Zusammenfassung
In meinem hebräischen Buche über Spinoza habe ich versucht, die Stellung zu skizzieren, die der Philosoph gegen die Gemeinschaft, in der er geboren und gegen den Glauben, in dem er erzogen wurde, einnahm und einerseits die Gründe aufzuzeigen gesucht, die ihn zu dieser Stellungnahme ihr gegenüber führten, andererseits aber ihre Beziehung zu ihm. Niemand, der sich mit Spinozas Lebenswerk und seinem Briefwechsel beschäftigt, kann es entgehen, dass er seiner angestammten Religion vollständig fremd war, ebenso, dass er als Historiker ein so scharfer Gegner der jüdischen Tradition war, als seine edle Natur es überhaupt zuliess. Dieser Antagonismus hüllte sich niemals in das Gewand von Beleidigung, Satire oder scharfen Angriff, sondern, wie es dem Denker geziemt, in das von Argumenten. Aber in diesem Gewand richtete er so heftige Schläge gegen sie, dass, wenn sie aus zerbrechlichem Ton geformt gewesen, sehr bald zerschmettert worden wäre. Das meist gelesene und meist verbreitete seiner Werke, das wahrscheinlich mehr als irgend ein anderes — nicht die belehrendste, aber die sensationellste und umstrittenste Wirkung auslöste — sein Theologisch-Politischer Traktat — kann als eine Reihe direkter und indirekter Angriffe auf das traditionelle Judentum und eo ipso auf die jüdische Nation angesehen werden. In meinem Buche habe ich mich bemüht, diesen Wesenszug des Spinozismus zu erläutern, welchen ich nachdrücklichst, sowohl als Jude wie auch als Historiker bekämpfte. Ich konnte nicht die Tatsache verkleinern oder über sie hinweggehen, dass der ganze Traktat zu beweisen beabsichtigt, dass was dem mosaischen Gesetze zugrunde liegt, nicht ethisch, aber ganz einfach «eine Verfügung des Staates» war und dass der Israelite die Vorschriften seines Glaubens nicht als Mensch erfüllt, sondern nur als eine Eigentümlichkeit der jüdischen Gemeinschaft; dass aus diesem Grunde die Erfüllung dieser Pflichten vollständig unnütz in seiner ethischen Beziehung ist und nur insoweit einen Wert hat, als sie ihn von der übrigen Menschheit trennt und ihn in dieser seiner Eigentümlichkeit als Glied der jüdischen Gemeinschaft absondert. Die logische Folgerung dieser Theorie des retrospektiven Judenstaatlers, des radikalsten Judenstaatlers, den es jemals gab — ist die, die er von der Stellungnahme zieht, auf die ich mich berufen habe: «Dass weil diese Staatsform zugrunde gegangen ist, das Gesetz Moses keine weitere Existenzberechtigung hat, weil das Gesetz in seiner Gänze nur für die Gemeinschaft gedacht war und nicht für einen Staat in der Diaspora. Sie (die Juden) halten an ihm nur aus Trotz gegen die anderen Glaubensbekenntnisse fest». (C. 5).
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Sokolow, N. (1962). Der Jude Spinoza. In: Hessing, S. (eds) Spinoza. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-017-6639-5_20
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