Zusammenfassung
Das Thema wird mit dem Beginn seiner Ausführung sogleich reflexiv: wer sich über das Sammeln äußert, ist zunächst auf die Tätigkeit des Sammelns selbst verwiesen. Wir brauchen zur Verfertigung von Gedanken und diskursiven Erkenntnissen eine Materialsammlung, eine Sammlung von Gesichtspunkten oder topoi. Diese werden dann geordnet und literarisch gestaltet. Wir tun also zunächst, wovon wir handeln: wir sammeln das Sammeln selbst in seinen verschiedenen Formen im Laufe der Geschichte — natürlich müssen die Jäger und Sammler notiert werden; und was den Menschen in der Urzeit nahelag, ist den Tieren nicht fremd — in der Wegwerfgesellschaft der natürlichen Natur gibt es das Phänomen des Sammelns für karge Zeiten, sei es, daß die Funde inkorporiert werden und den Körper für den Winter ausrüsten, sei es, daß die Körner und Nüsse oder der Honig als äußere Güter gehortet und gestapelt werden.
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Anmerkungen
So die Titelbegriffe des Buches von Ernest Gellner, Plough, Sword and Book. The Structure of Human History, London 1988. Zu dem aus dem indisch-iranischen Raum stammenden Dreier-Schema vgl. Brandt, Reinhard, D’Artagnan und die Urteilstafel. Ein Ordnungsprinzip der europäischen Kulturgeschichte, Wiesbaden 1991.
Hahn, Alois, Soziologie des Sammlers, in: Sammeln— Kulturtat oder Marotte (Trierer Beiträge XIV), hrsg. von N. Hinske und M.J. Müller, Trier 1984, S. 12–13 nennt vier Gesichtspunkte, nach denen Kulturgesellschaften gesammelt wird und gesammelt werden muß: Wir können also sagen, daß die Komplexität einer zukunftsoffenen Welt durch ihrerseits immer komplexer werdende Sammlungen von meist generalisierten Mitteln teilweise gebändigt wird; nämlich a) durch die Sammlung von konkreten Bedarfsdeckungsvorrätenchrw(133) b) durch die Sammlung von liquiden Tauschmittelnchrw(133) c) durch die Sammlung von Gewaltmitteln und Gefügsamkeitsbereitschaftenchrw(133) d) durch die Sammlung von Wissensvorrätenchrw(133) Es ist nicht ersichtlich, ob Hahn das Schema bewußt ist, nach dem er seine Sammlungen ordnet: Es ist die schon oben erwähnte Trias von Pflug, Schwert, Buch, der Dreischritt, nach dem gemäß einer indo-iranischen Tradition Gesellschaften entstehen und strukturiert werden. Die Punkte a) und b) unterscheiden sich nicht in der Sache, sondern in der From und bilden daher nur einen einzigen Gesichtspunkt, der sich auf die physische Reproduktionssphäre bezieht. Als Ordnung für das Sammeln eignet sich die Trias jedoch kaum, weil der Punkt c), die Waffenarsenale, nicht essentiell ist; in einer Bürgerwehr wie der athenischen Streitmacht bedarf es keiner Sammlung von, wie Hahn sie nennt, „Gewaltmitteln und Gefügsamkeitsbereitschaften“; außerdem fällt das Sammeln aus bloßer Lust am Sammeln aus dem am Staat orientierten Schema heraus.
Neruda, Pablo, Confieso que he vivido. Memorias, Buenos Aires 1974, S. 365.
Hahn, Alois 1984 (FN 2), S. 13.
Platon, Menon 81a-e.
Fragmente der Vorsokratiker (1956), I 180–181 (Heraklit fr. 129).
Vgl. weitere einschlägige Äußerungen Platons bei: Philodemus: On Methods of Inference, hrsg. von Ph.H. de Lacy und E.A. de Lacy, Philadelphia 1941, S. 124–126.
Vgl. u.a. Vlastos, Gregory, Platonic Studies, Princeton 1973, S. 106–107.
Ich folge in der Schriftenbenennung dem am Inhalt orientierten Titel von de Lacy 1941 (FN 7).
de Lacy 1941 (FN 7), S. 26.
Bacon, Francis, Novum Organon, Aphorismus 50: Itaque contemplatio fere desinit cum aspectu; adeo ut rerum invisibilium exigua auf nulla sit observatio, in: The Works, hrsg. von J. Spedding, R.L. Ellis, D.-D. Heath 1858, Nachdr. Stuttgart und Bad Cannstatt 1963, I, S. 168.
Für dies und das folgende vgl. Pérez-Ramos, Antonio, Francis Bacon’s Idea of Science, Oxford 1988, S. 239–269.
Zum Abweis der „inductio per enumerationem simplicem“, vgl. Bacon, Francis 1858 (bezw. 1963) (FN 11), Novum Organon, Aphorismus 105 (I, S. 205).
Nach der Vorstellung von Demokrit, fr. 117: In Wirklichkeit wissen wir nichts, denn in der Tiefe liegt die Wahrheit.
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Brandt, R. (1994). Das Sammeln der Erkenntnis. In: Grote, A. (eds) Macrocosmos in Microcosmo. Berliner Schriften zur Museumskunde, vol 10. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10698-2_1
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