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Zur Legitimität der Dogmatik

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Handbuch Kritische Theorie

Part of the book series: Springer Reference Sozialwissenschaften ((SRS))

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Zusammenfassung

Die Dogmatik ist in Verruf geraten. Heute genügt es schon, eine Behauptung als dogmatisch zu charakterisieren, um die weitere Diskussion über ihren Wahrheitsgehalt abzubrechen. Ist das dogmatische Verfahren – vorläufig – dadurch zu bestimmen, daß nach ihm aus angenommenen, bloß behaupteten Sätzen Folgerungen gezogen und diese dann als Erkenntnis einer wie immer auch zu bestimmenden Wirklichkeit ausgegeben werden, so behauptet der Dogmatiker mehr zu wissen als er wissen kann. Das muß aber jeder Wissenschaftler auch tun. Er muß sogar mehr wissen als er als empirisches Subjekt aus Erfahrung wissen kann, um überhaupt einen Sachverhalt, der Gegenstand seiner Wissenschaft ist, objektivieren zu können, denn wollte er das zur Objektivierung des Sachverhalts vorauszusetzende Wissen nach irgendeinem Bestätigungsverfahren selbst überprüfen, so müßten dazu in den einigermaßen fortgeschrittenen Disziplinen immer schon objektivierte Sachverhalte in Gestalt von Instrumenten benutzt werden.

Der vorliegende Text ist eine Erstveröffentlichung aus dem Peter-Bulthaup-Archiv (www.peter-bulthaup-archiv.de). Die zu Grunde gelegten Materialien können in den Digitalen Sammlungen der digitalen Bibliothek der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek unter den Signaturen ‚Noviss. 455, MAP-015‘ und ‚Noviss. 455, RBL-082‘ online aufgerufen werden. Das Konvolut MAP-015 enthält sechs Stücke: UNT-026 enthält den ersten Entwurf (S. 5–15) sowie den Beginn der ersten Reinschrift (S. 1 f.). UNT-255 ist ein frühes Typoskript mit geringen handschriftlichen Korrekturen sowie dem handschriftlichen Vermerk „Bewerbung Frankfurt“ im Titel. UNT-028 ist das gleiche Typoskript mit einigen zusätzlichen Korrekturen, UNT-027 ist noch einmal das gleiche Typoskript, jedoch mit erheblichen weiteren Korrekturen. UNT-157 ist ein späteres Typoskript, in das vorangehende Korrekturen eingeflossen sind und das weitere enthält. Die erste handschriftliche Reinschrift, auf die alle Typoskripte zurückgehen dürften, findet sich in RBL-082, S. 27r-37v. Hierbei handelt es sich um einen Ringblock, der verschiedene weitere Vortragsmanuskripte enthält und auf dem Deckblatt u. a. den Vermerk trägt „Vortrag für Hearing in Frankfurt/Die Legitimität der Dogmatik“. UNT-254 schließlich ist das Deckblatt eines ursprünglich von Bulthaup angelegten Konvoluts und trägt den Vermerk „Thesen und Vorträge für Hearings in Bremen[,] Darmstadt[,] Frankfurt“. Die Anordnung des Textes in RBL-082 legt eine Datierung jedenfalls vor 1976 nahe. Da Bulthaup sich in Frankfurt vor 1976 mindestens fünf Mal beworben hat (danach noch mindestens drei weitere Male) und da die Korrespondenz nicht vollständig erhalten ist, fällt eine genauere Datierung schwer. Der vorliegenden Textfassung liegt das Typoskript UNT-157 zu Grunde. Im Unterschied zu allen früheren Fassungen fehlt hier der Untertitel „Zur Charakteristik des arbeitsteiligen Wissenschaftsprozesses. Auf der Grundlage der früheren Fassungen (und bei offensichtlichen Fehlern) erfolgten einige formale Korrekturen. Inhaltlich signifikante Varianten der Vorfassungen werden in Fußnoten angegeben, da UNT-157 zwar als Fassung letzter Hand zu betrachten ist, aber keine publizierte Fassung existiert. Vielmehr wurden die früheren Typoskripte öffentlich vorgetragen. Die Fußnoten sind sämtlich Herausgeberanmerkungen. Die angegebenen Varianten sind nicht auf philologische Vollständigkeit angelegt, sondern sollen lediglich Hilfsmittel sein, philosophische Hintergründe zu erkennen, die in der extrem komprimierten Darstellung des Typoskripts implizit geworden sind. Zudem stammt das Typoskript nicht von Bulthaup selbst, wurde lediglich durchgesehen, wobei offensichtlich Fehler unbemerkt blieben. Für eine genauere und modellhafte Analyse der hier vertretenen Thesen vgl. Peter Bulthaup, Zur gesellschaftlichen Funktion der Naturwissenschaften, Frankfurt am Main 1973 bzw. 2Lüneburg 1996. Editorische Bearbeitung: Michael Städtler.

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Notes

  1. 1.

    UNT-026 enthält hier eine Variante einer späteren Textpassage: „Da der Wissenschaftsprozeß, dessen Resultate in die weitere Forschung eingegangen sind, arbeitsteilig ist, wird das empirische Subjekt, das Wissenschaft treibt, systematisch überfordert, wenn ihm die Überprüfung der ihm durch die Wissenschaft schon vorgegebenen Bedingungen seines Tuns abverlangt werden [sic!]. Das für die jeweilige Forschung vorzugebende Wissen ist dem Wissenschaft treibenden Subjekt gegeben in Gestalt von dogmatischen Behauptungen über objektivierbare Sachverhalte, und die Versicherung der prinzipiellen Überprüfbarkeit dieser Sachverhalte ist ebenfalls nur dogmatisch behauptet, denn sie ist von dem einzelnen Wissenschaft treibenden Subjekt nicht einzulösen. Dogmatik ist die notwendige Erscheinungsform der Resultate jeder kollektiv und arbeitsteilig betriebenen Wissenschaft.“

  2. 2.

    UNT-026: „[durchgestrichen] Dazu ändert sich der Gegenstandsbereich selbst, wenn die der Untersuchung vorgegebenen Gegenstände zunehmend selbst schon Resultate des technischen Reproduktionsprozesses sind, in den schon von der Wissenschaft objektivierte Sachverhalte eingehen, eine Tendenz, die in der systematischen Produktion des Untersuchungsgegenstandes in der Hochenergiephysik terminiert.“

  3. 3.

    Alle früheren Fassungen: „- letzterer ist in dem der res extensa des Descartes vorgebildet -“.

  4. 4.

    In allen früheren Fassungen steht eine Parenthese, abgetrennt durch Kommata: „in der Chemie: die Reaktionen der Elemente miteinander“.

  5. 5.

    Alle früheren Fassungen: „Konfigurationsanalyse“.

  6. 6.

    UNT-026: „[über der Zeile] sondern nur behaupten“.

  7. 7.

    UNT-026: „analysierten“.

  8. 8.

    Alle früheren Fassungen enthalten in Parenthese: „etwa mathematische Texte, die nur aus einer Folge von Formeln und Gleichungen bestehen“.

  9. 9.

    Hier folgt in UNT-026 erneut die in Anmerkung 3 wiedergegebene Passage.

  10. 10.

    In allen früheren Fassungen steht statt „heidnischer Autoren“ in Parenthese: „z. B. heidnischer Autoren“.

  11. 11.

    Alle früheren Fassungen: „Hervorbringung“. Erst in UNT-157 wird dies handschriftlich geändert.

  12. 12.

    Alle früheren Fassungen: „des Wissenschaftsprozesses“.

  13. 13.

    UNT-026: „entstandenen“.

  14. 14.

    Alle früheren Fassungen: „ließe“. Es entspricht Adornos Stil, Aufsätze mit einer Kadenz im Konjunktiv enden zu lassen. Vermutlich hat Bulthaup diese Anlehnung hier ändern wollen, hat aber inkonsequent die übrigen Konjunktive des Satzes stehen lassen.

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Bulthaup, P. (2017). Zur Legitimität der Dogmatik. In: Bittlingmayer, U., Demirovic, A., Freytag, T. (eds) Handbuch Kritische Theorie. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12707-7_27-1

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  • Print ISBN: 978-3-658-12707-7

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