Zusammenfassung
Auch wenn der Mechanismus des ß-Zerfalls auf der Ebene der Nukleonen (bzw. Quarks) im Prinzip verstanden ist, so bedarf es doch erheblicher Anstrengungen, um quantitativ befriedigende Beschreibungen der ß-Zerfallseigenschaften von Atomkernen anzugeben. Der Grund ist, daß der Kern ein komplexes Vielteilchensystem ist, in dem Restwechselwirkungen verschiedener Art zu kollektiven Anregungen führen können, die die Verteilung der Betastärke (Gl. (2.12) und (2.13) bzw. (2.117), (2.118)) als Punktion der Anregungsenergie im Tochterkern und damit die ß-Zerfallseigenschaften (s. Abb. 2.2) z.T. massiv beeinflussen. Die Verteilung der Betastärke bestimmt nicht nur die ß-Halbwertszeiten (s. Gl. (2.43)), die Raten für ß-verzögerte Neutronenemission (allgem. Teilchenemission) und Spaltung, sondern auch die Form der emittierten Elektronen- (Positronen-) bzw. (Anti-)Neutrinospektren. Die Berechenbarkeit all dieser Großen (d.h. letztlich der Betastärkeverteilung) ist andererseits von zentraler Bedeutung für zahlreiche Anwendungen in der Kernphysik und in Nachbardisziplinen wie Astrophysik und Kerntechnik. Als Beispiele nennen wir hier nur:
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für die Kernphysik: Die Bestimmung von Spaltbarrieren von Kernen aus ß-verzögerter Spaltung, das Verständnis der Produktion von Transuranen durch thermonukleare Anordnungen, die Berechnung des Elektron- bzw. Antineutrinospektrums in den Brennkammern von Kernreaktoren, das ja aus dem Betazerfall der ca. 1000 Spaltprodukte entsteht (wichtig für Neutrinooszillations-Experimente), die Berechnung von Matrixelementen des Doppel-Betazerfalls als Voraussetzung für Bestimmungen der Neutrinomasse aus gemessenen Zerfallsraten
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für die Astrophysik: Verständnis der Sternentwicklung, insbesondere des Gravitationskollapses schwerer Sterne und der Synthese der Elemente im r-Prozeß, Bestimmung des Alters der Galaxis aus den Kosmochronometern, Ansprechwahrscheinlichkeit des Gallium-Detektors (und anderer Detektoren) zum Nachweis solarer Neutrinos
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für die Reaktorphysik: Berechnung der bei Abschalten von Reaktoren durch den ß-Zerfall der Spaltprodukte freigesetzten Restwärme.
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© 1989 B. G. Teubner Stuttgart
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Klapdor, H.V., Grotz, K. (1989). Kernstruktur und Betazerfall. In: Die schwache Wechselwirkung in Kern-, Teilchen- und Astrophysik. Teubner Studienbücher Physik. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-84833-8_4
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Print ISBN: 978-3-519-03035-5
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