Zusammenfassung
Fahren gründet auf Technik. Wer unterwegs sein will, muß sich meistens irgendwelcher technischer Artefakte bedienen. Fortschritte in der Art sich zu bewegen, waren und sind deshalb immer auch abhängig von technischen Fortschritten. Flugreisen gab es erst nach Erfindung des Flugzeuges, Flugreisen für Jedermann erst mit dessen Serienreife und virtuelle Aufenthalte im Cyberspace verdanken sich nicht nur dem Erfindergeist von Konrad Zuse, sondern genauso den tausend kleinen Gedankenblitzen von weniger bekannten Ingenieuren. Die Entwicklungsgeschichte des Fahrens ist deshalb gleichzeitig eine der Technisierung; mit einem doppelten Effekt: Einerseits macht immer umfassendere und komplexere Technik Mobilität bei wachsenden Reichweiten bequemer. Andererseits wirkt die mobilitätserschließende Technik immer indirekter. Unterwegssein hat demnach zwar den individuellen Vorteil der Bewältigung von Distanzen, führt aber kollektiv zu ungeplanten Veränderungen. Autos werden bspw. auch als Verursacher von Umweltbelastung und -zerstörung betrachtet. Auf die persönliche Mobilitätspraxis wirkt sich dieses Bewußtsein jedoch kaum aus (vgl. Tully/ Wahler 1996a; Tully 1998). Diese Diskrepanz speist sich aus dem Versprechen, auch die ökologischen Risiken durch Weiterentwicklung technischer Systeme beherrschen zu können. Gerade in jüngerer Zeit wurden Umweltprobleme in der Öffentlichkeit vorrangig als technisch lösbar behandelt.2
Dirk Baier (Universität Chemnitz) danke ich für die Durchsicht des Textes und die Unterstützung bei der Datenauswertung.
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Referenzen
Zu nennen wären Diskussionen um die Verwendung von neuen Materialien, sparsamen Motoren, Verkehrsleitsystemen, Verkehrstelematik.
Multimodalität meint den Wechsel zwischen verschiedenen Mobilitätsplattformen auf verschiedenen Wegen, z.B. zwischen Auto und Bus oder Fahrrad und zu Fuß gehen.
Mädchen schätzen entsprechend früheren Forschungen die Attribute: praktisch, sparsam, sicher; Jungs: rot, cool, power, hohe Wattzahl der Lautsprecher (vgl. Tully 1998: 166fß
Interessant an den soziologischen Sichtweisen ist allerdings, dass sie dem Auto als einem bestimmten Produkt der Technik einen exponierten Stellenwert einräumen. Das Auto ist ein ganz besonderes „hybrid social and technical system“ (Urry 2000: 59), ein „Tandem von Individualität und Moderne“ (Luhmann 1992: 23). Es ist zwar Teil eines umfassenden Verkehrssystems, hält aber gleichzeitig die Möglichkeit individueller Nutzungsweisen bereit (vgl. Canzler 1996: 48ff). Die Möglichkeiten der individuellen Ausgestaltung der Autonutzung sind Gegenstand dieses Artikels. Im Automobil treffen sich dann auch soziologische und psychologische Ansätze.
Ein weiteres zugehöriges psychologisches Konzept ist das der Kontrollüberzeugung (locus of control): Die Kontrollüberzeugung differenziert danach, ob Ergebnisse innerhalb oder außerhalb der persönlichen Kontrolle liegen „oder davon abhängen, was wir tun (interner locus of control)“ (Zimbardo 1992: 354). Personen mit hoher Kontrollüberzeugung haben ein größeres Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und neigen dazu, das Auto als zu kontrollierendes Objekt zu betrachten. Sie setzen es dann ein, um sich selbst zu Erlebnissen zu verhelfen. Vgl. auch Rotter (1975).
Technikinteresse und Technikskepsis wurden in repräsentativen Erhebungen bevorzugt über die Frage nach der Akzeptanz von Technik erhoben. In den 80er und 90er Jahren wurde in mehreren Studien der Frage nachgegangen, wie denn das Verhältnis der Jugendlichen zur Technik aussehe. Wegen eines, wie neuerdings wieder prognostizierten Ingenieurmangels ging es darum, Schüler und Schülerinnen für Technik und für das Studium technischer Fächer zu interessieren.
Diese Dichotomisierung basiert wahrscheinlich auf der Unterscheidung von „heißen“ und „kalten“ Medien durch McLuhan (1968; vgl. dazu auch Larsen 1993; Tully 2002).
In Frage eins ist nach der Verbindung von Technikverständnis und Autofahren gefragt. Hohe Zustimmung sollte dieses Item erhalten, wenn man einen kontrollierenden Technikzugang hat (s.u.). In Item drei hingegen kommt zum Ausdruck, daß man sich nicht mit der Technik en detail auskennen muß, sondern lediglich den Gebrauch beherrschen sollte. Technikinteresse ist dafür nur bedingt notwendig. Die Fragen eins und drei widersprechen sich also. Insgesamt kann man alle drei Items auch zu einer Skala „Technikinteresse“ (Frage 3 umcodiert) zusammen fassen (die Faktorenanalyse extrahiert einen Faktor; die Skala hat bei drei Items eine interne Reliabilität von alpha = .54). Diese Zusammenfassung geschieht an dieser Stelle jedoch nicht.
In Tabelle 4.1 sind neben dem Wortlaut der Items auch die dazugehörigen Mittelwerte abgebildet. Den beiden ersten Fragen wurde etwas seltener zugestimmt als der letzten Frage. Antworten unterhalb des theoretischen Mittelwertes bekunden eher ein geringeres Technikinteresse.
Durchgeführt wurde eine Clusterzentrenanalyse. Aufnahme fanden das Item „Wer etwas von Technik versteht, hat mehr Spaß am Autofahren“ (1-stimmt nicht, 5-stimmt sehr) und das Item „Das Auto ist ein reiner Gerbrauchsgegenstand“ (1-stimmt nicht, 5-stimmt sehr). Beide Items wurden z-standardisiert und es wurde entsprechend den theoretischen Vorhersagen und praktischen Überlegungen eine 4-Cluster-Lösung angestrebt.
Insgesamt können der „Interessierten“- und „Desinteressierten“-Gruppe nur 18 % der Befragten zugeordnet werden. Für „Desinteressierte“ spielt die Technik keinerlei Rolle im täglichen Leben. „Interessierte“ hingegen haben sowohl einen kontrollierenden, als auch einen gebrauchsorientierten Zugang zur Technik. Die beiden Dimensionen existieren also nicht unabhängig voneinander.
Der „Fahrzeuglosen“-Anteil schwankt für die verschiedenen Altersgruppen zwischen 1,9 % (26jährige) und 9,0 % (17jährige).
Anhand einer 5 Fragen umfassenden, 6-stufigen, reliablen Skala wurden die Befragten in drei Gruppen geteilt: Das Viertel mit den höchsten Werten auf der Skala sind die „UmweltbewuBten“, das Viertel mit den niedrigsten Werten die „Gleichgültigen“. Dazwischen befinden sich 50 % mit moderaten Einstellungen/Verhalten hinsichtlich ökologischer Belange.
Also im Hinblick auf das Inerfahrungbringen von Fahrtzeiten, Anschlüssen und Ticketpreisen der öffentlichen Nahverkehrsmittel.
Zu nennen wären hier u.a. GPS (Global Positioning System), Mobilitätsmanagment im Internet, P+R (park&ride) Systeme, computergestütze Parkraumbewirtschaftung, Elektronische Bevorrechtigung von ÖPNV etc.
Dennoch bleiben z.B. die Ostdeutschen geringer technikinteressiert, wenn man die Antworten gewichtet, d.h. künstlich repräsentativ macht. Auf die Option der Gewichtung wird aus Gründen mangelnder Transparenz dieses Vorgehens jedoch weitestgehend verzichtet.
D.h. es wurde nicht nach konkreter Technik gefragt. Es kann deshalb angenommen werden, daß die Jugendlichen bei ‚Technik‘ vorrangig an technische Gerätschaften in ihrer unmittelbaren Umwelt denken und in geringerem Maße an großtechnische Anlagen. Die Verbindung von Technik mit Fortschritt wurde höchstwahrscheinlich ebenfalls nicht aktiviert.
Beispielitems: „Autofahren bedeutet für mich Freiheit.“; „Ich finde, Bus- und Bahnfahren ist im Trend.“; „Zu Fuß gehen finde ich langweilig.“
Die erwähnten Einstellungsunterschiede sind sämtlich mindestens auf dem 5%-Niveau signifikant.
Dies ist kein Alterseffekt, da die Verteilung der Altersgruppen in etwa gleich ist; die Technikfans sind sogar tendenziell noch etwas jünger.
60 % der kontrollierenden Nutzer bezeichnen sich selbst als technikinteressiert, 80 % der instrumentellen Nutzer als Technikfeind bzw. Weder-Freund-noch-Feind.
Eine Erklärung für diese Widersprüchlichkeit könnte sein, daß Technikinteressierte öfter Schüler oder Auszubildende sind, die gemeinhin weniger notwendige Wege zu erledigen haben.
Durchgeführt wurde eine Clusterzentrenanalyse. Aufnahme fanden das Item „Ich interessiere mich für Technik“ (1-stimmt nicht, 5-stimmt sehr) und eine Skala zur Umweltorientierung (besteht aus 5 Items mit einer internen Reliabilität von Crombachs alpha .67; Bsp.: „Der Schutz der Umwelt spielt in meinem Verhalten eine große Rolle.“; 1-trifft überhaupt nicht zu, 6-triff voll und ganz zu). Beide Items wurden z-standardisiert und es wurde entsprechend den theore-tischen Vorhersagen und praktischer Überlegungen eine 4-Cluster-Lösung angestrebt.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2002 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Tully, C.J. (2002). Technik, Mobilität und Umwelt. In: Hunecke, M., Tully, C.J., Bäumer, D. (eds) Mobilität von Jugendlichen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01176-7_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-01176-7_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-3672-8
Online ISBN: 978-3-663-01176-7
eBook Packages: Springer Book Archive