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„Schon wieder Zara!“ Differenzkonstruktionen im Schulalltag

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Kindheit(en) in formalen, nonformalen und informellen Bildungskontexten

Part of the book series: Kinder, Kindheiten und Kindheitsforschung ((KKK,volume 20))

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Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird anhand des Einzelfalls ‚Zara‘ der Frage nachgegangen, wie in pädagogischen Einrichtungen Differenz(en) hergestellt und soziale Ungleichheit(en) reproduziert werden. Die Praktiken der beobachteten Lehrpersonen zielen darauf, Zara zu einer ‚richtigen‘ Schülerin zu sozialisieren, die den Erwartungen der Lehrpersonen entsprechen soll. Dabei darf sie den Unterricht in seiner praktischen Umsetzung nicht stören. Zara wird häufig klassenöffentlich durch ein direktes doing difference stigmatisiert und – wohl unbeabsichtigt – sukzessive aus dem Korpus der Klasse ausgeschlossen. Eine indirekte Ethnisierung lässt sich in den Argumentationen der Lehrpersonen festgestellen, wenn sie Zaras Eltern aus kulturellen und sprachlichen Gründen als unfähige Erziehungsberechtigte adressieren.

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Notes

  1. 1.

    Das Projekt MEMOS (‚Mehrsprachigkeit und Mobilität im Übergang vom Kindergarten in die Grundschule in der deutschsprachigen Schweiz‘, 2011–2013) an der Pädagogischen Hochschule der FHNW wurde als Folgeprojekt von HeLiE (‚Heterogenität und Literalität im Übergang vom Elementar- in den Primarbereich im europäischen Vergleich‘) der Universität zu Köln für die deutschsprachige Schweiz ins Leben gerufen, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie institutionalisierte sprachliche Bildung bzw. schriftsprachspezifische Förderung in unterschiedlichen Bildungssystemen und Bildungsinstitutionen hinsichtlich junger Kinder mit Migrationshintergrund praktiziert wird (Kassis und Panagiotopoulou 2015).

  2. 2.

    Alle Namen in diesem Beitrag sind anonymisiert.

  3. 3.

    Herr Zairoglou, Zaras Vater, bestätigte diese Aussage im Interview, welches vor Ende des Schuljahres mit ihm durchgeführt wurde. Beide Eltern schienen einen guten Kontakt zu Frau Leimgruber und zu Frau Meyer zu haben.

  4. 4.

    Die Einführungsklasse figuriert als spezielle Förderung der Sonderpädagogik: „Die Einführungsklasse fördert Schülerinnen und Schüler, deren Schulfähigkeit noch nicht in allen Bereichen entwickelt ist. Der Schulstoff des ersten Schuljahres wird auf zwei Jahre verteilt. Diese zählen als ein Schuljahr. Am Ende des zweiten Schuljahres erfolgt der Übertritt in die 2. Regelklasse, in die integrative Schulungsform (ISF) oder in die Kleinklasse“ (http://www.avs.bl.ch/index.php?id=204. Zugegriffen: 31. Jan. 2016).

  5. 5.

    Der Horgener Schuleignungstest versucht den kognitiven Entwicklungsstand anhand von Form- und Begriffsbildung, logischem Denken sowie Grafomotorik bei 5- bis 6-jährigen Kindern zu erfassen, um ihre Schulfähigkeit abzuklären (Annen et al. 2005).

  6. 6.

    Zara thematisiert am Ende des Schuljahrs im Interview ihr früheres Verhalten und distanziert sich zugleich davon, wie die folgende Interviewstelle illustriert: […] I: Undgibt es etwas, was man in der Klasse nicht machen darf? Z: Ähm,einfachnichtSachen machen ohne Fragen (I: Mhm)_ und man darf nicht kleine Kinder schlagen_ I: Kinder schlagen darf man nicht. Machen das die Kinder in der Klasse?Z: Paar. I: Schlagen sie?Ja? Z: Aber ich hab schon einmalaber jetzt nicht mehr. I: Du hast frühergeschlagen?Aber_ Z: Jetzt nicht mehr. I: MhmUnd wie hast du das geschafft, dass du nicht mehr schlägst? Z: Ähm, einfach (…) (Interviewausschnitt 20. Juni 2013, 281–285).

  7. 7.

    Die Bleistiftszene zwischen Anna und Zara, die sich während der Ausführung einer Einzelarbeit in der Klasse von Frau Cinege und direkt vor mir als Beobachterin ereignete, habe ich als eine unspektakuläre Neckerei Zaras während des Unterrichts, ähnlich wie dies so häufig bei vielen anderen Kindern im Laufe des Jahres vorgekommen war, erlebt. Zara hatte mit der stumpfen Seite ihres Bleistifts viermal ihre Sitznachbarin berührt oder zu berühren versucht. Als Annas Ermahnung, zu stoppen, von Zara nicht ernst genommen wurde, meldete Anna dies Frau Cairone, indem sie nach vorn zu der Lehrerin ging. Zara wurde nach vorn bestellt und ermahnt. Sie musste sich bei Anna entschuldigen und alle Anwesenden hörten Frau Cinege sagen: „Anna will deine Freundin sein.“ Dieses Beispiel wird mir von beiden Lehrpersonen der ersten Klasse zur Illustration des destruktiven Verhaltens von Zara erzählt.

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Kassis, M. (2019). „Schon wieder Zara!“ Differenzkonstruktionen im Schulalltag. In: Sieber Egger, A., Unterweger, G., Jäger, M., Kuhn, M., Hangartner, J. (eds) Kindheit(en) in formalen, nonformalen und informellen Bildungskontexten. Kinder, Kindheiten und Kindheitsforschung, vol 20. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23238-2_5

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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