Zusammenfassung
Im Gegensatz zum eingangs zitierten, traditionellen Verständnis von Krieg als bewaffneter Auseinandersetzung zwischen Soldaten, die weiten Teilen der bisherigen Kriegsliteraturforschung zugrunde liegt, soll hier ein erweiterter Kriegsbegriff zur Anwendung kommen. Er bleibt allerdings — im Gegensatz etwa zum Kriegsbegriff bei Ingeborg Bachmann — dem historischen Ereignis verhaftet. Wie bereits bei der Beschreibung der Gattung geht es hier nicht um eine umfassende Neudefinition, sondern um die Offenlegung eines Suchbildes. Unter ‚Zweiter Weltkrieg’ wären im Kontext dieser Arbeit in erster Linie die Ereignisse der Zeit zwischen 1. September 1939 und 8. Mai 1945 und die von den Autorinnen für diese Zeit beschriebenen signifikanten Veränderungen gegenüber dem Vorkriegsleben zu verstehen, die nicht allein auf eine persönliche Entscheidung zurückzuführen sind. Im Gegensatz zu Dorothy Goldman, die eine Liste von Kriegserfahrungen, die angeblich allen von ihr untersuchten europäischen Kriegsautorinnen des Ersten Weltkriegs gemeinsam sind, als „criteria for inclusion in the canon of women’s war writing“ aufstellt,1 gehe ich innerhalb des zeitlichen Rahmens vorwiegend von der Eigenwahrnehmung der Frauen aus. Das Schlangestehen nach Lebensmitteln 1944 etwa gehört zur Darstellung des Zweiten Weltkriegs, weil es für die Autorinnen eine kriegsbedingte Änderung gegenüber dem Vorkriegsleben in Deutschland darstellt. Die bloße Tatsache eines Umzugs von Berlin nach Garmisch wäre dagegen für die Kriegsdarstellung nicht relevant, könnte es aber werden, wenn der Umzug erfolgt, um den Luftangriffen auf Berlin zu entgehen.
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Anmerkungen
Margarete Hannsmann: Der helle Tag bricht an. Ein Kind wird Nazi. o. O.: Goldmann 1991. Das Buch wurde aus diesem Grund auch nicht in die Textgrundlage mit einbezogen.
Vgl. etwa Eleonore Henning: Aus Deutschlands dunklen Tagen. Erlebnisse in Pommern am Ende des zweiten Weltkriegs. Bad Liebenzeil: Liebenzeller Mission 1982;
Helga Prollius: Flucht aus Prag 1945. Schicksal einer jungen Frau. Freiburg i. Br.: Herder 1980,
Lo Warnecke: Auf der Flucht. Bergisch Gladbach: Bastei-Lübbe 1980.
Leni Riefenstahl: Memoiren. München/Hamburg: Albrecht Knaus 1987, S. 345.
Elfriede Brüning: Und außerdem war es mein Leben. Aufzeichnungen einer Schriftstellerin. Berlin: Elefanten Press 1994, S. 82.
Inge Stolten: Das alltägliche Exil. Leben zwischen Hakenkreuz und Währungsreform. Berlin, Bonn: Dietz 1982, S. 34f.
Christabel Bielenberg: Als ich Deutsche war 1934–1945. Eine Engländerin erzählt. Autorisierte deutsche Fassung von Christian Spiel. München: Beck 1987, S. 35.
Carola Stern: In den Netzen der Erinnerung. Lebensgeschichten zweier Menschen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1986, S. 160.
Eva Sternheim-Peters: Die Zeit der großen Täuschungen. Mädchenleben im Faschismus. Bielefeld: AJZ-Verlag 1987, dieses und folgende Zitate S. 423.
Marianne d’Hooghe: „Mitbetroffen“. Darmstadt 1969, hier S. 121.
Geno Hartlaub: Sprung über den Schatten. Orte, Menschen, Jahre. Erinnerungen und Erfahrungen. Bern, München: Scherz 1984, S. 126.
Renate Finckh: Mit uns zieht die neue Zeit. Mit e. Nachwort Inge Aicher-Scholl. Baden-Baden: Signal 1978, S. 159f. Mit der „Wand des Schweigens“ wird auf frühere Textstellen verwiesen, in denen die Hauptfigur Cornelia wegen ihrer überdurchschnittlichen Euphorie für den Nationalsozialismus in die Isolation gerät. Eva Sternheim-Peters beschreibt eine noch undurchdringlichere Wand aus harmlosen Anekdoten und nicht gestellten Fragen, die die Erzählungen der Fronturlauber einerseits und E. als Zuhörerin andererseits charakterisieren, ohne dies auf E.s nationalsozialistische Einstellung zurückzuführen. Vgl. Sternheim-Peters, S. 390ff.
Elisabeth Flickenschiidt: Kind mit roten Haaren. Ein Leben wie ein Traum. Hamburg: Hoffmann und Campe 1971, S. 49.
Lore Walb: Ich, die Alte — ich, die Junge. Konfrontation mit meinen Tagebüchern 1933–1945. Berlin: Aufbau 21997, S. 260, Unterstreichungen von Lore Walb.
Marion Gräfin Dönhoff: Bilder, die langsam verblassen. Ostpreußische Erinnerungen. Berlin: Siedler 1989, S. 163.
Hanna Reitsch: Das Unzerstörbare in meinem Leben. München: J. F. Lehmanns Verlag 1975, S. 92f.
Klara-Marie Faßbinder: Begegnungen und Entscheidungen. Blätter aus einem Lebensbuch. Darmstadt: Progress-Verlag Johann Fladung o.J. [1961], S. 165.
Gisela Uhlen: Mein Glashaus. Roman eines Lebens. München: Heyne 1980, S. 42.
Brigitte Hunter: Kitty. Basel: Stroemfeld/Frankfurt a. M.: Roter Stern 1981, S. 77, Rechtschreibung und Zeichensetzung so im Original.
Wilhelmine Siefkes: Erinnerungen. Leer: Schuster 1979, S. 143.
Margarete Cordemann: Wie es wirklich gewesen ist. Lebenserinnerungen einer Sozialarbeiterin auf dem Hintergrund einer Beschreibung der deutschen Gesellschaft in der Zeit von 1890–1960. Gladbeck: Schriftenmissions-Verlag 1963, S. 347.
Olga Tschechowa: Meine Uhren gehen anders. München, Berlin: Herbig 1973, S. 209.
Maria Gräfin von Maltzan: Schlage die Trommel und fürchte dich nicht. Erinnerungen. Berlin, Frankfurt a. M.: Ullstein 61991, S. 149f. Im Zusammenhang mit Luftangriffen erzählt Maltzan auch, daß ihr Kind kurz nach der Geburt im Brutkasten stirbt, als während einer Bombardierung die Stromversorgung zusammenbricht.
Käte Haack: In Berlin und anderswo. Erinnerungen. München, Berlin: F. A. Herbig 1971, S. 151f.
Annemarie Renger: Ein politisches Leben. Erinnerungen. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1993, S. 49.
Renate Riemeck: Ich bin ein Mensch für mich. Aus einem unbequemen Leben. Stuttgart: Urachhaus 21994, S. 76.
Hildegard Hamm-Brücher: Freiheit ist mehr als ein Wort. Eine Lebensbilanz 1921–1996. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1996, S. 77.
Liselott Diem: Leben als Herausforderung. Bd.l: Autobiographie 1906–1986. Hg. v. Carl-Diem-Inst. e. V. Sankt Augustin: Richarz 1986, S. 158.
Vgl. z.B. Dreisbach, S. 148 und 151; Luise Ullrich: Komm auf die Schaukel, Luise. Balance eines Lebens. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 61980, S. 144.
Langer, Charlotte: Niemand weiß, wohin es geht. Percha: R.S. Schulz 1979, S. 148.
Tisa von der Schulenburg: Ich hab’s gewagt. Bildhauerin und Ordensfrau — ein unkonventionelles Leben. Freiburg i. Br.: Herder 21982, S. 165.
Luise Rinser: Den Wolf umarmen. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 1992, S. 384.
Maria Milde: Berlin Glienicker Brücke. Babelsberger Notizen. Berlin: Universitas 1978, S. 189.
Berta Drews: Wohin des Wegs. Erinnerungen. München, Wien: Langen Müller 1986, S. 239f.
Angelika Petershagen: Entscheidung für Greifswald. Eine Frau begreift ihre Zeit. Autobiographie. Berlin: Verlag der Nation 21983, S. 134.
Vgl. Heike Sander u. Barbara Johr (Hg.): BeFreier und Befreite. Krieg, Vergewaltigungen, Kinder. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 1995, S. 9, vgl. auch S. 13.
Ursula Herking: Danke für die Blumen. Damals — gestern — heute. München, Gütersloh, Wien: Bertelsmann 1973, S. 74.
Sieglinde Reif: „Das,Recht des Siegers’. Vergewaltigungen in München 1945”. In: Krafft, Sybille: Zwischen den Fronten. Münchner Frauen in Krieg und Frieden 1900–1950. Mit Beiträgen von Christina Böck… Hg. von der Landeshauptstadt München. München: Buchendorfer Verlag 1995, S. 360–371, hier S. 366. Heike Sander erwähnt Frauen, die „die Vergewaltigungen bagatellisierten, weil sie schnell vorbei waren“, und andere, die sie „fast lakonisch hinnahmen […,] weil das Geschehen sich irgendwie deckte mit dem allgemeinen Gefühl des Angeschmiertseins.“, in: Dies. /Barbara Johr (Hg.), S. 19 und 19f.
Lil Dagover: Ich war die Dame. (Autobiographie). München: Schneekluth 1979, S. 242.
Auch Felicitas Hauke erzählt in Steine in meinem Weg. Ein Lebensbericht (Freiburg i. Br.: Herder 1981, S. 65f), wie ihre Mutter sie vor einer Vergewaltigung bewahrt.
Vgl. z.B. Bremer, S. 59, und Kabel, Manchmal war es nicht zum Lachen, S. 183, 193. Das Thema ist bereits in dem Band von Rainer Horbelt und Sonja Spindler: „Oma, erzähl mal was vom Krieg“. Zehn Frauen erinnern sich. Erlebnisse und Dokumente (Reinbek bei Hamburg: rororo 1986) dokumentiert und soll hier nicht weiter vertieft werden.
Günter de Bruyn: Zwischenbilanz. Eine Jugend in Berlin. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 1994, S. 297.
Anneliese Rothenberger: Melodie meines Lebens. Selbsterlebtes — Selbsterzähltes. München: Lichtenberg 1972, S. 64.
Rüdiger Overmans: „Die Toten des Zweiten Weltkriegs in Deutschland. Bilanz der Forschung unter besonderer Berücksichtigung der Wehrmacht- und Vertreibungsverluste“. In: Der Zweite Weltkrieg. Analysen, Grundzüge, Forschungsbilanz. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hg. v. Wolfgang Michalka. München/Zürich: Piper 1989, S.858–873, hier S. 869f.
Else Ulich-Beil: Ich ging meinen Weg. Lebenserinnerungen. Berlin: F. A. Herbig 1961, S. 152f.
Ida Ehre: Gott hat einen größeren Kopf, mein Kind… Geleitwort v. Helmut Schmidt. Mit 16 Bildtafeln. München, Hamburg: Albrecht Knaus 1985, S. 127.
Ruth Müller-Garnn: Wie man durchs Leben stolpert. Die Geschichte, wie ich ich wurde. Würzburg: Echter Verlag 1982, S. 28.
Roland Ulrich: „Erfahrungen einer Generation. Zum Heimatdiskurs in Christa Wolfs Buch, Kindheitsmuster’“. In: Kuczynski, Krysztof A./Schneider, Thomas (Hg.): Das literarische Antlitz des Grenzlandes. Frankfurt a. M. u. a.: Lang 1991 (= Gießener Arbeiten zur neueren deutschen Literatur und Literaturwissenschaft, Bd. 11), S. 99–105, hier S. 101. In einer eigentümlichen Brechung kommt die (versteckte) Wirklichkeit des Heimwehs noch an einer anderen, von Ulrich nicht diskutierten Stelle zur Sprache, nämlich als es um die hohe Sterblichkeit der Alten in der Zeit um das Kriegsende geht: „[…] sie alterten in Wochen um Jahre, starben dann, nicht schön der Reihe nach und aus den verschiedensten Gründen, sondern alle auf einmal und aus ein und demselben Grund, mochte man ihn Typhus nennen oder Hunger oder ganz einfach Heimweh, was ein überaus triftiger Vorwand ist, um daran zu sterben. Der wirkliche Grund für ihren Tod aber war: Sie wurden vollkommen überflüssig, eine Last für die anderen […]”, Wolf, S. 399.
Elly Beinhorn: Alleinflug. Mein Leben. München: Heyne 1981, S. 294.
Marlis G. Steinert: „Deutsche im Krieg: Kollektivmeinungen, Verhaltensmuster und Mentalitäten.“ In: Bracher, Karl Dietrich/Funke, Manfred/Jacobsen, Hans-Adolf (Hg.): Deutschland 1933–1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft. Bonn: Droste, 2. ergänzte Auflage 1993. (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 314), S. 474–487.
Vgl. Rita R. Thalmann: “Zwischen Mutterkreuz und Rüstungsbetrieb: Zur Rolle der Frau im Dritten Reich“. In: Bracher, Karl Dietrich/Funke, Manfred/Jacobsen, Hans-Adolf (Hg.): Deutschland 1933–1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft. Bonn: Droste, 2. ergänzte Auflage 1993. (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 314), S. 198–217, S. 202.
Anna Haag: Das Glück zu leben. Erinnerungen und Begebenheiten aus neun Jahrzehnten. Stuttgart: J.F. Steinkopf 1978, S. 172, S. 178.
Peter Longerich: „Nationalsozialistische Propaganda“. In: Bracher, Karl Dietrich/Funke, Manfred/Jacobsen, Hans-Adolf (Hg.): Deutschland 1933–1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft. Bonn: Droste, 2. ergänzte Auflage 1993. (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 314), S. 291–314, hier S. 311.
Vgl. Andrea Winkler-Mayerhöfer: Starkult als Propagandamittel? Studien zum Unterhaltungsfilm im Dritten Reich. München: Ölschläger 1992.
Elisabeth Moltmann-Wendel: Wer die Erde nicht berührt, kann den Himmel nicht erreichen. Zürich: Benziger 1997, S. 43.
Moltmann-Wendel, S. 44. Daß auch Frauen wegen „Fahnenflucht” bzw. „unerlaubter Entfernung“ verurteilt wurden, wenn auch meist milder als Männer, bestätigen die Untersuchungen von Stefanie Reichelt: „»…Feiglinge mit dem Scheuerlappen an die Front zu hauen!’ Münchner Frauen im Konflikt mit Wehrmachts- und Sondergerichtsbarkeit“. In: Krafft, Sybille: Zwischen den Fronten. Münchner Frauen in Krieg und Frieden 1900–1950. Mit Beiträgen von Christina Böck u. a. Hg. von der Landeshauptstadt München. München: Buchendorfer Verlag 1995, S. 342–359, und die von Birthe Kundrus referierten in: Dies.: „Nur die halbe Geschichte. Frauen im Umfeld der Wehrmacht zwischen 1939 und 1945 — Ein Forschungsbericht“. In: Die Wehrmacht. Mythos und Realität. Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hg. v. Rolf-Dieter Müller und Hans-Erich Volkmann. München: R. Oldenbourg 1999, S. 719–735.
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Mahr, C. (2006). Inhaltliche Schwerpunkte der Darstellung des Zweiten Weltkriegs. In: Kriegsliteratur von Frauen?. Frauen in der Literaturgeschichte, vol 14. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-427-8_5
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