basiert auf anamnestischen Daten, klinischen Befunden und dem Nachweis spezifischer Antikörper gegen B. burgdorferi. Anamnestische Hinweise auf einen Zeckenstich oder – bei Manifestation im fortgeschrittenen Stadium der Lyme-Borreliose – ein Erythema migrans stützen die Diagnose einer Lyme-Borreliose. Eine diesbezüglich negative Anamnese besteht jedoch bei mindestens der Hälfte der Patienten und schließt eine Lyme-Borreliose nicht aus. Die dermatologischen Symptome einer Lyme-Borreliose sind charakteristisch und erlauben in der Regel eine klinische Diagnose. Beim Erythema migrans und beim Borrelien-Lymphozytom ist die Untersuchung auf spezifische Antikörper von geringer differenzialdiagnostischer Bedeutung, da sie bei der Hälfte der Patienten negative Befunde ergibt. Im Unterschied zu den dermatologischen Manifestationen sind die neurologischen Symptome einer Lyme-Borreliose und auch die Gelenkmanifestationen unspezifisch, so dass hier die erregerspezifische Diagnostik entscheidende Bedeutung besitzt.

Wegen der geringen Keimzahl im Untersuchungsmaterial (Blut, Liquor, Gelenkpunktat, Hautbiopsat) und der langen Generationszeit von B. burgdorferi (12–18 h) eignet sich weder der Direktnachweis (dies gilt nicht nur für die Mikroskopie, sondern auch für die PCR) noch die Kultivierung des Erregers für die Routinediagnostik. Diese Methoden sollten begründeten Einzelfällen vorbehalten bleiben. Die Labordiagnose basiert in erster Linie auf dem Nachweis spezifischer IgM- und IgG-Antikörper gegen B. burgdorferi im Blut mittels Enzymimmunoassays. Positive und grenzwertige Befunde erfordern eine Bestätigung mittels Western-Blot-Untersuchung. Falsch-positive Befunde sind vornehmlich bei akuten Epstein-Barr- und Varicella-Zoster-Virus-Infektionen sowie durch Rheumafaktoren möglich. Da die serologischen Methoden in der Antikörperdiagnostik der Lyme-Borreliose nicht standardisiert sind, kann ein Vergleich der Befunde unterschiedlicher Laboratorien diskrepante Ergebnisse zeigen.

Die Interpretation der Befunde wird durch die hohe Prävalenz von Antikörpern gegen B. burgdorferi in der Bevölkerung zusätzlich erschwert. Ein positiver Antikörperbefund im Blut kann Ausdruck einer früheren asymptomatischen Infektion ohne Krankheitswert sein. Für die Diagnose einer Neuroborreliose gilt der Nachweis spezifischer Antikörper im Liquor mit autochthoner Synthese im ZNS als diagnostischer Goldstandard. Aktuell verfügbare Enzymimmunoassays sind jedoch mit dem Problem geringer Sensitivität für den Antikörpernachweis im Liquor behaftet, so dass dieses diagnostische Kriterium nicht selten unerfüllt bleibt. So ist in vielen Fällen nur der Antikörpernachweis im Serum gegeben Dies gilt insbesondere bei kurzem Intervall von wenigen Tagen zwischen Manifestation der neurologischen Symptomatik und der Liquoruntersuchung.

Der Titerverlauf der spezifischen Antikörper erlaubt keinen Rückschluss auf die Infektionsaktivität oder die Effektivität der antibiotischen Therapie. Nicht nur IgG-, sondern auch IgM-Antikörper im Serum als auch im Liquor können nach einer effektiven antibiotischen Therapie über Monate bis Jahre persistieren. Aus diesem Grund ist eine Verlaufsuntersuchung der Antikörper nach Abschluss der Therapie einer Neuroborreliose weder im Serum noch im Liquor erforderlich, sofern die Patienten beschwerdefrei sind. Als unspezifischer Verlaufsparameter einer Neuroborreliose scheint sich gemäß aktuellen Studien das Chemokin CXCL13 im Liquor zu eignen.

Neben den spezifischen Antikörperbefunden ist bei der Neuroborreliose der Liquorbefund diagnostisch wegweisend. Entzündliche Liquorveränderungen (lymphozytäre Liquorpleozytose, Störung der Blut-Liquor-Schranke und intrathekale IgM-Synthese) sind mit nur wenigen Ausnahmen ein obligater Befund, so dass dies in der Routinediagnostik eine conditio sine qua non für die Diagnose einer Neuroborreliose darstellt und als Plausibilitätskriterium genutzt werden kann. Dies gilt auch für jene Krankheitsfälle mit Fazialisparese, bei denen jegliche klinische Hinweise auf eine Meningitis fehlen. Obwohl nur ein Viertel der Kinder mit Fazialisparese infolge einer Borrelien-Infektion meningitische Begleitsymptome bietet, sind fast ausnahmslos entzündliche Liquorveränderungen nachzuweisen. Bei Nachweis einer Liquorpleozytose ist eine Lyme-Borreliose bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen. Dagegen ist bei der lymphozytären Meningitis ohne Fazialisparese eine Abgrenzung z. B. gegen eine virale Meningitis nur durch den spezifischen Nachweis von Antikörpern gegen B. burgdorferi in Serum und Liquor möglich. Diese Untersuchung zählt deshalb zur Routinediagnostik bei der lymphozytären Meningitis im Kindesalter, um die Möglichkeit einer gezielten antibiotischen Therapie zu wahren.

Der serologische Befund bei der Lyme-Arthritis zeichnet sich durch in der Regel sehr hohe spezifische IgG-Antikörper-Titer aus.

Differenzialdiagnose

Beim Erythema migrans besteht die Möglichkeit der Verwechslung mit Granuloma anulare, Hautmykosen mit anulären Effloreszenzen, Erysipel, Dermatomyositis und Lupus erythematodes. Abzugrenzen ist ferner eine mögliche lokale Reaktion der Haut auf den Zecken- oder Insektenstich, die jedoch im Unterschied zum Erythema migrans innerhalb der ersten 48 h auftritt und selten die Größe eines 1-Euro-Stücks überschreitet. Ein Fremdkörpergranulom bei in situ verbliebenem Zeckenkopf kann ein Borrelien-Lymphozytom imitieren.

Die Lyme-Arthritis betrifft vor allem große Gelenke, insbesondere das Kniegelenk, und lässt sich deshalb insbesondere in der Frühphase schwer von der oligoartikulären Manifestation der juvenilen idiopathischen Arthritis abgrenzen.

Therapie und Prognose

Die Prognose einer Lyme-Borreliose ist umso günstiger, je frühzeitiger die antibiotische Therapie begonnen wird. In-vitro- und In-vivo-Studien belegen eine gute antimikrobielle Wirksamkeit gegen B. burgdorferi für Doxycyclin, Cefotaxim, Ceftriaxon, Penicillin, Amoxycillin und Azithromycin.

Für die Behandlung des Erythema migrans und des Borrelien-Lymphozytoms hat sich die orale Therapie mit Amoxycillin, Cefuroxim oder – bei Kindern über 8 Jahren – mit Doxycyclin für die Dauer von 14 Tagen bewährt (zur Dosierung Kap. Antimikrobielle Therapie bei Kindern und Jugendlichen). Eine Persistenz oder Rezidive dieser dermatologischen Manifestationen sind möglich und können einen zweiten Behandlungszyklus erfordern.

Bei der Neuroborreliose ist eine parenterale antibiotische Therapie indiziert. Dies gilt auch für die monosymptomatische akute periphere Fazialisparese. Penicillin G und Cephalosporine der 3. Generation für eine Dauer von 14 Tagen haben sich in der klinischen Praxis als gleichwertig bewährt und führen zu einer raschen Remission der meningealen und radikulären Schmerzsymptomatik innerhalb weniger Tage (zur Dosierung Kap. Antimikrobielle Therapie bei Kindern und Jugendlichen). Das häufigste Symptom, die Fazialisparese, kann dagegen für mehrere Wochen persistieren, wenn die Funktionsstörung nicht auf einer Neurapraxie (Druckschädigung), sondern einer Axonotmesis (Durchtrennung/Schädigung des Axons) beruht. Der Nachweis einer Liquorpleozytose bei einer Fazialisparese rechtfertigt den Beginn der antibiotischen Therapie noch vor Erhalt der Antikörperbefunde. Analog zu Erfahrungen bei erwachsenen Patienten bildet bei der akuten unkomplizierten Neuroborreliose die orale Doxycyclin-Therapie eine Behandlungsalternative für Kinder im Alter von über 8 Jahren (200 mg/Tag für 14 Tage).

Die größten Probleme bestehen in der Behandlung der Lyme-Arthritis, bei der primär eine parenterale Therapie mit Cephalosporinen der 3. Generation über mindestens 14 Tage indiziert ist. Alternativ kann ein Behandlungsversuch mit Doxycyclin – bzw. bei Kindern im Alter von unter 8 Jahren Amoxicillin – über 4 Wochen erwogen werden.

Die Lyme-Borreliose im Kindesalter ist eine Krankheit mit meist akutem Verlauf und guter Prognose. Wenngleich die Rate der Spontanremissionen hoch sein dürfte, ist eine individuelle Abschätzung des Risikos für chronisch-rezidivierende Verläufe nicht möglich, so dass bei jedem Erkrankungsfall eine frühzeitige und konsequente antibiotische Therapie indiziert ist. Der Therapieeffekt ist allein anhand der klinischen Symptomatik zu beurteilen, während Verlaufsuntersuchungen der Antikörper keine prognostischen Rückschlüsse zulassen. Eine Persistenz erhöhter Antikörpertiter nach Abklingen der Symptomatik rechtfertigt keine Wiederholung der antibiotischen Therapie.

Eine Infektion mit B. burgdorferi hinterlässt keine bleibende Immunität. Gesicherte Reinfektionen nach einem mehrjährigen Intervall wurden beschrieben.

Prophylaxe

Die Haftzeit der Zecken bestimmt maßgeblich das Infektionsrisiko, das jenseits von 24 h ansteigt. Die effektivste Vorsorge besteht damit im täglichen Absuchen der Haut auf Zecken am Abend und deren sofortigen Entfernung. Dabei ist insbesondere auf intertriginöse Hautregionen und auf die behaarte Kopfhaut zu achten. Nymphen, die als Hauptvektor für den Menschen gelten, sind vor der Blutmahlzeit nicht größer als 1 mm und können häufig nur durch Abtasten der Haut entdeckt werden. Für die Entfernung der Zecke ist eine Pinzette am besten geeignet, mit der die Zecke am Kopf gefasst und unter kontinuierlichem Zug herausgezogen wird.

Eine prophylaktische antibiotische Therapie nach einem Zeckenstich ist nicht indiziert.

Eine bundesweite Meldepflicht nach Infektionsschutzgesetz besteht nicht. In den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind allerdings das Erythema migrans, die akute Neuroborreliose und die Lyme-Arthritis meldepflichtige Erkrankungen.

8.3 Rückfallfieber

Definition

Das Rückfallfieber ist eine akute, mit periodischen Fieberschüben auftretende Infektionskrankheit. Erreger sind Borrelien, die durch Arthropoden übertragen werden. Man unterscheidet zwischen epidemischem und endemischem Rückfallfieber. Das epidemische Rückfallfieber wird von B. recurrentis verursacht und durch Läuse übertragen. Erreger des endemischen Rückfallfiebers sind verschiedene Borrelia-Spezies, vor allem B. hermsi und B. duttoni, die durch Zecken übertragen werden.

Epidemiologie

Das Rückfallfieber ist weltweit anzutreffen, kommt aber momentan bevorzugt begrenzt im Sudan und in Äthiopien, im Bereich des Mittelmeers, in Zentralasien, in tropischen sowie subtropischen Regionen der USA und in Mittel- und Südamerika vor. Die Verbreitung der epidemischen Form durch Kleider- oder Kopfläuse ist von sozioökonomischen Faktoren abhängig, während das endemische Rückfallfieber mit der regionalen Verbreitung infizierter Zecken korreliert.

Es handelt sich um eine seltene Infektionskrankheit, deren Inzidenz nicht genau bekannt ist. Die letzten Meldungen in Deutschland mit jeweils einem Fall erfolgten 2002 und 2004.

Ätiologie

Erreger der akuten Infektionskrankheit sind verschiedene Borrelia-Spezies. Borrelia recurrentis wird in der Bakteriämiephase durch blutsaugende Läuse aufgenommen. Die weitere Übertragung erfolgt nach Zerquetschen der infizierten Läuse und Eindringen der Bakterien über Wunden und Bisse (epidemisches Rückfallfieber). Borrelia hermsi, B. duttoni und andere verwandte Borrelienarten haben Nagetiere oder Nutztiere als Reservoir und werden durch Zecken übertragen (endemisches Rückfallfieber). Alle Borrelia-Spezies, die Rückfallfieber verursachen können, verfügen über einen genetisch gesteuerten Mechanismus, mit dem das wesentliche Oberflächenantigen variiert werden kann. So können bis zu 30 neue Antigenvarianten entstehen, die jeweils eine neue Bakteriämie und auf diese Weise den zyklischen Krankheitsverlauf erklären.

Klinische Symptome

Nach einer Inkubationszeit von 4–18 Tagen beginnt die Krankheit ohne bemerkenswerte Prodromi mit plötzlichem Schüttelfrost und hohem Fieber. Begleitend können Kopf- und Gliederschmerzen, Schwindel und Übelkeit, Ikterus, petechiale Blutungen sowie Nasenbluten auftreten. Nach 4–10 Tagen fällt das Fieber, und es folgt ein symptomfreies Intervall von ca. 5–9 Tagen, bevor es, bedingt durch den nächsten Bakteriämieschub, zum erneuten Fieberanstieg kommt. In der Folge wird die Dauer der freien Intervalle länger und die der Fieberschübe kürzer mit geringeren Temperaturspitzen. Durchschnittlich werden etwa 5 Zyklen beobachtet. Die sich entwickelnde protektive Immunantwort beendet die Infektion. Als Komplikationen können Myokarditis, Hepatitis, Bronchopneumonie, Meningitis, Erytheme und multiple Blutungen auftreten. Diese Komplikationen erklären eine relativ hohe Letalität. Rückfallfieber in der Schwangerschaft bedeutet ein hohes Risiko für Frühgeburt und Abort.

Das durch Zecken übertragene Rückfallfieber verläuft leichter als das Läuserückfallfieber.

Die Letalität unbehandelter Fälle liegt unter 5 %, kann aber bei geschwächter Immunabwehr deutlich ansteigen. Bei Kindern wird über besonders schwere Fälle berichtet.

Diagnose

Die klinische Verdachtsdiagnose ergibt sich aus rezidivierenden Fieberschüben und einer entsprechenden Anamnese; hier ist speziell die Reiseanamnese von differenzialdiagnostischer Bedeutung. Im Blutbild wird eine Leukozytose bis 30.000/μl beobachtet. Beweisend ist die mikroskopische Darstellung der Borrelien im Blut oder Liquor während der Fieberphase durch Phasenkontrast- oder Dunkelfeldtechnik, in fixierten Blutausstrichen oder „dicken Tropfen“. Anreicherungsverfahren, eine Polymerasekettenreaktion sowie serologische Untersuchungen können in spezialisierten Laboratorien durchgeführt werden.

Differenzialdiagnose

Ähnliche klinische Manifestationen werden bei Leptospirose, Typhus, Dengue-Fieber, Brucellose, Fleckfieber, Rattenbisskrankheit, Gelbfieber oder Malaria beobachtet.

Therapie

Die kausale antibiotische Therapie soll möglichst frühzeitig im afebrilen Intervall oder zu Beginn des Fieberstadiums erfolgen, da in der späten Fieberphase die Zahl der Bakterien am höchsten ist und eine Herxheimer-Reaktion möglich ist. Als Antibiotika werden Doxycyclin oder Erythromycin oral über eine Dauer von 14–21 Tagen empfohlen. Bei meningitischer Verlaufsform ist eine bis zu 28 Tage andauernde intravenöse Therapie mit Penicillin G, Cefotaxim oder Ceftriaxon indiziert. Eine Anti-TNF-α-Gabe vor Beginn der Antibiotikatherapie scheint die Herxheimer-Reaktion zu reduzieren.

Prophylaxe

Die effektivste Prophylaxe ist die Vermeidung des Kontakts zu den Vektoren. Doxycyclin vor Erregerkontakt kann die Infektion verhindern. Meldepflicht besteht bei epidemischem Rückfallfieber durch B. recurrentis.

8.4 Leptospirose

Definition

Die Leptospirose ist eine akute, systemische Infektion bei Menschen und Tieren, die von Spirochäten der Gattung Leptospira verursacht wird. In Europa stellen hauptsächlich Ratten, Mäuse und Haustiere das Erregerreservoir dar. Die Übertragung erfolgt meist über den Urin infizierter Tiere.

Epidemiologie

Die Infektionskrankheit ist weltweit verbreitet und tritt besonders in tropischen und subtropischen Regionen auf. In Deutschland wurden in den Jahren 2009, 2010, 2011 jeweils 92, 70 bzw. 51 Fälle gemeldet; hier ist allerdings eine hohe Dunkelziffer anzunehmen, da die Erkrankung nicht selten untypisch oder auch blande verläuft. Gefährdet sind Personen, die in Kontakt mit Urin von infizierten Tieren oder entsprechend kontaminiertem Wasser kommen. Kinder sind offenbar seltener betroffen, als es ihr erhöhtes Expositionsrisiko erwarten lässt. In der Pädiatrie werden Erkrankungsfälle fast ausnahmslos erst ab dem Alter von 10 Jahren berichtet.

Ätiologie

Bakterien der Spezies L. interrogans mit bisher 24 Serogruppen und über 250 Serovaren sind ursächlich an der Krankheit beteiligt. Im Menschen werden am häufigsten die Serogruppen pomona, canicola und icterohaemorrhagiae nachgewiesen. Die Mikroorganismen sind in vielen Säugetierarten nachweisbar, besonders in Ratten. Infizierte Tiere scheiden die Leptospiren in ihrem Urin aus. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt nach Kontakt mit Urin oder entsprechend kontaminiertem Wasser über Hautverletzungen, Schleimhäute oder Konjunktiven.

Pathogenese

Nach Penetration der Haut gelangen die Leptospiren in die Blutbahn, disseminieren und können alle Organe erreichen. Ihre Beweglichkeit erleichtert das Eindringen in das Gewebe. Die hämorrhagische Diathese, die bei schweren Verläufen beobachtet wird, ist weniger auf eine Thrombozytopenie oder eine Verbrauchskoagulopathie als auf eine Vaskulitis mit Endothelschäden zurückzuführen. In der Leber sind fokale hepatozelluläre Nekrosen nachweisbar. Funktionseinschränkungen der Niere finden ihr Korrelat in tubulären Schäden durch Nekrosen, Vaskulitis und lymphozytäre Infiltrate. Eine rezidivierende Uveitis kann durch die Persistenz des Erregers im Kammerwasser über mehrere Monate erklärt werden.

Klinische Symptome

Die Infektion mit Leptospiren verläuft häufig asymptomatisch. Bei klinischer Manifestation werden 2 Verlaufsvarianten unterschieden. Der anikterische Verlauf ist mit einem Anteil von ca. 90 % am häufigsten und meist selbstlimitierend. Bei ca. 10 % der Infektionen kommt es zum schwereren ikterischen Verlauf (Morbus Weil) .

Nach einer Inkubationszeit von 1–2 Wochen manifestiert sich die anikterische Leptospirose mit einem hochfieberhaften, septischen Krankheitsbild unter unspezifischen Allgemeinsymptomen: Kopfschmerzen, Erbrechen, Bauchschmerzen, makulopapulöses Exanthem, Pharyngitis, Lymphadenopathie, Spleno- und Hepatomegalie. Es folgt ein 1- bis 3-tägiges Intervall der relativen Erholung. In der 2. Krankheitsphase sind Fieber und Allgemeinbeschwerden geringer ausgeprägt. Typisch in diesem Stadium ist eine aseptische Meningitis mit milder Pleozytose.

Die ikterische Leptospirose (Morbus Weil) ist durch hämorrhagische Vaskulitis und Hepatopathie sowie Nephropathie geprägt. Ein biphasischer Verlauf wie bei der anikterischen Krankheit ist wegen der Persistenz des Fiebers kaum erkennbar. In der 2. Krankheitswoche kann eine Nierenschädigung mit Proteinurie, Hämaturie, Azotaemie oder Oligurie manifest werden. Eine Anurie ist ein prognostisch ungünstiges Zeichen.

Diagnose

Die Verdachtsdiagnose ergibt sich bei Patienten mit septischem Krankheitsbild und anamnestischen Hinweisen, die auf einen möglichen Kontakt mit dem Urin von Säugetieren, insbesondere Ratten, schließen lassen; wegweisend kann eine gezielte Reiseanamnese sein. Eine eindeutige Diagnose bietet der Nachweis von Leptospiren aus Körperflüssigkeiten mittel Kulturen oder mittels PCR. In Blut und Liquor ist die Erfolgsaussicht innerhalb von 10 Tagen nach Beginn der Symptomatik am größten, im Urin erst ab der 2. Krankheitswoche.

Der kulturelle Nachweis von Leptospiren aus Blut, Liquor oder Urin gelingt nicht mit bakteriologischen Routinemethoden, sondern dauert länger als 1 Woche und erfordert spezielle Kulturbedingungen. Deshalb ist zusätzlich die Möglichkeit des Antikörpernachweises zu nutzen. Eine Serokonversion oder ein signifikanter Titeranstieg zwischen akuter und Rekonvaleszenzphase belegt die Infektion.

Differenzialdiagnosen

Abzugrenzen sind Hepatitis, Hantavirus-Infektionen, hämorrhagische Fieber unterschiedlicher Genese, Typhus.

Therapie

Neben Penicillin G sind Ampicillin, Ceftriaxon oder Tetrazyklin (ab dem 8. Lebensjahr) für die antibiotische Therapie geeignet, die 7–10 Tage umfassen soll. Die Antibiose sollte möglichst früh eingeleitet werden.

Prophylaxe

In Deutschland ist der Nachweis einer Infektion mit L. interrogans meldepflichtig. Dies eröffnet die Möglichkeit einer Expositionsprophylaxe. oder prophylaktischen Gabe von Doxycyclin. Ein aktiver Impfstoff, über den bisher nur begrenzte Erfahrungen vorliegen, ist in einigen Ländern (z. B. China, Russland, Kuba, Frankreich) zugelassen.

Prognose

Verlauf und Prognose der Krankheit hängen von der frühzeitigen Diagnose, der Virulenz des Erregers und dem Alter der Patienten ab. Die Wirksamkeit der antibiotischen Therapie wurde auch bei Kindern, die eine bessere Prognose als Erwachsene haben, für alle Stadien gezeigt. Die Therapie hat die Letalität der schweren ikterischen Verläufe auf 5–10 % reduziert.

9 Mykobakteriosen

Mikrobiologie

Mykobakterien sind aerobe, sporenlose, unbewegliche Stäbchen und gehören zusammen mit Nocardia, Streptomyces, Rhodococcus, Corynebacterium und anderen Genera zur Ordnung der Actinomycetales. In ihrer Zellwand enthalten sie unterschiedliche Mengen an Mykolsäuren, die den Farbstoff Karbolfuchsin binden. Selbst unter Einwirkung schwacher Säuren kann dieser nicht mehr aus der Zellwand herausgelöst werden, und dies bezeichnet man als „Säurefestigkeit“ in der Ziehl-Neelsen-Färbung.

Mykobakterien haben eine Generationszeit von 2 bis >20 h (Mycobacterium leprae: 14 Tage). Erste Kolonien zeigen sich nach einer Bebrütungszeit von 2 Tagen bis 8 Wochen. Die Wachstumsansprüche sind extrem unterschiedlich. Mycobacterium leprae wurde bisher noch nicht auf zellfreien Medien angezüchtet.

Aus klinischer Sicht kann man Mykobakterien in 3 Gruppen einteilen (Tab. 5):

Tab. 5 Einteilung von Mykobakterien nach klinischer Symptomatik
  1. 1.

    Erreger der Tuberkulose

  2. 2.

    Erreger einer Vielzahl „unspezifischer“ Krankheiten wie Lymphadenitis, Sepsis oder Osteomyelitis

  3. 3.

    Erreger der Lepra

„Tuberkelbazillus“ ist der Trivialname für die Erreger der Tuberkulose des Menschen, nämlich M. tuberculosis , M. bovis und selten M. microti, M. africanum und M. canetti. In Deutschland wird die Tuberkulose fast ausschließlich von M. tuberculosis hervorgerufen.

Die lipidreiche Zellwand enthält Glykoplipide und mykolsäurehaltige Glykopeptide und schützt Tuberkulosebakterien vor Umweltfaktoren, vor Komplement und Makrophagen. Sie hemmt die Fusion von Phagosom und Lysosom und ermöglicht es Mykobakterien, in nichtaktivierten Makrophagen zu überleben. Der Cordfaktor (mykobakterielle Mykolsäure verbunden mit Trehalose, ein wichtiger Virulenzfaktor), bewirkt die für M. tuberculosis charakteristische, zopfartige, parallele Anordnung der Bakterien in einer Reihe, hemmt die Leukozytenchemotaxis und führt zur Granulombildung im Makroorganismus. Zu diagnostischen Zwecken wird Tuberkulin, ein Protein der Zellwand, verwendet.

Nicht-Tuberkulose-Mykobakterien (NTM) oder mycobacteria other than tuberculosis (MOTT) sind weit verbreitet in der Umwelt. Sie sind im Gegensatz zu Tuberkulose-Mykobakterien nicht pathogen für Meerschweinchen, wurden daher lange Zeit auch als apathogen für den Menschen betrachtet und hießen „atypische Mykobakterien“. Sie sind jedoch durchaus menschenpathogen und keinesfalls „atypisch“ für das Genus Mycobacterium – daher ist dieser Begriff obsolet.

Leprabakterien können weder auf unbelebten Medien noch in Zellkulturen angezüchtet werden: Es gelingt hingegen, sie in Spezialkulturen für eine gewisse Zeit metabolisch aktiv zu halten. Vitale Leprabakterien färben sich klar und einheitlich an, während sich abgestorbene Erreger nur irregulär darstellen. Die Diagnose Lepra wird in Nichtendemiegebieten oft histopathologisch gestellt. Der „morphologische Index“ gibt die Prozentzahl der gleichmäßig angefärbten Leprabakterien an und erlaubt so eine Aussage über die Zahl der lebenden Bakterien im Gewebe. Mycobacterium leprae wächst am besten bei Temperaturen zwischen 20 und 30 °C, daher liegt die Prädilektionsstelle von Lepraläsionen im Bereich der kälteren Körperregionen. Es vermehrt sich außer im Menschen nur noch im Armadillo und in den distalen Extremitäten von Nagern.

Mikrobiologische Diagnostik (außer M. leprae)

Mikroskopie

Der Nachweis der Säurefestigkeit erfolgt mit der Ziehl-Neelsen-Färbung und/oder mit dem Fluorochrom Auramin. Der wichtigste Vorteil der Mikroskopie ist die rasche Verfügbarkeit des Ergebnisses. Nachteile sind die niedrige Sensitivität – Erregernachweis erst ab 104 Bakterien/ml – und die fehlende Aussage über die nachgewiesene Spezies.

Klassische Kultur

Diese erfolgt auf Spezialnährböden, benötigt 4–8 Wochen und ist weniger sensitiv als neuere Verfahren. Hinzu kommen weitere 1–3 Wochen für die biochemische Differenzierung und Resistenztestung.

Schnellkultur

Die Anzüchtung in speziellen Flüssigmedien erlaubt den frühzeitigen Erregernachweis durch halbautomatische Bestimmung von mykobakteriellen Stoffwechselprodukten innerhalb von 1–2 Wochen. Ist Stoffwechselaktivität nachweisbar, so erlauben DNA-Sonden die Speziesdifferenzierung innerhalb von Stunden. Wenn die molekulare Grundlage von Resistenzen gegen Tuberkulostatika bekannt ist, kann diese auch rasch genotypisch erkannt werden.

PCR aus klinischem Untersuchungsmaterial

Entsprechende Verfahren stehen zur Verfügung, zeigen aber häufig falsch-positive oder falsch-negative Befunde.

9.1 Tuberkulose

Definition

Die Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit, die bei einem Teil der Menschen nach Infektion durch Bakterien des M.-tuberculosis-Komplexes auftritt und die klinisch meist als Pneumonie, seltener als Krankheit eines anderen Organs, in Erscheinung tritt. Die Infektion persistiert lebenslang.

Epidemiologie

Noch 1895 starben jährlich 25 von 10.000 Menschen in Deutschland an Tuberkulose. Mit der Verbesserung der sozialen Situation der Bevölkerung nahm die Zahl der Neuerkrankungen ab. Dieser Trend wurde weiterhin gefördert durch die Ausrottung der Rindertuberkulose in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Wirksame Medikamente zur Behandlung der Tuberkulose haben diese auch heute noch anhaltende Abnahme der Tuberkuloseinzidenz nur beschleunigt. Im Jahr 2010 wurden nach Daten des RKI in Deutschland nur noch 5,3 Tuberkulosefälle pro 100.000 Menschen registriert, die Fallzahl bei Kindern bis 15 Jahren lag bei 158 Fällen, womit sie erneut leicht zunahm. Weniger als zwei Drittel haben die deutsche Staatsbürgerschaft.

Weltweit nimmt die Tuberkulose zu. Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ist mit M. tuberculosis infiziert. Daraus resultieren rund 9,2 Mio. Neuinfektionen und 1,7 Mio. Todesfälle jährlich.

In den industrialisierten Ländern ist die Tuberkulose durch Migration wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Immigranten haben weltweit ein erhöhtes Tuberkuloserisiko. Auch die AIDS-Pandemie hat einen – regional stark unterschiedlichen – Beitrag zur weltweiten Zunahme der Tuberkulose geleistet.

Nach Kontakt mit Tuberkulosebakterien erkranken rund 10 % der Infizierten. Etwa die Hälfte davon wird dann selbst zur potenziellen Infektionsquelle. Dies sind praktisch ausschließlich Erwachsene mit kavernöser Lungentuberkulose. Nur falls ein Infizierter wiederum wenigstens 20 empfängliche Personen ansteckt, bleibt demnach die Durchseuchung konstant. Liegt die Zahl der Infizierten niedriger, so nimmt die Tuberkulose weiter ab. Frühzeitige „Fallfindung“ und ein intaktes, rasch und konsequent handelndes öffentliches Gesundheitssystem sind daher die wichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung der Tuberkulose.

Tuberkulosebakterien werden vorwiegend durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen. Milch (M. bovis), kontaminierte Kleidung, Bronchoskope und andere Gegenstände spielen hierzulande eine untergeordnete Rolle. Kinder infizieren sich vornehmlich bei Erwachsenen oder älteren Geschwistern. Kleinere Endemien wurden beschrieben, in denen Babysitter, Lehrer, Schulbusfahrer, Pflegepersonal, Gärtner oder Süßwarenverkäufer die Infektionsquelle waren. Gelegentlich erkrankten Kinder nach dem Besuch ihrer Großeltern in einem Altersheim. Gefährdet sind vor allem Säuglinge, Kleinkinder und Teenager, während 6- bis 12-Jährige seltener krank werden.

Pathogenese

Für die Verbreitung der menschlichen Tuberkulose ist die Lungenkaverne bedeutsam. Aus ihr kann ein Kranker bei einem einzigen Hustenstoß mehr als 3000 erregerhaltige Tröpfchen (Durchmesser 2–5 μm) expektorieren. Diese können stundenlang in der Luft suspendiert bleiben. Ein Infektionsrisiko besteht somit selbst dann noch, wenn der Kranke den Raum schon lange verlassen hat. Im Vergleich zur Infektion über die Lungen ist in den Industriestaaten heute eine Erstinfektion über den Gastrointestinaltrakt sehr selten geworden.

Nach erster Infektion (Primärinfektion) kann sich der Erreger zunächst ungehemmt im Makroorganismus vermehren und in alle Organe verstreut werden. Diese „frühe Aussaat“ im Rahmen der Erstinfektion ist die Grundlage dafür, dass im Rahmen einer relativen Abwehrschwäche im späteren Leben eine postprimäre Organtuberkulose entstehen kann. Etwa 3–8 Wochen nach erster Infektion setzt die zelluläre lmmunität gegen M. tuberculosis ein, nachweisbar durch eine Hypersensitivitätsreaktion gegen das Erregerprotein Tuberkulin , die mithilfe eines Hauttests festgestellt werden kann.

Spezifische CD4-positive Lymphozyten aktivieren Makrophagen über Zytokine (z. B. IFN-γ), intrazelluläre Mykobakterien können jetzt abgetötet werden. Spezifische CD8-positive Lymphozyten können Tuberkelbazillen enthaltende Zellen (z. B. Alveolarzellen) zerstören und fördern Aufnahme und Abtötung der Erreger durch Makrophagen. Die verschiedenen immunologischen Mechanismen führen auch zur Bildung von Granulomen. Diese können schließlich vernarben und verkalken – die Infektion bleibt klinisch ansonsten „stumm“.

Die pathologisch-anatomischen Veränderungen und Vorgänge hängen entscheidend ab von der Menge des vorhandenen Erregerantigens und von der Immunitätslage des Wirts. Bei guter Immunitätslage und geringen Mengen an Antigen entsteht ein Granulom (proliferative oder produktive Form). Bei Infektion mit großen Mengen an Antigen und gleichfalls guter Immunitätslage ist die entzündliche Reaktion weniger gut organisiert, durch lytische Enzyme von degenerierenden Makrophagen entstehen Nekrosen. Diese haben ein charakteristisches käseartiges Aussehen, man spricht von „Verkäsung“. Bei schlechter Abwehrlage des Wirts finden sich nur wenige Granulozyten und Makrophagen, man spricht von nichtreaktiver Tuberkulose.

Lungentuberkulose im Kindesalter

Nach Inhalation gelangen infektiöse Tröpfchen vorwiegend in die vorderen Segmente der Oberlappen, den Mittellappen und die Lingula sowie in den unteren Anteil der Unterlappen (Gohn-Fokus) . In den Alveoli werden die Mykobakterien von Makrophagen phagozytiert, können aber nicht abgetötet werden. Infizierte Makrophagen transportieren die Tuberkelbakterien zu den regionalen Lymphknoten . Radiologisch sieht man ein „hantelförmiges Infiltrat“ aus parenchymatösem Herd und vergrößertem Hilus, den Ranke-Primär-Komplex . Erstinfizierte ohne aktivierte zelluläre Abwehr können die Infektion auch an dieser Stelle noch nicht begrenzen, es erfolgt eine lymphohämatogene Dissemination mit metastatischer Absiedlung vor allem in apikal-posteriore Lungenanteile (Simon-Spitzenherde), Lymphknoten, Nieren und Meningen. Eine lymphohämatogene Streuung nach Erstinfektion ist besonders bei Säuglingen häufig und kann zum Bild der „Miliartuberkulose“ führen, mit einer Vielzahl von Herden in allen Organen (Abb. 5). Zu jeder Zeit im späteren Leben können solche Herde im Rahmen einer Abwehrschwäche gleich welcher Ursache reaktiviert und Ausgang einer „aktiven postprimären Tuberkulose“ werden.

Abb. 5
figure 5

Miliartuberkulose: disseminiert, feinfleckig-kleine Infiltrate und Verbreiterung der Hiluslymphknoten

Am primären Infektionsherd können sich die Mykobakterien gerade im frühen Kindesalter bei unzureichender zellvermittelter Immunität oft weiter ausbreiten, es entsteht eine „primäre progrediente Pneumonie“. Röntgenologisch imponiert diese mit massiver mediastinaler Lymphadenopathie und einer Infiltration meist in den unteren oder mittleren Lungenabschnitten (Abb. 6). Hilus und Mediastinallymphknoten können extrem groß werden und zum Bronchialkollaps mit distaler Atelektase führen. Aus dem Einbruch von infizierten Lymphknoten in das Bronchialsystem kann eine schwere Pneumonie in den sekundär infizierten Lungenbezirken resultieren.

Abb. 6
figure 6

Primär progrediente Pneumonie: Infiltrat der rechten Lunge und verbreiterte Hiluslymphknoten. (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Schumacher, Kinderradiologie, Universitätsmedizin Mainz)

Jenseits des Kleinkindesalters sind Kinder relativ resistent gegenüber einem Fortschreiten der Krankheit. Die Herde werden durch Rückbildung, Einkapselung und Kalzifizierung eingedämmt. In den allermeisten Fällen persistieren die Erreger jedoch latent in den primär infizierten Herden, ohne dass eine klinisch erkennbare Krankheit manifest wird. Die wesentliche Bedeutung der Infektion mit Tuberkulosebakterien in der Kindheit resultiert aus der Entstehung von Infektionsherden, von denen im späteren Leben eine „aktive Tuberkulose“ ausgehen kann.

Lungentuberkulose bei Jugendlichen und Erwachsenen

Früher fanden die meisten Erstinfektionen mit M. tuberculosis während der Kindheit statt. Mit Abnahme der Häufigkeit einer primären Tuberkuloseinfektion in der Kindheit wird in den Industrienationen auch bei Jugendlichen und Erwachsenen häufiger eine Erstinfektion beobachtet. Noch immer ist aber die Tuberkulose in dieser Altersgruppe meist eine postprimäre Tuberkulose. Bedingungen, die das Entstehen einer klinisch manifesten (reaktivierten) Tuberkulose fördern, sind: alle Formen von Stress, konsumierende Krankheiten, Krankheiten mit T-Zell-Defekt (z. B. Morbus Hodgkin, AIDS), Krankheiten des RES, Kortikosteroide, Virusinfektionen (Masern, Varizellen), Schwangerschaft, Krebstherapie, Gastrektomie, ileojejunaler Bypass, terminale Niereninsuffizienz, destruierende Lungenkrankheiten, Trauma.

Radiologisch sieht man meist (posteriore) apikale oder subapikale Infiltrate mit oder ohne Kavitation und ohne Vergrößerung von Hiluslymphknoten. Die initialen Lungenherde der unteren und anterioren Lungenfelder und die Hiluslymphknotenvergrößerung sind nicht mehr nachweisbar. Nekrotische Lungenherde haben die Tendenz zur Verflüssigung, ihr Inhalt kann schließlich nach Anschluss an das Bronchialsystem abgehustet werden. So entstehen Kavernen, aus denen sich M. tuberculosis in 5–6 Logarithmen höherer Konzentration isolieren lässt als aus anderen infizierten Lungenabschnitten. Dies ist ein Grund dafür, weshalb Erwachsene mit Tuberkulose wesentlich infektiöser sind als Kinder. Durch Expektoration infektiösen Materials können im oberen Respirationstrakt und im Gastrointestinaltrakt weitere intrakanikuläre Tuberkuloseherde entstehen. Persistierende Kavernen können sekundär mit Aspergillusarten oder mit NTM (vor allem M.-avium-intracellulare) kolonisiert werden.

Klinische Symptome und Verlauf

Bei der primären Tuberkulose im Kindesalter beobachtet man zum Zeitpunkt der Tuberkulinkonversion neben unspezifischen Befunden wie Fieber und Abgeschlagenheit gelegentlich ein Erythema nodosum oder eine Keratoconjunctivitis phlyktaenulosa. Beide Krankheiten werden als allergische Reaktion auf Tuberkulosebakterien interpretiert. Ein serofibrinöser Pleuraerguss ist die Folge von Nekrosen in der Lunge mit Einbruch in den Pleuraspalt. Bis zum 5. Lebensjahr sind primäre, progrediente Verläufe häufig, Tuberkulose vor der Pubertät ist selten Folge einer postprimären Infektion. Die Reaktivierung eines Tuberkuloseherdes kann asymptomatisch verlaufen und zufällig entdeckt werden.

Patienten mit Tuberkulose klagen über Anorexie, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Schüttelfrost und/oder Nachtschweiß. Da diese Symptome erst langsam und schleichend auftreten, werden sie oft erstaunlich spät bemerkt und über lange Zeit von Patient und Eltern toleriert. Beim Adoleszenten sind Husten und vermehrte Sputumproduktion Folge einer Kavitation und einer Reizung der Bronchialschleimhaut. Das Sputum ist mukopurulent und weist keine Besonderheiten im Vergleich zum Sputum bei Pneumonie anderer Ursache auf. Gelegentlich wird fälschlicherweise die Diagnose „chronische Bronchitis“ oder „chronischer Raucherhusten“ gestellt.

Eine Hämoptoe kann durch endobronchiale Erosionen, Gewebeabriss aus einer Kaverne oder durch eine Arrosion der A. pulmonalis (Rasmussen-Aneurysma) entstehen. Eine Hämoptoe kann auch Folge einer Superinfektion mit Aspergillusarten sein. Brustschmerzen sind meist durch eine entzündliche Pleurabeteiligung bedingt. In der Nachbarschaft zu einer Kaverne entsteht eine „trockene Pleuritis“ ohne Erguss. Ein serofibrinöses Exsudat tritt meist früh im Laufe der Infektion auf. Ein Tuberkuloseempyem ist selten. Heiserkeit und Dysphagie weisen auf eine laryngeale Infektion hin. Späte Symptome sind auch Darmperforation, Bildung großer tuberkulöser Tumoren, perirektaler Abszess und Fistelbildung.

Bei der körperlichen Untersuchung gibt es keinen pathognomonischen Befund. Klopfschalldämpfung und verminderter Stimmfremitus weisen auf eine pleurale Verdickung hin. Rasselgeräusche treten oft erst kurz nach einem Hustenstoß auf. Über großen Kavernen lässt sich ein amphorisches Atemgeräusch auskultieren.

Laborbefunde sind üblicherweise uncharakteristisch im Sinne einer Entzündungsreaktion verändert. Im Blutbild sieht man bei fortgeschrittener Krankheit eine normochrome, normozytäre Anämie. Die Leukozytenzahl liegt zwischen 10.000 und 15.000/μl. Eine Monozytose beobachtet man bei weniger als 10 % aller Patienten. Sehr selten verursacht die Tuberkulose eine „leukämoide Reaktion“ im Differenzialblutbild. Die BSG ist stark beschleunigt, sie eignet sich vor allem als Verlaufsparameter zur Kontrolle des Therapieerfolgs. Hämaturie oder „sterile Pyurie“ weisen auf eine Nierentuberkulose hin. Bei sehr starker Albuminurie ist an eine sekundäre Amyloidose zu denken. Eine Hyponatriämie kann Folge einer inadäquaten Sekretion von antidiuretischem Hormon sein. Differenzialdiagnostisch ist an einen tuberkulosebedingten Morbus Addison zu denken. In den ersten Wochen der Behandlung einer Tuberkulose beobachtet man gelegentlich eine Hyperkalzämie. Sehr selten resultiert daraus ein renaler Kaliumverlust.

Extrapulmonale Tuberkulose

Etwa jeder 5. Patient mit „aktiver“ Tuberkulose leidet hierzulande an einer nichtpulmonalen Form. „Intrakanalikulär“ entstandene Infektionen betreffen vorwiegend den Gastrointestinaltrakt. Sie waren früher eine häufige Komplikation der kavernösen Tuberkulose oder Folge einer Ingestion von M.  bovis. Lymphohämatogen bedingte extrapulmonale Tuberkulosen sind Folge einer Reaktivierung von Herden, die zum Zeitpunkt der Erstinfektion entstanden. Sie machen derzeit die große Mehrzahl der nichtpulmonalen Lungentuberkulosen aus.

Miliartuberkulose

Die gewöhnlich transitorische und leicht verlaufende hämatogene Streuung bei Erstinfektion kann vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern zu einer rasch progredienten Aussaat mit „Tausenden von Herden“ führen. Die Kinder erkranken akut mit hohem, intermittierendem Fieber, Nachtschweiß und gelegentlich Schüttelfrost. Bei Erwachsenen ist das Krankheitsbild zumindest initial weniger dramatisch. Kopfschmerzen weisen auf eine Meningitis hin, Bauchschmerzen auf eine Peritonitis und Brustschmerzen auf eine Pleuritis. Der Röntgenbefund ist meist wegweisend (Abb. 5). Der Tuberkulinhauttest ist bei wenigstens einem Viertel der Patienten negativ. Unter den Laborwerten kann eine Anämie, selten auch eine Neutrophilie auffallen. Direktpräparat und Kultur von Sputum und Magensaft sind bei mehr als der Hälfte der Patienten negativ (!). Gut geeignet für einen raschen mikroskopischen Erregernachweis sind Biopsate von Lymphknoten, Leber oder Knochenmark.

Tuberkulose des ZNS

Die tuberkulöse Meningitis ist in der Regel Folge der Ruptur eines subdural gelegenen Herdes in den Arachnoidalraum, seltener Folge einer hämatogenen Aussaat. Drei Viertel der Kinder leiden gleichzeitig an einer pulmonalen Tuberkulose. Die meningeale Entzündung findet sich vor allem an der Hirnbasis. Man findet ein dickes, gelatinöses Exsudat, das später fast fibrösen Charakter annimmt und die Hirnnerven ummauert. Bei Beteiligung von Hirnarterien kann ein Infarkt entstehen, bei Beteiligung kleinerer Arterien ein variables neurologisches Bild, das an eine Enzephalitis erinnert.

Klinisch beobachtet man eine Vielzahl von Symptomen, die von leichten, Wochen andauernden Kopfschmerzen bis hin zum Bild einer akuten Meningoenzephalitis reichen. Eine Hyponatriämie ist Folge einer inadäquaten ADH-Sekretion; weitere Laborbefunde sind uncharakteristisch. Im Liquor findet man überwiegend eine Pleozytose mit einer Zellzahl zwischen 100 und 500/mm3, vorwiegend Lymphozyten und einen Proteingehalt zwischen 100 und 500 mg/dl. Der Liquorzucker ist bei nur 17 % der Patienten erniedrigt (<45 mg/dl). Mit CT oder MRT des Schädels lassen sich Tuberkulome , basale Meningitis, Hirninfarkt und ggf. ein (beginnender) Hydrocephalus internus diagnostizieren. Eine hochgradige basale Exsudation geht mit einer schlechten Prognose einher. Die tuberkulöse spinale Meningitis ist selten und kommt mit oder ohne intrazerebrale Tuberkulose vor. Tuberkulome können raumfordernd wirken und zu den Zeichen der Kompression des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln führen.

Skeletttuberkulose

Die Hälfte der Skeletttuberkulosen betrifft die Wirbelsäule, meist als Folge einer hämatogenen Infektion. Diese beginnt an den anterioren Teilen der Wirbelkörper, die zusammenbrechen. Es entsteht ein Gibbus. Tuberkulöses Material entleert sich in einen paraspinalen Abszess, der sich entlang dem M. ileopsoas ausbreitet. Die Tuberkulose peripherer Skelettabschnitte tritt klinisch meist als eine Kombination aus monartikulärer Arthritis und Osteomyelitis in Erscheinung, ohne dass Zeichen der Tuberkulose eines anderen Organs auffindbar wären.

Nierentuberkulose

Bei der Mehrzahl der Patienten mit Lungentuberkulose findet man in einer Nierenbiopsie auch Herde in der Nierenrinde, die klinisch unentdeckt bleiben. Die Diagnose ist leicht zu stellen, wenn bei Patienten mit Dysurie, Makrohämaturie und ggf. Flankenschmerz eine Kultur für Mykobakterien angelegt wird. Eine sterile Leukozyturie gilt zwar als klassisch für eine renale Tuberkulose, doch hat ein beachtlicher Prozentsatz der Patienten gleichzeitig eine Harnwegsinfektion mit einem „gewöhnlichen“ Erreger.

Gastrointestinale Tuberkulose

Ulzera, Perforation, Obstruktion, Fistelbildung, Blutungen und Malabsorption sind mögliche Symptome einer gastrointestinalen Tuberkulose. Die häufigste Fehldiagnose ist ein Morbus Crohn. Typisch ist eine Infektion des Zäkums, oft wird hier ein Karzinom vermutet. Mycobacterium tuberculosis ist die häufigste Ursache einer granulomatösen Hepatitis. Die tuberkulöse Peritonitis wird meist durch rupturierende Abdominallymphknoten verursacht. Häufig klagen die Patienten über Fieber, Bauchschmerz, Gewichtsverlust und Anorexie. Die Diagnose wird häufig erst intraoperativ vermutet.

Lymphknotentuberkulose

Die tuberkulöse Lymphadenitis tritt vorzugsweise bei sonst asymtomatischen Patienten auf. Fast immer sind die zervikalen oder supraklavikulären Lymphknoten betroffen. Die Diagnose wird durch Biopsie gesichert, die Therapie ist ansonsten konservativ.

Tuberkulose bei Patienten mit AIDS

Die Tuberkulose ist nach der Pneumocystis-carinii-Pneumonie und der Infektion mit M. avium-intracellulare (MAI) vielerorts die dritthäufigste Infektionskrankheit bei Patienten mit AIDS. Im Gegensatz zu HIV-negativen Patienten manifestiert sich die Krankheit bei etwa 50 % der Patienten extrapulmonal. Nur durch eine aggressive Diagnostik – Knochenmarkpunktion; Lymphknotenbiopsie – lässt sich die Diagnose frühzeitig sichern; der Behandlungserfolg mit üblichen Medikamenten ist gut.

Diagnose und Differenzialdiagnose

Zur Sicherung der Diagnose ist der Nachweis des Erregers unentbehrlich. Bei Erwachsenen und älteren Kindern kann dieses Ziel mit 3–5 Sputumproben erreicht werden. Die Aspiration von Magensaft ist eine adäquate Alternative, besonders bei jüngeren Kindern. Alternativ kann man mittels Inhalation von β-Mimetika und hypertoner Kochsalzlösung Sputum induzieren. Gelegentlich ist eine Bronchoskopie indiziert, sie erlaubt auch das Absaugen aufgestauten Sekrets. Bei Miliartuberkulose liefert die transbronchiale Lungenbiopsie den differenzialdiagnostisch wichtigen Hinweis der Granulombildung. In einem Drittel der Fälle mit tuberkulöser Meningitis lassen sich mikroskopisch säurefeste Stäbchen im Liquor nachweisen. Diese Zahl erhöht sich auf 87 %, wenn der Patient 4-mal lumbalpunktiert wird.

Die Auseinandersetzung des Organismus mit Tuberkulosebakterien wird durch einen intrakutanen Tuberkulosehauttest nach Mendel-Mantoux nachgewiesen. Man appliziert 2 Einheiten (TU) in 0,1 ml RT23 streng intradermal in die Volarseite eines Unterarms. Diese Menge entspricht den früheren 10 Einheiten „gereinigtes Tuberkulin“ (GT) und dieses wiederum entspricht 5 IE des z. B. in den USA verwendeten purified protein derivative (PPD). Das Ablesen – genauer gesagt: Abfühlen – erfolgt nach 72 h.

Eine maximale Induration (nicht Rötung!) bis 5 mm Durchmesser ist negativ, 6–14 mm positiv, und über 15 mm wird als „Starkreaktion“ bezeichnet. Falsch-positive Befunde (bis 10 mm) können durch eine Infektion mit NTM bedingt sein, aber auch durch eine Tuberkuloseimpfung. Der Vorhersagewert des Tuberkulinhauttests hängt ab von der Prävalenz der Infektion in der Population (Kap. Prinzipien der Infektiologie). Ist die Prävalenz niedrig, sind die meisten Fälle mit einer Induration von bis zu 10 mm falsch-positiv. Daher sollte in Gebieten mit niedriger Tuberkuloseinzidenz und bei Patienten mit niedrigem Tuberkuloserisiko ein Test erst ab 10 mm Induration als positiv bewertet werden.

Derzeit wird der Hauttest bei 8 % der Infizierten innerhalb eines Jahres wieder negativ. Diese Patienten kann man dennoch als „infiziert“ erfassen, wenn man sie eine Woche nach einem negativen Testergebnis erneut mit der gleichen Dosis RT23 prüft. Durch die „Boosterung“ kommt es dann zu einer positiven Reaktion. In industrialisierten Ländern ist heute ein Tuberkulinhauttest demnach nur dann negativ, wenn 2 Testungen im Abstand von 1 Woche negativ ausfallen. Falsch-negative Hauttestergebnisse beobachtet man bei Sarkoidose, Virusinfektionen – Masern/Varizellen –, Krankheiten des RES und unter Therapie mit Glukokortikoiden. Negative Mendel-Mantoux-Tests werden auch in den ersten 3 Monaten nach Infektion mit M. tuberculosis und bei Miliartuberkulose beobachtet.

Zunehmende Bedeutung haben die Interferon-Gamma-Freisetzungstests (IGRA) erlangt. Dabei wird den isolierten Lymphozyten des Patienten hochspezifisches M. tuberculosis-Antigen zugesetzt und die produzierte Menge an IFN-γ oder die Zahl der IFN-γ produzierenden Lymphozyten gemessen. Obwohl abschließende Studien gerade für Kinder fehlen, gilt der IGRA dem Tuberkulinhauttest leicht überlegen: In der Spezifität nach BCG-Impfung oder Infektion mit NTM; in der Sensitivität bei Lymphopenie, zellulärem Immundefekt oder unter immunsuppressiver Therapie.

Das diagnostische Problem besteht darin herauszufinden, ob erstens ein Kind mit M. tuberculosis infiziert ist und ob zweitens eine behandlungsbedürftige „aktive“ Krankheit besteht. Hierzu gibt es 4 Kriterien:

  1. 1.

    Kontakt zu einem Patienten mit (kavernöser) Lungentuberkulose

  2. 2.

    Kultureller Nachweis von M. tuberculosis

  3. 3.

    Positiver Tuberkulinhauttest oder positiver IGRA

  4. 4.

    Auffällige Röntgenaufnahme des Thorax oder klinische Symptome

Die Diagnose einer „aktiven“ Tuberkulose gilt als gesichert, wenn neben dem 4. Kriterium wenigstens ein weiteres Kriterium zutrifft. Wenn beim klinisch gesunden Patienten nur das erste und das 3. Zeichen positiv sind, spricht man von latenter Tuberkulose.

Therapie

Vor Verfügbarkeit einer effektiven Chemotherapie lag die Letalität der Tuberkulose bei 50 %, und nur 25 % der Patienten wurden geheilt. Die lange Generationszeit der Tuberkulosebakterien hat 3 therapeutisch relevante Konsequenzen:

  1. 1.

    Es ist ausreichend, die Medikamente nur einmal täglich oder sogar nur 2-mal pro Woche zu geben.

  2. 2.

    Die Therapie muss über viele Monate erfolgen.

  3. 3.

    Eine adäquate Compliance ist notwendig, um Heilung zu ermöglichen und um Resistenzen zu verhindern.

Folgende Medikamente gelten als Erstrang-Therapeutika:

Isoniazid (INH)

Die empfohlene Dosis liegt bei 10 mg/kg KG/Tag p.o. bei Kindern bis zum Vorschulalter, bei Adoleszenten 5 mg/kg; maximal 300 mg. Isoniazid hemmt kompetitiv den Pyridoxin-Metabolismus, weswegen zur Vermeidung einer peripheren Neuropathie prophylaktisch 10 mg Pyridoxin verordnet werden. Eine geringgradige Erhöhung der Leberenzyme wird häufig beobachtet und verschwindet oft auch unter Fortführung der Therapie. Eine akute Lebernekrose ist bei Kindern selten und kündigt sich durch eine klinische Symptomatik an: Eltern und ältere Kinder sind darauf hinzuweisen, dass beim Auftreten von Schmerzen im rechten Oberbauch, bei Übelkeit und Appetitlosigkeit, bei Braunverfärbung des Urins oder bei einer unerklärten Temperaturerhöhung auf >38,3 °C für mehr als 3 Tage der Arzt aufzusuchen ist. Die Leberenzyme sollen vor dem Beginn einer Chemotherapie gegen Tuberkulose überprüft werden und dann in seltener werdenden Abständen, es sei denn, eines der vorangehend genannten Symptome wird beobachtet.

Rifampicin (RMP)

RMP ist nach INH das zweitwichtigste Medikament zur Tuberkulosetherapie (10–15 mg/kg KG/Tag p.o., maximal 600 mg/Tag). Es ist ebenfalls potenziell hepatotoxisch. Der Patient ist ausdrücklich auf die RMP-bedingte Rotverfärbung von Urin, Tränen und anderen Körpersekreten hinzuweisen. Kontaktlinsen können sich unter RMP permanent rot färben und werden dadurch unbrauchbar.

Pyrazinamid (PZA)

PZA hat bakterizide Aktivität, erzielt gute Konzentrationen auch im Liquor und ist selten lebertoxisch. Es wird auch von Kindern gut vertragen und in der Initialphase der Tuberkulosetherapie verwendet (30 mg/kg KG/Tag p.o., maximal 2 g/Tag).

Ethambutol (EMB)

EMB kann Ursache einer Neuritis nervi optici sein. Erstes Zeichen ist oft eine Störung des Rot-grün-Sehens. Da diese Nebenwirkung erst bei älteren Kindern diagnostiziert werden kann, wird EMB meist erst jenseits des Kleinkindalters eingesetzt (25–30 mg/kg KG/Tag p.o., maximal 1,75 g). Vierwöchentliche Kontrollen des Farbsehvermögens sind indiziert.

Ersatzmedikamente

Daneben gibt es Ersatzmedikamente, Zweitrang-Anti-Tuberkulotika , die bei Resistenz oder Unverträglichkeit zum Einsatz kommen:

  • Streptomycin (SM)

  • Ethionamid

  • Prothionamid (PTH)

  • Paraaminosalicylsäure (PAS)

  • Kanamycin

  • Cycloserin

  • Capreomycin

  • Thiazetazon

Einige Gyrasehemmer können wirksam sein, allerdings besteht nur begrenzte Erfahrung, und sie sind für Kinder nicht zugelassen.

Therapeutisches Vorgehen

Je massiver und schwerer die Infektion verläuft, desto größer wird die Anzahl von Bakterien im Körper des Patienten und desto wahrscheinlicher muss mit der Anwesenheit resistenter Mykobakterien gerechnet werden. Daher hängt die Anzahl der einzusetzenden Medikamente bei Tuberkulose auch von der Schwere der Krankheit ab.

Präventive Therapie

Eine Monotherapie für 9 Monate mit INH als präventive Chemotherapie ist indiziert,

  • wenn der Krankheitsverdächtige asymptomatisch ist,

  • einen normalen Befund bei der körperlichen Untersuchung aufweist,

  • eine unauffällige Röntgenaufnahme des Thorax bietet,

  • kein Hinweis für eine INH-Resistenz bei der Kontaktperson vorliegt und

  • wenn der einzige Grund für die Therapie die Konversion eines Tuberkulosehauttests ist oder ein positiver IGRA gefunden wurde.

Diese Personen sind mit M. tuberculosis infiziert, aber nicht an Tuberkulose erkrankt und haben eine latente Tuberkulose. Auch Patienten, die mit TNF-α-Antagonisten behandelt werden sollen und im Hauttest oder im IGRA positiv sind, erhalten eine präventive Chemotherapie. Möglichweise ist eine 3-monatige Behandlung ausreichend, wenn man INH in erhöhter Dosis mit Rifapentin kombiniert, das gegenüber RMP eine verstärkte antituberkulöse Wirkung und eine verlängerte Halbwertszeit besitzt.

Nach Exposition zu offener Tuberkulose mit INH-sensiblem Erreger und negativem Hauttest/negativem IGRA erhalten alle Kinder ohne Krankheitszeichen für 3 Monate INH. Die Hauttestung ist nach 3 Monaten zu wiederholen; fällt sie negativ aus, kann INH abgesetzt werden. Bei Erwachsenen reduziert eine Therapiedauer von 6 Monaten in diesen Fällen das Erkrankungsrisiko um 65 %. Auch für infizierte, nicht erkrankte Kinder wird diese kurze Behandlungsdauer statt der früher üblichen 12 Monate empfohlen. HIV-Infizierte sollten weiterhin für 12 Monate behandelt werden. Erfolgte die Infektion mit einem bekanntermaßen INH-resistenten Stamm, so empfehlen die meisten Autoren alternativ RIF, wenn auch dessen Wirksamkeit für diese Indikation nicht sicher belegt ist.

Therapie der aktiven Tuberkulose

Die Standardtherapie der aktiven Tuberkulose besteht aus INH, RMP, PZA für 2 Monate, dann folgen weitere 4 Monate INH, RMP. Bei komplizierter Primärtuberkulose wie Lymphknoteneinbruch oder Ventilationsstörung durch Kompression eines Bronchus wird initial zusätzlich für 2 Monate EMB gegeben, danach für 6 Monate INH und RMP. Das gleiche Schema gilt auch für extrapulmonale Tuberkulosen mit den im Folgenden genannten Ausnahmen. Falls die tägliche Medikamenteneinnahme nicht sicher gewährleistet ist, kann man auch die Gesamtdosis auf 2 Tage einer Woche verteilen und den Patienten in der Praxis oder dem Gesundheitsamt unter Aufsicht die Medikamente einnehmen lassen (direct observed therapy, DOT).

Eine intiale Vierfachtherapie ist indiziert bei Erwachsenen sowie bei Skeletttuberkulose, Miliartuberkulose, tuberkulöser Meningitis sowie bei vermuteter oder dokumentierter Resistenz gegenüber einem der verwendeten Medikamente. Als zusätzliches Medikament wird für Kinder SM empfohlen, das meist über die ersten 1–2 Monate hinweg gegeben wird. Die Gesamtbehandlungsdauer bei schweren Formen der Tuberkulose sollte 9–12 Monate betragen.

Bei Mehrfach-Resistenz (resistent gegen INH und RMP) oder höhergradiger Resistenz müssen Medikamente mit nachgewiesener Empfindlichkeit eingesetzt werden, mindestens 4 Präparate, darunter ein injizierbares Aminoglykosid und ein Fluorochinolon für mindestens 12 Monate Gesamtdauer unter DOT.

Der mögliche Nutzen einer Therapie mit Glukokortikoiden bei Tuberkulose ist bis heute nicht belegt. Prednisongaben werden bei Meningitis empfohlen, um die entzündliche Reaktion zu reduzieren und um so eine Liquorzirkulationsstörung zu vermeiden.

Chirurgische Therapie

Gelegentlich ist eine chirurgische Therapie indiziert, etwa bei Spondylitis tuberculosa mit Ausfallsymptomatik im Bereich der Extremitäten oder bei Ileus im Rahmen einer Darmtuberkulose. Ergüsse und Empyeme sollten – auch aus diagnostischen Gründen – abpunktiert werden. Die operative Therapie dient immer nur der Verhinderung von Komplikationen, nur eine antituberkulöse Chemotherapie ist kurativ.

Prophylaxe

Die meisten Kinder mit Tuberkulose sind nicht infektiös. Kinder mit kavernöser Lungentuberkulose müssen isoliert werden, bis die Zahl der Erreger im Sputum unter antimikrobieller Therapie signifikant abnimmt. Zur Versorgung muss das Personal FFP3-Masken tragen. Neugeborene von Müttern mit offener Tuberkulose müssen abgestillt und von der Mutter getrennt werden.

Prognose

Die Prognose der Tuberkulose ist bei frühzeitiger Therapie vor Einsetzen von Komplikationen ausgezeichnet. Bei Resistenz gegen Medikamente kommen aber auch – wieder – Todesfälle vor. Die Letalität der Tuberkulosemeningitis ist besonders bei Säuglingen und alten Menschen hoch (20–60 %). Bei 25 % der Überlebenden bleiben neurologische Ausfälle.

Die Tuberkulose ist eine meldepflichtige Krankheit. Jeweils aktuelle Details zur Epidemiologie, dem Vorgehen bei Kontaktpersonen, der Diagnostik und Therapie findet sich auf der Website des Robert Koch-Institutes (http://www.rki.de). Es empfiehlt sich, die Behandlung eines Kindes mit Tuberkulose in Absprache mit einem Experten zu planen und durchzuführen.

9.2 Krankheiten durch Nicht-Tuberkulose-Mykobakterien

Mycobacterium avium und M. intracellulare werden zum M.-avium-intracellulare-Komplex (MAC) zusammengefasst. Sie können weltweit aus Erde, Wasserquellen, Hausstaub, Wildtieren, Haustieren oder verschiedenen Nahrungsmitteln isoliert werden. Mycobacterium avium ist ein wichtiger Krankheitserreger bei Geflügel.

NTM-bedingte Lymphadenitis

Bei Kindern sind MAC-Bakterien heute die bei weitem häufigsten Ursachen für die durch Nicht-Tuberkulose-Mykobakterien (NTM) bedingte Lymphadenitis. Dies ist eine Krankheit vorwiegend des Kleinkindesalters, wenn auch Fälle bei Erwachsenen beschrieben sind. Meist sind zervikale, submandibuläre, prä- oder postaurikuläre Lymphknoten betroffen. Die Lymphadenitis beginnt langsam, ist meist einseitig und indolent. Gelegentlich entleert sich spontan eitriges Material aus dem infizierten Gebiet. Eine Therapie mit oralen Cephalosporinen wird wegen des Verdachts auf eine Infektion mit Staphylokokken oder Streptokokken oft begonnen, führt aber nur bei Superinfektion zur vorübergehenden Besserung. Die Kinder sind in gutem Allgemeinzustand. Differenzialdiagnostisch sind Aktinomykose, Katzenkratzkrankheit, pyogene Abszesse, Mumps, Parotissteine, Halszysten und Malignome zu bedenken. Die Diagnose wird histologisch und kulturell gesichert. Die Therapie besteht in der möglichst vollständigen Exzision des infizierten Gewebes. Ist dies nicht vollständig möglich, sollte die durch langsam wachsende MAC hervorgerufene Lymphadenitis über 12 Monate mit Clarithromycin, RMP und EMB behandelt werden, evtl. sogar länger. Finden sich andere NTM, muss die Therapie entsprechend modifiziert werden.

Andere Infektionen

Bei Patienten mit chronischen Lungenkrankheiten rufen MAC-Bakterien eine schleichende, indolente Pneumonie hervor. Oft werden Tuberkuloselungenkavernen infiziert. Selten verursachen MAC-Bakterien noduläre Hautveränderungen, Ekthyma, Nephritis, Prostatitis, Peritonitis, Mastoiditis, Endokarditis, Knochen- und Weichteilinfektionen. Eine Erregerdissemination kommt auch bei immunkompetenten Menschen vor. Bei Patienten mit AIDS sind Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust die Kennzeichen einer disseminierten MAC-Infektion mit extrem hoher Erregerzahl vor allem im Blut und anderen Organen des RES (Kap. HIV-Infektion und AIDS bei Kindern und Jugendlichen). Die optimale Therapie ist nicht etabliert, je nach Ergebnis der In-vitro-Resistenztestung wird entweder Clarithromycin oder aber Azithromycin kombiniert mit Ethambutol und Rifabutin, Rifampicin, Clofazimin oder Ciprofloxacin. Eine Monotherapie ist kontraindiziert.

Mycobacterium kansasii verursacht ein von der Tuberkulose kaum zu unterscheidendes Krankheitsbild bei Erwachsenen mit chronischer Lungenkrankheit. Darüber hinaus sind Osteomyelitis, granulierende Hautentzündungen, Phlegmone, Perikarditis sowie eine disseminierte Infektion vor allem bei nichtimmunkompetenten Patienten beschrieben. Selten ist das Bakterium Ursache einer Lymphadenitis beim Kind. Die Therapie besteht in der Gabe von Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol für wenigstens 12 Monate.

Mycobacterium marinum führt nach einer Inkubationszeit von 2–8 Wochen bei Menschen mit kleineren Hautulzerationen nach Kontakt mit kontaminiertem Wasser, Fischen oder Krustentieren zu einer oberflächlichen Hautinfektion. Zunächst beobachtet man kleine Papeln, die sich dann vergrößern und schließlich ulzerieren. Eine zweite Form manifestiert sich als lokaler Abszess an der Infektionsstelle, der sich lymphogen ausbreitet. „Tiefe“ Infektionen von Knochen, Gelenken, Bindegewebe und (selten) auch eine Erregerdissemination sind beschrieben worden. Einige Patienten sprechen auf eine 4- bis 12-wöchige Therapie mit Cotrimoxazol oder Tetrazyklin an, auch Kombinationen aus RMP, EMB und Clarithromycin wurden angewendet. Eine operative Intervention kann hilfreich sein.

Mycobacterium scrofulaceum war früher der häufigste Erreger der Lymphadenitis durch NTM bei Kindern. Selten werden andere Krankheiten wie Konjunktivitis, Pneumonie, Osteomyelitis oder granulomatöse Hepatitis hervorgerufen.

Mycobacterium ulcerans ist Ursache des „Buruli-Ulkus“ in Afrika bzw. des Bairnsdale-Ulkus in Australien und Ulzera in Südamerika: Nach einem Trauma entsteht eine lokale Induration, die ulzeriert und sich subkutan ausbreitet. Die Patienten sind dabei unbeeinträchtigt.

Mycobacterium haemophilum verursacht granulomatöse Hautinfektionen vor allem bei Patienten mit einem T-Zell-Defekt (Transplantatempfänger, AIDS). Man sieht multiple Knötchen, oft in Clustern, meist an den Extremitäten, aber auch im Gesicht, aus denen sich Abszesse und Fisteln entwickeln können. Gelegentlich ist das Bakterium Erreger einer Lymphadenitis bei Kleinkindern. Wegen spezieller Wachstumsbedingungen (Hämin) ist bei Krankheitsverdacht das Labor zu unterrichten.

Zu den schnell wachsenden Mykobakterien zählen das in der Umwelt ubiquitär vorkommende M. fortuitum und M. chelonae, dessen Verbreitung kaum bekannt ist. Vor allem nach Verletzungen treten Weichteil- und Skelettinfektionen auf. Hautinfektionen, chronische Lungeninfektion, Dissemination, Otitis media und Kornealulzera sind beschrieben.

9.3 Lepra

Definition

Lepra ist eine chronische Krankheit der Haut, der Nerven und der Schleimhaut des oberen Respirationstrakts.

Epidemiologie

Weltweit leiden 6 Mio. Menschen an Lepra , davon ist die Hälfte unbehandelt. Endemiegebiete existieren in Asien, Afrika, Lateinamerika und im pazifischen Raum. Polymorphismen des angeborenen und adaptiven Immunsystems einschließlich HLA-Assoziationen sind mit der Empfänglichkeit und der Form verbunden. In Indien und Afrika sind 90 % der Fälle „tuberkuloid“, in Asien nur 50 %. Man schätzt, dass 90 % der Menschen über eine natürliche Immunität verfügen. Die Übertragung von M. leprae ist bis heute nicht sicher geklärt, wahrscheinlich aber erfolgt sie über Aerosoltröpfchen, die durch Niesen Infizierter freigesetzt werden, wie auch über kontaminierte Erde.

Mikrobiologie

Hierzu Abschn. 9, Mikrobiologie (siehe oben).

Pathogenese

Mycobacterium leprae wird zwar von Makrophagen Erkrankter phagozytiert, kann aber nicht abgetötet werden und vermehrt sich intrazellulär in Histiozyten der Haut und in Schwann-Zellen. Man findet einen Mangel an M.-leprae-responsiven T-Zell-Vorläufern und eine Vermehrung von T-Suppressorzellen.

Klinische Symptome und Verlauf

Nach einer Inkubationszeit von 5–7 Jahren entstehen bei der tuberkuloiden paucibacillären Lepra – gute Immunitätslage – einige gut demarkierte, hypopigmentierte und empfindungsfreie Hautareale mit zentraler Abheilung und Ausbreitungstendenz an den Rändern. Bei der lepromatösen multibacillären Lepra – geringe zelluläre Immunität, histologisch Nachweis vieler säurefester Stäbchen – werden Papeln, Knötchen und Infiltrate an Händen, Füßen und im Gesicht in symmetrischer Verteilung beobachtet. Beim Grenz- oder Mischtyp der Lepra gibt es beide Läsionsformen nebeneinander. Im Frühstadium findet man lediglich hypopigmentierte Bezirke. Wiederholte und von Patienten nicht bemerkte, weil schmerzlose Traumen, Ulzerationen und Frakturen führen zu Deformitäten. Nervenabszesse, akute Orchitis, tibiale Periostitis, Amyloidose, Erythema nodosum, Konjunktivitis, Keratitis und Iridozyklitis sind weitere typische Komplikationen.

Diagnose und Differenzialdiagnose

Der Erfahrene wird klinisch kaum Schwierigkeiten haben. Ärzte in Nichtendemiegebieten sollten differenzialdiagnostisch u. a. Sarkoidose, Leishmaniose, Lupus vulgaris, Lymphom, Syphilis und Granuloma anulare beachten. Bei typischen klinischen Symptomen ist eine Hautbiopsie vom Rand einer Läsion zum Erregernachweis indiziert.

Therapie

Bei tuberkuloider Lepra wird Dapson (1 mg/kg KG/Tag; Erwachsene 100 mg) nach Ausschluss eines Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangels zur Vermeidung von Resistenzen kombiniert mit RMP (10 mg/kg KG/Tag; Erwachsene 600 mg/Tag) für 6 Monate gegeben. Bei lepromatöser Lepra oder Mischform wird zusätzlich Clofazimin (1 mg/kg KG/Tag; Erwachsene 50 mg/Tag) für wenigstens 2 Jahre appliziert, bis die Hautbiopsie negativ ausfällt. Kortikosteroide und ggf. Thalidomid sind bei Erythema nodosum indiziert. Die Betreuung eines Kindes mit Lepra sollte in Absprache mit einem hierin erfahrenen Tropenmediziner erfolgen.

Prophylaxe

Desinfektion von Nasensekreten und Händewaschen nach Kontakt mit Erkrankten sind empfohlene Maßnahmen. Haushaltskontaktpersonen Erkrankter sollten initial und dann jährlich über wenigstens 5 Jahre hinweg auf das Vorliegen von Krankheitszeichen hin untersucht werden. Kontaktpersonen von Patienten mit Mischform oder lepromatöser Lepra sowie Kontaktpersonen im Alter bis 25 Jahre sollten prophylaktisch für 3 Jahre Dapson (Dosis wie zur Therapie) erhalten.

Prognose

Bei der lepromatösen Form nehmen unter Therapie die Hautinfiltrate innerhalb von Monaten ab, sie verschwinden innerhalb von Jahren. Auch die neurologische Symptomatik bessert sich oft. Bei mehr als 90 % der Patienten ist die Hautbiopsie nach 6 Jahren negativ. Tuberkuloide Läsionen können abnehmen und sogar verschwinden, Hyp- und Anästhesie bleiben oft bestehen.