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Herbert Marcuses „Der eindimensionale Mensch“: Vorzeitiger Geheimnisverrat

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Book cover Handbuch Kritische Theorie

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Zusammenfassung

Herbert Marcuses Studie „Der eindimensionale Mensch“ markiert einen Epochensprung in der Geschichte der industriellen Zivilisation: die Geburt des Konsumismus. Der historische Moment des Entstehens der Überflussgesellschaft erzwingt eine Aktualisierung der Kategorien der Kritischen Theorie. Subjekt und Objekt der Befreiung sind neu zu denken, das Projekt der Kritik – sein Fundament und seine Ausrichtung, seine Praktiken und seine Ziele – neu zu verfassen.

Heute lässt sich die Studie als eine theoretische Antizipation von Verhältnissen lesen, die unsere Gegenwart als normal hinnimmt, während Marcuse sie im Augenblick ihres Erscheinens noch als skandalös wahrnehmen konnte. Die Tendenzen, die er beschreibt, haben nichts von ihrer Prägekraft verloren. Sie sind zu den historischen Apriori der globalen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts geworden.

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Notes

  1. 1.

    Marcuse, Herbert: Der eindimensionale Mensch, Neuwied/Berlin 1967. Alle im Text benannten Zitate folgen dieser Ausgabe.

  2. 2.

    Am Rande taucht er als ideengeschichtliche Reminiszenz eines anderen Kalten Krieges auf: vgl. Müller (2010).

  3. 3.

    Eine singuläre Ausnahme bildet die Studie von Tatjana Freytag (2008): Der unternommene Mensch. Freytag hält konsequent an einem kritischen Begriff von Eindimensionalität fest, indem sie ihn aktualisiert. Die Physiognomik von Eindimensionalität hat sich verändert, mit der Konsequenz, dass zeitgenössische Prozesse Eindimensionalität in einer neuen Kenntlichkeit entfalten. Zentral bleibt die „Erfahrung des Verlustes der Dimension des Negativen“ (S. 20), eine Diagnose, die für drei Felder exemplifiziert wird: in der marktkonformen Herrichtung des Sozialen, in der Entpolitisierung des Politischen und in der Standardisierung von Bildung. Die „Liquidierung der Kritik“ (S. 191) bringt ein individualisiert-isoliertes Subjekt hervor, das um so weniger in der Lage ist, sich selbst zu bestimmen, als es sich aus freien Stücken systemischen Imperativen unterwirft, die es als eigene verkennt.

  4. 4.

    Michel Foucault hat dies in seinen Vorlesungen zur Gouvernementalität von 1979 zum zentralen Thema gemacht: ders.: Geschichte der Gouvernementalität II. Die Geburt der Biopolitik, Frankfurt a. M. 2004, S. 300 ff.

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Brieler, U. (2016). Herbert Marcuses „Der eindimensionale Mensch“: Vorzeitiger Geheimnisverrat. In: Bittlingmayer, U., Demirovic, A., Freytag, T. (eds) Handbuch Kritische Theorie. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12707-7_18-1

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