1 Akute Gastroenteritis (Brechdurchfall)

Definition und Häufigkeit

Die akute Gastroenteritis ist im Säuglings- und Kleinkindesalter häufig. Die überwiegende Anzahl der Kinder, die an einem Brechdurchfall erkranken, ist jünger als 1 Jahr. Durch den schweren Wasser- und Elektrolytverlust kommt es zur Dehydratation. Bei 70 % der Patienten tritt eine isotone, bei 10 % eine hyponatriämische und bei 20 % eine hypertone (hypernatriämische) Dehydratation auf. Der Typ der Dehydratation ist unabhängig vom Erreger. Der Flüssigkeitsverlust kann das 2- bis 3-Fache des zirkulierenden Blutvolumens betragen, nämlich 150–250 ml/kg KG/Tag. Um das Blutvolumen konstant zu halten, entzieht der Körper dem Intrazellularraum Flüssigkeit. Dies führt zur Exsikkose. Das Ausmaß des Flüssigkeitsverlustes wird klinisch beurteilt und nach der WHO in 3 Schweregrade eingeteilt (Tab. 1).

Tab. 1 Einteilung der Schweregrade der Exsikkose bei Dehydratation

Pathophysiologie

Die Schleimhaut des Dünndarms setzt sich aus 2 verschiedenen Zelltypen zusammen:

  • den reifen Enterozyten, die die Hydrolyse und Absorption von Nahrungsstoffen übernehmen – sie befinden sich in der Mitte und Spitze der Zotten – und

  • den unreifen Kryptenzellen, die durch Zellteilung aus Stammzellen die lebenslange Reserve für die an der Zottenspitze abgestoßenen Enterozyten darstellen. Sie sind sekretorische Zellen, die über den in den Kryptenzellen lokalisierten CFTR („cystic fibrosis transmembrane conductance regulator“) Cl- in das Kryptenlumen sezernieren.

Mit dem Cl- werden Na+ und Wasser sezerniert. Das Ausmaß des Cl--Transportes ist abhängig von der intrazellulären Konzentration von cAMP (zyklischem Adenosinmonophosphat). Die unreifen Kryptenzellen verlassen nach 24 Stunden die proliferative Zone, wandern entlang der Zotte als reife absorptive Zellen bis zur Zottenspitze hinauf und werden nach weiteren 96 Stunden nach apoptotischem Zelltod abgestoßen. Die Dynamik dieses Reifungsprozesses bedingt, dass die gesamte Dünndarmoberfläche, die die Größe eines Tennisplatzes hat, alle 5–6 Tage neu synthetisiert wird und ebenfalls verloren geht. Die verlorene Zellmasse wird zum größten Teil abgebaut und reutilisiert. Für einen Säugling im 1. Lebensjahr bedeutet dies eine 73-malige Erneuerung der Dünndarmoberfläche. Bei Durchfallerkrankungen wird dieses dynamische Gleichgewicht zwischen Synthese und Verlust gestört. Insbesondere bei Virusinfektionen kommt es innerhalb von wenigen Stunden zur Zellzerstörung, die von proximal nach distal zunimmt. Morphologisch flacht die Dünndarmschleimhaut binnen 18 Stunden fast vollkommen ab. Die sich regenerierenden Zellen bestehen vornehmlich aus unreifen Kryptenzellen. Sie können die Aufgaben der Hydrolyse und Absorption nicht übernehmen und sezernieren stattdessen Cl- sowie andere Ionen und Wasser.

Unter den Nahrungsmitteln spielen die Kohlenhydrate beim akuten Brechdurchfall eine dominierende Rolle. Durch den Verlust von reifen absorptiven Zellen bei Virusenteritis ist die hydrolytische Aktivität der Laktase, Maltase-Glukoamylase sowie die Transportkapazität des natriumabhängigen Glukosetransporters (SGLT1), der natriumabhängigen Aminosäuretransporter und des für Fruktose zuständigen GLUT5-Transporters in der Bürstensaummembran der Enterozyten vermindert. Es kommt zur einer gemischten sekretorisch-osmotischen Diarrhö, wenn der von proximal nach distal sich ausbreitende Verlust von Dünndarmoberfläche den noch erhaltenen funktionstüchtigen distalen Teil überwiegt.

Für die Rehydratation von Wasser und Elektrolyten steht der in der apikalen Membran der Enterozyten gelegene SGLT1 ganz im Vordergrund (Abb. 1) Er transportiert Glukose und Na+ gegen einen Konzentrationsgradienten in die Zelle. Intrazellulär findet Na+-Anschluss an die in der basolateralen Membran gelegene Na+-K+-ATPase und wird im Austausch gegen K+ in den interzellulären Spalt transportiert und hier aufkonzentriert. Gegenüber dem Lumen des Darms entsteht hierbei ein osmotisches Ungleichgewicht. Folge davon ist, dass Wasser aus dem intestinalen Lumen in den interzellulären Spalt strömt und Anschluss an das kapilläre Blutsystem findet. Die nicht intrazellulär utilisierte Glukose wird wahrscheinlich durch den in der basolateralen Membran gelegenen GLUT2-Transporter in den interzellulären Spalt transportiert.

Abb. 1
figure 1

Schema der Aufnahme von Glukose, Na+ und Fruktose durch reife Enterozyten der Dünndarmmukosa. (SGLT1 Sodiumglukosetransporter; GLUT5 Glukosetransporter 5; GLUT2 Glukosetransporter 2)

Bei viraler Gastroenteritis werden Viren nach Adhäsion intrazellulär aufgenommen. Sie zwingen der Wirtszelle ihre Replikation auf und zerstören sie. Dadurch werden neue Viruspartikel freigesetzt, die weiter distal gelegene Enterozyten befallen. Die Dünndarmmukosa erholt sich innerhalb von 2 Zellzyklen (5–10 Tage) vollständig. Die Viren werden durch das GALT („gut-associated lymphoid tissue“) zerstört.

Während der akute Brechdurchfall durch eine virale Infektion immer mit Zelluntergang der Dünndarmschleimhaut einhergeht, ist der Mechanismus bei bakterieller Infektion ein anderer. Hier kommt es zunächst zur Adhäsion von Erregern. Anschließend erfolgt die Kolonisation auf der Dünndarmoberfläche, gefolgt von Invasion und/oder Toxinproduktion der Erreger (Kap. „Sepsis und toxisches Schocksyndrom bei Kindern und Jugendlichen“). Die Adhäsion erfolgt bevorzugt an M-Zellen, die sich innerhalb des Domareals über den Peyer-Plaques befinden und sich morphologisch von reifen Enterozyten unterscheiden. Sie haben keine Mikrovillusmembran, sezernieren kein sIgA (sekretorisches Immunglobulin A) auf ihre Oberfläche und können somit als Zielzellen für Adhäsion und Absorption von Partikeln und großen Molekülen dienen.

Ätiologie

Erreger des Brechdurchfalls sind Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten.

Virale Erreger

Die häufigste Ursache des Brechdurchfalls im Kindesalter ist die Infektion mit Rotaviren. Sie sind weltweit mit 60 % als Ursache der akuten Gastroenteritis führend (Tab. 2). Sie gehören zur Gruppe der Reoviridiae. Die Bezeichnung Rota kommt von ihrem reifenähnlichen Aussehen im Elektronenmikroskop (Abb. 2).

Tab. 2 Virale Erreger der Gastroenteritis
Abb. 2
figure 2

Elektronenmikroskopische Darstellung von Rotaviren aus einem Stuhlausstrich

Daneben können Adenoviren und Noroviren bzw. andere Caliciviren zum Brechdurchfall führen. Die Übertragung erfolgt bei den meisten Viren durch fäkoorale Infektion mit Ausnahme der Rotaviren, die auch durch Tröpfcheninfektion übertragen werden. In den Entwicklungsländern wird auch eine Übertragung durch verunreinigtes Wasser angenommen. Es besteht eine enge Verwandtschaft zu Durchfallkrankheiten in der Veterinärmedizin, jedoch sind auch signifikante Unterschiede zwischen menschenpathogenen und tierpathogenen Enteritisviren vorhanden, die zur Entwicklung von oralen Impfstoffen geführt haben. Nachdem es bei der 1. Generation zu Invaginationen gekommen war, stehen mit der 2. Generation 2 Impfstoffe zur Verfügung, die keine Invagination als Nebenwirkung aufweisen. Die Rotavirusimpfung ist in den STIKO-Empfehlungen als Routineimfung für Säuglinge aufgenommen.

Die Schwere der akuten Gastroenteritis hängt vom Ernährungszustand ab. Sie verläuft schwerer bei Kindern mit Malnutrition und dauert länger (bis zu 14 Tagen). Stillen dagegen schützt vor der Infektion und reduziert sowohl die Inzidenz von Brechdurchfall als auch die Mortalität von hospitalisierten Kindern mit Brechdurchfall. Besonders gefährdet sind Kinder mit angeborener oder erworbener Immunschwäche. Die virale Enteritis ist häufig bei Kindern nach Knochenmarktransplantation oder AIDS.

Bakterielle und parasitäre Erreger

Die entsprechenden Erreger werden in Kap. „Bakterielle Infektionen bei Kindern und Jugendlichen: gramnegative Stäbchen“, Kap. „Mykosen bei Kindern und Jugendlichen“, und Kap. „Protozoen und Helminthen bei Kindern und Jugendlichen“ besprochen.

Klinische Symptome

Nach einer Inkubationszeit von 2–7 Tagen kommt es zum abrupten Beginn mit Erbrechen und Fieber, gefolgt von profusen wässrigen Durchfällen. Bei 20–40 % der Kinder kommt es auch zu respiratorischen Symptomen. Gelegentlich werden auch blutige Stühle beobachtet, insbesondere bei sehr jungen Kindern, z. B. Frühgeborenen. Selten kommt es zur Invagination. Komplikationen sind die schwere Exsikkose mit Volumenmangelschock, als deren Folge es zu Krämpfen kommen kann. Selten wird eine Enzephalitis beobachtet. Das Erbrechen sistiert nach 24–48 Stunden, der Durchfall nach 2–7 Tagen.

Diagnose

Der Nachweis des verantwortlichen Virus für eine akute Gastroenteritis ist in den meisten Fällen nicht notwendig, da kostenträchtig. Spezifische immunologische Tests zur Erkennung des Antigens im Stuhl sind kommerziell erhältlich. Der Nachweis wird notwendig bei endemischem Auftreten der Gastroenteritis in Krankenhäusern, z. B. auf Neugeborenenstationen.

Die bakterielle Diagnostik ist in Kap. „Bakterielle Infektionen bei Kindern und Jugendlichen: gramnegative Stäbchen“ beschrieben. Bei schwerem Verlauf mit starker Exsikkose, insbesondere wenn diese ≥9 % beträgt, sind die folgenden Laboruntersuchungen notwendig: Elektrolyte, Hämatokrit, Blutgase. Bei septischen Verlaufsformen sind Blutkulturen erforderlich.

Begleiterkrankungen

Bei der Infektion mit Salmonellen, Shigellen, Yersinien und Campylobacter jejuni tritt gelegentlich eine reaktive Arthritis auf, die meist ein großes Gelenk betrifft. Diese kann mit hohem Fieber einhergehen. Patienten, die HLA-B27-positiv sind, haben ein 40-mal höheres Risiko, an einer reaktiven Arthritis zu erkranken. Gelegentlich kommt es auch bei Kindern zu einer antibiotikaassoziierten Enterokolitis, die mit blutiger Diarrhö einhergeht. Ursache ist eine Infektion mit Clostridium difficile oder Clostridium perfringens. Die Erreger lassen sich bakteriologisch nachweisen, die Toxinproduktion wird immunologisch oder biologisch festgestellt. Endoskopisch sind die Pseudomembranen oder eine schwere Kolitis nachweisbar. Therapie der Wahl ist die Gabe von Vancomycin und/oder Saccharomyces boulardii, die eine Protease sezernieren, die das Toxin und seinen Rezeptor verdauen.

Therapie

Der Flüssigkeits- und Salzverlust in den ersten 24 Stunden ist je nach Erreger verschieden. Während bei Cholera sehr viel Na+, Cl- und Wasser verloren geht als Folge der maximalen Stimulation der intrazellulären Adenylatzyklase, geht bei der Rotavirusinfektion und der enterotoxischen Escherichia-coli(ETEC)-Infektion mehr K+ verloren. Im Mittel kann davon ausgegangen werden, dass 80–150–250 ml/kg KG/24 h verloren gehen. Dies entspricht einer 3-, 4- bis 9- bzw. 10-prozentigen Exsikkose.

Orale Rehydratation

Die orale Rehydratation hat das Ziel, Wasser und Elektrolyte in den ausgetrockneten Körper des Kindes zurückzubringen. Hierbei werden industriell hergestellte Fertigprodukte verwendet. Tab. 3 und 4 geben einen Überblick über die im deutschsprachigen Raum hergestellten Glukose-Elektrolyt-Lösungen. Während Lösungen mit hohem NaCl-Gehalt (90 mmol/l) in der 3. Welt zur Anwendung kommen, haben sich bei uns Glukose-Elektrolyt-Lösungen bewährt, die 45–60 mmol NaCl/l enthalten. Den Kindern wird die Lösung entweder mit flachen Löffeln in kühler Form gelöffelt oder mit der Flasche oder Glas verabreicht. Gelegentliches Erbrechen ist kein Grund, die orale Rehydratation zu beenden. Bei kontinuierlichem Erbrechen oder Trinkverweigerung kann die ORL (orale Rehydratationslösung) auch über eine Magensonde verabreicht werden. Gestillte Kinder werden zwischen der Gabe von ORL an die Brust angelegt. Die Dauer der Rehydratation beträgt 6–8–12 Stunden, selten länger. Cola-Getränke sind wegen ihres fehlenden Salzgehaltes nicht für die Rehydratation geeignet. Sie enthalten zudem sehr viel Kohlenhydrate (≥12 g/l). Von selbsthergestellten Zucker-Salz-Mischungen ist abzuraten, da hierbei zu viele Fehler vorkommen und derartige Lösungen sehr variable Zusammensetzungen aufweisen.

Tab. 3 Zusammensetzung oraler Rehydratationslösungen: Empfehlungen der ESPGHAN und handelsübliche Lösungen im deutschsprachigen Raum geeignet für Kinder; Präparate auf Glukosebasis
Tab. 4 Zusammensetzung oraler Rehydratationslösungen: handelsübliche Lösungen im deutschsprachigen Raum geeignet für Kinder; Präparate mit polymeren Kohlenhydraten

Intravenöse Therapie

Für die Therapie der initialen Phase der Exsikkose ist der Zeitpunkt wichtig, wann man sich für eine intravenöse Therapie entscheiden muss. Während die Exsikkose mit 3–8 % und weniger der rein oralen Therapie vorbehalten bleibt, sind stärkere Exsikkosegrade der intravenösen Therapie zugeordnet. Hierbei lassen sich folgende absolute Indikationen für eine intravenöse Therapie festlegen:

  • Schock (bei ≥9 % Exsikkose),

  • Unfähigkeit, orale Flüssigkeit aufzunehmen bei

    • persistierendem Erbrechen,

    • Bewusstlosigkeit, Krämpfen,

    • Mund- und Pharynxverletzungen,

  • Säuglinge unter 2500 g,

  • schwere Malnutrition.

Relative Indikationen für eine intravenöse Therapie sind:

  • Nicht gestillte Säuglinge unter 3 Monaten bei

    • mäßiger Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes,

    • schlechter sozialen Situation, die eine orale Therapie zu Hause nicht erwarten lässt,

  • intermittierendes Erbrechen bei Anorexie,

  • nach notfallmäßiger parenteraler Rehydratation.

Die Details der intravenösen Therapie sind in Kap. „Infusionstherapie und parenterale Ernährung bei Kindern und Jugendlichen“ abgehandelt.

Realimentation

Unmittelbar nach der Rehydratation beginnt die Realimentation. Hierbei wird mit der gleichen Nahrung fortgefahren, die das Kind vorher erhalten hat. Bei Säuglingen kann unverdünnte Säuglingsmilch gegeben werden. Bei gestillten Kindern erfolgt die Realimentation mit Muttermilch. Ein Umsetzen auf eine spezielle Nahrung (sog. Heilnahrungen mit reduziertem Laktose- und Fettgehalt; Sojanahrung oder Hydrolysatnahrungen) ist nicht angezeigt. Säuglinge, die eine hypoallergene Säuglingsmilch erhalten, sollen keine andere Säuglingsmilch auf Kuhmilch- oder Sojabasis erhalten.

Bei Kleinkindern wird als Aufbaudiät eine langsame, stufenweise Einführung von polymeren kohlenhydratreichen, fettreduzierten Nahrungsmitteln empfohlen: geriebener Apfel, geschlagene Banane, Zwieback, Schleimsuppe (Reis- oder Gerstenschleim), Wasserkakao, Kartoffelbrei mit Wasser angerührt, Reis, Bouillon, trockene Semmel mit Konfitüre.

Medikamentöse Behandlung

Eine medikamentöse Behandlung ist bei der unkomplizierten Gastroenteritis nicht indiziert. Dazu zählen Antiemetika, Adsorbenzien, Sekretionshemmer und Motilitätshemmer. Die Gabe von lyophilisierten Hefen hat keinen Vorteil bei akutem Brechdurchfall gegenüber Placebo. Studien mit Probiotika (Lactobazillus GG und Saccharomyces boulardii) haben als Zusatz zur Rehydratation einen Vorteil bei akutem Brechdurchfall zeigen können. Entsprechende Präparate sind im Handel. Einen günstigen Effekt auf die Durchfallkrankheit konnte mit Rececadotril, einem Sekretionshemmer, gezeigt werden. Das Medikament ist in Deutschland für Säuglinge ab dem 3. Lebensmonat zugelassen. Die Dosis beträgt 3 × 10 mg bei Kindern bis 9 kg, 3 × 20 mg von 10–15 kg und 3 × 30 mg bei Kindern zwischen 16 und 29 kg sowie 3 × 60 mg bei Kindern >30 kg. Früh verabreicht wirkt es besser. Es besteht kein Unterschied zwischen viraler und bakterieller Infektion.

Einen Überblick über die Notwendigkeit einer antiinfektiösen Therapie gibt Tab. 5.

Tab. 5 Antiinfektiöse Therapie bei akutem Brechdurchfall

Praktisches Vorgehen

Die Anamnese erfasst Art und Dauer der Symptomatik, mögliche Infektionsursachen (Umgebung, Reisen), Ernährung, Einnahme von Medikamenten (Antibiotika) und Begleiterkrankungen. Bei der Untersuchung wird der Exsikkosegrad entsprechend Tab. 1 festgestellt und das unbekleidete Kind gewogen. Danach kann nach dem in Abb. 3 dargestellten Flussschema verfahren werden. Bei Dehydratation ≤9 % wird das Kind oral rehydriert, bei größerer Austrocknung (≥9 %) in die Klinik eingewiesen. Bei ambulanter Therapie wird dem Kind 50 ml ORL/kg KG/4 h verabreicht. Danach wird das Kind erneut gewogen und klinisch beurteilt. Hat es sich bereits erholt, folgt die Realimentation. Bei leicht verbessertem Zustand wird die Rehydratation in gleicher Menge wiederholt. Zeigt es keine Besserung, erfolgt die Klinikeinweisung.

Abb. 3
figure 3

Vereinfachtes Flussschema zum Vorgehen bei akuter Gastroenteritis

2 Postenteritisches Syndrom (persistierende Diarrhö)

Definition und Häufigkeit

Während der durchschnittliche Brechdurchfall nach einigen Tagen wieder vorübergeht, persistiert ein kleiner Teil länger und führt zu einem klinischen Zustand mit chronischer Diarrhö, verbunden mit Gedeihstörung, die, soweit es sich um Kinder in der 3. Welt handelt, mit bereits bestehender Malnutrition einhergeht. Die Weltgesundheitsbehörde hat wegen der globalen Häufigkeit dieser chronisch verlaufenden Durchfallerkrankung diese als persistierende Diarrhö definiert, wenn sie akut als Brechdurchfall beginnt und länger als 14 Tage anhält. 3–23 % aller Episoden von akutem Brechdurchfall in Asien und Lateinamerika dauern länger als 2 Wochen. Die Prognose der persistierenden Diarrhö in Drittweltländern ist schlecht. 65 % der Todesfälle durch Durchfallerkrankungen werden durch die persistierende Diarrhö verursacht, 35 % durch akuten Brechdurchfall.

Ätiologie

Im Gegensatz zur akuten Gastroenteritis, die weltweit am häufigsten durch Rotavirus hervorgerufen wird, spielt das Rotavirus bei der persistierenden Diarrhö eine untergeordnete Rolle. Hier sind die Haupterreger enteroadhärente Escherichia coli (EAEC) mit einer Häufigkeit von 38 %, gefolgt von enterotoxischen Escherichia coli (ETEC) mit einem Anteil von 12–25 %. Vor allem in Südamerika spielen die Giardia lamblia auch eine prädominante Rolle mit einer Häufigkeit von 43 % (Peru). Bei Kindern mit erworbener Immunschwäche (AIDS) finden sich häufig Cryptosporidium parvum, Enterocytozoon bieneusi und Mycobacterium avium-intracellulare als Ursache der persistierenden Diarrhö. Auch kommen Mehrfachinfektionen mit verschiedenen E. coli vor oder in Kombination mit Giardia lamblia. Weniger häufig sind Infektionen mit Salmonellen oder Shigellen.

Pathophysiologie

Ursache der persistierenden Diarrhö bei den meisten Kindern sind Malnutrition und vorher durchgemachte Krankheiten wie Masern. Kinder in der 3. Welt haben ein erhöhtes Risiko für eine länger als 6 Monate andauernde Durchfallerkrankung, wenn sie vorher an Masern erkrankt waren. Insgesamt findet sich bei Kindern mit persistierender Diarrhö eine Verminderung des T-Zell-abhängigen Immunsystems. Die betroffenen Kinder entwickeln eine schwere Läsion ihrer Dünndarmschleimhaut mit Abflachung der Zotten bis hin zur totalen Zottenatrophie. Die verminderte resorptive Oberfläche führt zur Malabsorption, und die bereits bestehende Malnutrition wird verstärkt. Es kommt zu einem Circulus vitiosus mit schwerer Gedeihstörung, Marasmus und häufig tödlichem Ausgang.

Diagnose und klinische Symptome

In den Ländern der 3. Welt sind vor allem Kinder unter 2 Jahren betroffen. Sie präsentieren sich mit wässrig-schleimig-blutigen Stühlen. Der Nachweis von Blut im Stuhl in der ersten Woche ist hinweisend für eine persistierende Diarrhö. Dazu kommen Erbrechen, Fieber, Dehydratation, geblähtes Abdomen und Anorexie bei schwerer Malnutrition. Der Nachweis von Parasiten (Giardia lamblia, Entamoeba histolytica und Cryptosporidium) erfolgt im frischen Stuhl. Bakterien werden durch Stuhlkulturen nachgewiesen. Die enteropathogenen Serotypen von ETEC und EPEC werden durch spezifische Antiseren nachgewiesen.

In den Industriestaaten wird der länger als 14 Tage andauernde Brechdurchfall als postenteritisches Syndrom bezeichnet. Die Kinder erholen sich nach der üblichen Rehydratation, jedoch nicht nach der Realimentation. Der Durchfall persistiert in Form von wässrig-schleimigen, selten jedoch blutigen Stühlen. Durch gut gemeinte, jedoch allzu strenge diätetische Maßnahmen entwickeln sie nicht selten ebenfalls eine Gedeihstörung, die jedoch fast nie mit Malnutrition verbunden ist. Besorgte Eltern und durch häufigen Besuch bei klinisch nicht gebesserten Zustand irritierte Ärzte neigen zu einschneidenden diätetischen Maßnahmen, denen insgesamt gemeinsam die niedrige Energiedichte ist, mit der die Kinder ernährt werden. Bei einer Durchfallerkrankung, die länger als 2 Wochen dauert, muss in unseren Breiten differenzialdiagnostisch eher eine Kuhmilchallergie angenommen werden.

Therapie

Basis einer adäquaten Therapie der persistierenden Diarrhö bzw. des postenteritischen Syndroms ist eine ausreichende Ernährung nach der üblichen Rehydratation. Hierbei ist das Stillen von großer Bedeutung. Es muss bereits während der Rehydratation beginnen und anschließend kontinuierlich fortgeführt werden. Bei künstlich ernährten Säuglingen oder älteren Kindern mit persistierender Diarrhö muss immer wieder Nahrung in Form von eiweiß- und kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln angeboten werden. Komplexe Kohlenhydrate wie Reisprodukte sind vorzuziehen. Sie werden kombiniert mit Sojaöl, Hühnereiweiß, Leguminosen (Linsen). Bei Kindern mit schwerer Malnutrition sollte die Laktosezufuhr reduziert werden. Joghurt wird besser vertragen als Milch. Kinder mit postenteritischem Syndrom erhalten eine extensiv hydrolysierte Milchformula für 4 Wochen und können dann auf eine Säuglingsformula auf Sojabasis umgestellt werden. Nach 3 Monaten kann eine Wiedereinführung von Kuhmilch und -produkten versucht werden. Hierbei hat sich ebenfalls Joghurt bewährt. Antibiotika und Motilitätshemmer haben bei Kindern mit persistierender Diarrhö oder postenteritischem Syndrom keine Verbesserung gegenüber der diätetischen Therapie gezeigt. Der Effekt von probiotischen Keimen (Laktobakterien, Hefen) kann derzeit nicht genau beurteilt werden. Während sie bei akutem Brechdurchfall eine verbessernde Wirkung gezeigt haben, sind die Daten für die persistierende Diarrhö und das postenteritische Syndrom noch begrenzt.