Zusammenfassung
Es ist nicht leicht, die Einflüsse „des“ Philosophen, des Aristoteles, für die Systeme nach dem Zusammenbruch der aristotelischen Tradition am Beginn der Neuzeit in angemessener Weise festzustellen. Vor allem deshalb, weil sich mancher große Denker von Aristoteles absetzt, bei dem man im einzelnen häufige direkte und indirekte Bezüge auf ihn feststellen könnte. Entscheidend für die Ablehnung des Aristotelismus war die von der neuzeitlichen Naturwissenschaft her nahegelegte Aufgabe der „substanzialen Form“. Erschien doch insbesondere in dieser Hinsicht der Einfluß des Aristoteles als das „große Hindernis“ (Jan Patocka) für die neue Entwicklung. Im genaueren Sinn läßt sich die damit eingeführte Problematik als diejenige der Frage verstehen, ob es über die Wissenschaftstheorie der neuzeitlichen Naturwissenschaft hinaus eine Naturphilosophie im eigentlichen Wortsinn noch geben könne. Man meint heute vielfach, diese Frage leichthin abtun zu dürfen, obwohl doch z.B. ein so gewichtiger Zeuge wie Leibniz durchaus der Meinung war, daß trotz der von ihm anerkannten und gerühmten neuzeitlichen Physik in fundamentalphilosophischer Fragestellung weitere Probleme unvermeidbar sich stellen. Sah er sich doch aus derartigen Erwägungen veranlaßt, geradezu wider seinen Willen die substanzialen Formen zu „rehabilitieren“ und gegen die Zeitmeinung zu verteidigen, ist er doch überzeugt, daß ohne ein im Sinne der substanzialen Form gedachtes ontologisch relevantes Allgemeine „Substanz“ als wahrhafte Einheit (véritable unité) zum Unterschied von bloßen Aggregaten überhaupt nicht zu denken sei. Mag er mit seinen Argumenten sich in erster Linie gegen den Versuch Descartes gewendet haben, die Materie rein geometrisch zu bestimmen, so führt ihn doch seine Fragestellung über die neuzeitliche Problematik zurück bis zu Aristoteles und seine Bemühungen, die substanziale Einheit der physischen Erscheinungen (oúaía oc 8i d) gegen die zenonischen Aporien zu retten. Leibniz nennt bekanntlich dieses Problem dasjenige des „ersten Labyrinths der Philosophie“ (vgl. Heintel, Die beiden Labyrinthe der Philosophie, Band i, Einleitung u. r. Teil, 1968). Es läßt sich näher zeigen, daß Leibniz tatsächlich den Begriff der wahrhaften Einheit seiner Monade von der „Entelechie“ des Aristoteles her gewonnen hat. Andererseits freilich denkt Leibniz bei dieser wahrhaften Einheit der Monade auch an das „Ich“, das seit Descartes zum Problem erhobene Prinzip neuzeitlicher Transzendentalphilosophie. In ihrem Rahmen erfolgt gerade mit der bewußten Ausbildung der transzendentalen Methode durch Kant die philosophische Ausschaltung des Aristotelismus auf eine Weise, die Kant selbst freilich so manche Schwierigkeiten macht. Diese treten z.B. in der „zweiten Antinomie“ deutlich in Erscheinung und bestimmen auch seine Auffassung des „Naturzwecks“ als einer Annahme der nur „reflektierenden“ und nicht der „bestimmenden Urteilskraft“. Nach Kant aber treten schon mit den frühen Ansätzen einer Naturphilosophie bei Schelling die ontologischen Probleme im Sinne des Aristotelismus wiederum deutlich hervor und bestimmen in entscheidender Weise auch das, was bei Hegel „Begriff“ heißt. Diese Tatsache soll in den folgenden Ausführungen — freilich nur in einem bestimmten Aspekt — ausgeführt werden.
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Heintel, E. (1976). Aristotelismus und Transzendentalismus im „Begriff“ bei Hegel. In: Biemel, W. (eds) Die Welt des Menschen — Die Welt der Philosophie. Phaenomenologica, vol 72. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-017-4926-8_11
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