Zusammenfassung
Die Digitalisierung hat in der Musikindustrie zu einer deutlichen Schwerpunktverlagerung von der phonografischen Industrie zu anderen Akteuren der Branche geführt. In einer historischen Betrachtungsweise wird aber deutlich, dass der Verkauf von Tonträgern immer nur eines unter einer größeren Zahl unterschiedlicher Geschäftsmodelle war. Diese werden in einem kurzen historischen Abriss vorgestellt und anhand aktueller Daten bewertet. Ergänzt wird die Darstellung durch zwei Exkurse, in denen Theorien zur Anpassungsfähigkeit der Musikindustrie an veränderte Umweltbedingungen und zum Verhältnis von Marktstrukturen und Angebotsvielfalt erläutert werden.
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Notes
- 1.
Bei Verlagen wie auch bei Konzertveranstaltern und einigen anderen Bereichen der Musikproduktion handelt es sich eigentlich um Dienstleistungsgewerbe und nicht um Industrien, da ihnen das Kennzeichen der Mechanisierung fehlt. Trotzdem werden sie als ein Teil der Musikindustrie betrachtet und als Industrie bezeichnet. Dies ist wohl auf die ungenaue Übersetzung des englischen Begriffs „industry“ zurückzuführen, mit dem im Englischen eine „Branche“ benannt wird.
- 2.
Das Musikfernsehen durchlief die Entwicklung genau in umgekehrter Richtung: Es begann als Promotionsplattform für die Tonträgerindustrie und ersetzte die Video-Clips immer mehr durch eigenproduzierten Content wie z. B. Shows oder Soaps (Gebesmair 2008, S. 167–172).
- 3.
Vor allem an den Streaming-Diensten wie Spotify und Apple Music wurde in letzter viel Kritik geübt, da die Geschäftsmodell sehr zum Nachteil der Musikerinnen und Musiker gestaltet sind (vgl. Ebbinghaus FAZ (2014) online 18.11.2014).
- 4.
Branchen- und Unternehmensanalysen leiden oft unter dem methodischen Problem, das als „sampling on the dependent variable“ bekannt ist. Eigenschaften von besonders erfolgreichen oder (wie in unserem Fall) besonders erfolglosen Unternehmen werden herangezogen, um den Erfolg bzw. Misserfolg zu erklären – nicht bedenkend, dass auch die anderen (in unserem Fall erfolgreichere) Firmen die gleichen Eigenschaften haben.
- 5.
Daneben gibt es auch noch ein paar Hybridformen wie z. B. den Download-Abonnement-Dienst eMusic, der seinen Abonnenten eine beschränkte Zahl an Downloads im Monat ermöglicht.
- 6.
Zurecht weisen Connolly und Krueger (2006, S. 670–675) darauf hin, dass sich aus der Perspektive der Kreativen der Musikmarkt immer schon anders dargestellt hat. Diese generierten den Hauptanteil ihrer Einnahmen in der Regel durch Liveauftritte. Dies soll aber nicht zu dem populären Schluss verleiten, dass der Verkauf von Aufnahmen für die Musikerinnen und Musiker irrelevant sei und daher von den illegalen Filesharing-Plattformen keine Bedrohung ausginge (siehe oben).
- 7.
In Deutschland und Österreich wurde der Onlinedistribution durch die Schaffung eines neuen Verwertungsrechts Rechnung getragen. In § 19a des deutschen Urheberrechtsgesetzes ist nun auch das Recht der drahtgebundenen oder drahtlosen öffentlichen Zugänglichmachung explizit als ausschließliches Recht der Urheber geregelt. In Österreich wird dieses Recht in § 18a als „öffentliche Zurverfügungstellung“ bezeichnet.
- 8.
Ausgenommen sind die so genannten „großen Rechte“, das sind die Aufführungsrechte musikdramatischer Werke, die nach wie vor von den Verlagen an die großen Bühnen lizenziert werden.
- 9.
Diese Zahl lässt sich mit den für die USA genannten Umsätzen der Verlage nur bedingt vergleichen, da darin erstens die Ausschüttung an die Schwestergesellschaften im Ausland und damit auch an die Verlage in den USA, zweitens die Tantiemen nicht nur für die Urheberrechte im engeren Sinn, sondern auch für die so genannten Leistungsschutzrechte der Interpreten und Produzenten und drittens auch die pauschale Vergütung für Privatkopien (unter dem historischen Begriff der „Leerkassettenabgabe“ bekannt) beinhaltet ist. Das Urheberechtssystem in den USA weicht in einigen Bereichen von dem kontinentaleuropäischen ab, worauf hier im Detail nicht eingegangen werden kann. Im Unterschied zu Deutschland stehen in den USA mehrere Gesellschaften in Konkurrenz zueinander, namentlich ASCAP, BMI und SESAC, die ausschließlich die Verwertung der Aufführungs- und Senderechte („performance licensing“) wahrnehmen. Die mechanischen Rechte werden von der Harry Fox Agency wahrgenommen.
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