Zusammenfassung
Der Beitrag versucht die Entwicklung der Sportpädagogik in den letzten Jahrzehnten unter dem Leitaspekt der Differenzierung moderner Gesellschaften zu entfalten. Unter Ausklammerung des Schulsports (vgl. dazu Kapitel „Sportdidaktik“) werden sportpädagogisch relevante Felder der Differenzierung (Gegenstand – Ambitionen – Adressaten – Erkenntnismethoden) auf einer grundlegenden Ebene beschrieben und mögliche Konsequenzen für die Entwicklung der Sportpädagogik diskutiert.
Dieser Beitrag ist Teil der Sektion Erziehung und Bildung im Sport, herausgegeben vom Teilherausgeber Michael Krüger, innerhalb des Handbuchs Sport und Sportwissenschaft, herausgegeben von Arne Güllich und Michael Krüger.
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Notes
- 1.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass jegliche Gesellschaftskonzeption eine Abstraktion der Realität notwendig beinhaltet. Auch in der „Multioptionsgesellschaft“ hat nicht jedes Mitglied beliebig viele Optionen, man denke nur an die oft so bezeichneten „Abgehängten“. Konzeptionen arbeiten in der Regel mit Fokussierungen, die manches in den Vordergrund rücken, anderes eher in den Hintergrund. Sie helfen aber beim Verständnis der Strukturen komplexer moderner Gesellschaften.
- 2.
Diese Diskussion der historisch-kulturellen Entwicklung von Gymnastik, Sport, Leibeserziehung, Körpererziehung etc. kann hier nicht geführt werden. Vgl. dazu z. B. Krüger 1993, wo die mit dem Wechsel der Semantik einhergehenden Änderungen der historisch-kulturellen Hintergründe differenziert zur Darstellung kommen.
- 3.
Selbstverständlich ist der Begriff „neu“ hier auch mit entsprechender Vorsicht zu betrachten. Tendenzen zu den skizzierten Entwicklungen finden sich auch schon in traditionellen Gewändern. „Neu“ ist aber die Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit, die diesen Entwicklungen aktuell zuteil wird.
- 4.
Zur Veranschaulichung finden sich bezogen auf das Feld des Schulsports für diese unterschiedlichen Zugänge auch konkrete Beispiele für Studien bei Thiele (2008).
- 5.
Gleichwohl finden sich auch in der Sportpädagogik Tendenzen, die den quantitativen Zugriff auf Bildungsprozesse und -produkte zu favorisieren, z. B. durch den Versuch der Entwicklung von Kompetenzmodellen für den Sportunterricht (vgl. z. B. Herrmann und Seelig 2017).
- 6.
Durchaus interessant ist dabei natürlich auch die Frage, wer als Absender solcher Anspruchsformulierungen fungiert und welche (unterschiedlichen) Zwecke damit verfolgt werden. Vgl. dazu auch Thiele (2000).
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Thiele, J. (2018). Sportpädagogik: Differenzierungsprozesse und aktuelle Entwicklungen. In: Güllich, A., Krüger, M. (eds) Sport in Kultur und Gesellschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53385-7_21-1
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