Zusammenfassung
Der Dichterin Margarete von Navarra, die offensichtlich das Hepta méron mit seinem Tagesrhythmus von zehn Geschichten in die Tradition Boccaccios stellte, zum Trotz möchte man sagen, daß ihre Erzählungen dem Vorbild umso ferner stehen, je schöner sie sind. Weder die redelustige Gesellschaft des Rahmens, die devisants (Zergliederer), noch die Liebeslegenden, an denen die Damen und Herren sich erbauen, gleichen den Geschichten Boccaccios, auch wenn dort der Aufbau so ähnlich wie bei Margarete von Navarra aussieht. Vergleicht man ihre Sammlung (1558/1559) mit der gleichzeitigen Bandellos (1554–1573), so zeigt sich — und dies sei als Beweis für die Intensität der Wirkung Boccaccios auch zweihundert Jahre nach der Entstehung seines Werkes vermerkt —, daß Bandello, obgleich er nachweislich auch Stoffe der Margarete von Navarra übernommen hat, [1] in der Struktur seiner Erzählungen der Ursprungsform der Gattung noch ganz verpflichtet ist. Die nonnen haften Damen der Margarete von Navarra aber haben, so scheint es, mit den liebestollen Handwerksfrauen, Bürgerinnen und Edelfrauen Boccaccios nichts gemein — nur daß sich die späteren Figuren dann doch auf die früheren beziehen, indem sie nämlich werden, was sie sind, gerade weil sie nicht sein wollen wie diese.
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Anmerkungen
Loretto di Francia: Alla scoperta del vero Bandello. Giornale storico della letteratura italiana 78 (1921). S. 291–324; 80 (1922). S. 1–94; 81 (1923). S. 1–17.
Vergleiche dazu Walter Pabst: Novellentheorie und Novellendichtung. Heidelberg 1967 und Hans-Jörg Neuschäfer: Boccaccio und der Beginn der Novelle. Strukturen der Kurzerzählung auf der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit. München 1969.
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Schlaffer, H. (1993). Margarete von Navarra: Das novellistische Ereignis als gesellschaftlicher Skandal. In: Poetik der Novelle. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03505-9_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03505-9_4
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00957-9
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